Leitlinie zu Keramikimplantaten vorgestellt

 

Die Deutsche Gesellschaft für Implantologie (DGI) hat am 15. Februar in einer Pressekonferenz die weltweit erste Leitlinie zu Keramikimplantaten vorgestellt.

In den vergangenen Jahren sind verstärkt Keramikimplantate in den Fokus gerückt, die unter Implantologen teils heftig geführte Debatten um Nutzen und Risiken der neuen Produkte ausgelöst haben. Zusätzlich angefacht werden die Debatten vom Narrativ der „metallfreien Versorgung“, das – über Internetangebote und soziale Medien getriggert – kritische Patientengruppen erreicht. Der Wunsch von Patienten nach „metallfreier Versorgung“ mit Keramikimplantaten löst in den Praxen regelmäßig einen erhöhten Aufklärungsbedarf aus, denn im Unterschied zum Einsatz langjährig bewährter Titanimplantate ist die vorliegende Evidenz zu Keramikimplantaten noch weitgehend überschaubar und Zahnärzte und MKG-Chirurgen müssen über die Risiken der Behandlung aufklären. Die DGI hat vor diesem Hintergrund die Initiative ergriffen und nun die weltweit erste Leitlinie zum Thema „Keramikimplantate“ vorgestellt.

Ein Problem bei der Bewertung der Evidenz zu Keramikimplantaten seien die im Verlaufe der Zeit geänderten materialseitigen Zusammensetzungen der verwendeten Keramik gewesen, erklärte PD Dr. Dr. Daniel Thiem (Mainz), federführender Autor der Leitlinie. Im Unterschied zu Implantaten aus Titan hängen die wesentlichen Eigenschaften der Keramikimplantate von den individuellen Produktionsverfahren der Hersteller und der Art und Menge beigefügter chemischer Zusatzstoffe ab. Ein mit dem chemischen Element Yttrium stabilisiertes Zirkoniumdioxid ist aufgrund seiner besonderen mechanischen Eigenschaften mittlerweile die am häufigsten verwendete Variante. Die jüngste Generation von Keramikimplantaten enthält zusätzlich geringe Mengen von Aluminiumoxid, um die Biegefestigkeit zu erhöhen. Nicht minder bedeutsam ist jedoch auch der Herstellungsprozess. „Die Expertise des Herstellers spielt bei Keramikimplantaten eine große Rolle”, betonen die Fachleute der DGI.

Fehlende Langzeitdaten

Bislang noch fehlende Langzeitdaten aus Studien sind das größte Problem, wenn Expertinnen und Experten die Qualität und Stabilität von Keramikimplantaten einschätzen wollen. Weiterentwickelte Produktionsverfahren, Nachfolgemodelle mit veränderter Zusammensetzung der Materialien und der Produktionsstopp für die in Studien verwendeten Implantattypen, die durch neue Modelle ersetzt wurden, verzögern den Erkenntnisgewinn.

„Trotz vielversprechender Materialeigenschaften scheint die Entwicklung noch leistungsfähigerer Keramiken nicht abgeschlossen”, schreiben die Autorinnen und Autoren der Leitlinie. Denn optimierte Herstellungsverfahren und Methoden, um die Implantate etwa mit mikrorauen Oberflächen zu versehen, haben beispielsweise einen entscheidenden Einfluss auf deren Langzeitstabilität.

Erschwerte Bedingungen für die Leitlinien-Entwicklung

So erfreulich die kontinuierliche Weiterentwicklung der Implantatsysteme einerseits ist, so problematisch ist sie für die Leitlinienarbeit. Das erste Statement der Fachleute in der neuen Leitlinie lautet darum: „Die Langzeitstabilität von Keramikimplantaten auf Zirkoniumdioxidbasis über fünf Jahre hinaus kann aufgrund fehlender klinisch-prospektiver Langzeitstudiendaten noch nicht abschließend beurteilt werden.”

Das zweite Statement liefert dafür die Begründung: „Die Materialzusammensetzung ist – wie auch die jeweilige Werkstückqualität – herstellerabhängig und somit multivariat. Dynamische Werkstoffmodernisierungen und Designänderungen führen häufig zu ersetzenden Produktnovellierungen, was den Wert existierender Studiendaten reduziert.”

Durchwachsene Ergebnisse

Präklinische und klinische Studien weisen auf ein ähnliches Verhalten bei der Osseointegration von Keramik- und Titanimplantaten hin (Statement 3). Aufgrund der Studienlage ist jedoch eine evidenzbasierte Aussage bezüglich der Plaqueakkumulation und des Periimplantitis-Risikos bei der Behandlung mit Keramikimplantaten nicht möglich (Statement 4).

Trotz aller Schwierigkeiten betonen die Fachleute in ihrer ersten von zwei Empfehlungen, dass kommerziell erhältliche einteilige Keramikimplantate auf Zirkoniumdioxidbasis, deren Erfolgs- und Überlebensraten in wissenschaftlichen Studien positiv bewertet wurden, ein valides und einsatzreifes Therapieverfahren sind und als alternative Therapieoption empfohlen werden können.

Zu den noch „jungen“ zweiteiligen Keramikimplantaten haben die Expertinnen und Experten ihre zweite Empfehlung formuliert: „Kommerziell erhältliche zweiteilige Keramikimplantate auf Zirkoniumdioxidbasis scheinen eine Therapieoption zum Ersatz fehlender Zähne zu sein. Eine abschließende Beurteilung ist jedoch aufgrund der niedrigen Evidenzlage aus klinischen Studien nicht möglich.”

Besondere Aufklärung bei zweiteiligen Keramikimplantaten erforderlich

Vor dem Hintergrund der Bewertung in der Leitlinie betonen die Fachleute, dass im Gespräch mit Patientinnen und Patienten eine besondere Aufklärung nötig sei, bei der die Therapie mit zweiteiligen Keramikimplantaten – im Vergleich zu jener mit Titanimplantaten – erläutert und dabei auf die Problematik der bislang fehlenden Langzeitdaten verwiesen wird.