KI ermittelt, welche Patienten am meisten von einer Therapie profitieren werden
Ob und wie können Krebspatienten von einer Therapie profitieren, die in einer klinischen Studie getestet wird? Antworten auf diese Frage hat ein US-Forschungsteam nun mithilfe einer neuen KI-Anwendung, dem „TrialTranslator“, gesucht – und wohl auch gefunden.
Wie die Emory University in Atlanta (US-Bundesstaat Georgia) mitteilt, ist der auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierende „TrialTranslator“ in der Lage, die Ergebnisse von randomisierten kontrollierten klinischen Studien (RCTs) auf reale Patientengruppen zu „übersetzen“. Dadurch sei es möglich, den zu erwartenden Nutzen neuer Therapien für Patienten abzuschätzen und fundierte Behandlungsentscheidungen zu treffen. Die Arbeit zeige das enorme Potenzial, das in der Nutzung von Künstlicher Intelligenz und Maschinellem Lernen stecke, um „die Macht der reichhaltigen, aber komplexen realen Daten zu nutzen und die Präzisionsmedizin bestmöglich voranzutreiben“.
„Wir hoffen, dass diese KI-Plattform Ärzten und Patienten dabei helfen wird, zu entscheiden, ob die Ergebnisse einer klinischen Studie auf einzelne Patienten übertragbar sind“, wird Studienleiter Ravi B. Parikh, Professor für Hämatologie und Onkologie an der Emory University, zitiert. Zudem könne die Anwendung helfen, Patienten-Untergruppen zu identifizieren, bei denen neue Therapien nicht wirken, und so vielleicht neue klinische Studien für diese Gruppen anregen. Die Arbeit von Parikh und Kollegen wurde nun im Magazin „Nature Medicine“ veröffentlicht.
Problem: begrenzte Verallgemeinerbarkeit von Studienergebnissen
Ein großes Problem von randomisierten kontrollierten klinischen Studien zur Bewertung von Krebsmedikamenten ist nach Ansicht des Onkologen deren begrenzte Verallgemeinerbarkeit. Auch sorgfältig konzipierte Studien könnten nicht alle realen Patienten mit einer bestimmten Krebsart repräsentieren. Selbst wenn eine klinische Studie zeige, dass eine neue Behandlungsstrategie bessere Ergebnisse erzielt als die Standardbehandlung, „gibt es viele Patienten, bei denen die neue Behandlung nicht funktioniert“, so Parikh.
Methodik: KI vs. Standard bei NSCL, Brust-, Prostata- und Darmkrebs
Abhilfe soll nun der „TrialTranslator“ schaffen: Das System „zur systematischen Bewertung der Verallgemeinerbarkeit von RCTs für onkologische Therapien“ nutzt in einem ersten Schritt seine Intelligenz zur Risikostratifizierung von Krebspatienten. Anhand der so gewonnenen prognostischen Daten simuliert es dann wie es diesen Patienten in bereits bekannten (und komplett ausgewerteten) Studien ergangen wäre. In ihrer Arbeit haben Parikh und Kollegen das KI-System auf insgesamt 11 wegweisende RCTs angewendet, in denen Krebstherapien untersucht worden waren, die inzwischen als Standardtherapien für die vier häufigsten fortgeschrittenen soliden Malignome gelten: für das fortgeschrittene nichtkleinzellige Lungenkarzinom (NSCL) und für metastasierenden Brust-, Prostata- und Darmkrebs. Grundlage der Berechnungen war eine landesweite US-Datenbank mit elektronischen Gesundheitsdaten aus etwa 280 Kliniken.
Ergebnis: reale Hochrisiko-Patienten profitieren weniger
Dabei zeigte sich, dass Krebspatienten mit einem niedrigem und mittlerem Risiko (basierend auf KI generierten Prognose-Merkmalen) ähnliche Überlebenszeiten und Überlebensvorteile aufweisen wie in den Studien beobachtet worden war. Bei Patienten mit Hochrisiko-Krebsphänotypen fielen die Überlebenszeiten und behandlungsbedingten Vorteile jedoch deutlich geringer aus als in den Studien. Dies zeige, heißt es weiter, dass „Patienten in der realen Welt wahrscheinlich heterogenere Prognosen haben als Teilnehmer an randomisierten kontrollierten Studien.“
Fazit & Ausblick: „Flut von KI-basierten Biomarkern“
Als Konsequenz empfehlen Parikh und Kollegen, dass prospektive Studien „anspruchsvollere Methoden zur Bewertung der Prognose der Patienten bei Studienbeginn in Betracht ziehen sollten, anstatt sich ausschließlich auf strenge Zulassungskriterien zu verlassen“. Gemäß den Empfehlungen der American Society of Clinical Oncology sollten Anstrengungen unternommen werden, um Hochrisiko-Untergruppen in RCTs besser zu berücksichtigen.
Zur zukünftigen Rolle von Künstlicher Intelligenz in Studien wird Studienleiter Parikh wie folgt zitiert: „Bald wird es bei entsprechender Aufsicht und Evidenz eine zunehmende Flut von KI-basierten Biomarkern geben, die Pathologie-, Radiologie- oder elektronische Gesundheitsdaten analysieren können, um vorherzusagen, ob Patienten auf bestimmte Therapien ansprechen oder nicht, um Krebserkrankungen früher zu diagnostizieren oder um bessere Prognosen für unsere Patienten zu erreichen.“
09.01.2025, 13:50, Autor/-in: ap