Tattoos und Melanomrisiko – eine unerwartete Beziehung

Tattoos gelten wegen ihrer Inhaltsstoffe oft als potenziell krebserregend. Doch eine große Studie aus Utah zeigt: Mehr Tattoos könnten mit einem geringeren Melanomrisiko einhergehen. Welche biologischen und verhaltensbezogenen Faktoren dahinterstehen, überrascht selbst Experten.

Tätowierungen sind heute allgegenwärtig: Fast ein Drittel aller Erwachsenen in den USA trägt mindestens eine. Mit den Farben gelangen jedoch potenziell krebserregende Stoffe wie Metalle, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und aromatische Amine in die Haut. Diese Substanzen können sich in Lymphknoten anreichern und photochemisch toxische Verbindungen bilden. Lange wurde daher vermutet, dass Tattoos das Melanomrisiko erhöhen – doch systematische epidemiologische Untersuchungen fehlten bislang nahezu vollständig.

Studiendesign und Datengrundlage

Eine Forschergruppe der University of Utah führte erstmals eine bevölkerungsbasierte Fall-Kontroll-Studie zu Tattoos und Melanominzidenz durch. Eingeschlossen waren 1.167 Melanomfälle und 5.835 demografisch angepasste Kontrollen aus dem Utah Behavioral Risk Factor Surveillance System. Die Teilnehmenden beantworteten standardisierte Fragen zur Zahl und Größe ihrer Tattoos sowie zum Alter bei der ersten Tätowierung. Utah wurde bewusst gewählt, da der Bundesstaat die höchste Melanominzidenz der USA aufweist und sich die Tätowierungsprävalenz zwischen den Geschlechtern deutlich unterscheidet.

Überraschend: Mehr Tattoos, geringeres Risiko

Die Ergebnisse widersprachen gängigen Annahmen: Personen mit vier oder mehr Tattoo-Sitzungen oder mindestens drei großen Tattoos hatten ein signifikant niedrigeres Risiko für invasives und in-situ-Melanom als Nicht-Tätowierte. Ein einziges Tattoo hingegen war mit einem leicht erhöhten Risiko assoziiert, insbesondere bei Frauen. Männer profitierten stärker von mehreren Tattoos als Frauen, während frühe Tätowierungen vor dem 20. Lebensjahr bei beiden Geschlechtern tendenziell schützend wirkten. Eine Lokalisation der Tumoren direkt in tätowierten Arealen fand sich kaum.

Mögliche biologische Mechanismen

Die Autorinnen und Autoren vermuten, dass immunologische Faktoren eine Rolle spielen könnten. Tätowierungen lösen lokale Entzündungsreaktionen aus, die möglicherweise eine verbesserte Immunüberwachung präkanzeröser Zellen bewirken. Alternativ könnte dunkle Tätowierfarbe UV-Strahlung absorbieren und somit die karzinogene Belastung der Haut senken. Tierexperimente stützen diese Hypothese: Schwarze Tinte reduzierte bei Mäusen die UV-induzierte Tumorentwicklung.

Einfluss von Lebensstil und Sonnenexposition

Gleichzeitig wiesen tätowierte Melanompatienten häufiger riskante UV-Verhaltensweisen auf, etwa häufige Nutzung von Solarien oder Sonnenbrände. Frühere Studien zeigten allerdings, dass stark tätowierte Personen auch konsequenter Sonnenschutzmittel mit höherem Lichtschutzfaktor verwenden. Diese widersprüchlichen Verhaltensmuster könnten die beobachteten Assoziationen beeinflusst haben, lassen sich jedoch aufgrund fehlender Kontrollvariablen nicht abschließend bewerten. Unbekannte Einflussgrößen wie genetische Prädisposition, Hauttyp oder familiäre Vorbelastung blieben in der Studie unberücksichtigt.

Bedeutung und Ausblick

Ob Tattoos tatsächlich einen schützenden Effekt gegenüber Melanomen entfalten, bleibt offen – doch die Daten stellen bisherige Annahmen infrage. Ungeachtet methodischer Limitationen wie fehlender Kontrollvariablen liefert die Studie erstmals robuste populationsbasierte Hinweise auf komplexe Zusammenhänge zwischen Tätowierungen, Immunsystem und UV-Exposition. Künftige Forschungen sollten detaillierte Daten zu Sonnenverhalten, Pigmentdichte und Tattoo-Lokalisation erfassen, um die biologischen Mechanismen zu entschlüsseln. Fest steht: Tattoos sind längst nicht nur ein kulturelles Phänomen, sondern möglicherweise ein unerwarteter Schlüssel in der Hautkrebsforschung.