Rechtstipp Februar 2013 Haftung einer gesetzlichen Krankenkasse für falsche Leistungszusagen ihrer Mitarbeiter
Haftung einer gesetzlichen Krankenkasse für falsche Leistungszusagen ihrer Mitarbeiter
Mit Urteil vom 18.12.2012 hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden, dass eine gesetzliche Krankenversicherung in Bezug auf falsche Angaben eines Mitarbeiters zum Leistungsumfang im Wege der sogenannten Amtshaftung schadensersatzpflichtig ist.
Zwar liegt der Entscheidung ein Sachverhalt aus dem ärztlichen Bereich zugrunde (naturheilkundliche Behandlung einer Krebserkrankung), die rechtliche Argumentation des Gerichts ist jedoch gleichermaßen für den zahnärztlichen Bereich heranzuziehen.
Beratung von Versicherten muss richtig, klar, unmissverständlich, eindeutig und vollständig sein
Das OLG Karlsruhe stellt dabei fest, dass es sich gemäß § 4 Abs. 1 SGB V bei der beklagten Krankenkasse um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt, deren Tätigkeit als öffentliche Sozialversicherung hoheitlicher Leistungsverwaltung zuzuordnen ist. Bei Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben im Bereich der GKV obliege ihr bzw. ihren zuständigen Amtsträgern die Verpflichtung zu gesetzeskonformem Verwaltungshandeln.
Gemäß § 14 SGB I seien die Sozialleistungsträger dabei zu einer zutreffenden Beratung der Versicherten über die Rechte und Pflichten in der gesetzlichen Krankenversicherung verpflichtet. Mithin müssten Auskünfte und Belehrungen grundsätzlich richtig, klar, unmissverständlich, eindeutig und vollständig erteilt werden.
Der Mitarbeiter der beklagten Krankenkasse habe nach Ansicht des Gerichts die ihm obliegende Amtspflicht zur zutreffenden Beratung über den Umfang der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung im konkreten Fall verletzt. Den Einwand der Beklagten, dass das Vertrauen der Klägerin auf die Richtigkeit der ihr erteilten Auskünfte nicht schutzwürdig gewesen sei, lehnte das Gericht ab.
Vorliegen einer Verlässlichkeitsgrundlage
Dabei führt es aus, dass der Bürger grundsätzlich von der „Rechtmäßigkeit der Verwaltung“ ausgehen dürfe. Richtig sei, dass es bei der Haftung wegen falscher Auskünfte auch darauf ankomme, ob das nach Erhalt der Auskunft entfaltete Vertrauen schutzwürdig sei, weshalb zunächst festgestellt werden müsse, ob die konkrete Auskunft überhaupt geeignet war, eine Vertrauens-/Verlässlichkeitsgrundlage für Investitionen zu bilden. Eine solche müsse dann verneint werden, wenn der Empfänger die Unrichtigkeit der Auskunft kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Im vorliegenden Fall könne der Klägerin jedoch kein diesbezüglicher Vorwurf gemacht werden.
Komplexität des Sozialversicherungsrechts
Das OLG Karlsruhe begründet seine Entscheidung u.a. damit, dass aufgrund der Komplexität des Sozialversicherungsrechts und der Verzahnung der gesetzlichen Krankenversicherung mit anderen Sozialversicherungsbereichen (Pflege, Rentenrecht, Sozialhilfe) nicht davon ausgegangen werden könne, dass in der Öffentlichkeit der Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung auch in den Details in der Weise bekannt ist, dass sich die Unrichtigkeit der Auskünfte des Mitarbeiters der beklagten Krankenkasse der Klägerin hätten aufdrängen müssen.
Zudem habe sich die Klägerin auch telefonisch bei besagtem Mitarbeiter erkundigt, ob die Leistung von der Beklagten übernommen werde, der sie zudem in einem Fall auf eine Zusatzversicherung verwiesen hat, sodass angesichts dieses auf den individuellen Einzelfall abstellenden Vorgehens Zweifel der Klägerin an der Richtigkeit der Auskünfte des Zeugen nicht aufkommen mussten.
Mündliche Beratung muss nicht schriftlich bestätigt werden
Der Umstand, dass die Klägerin keine schriftliche Zusage hinsichtlich des Leistungsumfanges erhalten habe, sei dabei für die Schutzwürdigkeit ihres Vertrauens ebenfalls nicht relevant, da der Gesetzgeber bei Schaffung der Beratungspflicht nach § 14 SGB I ganz bewusst von einer Verpflichtung zur schriftlichen Bestätigung der mündlichen Beratung abgesehen habe. Die lediglich mündliche Beratung entspreche daher der Gesetzeslage, sodass das Fehlen einer schriftlichen Auskunft zum Leistungsumfang die Verlässlichkeitsgrundlage nicht in Frage stelle.
Nachdem die Kostenerstattung bis 2008 beanstandungslos funktionierte, musste die Klägerin auch aus dem Fehlen von Abrechnungsunterlagen keine die Verlässlichkeit der Auskünfte des Mitarbeiters in Frage stellenden Schlüsse ziehen. Bei Auftreten der ersten Zahlungsverzögerungen habe er die Klägerin sowie weitere seiner Kunden aus dem Bekannten- und Familienkreis der Klägerin jeweils vertröstet und plausibel erscheinende Erklärungen dafür angeboten (Systemumstellung, Fehlbuchung, Fortbildung, Einstellung neuer Sachbearbeiter), sodass die Klägerin auch in Anbetracht dieser Umstände nicht an der Richtigkeit seiner Auskunft zweifeln musste.
Bei dieser Sachlage könne somit nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin den Angaben des Mitarbeiters der beklagten Krankenkasse blind vertraute und sich besseren Erkenntnismöglichkeiten geradezu verschlossen hat.
Medizinische Notwendigkeit unerheblich
Darüber hinaus stellte das Gericht klar, dass die Erstattungspflicht auch nicht davon abhängig sei, ob es sich um medizinisch notwendige Kosten gehandelt habe. Unter dem Gesichtspunkt des Schutzzwecks der Norm sei der Schaden zu ersetzen, zu dessen Verhinderung die verletzte Amtspflicht dient. Die Klägerin könne daher die Erstattung der Kosten verlangen, die ihr entstanden sind, weil sie nicht zutreffend über den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung informiert worden war und daher nicht erstattungsfähige Leistungen in Anspruch genommen hat. Gerade die Beratungspflicht nach § 14 SGB I solle Nachteilen des Versicherten vorbeugen, die ihm dadurch entstehen können, dass er sich in Unkenntnis der Leistungen des Sozialleistungsträgers befindet.
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