BGH: Eine ordnungsgemäße Aufklärung vor einem Eingriff kann nur mündlich erfolgen

Urteil vom 05.11.2024

Eine ordnungsgemäße Aufklärung über die Risiken medizinischer Eingriffe darf nicht allein schriftlich erfolgen. Ärzte sind verpflichtet, Patienten mündlich aufzuklären, denn ein vertrauensvolles Aufklärungsgespräch zwischen Arzt und Patient soll immer auch die Möglichkeit für Rückfragen ermöglichen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil vom 05.11.2024 klargestellt (Az.: VI ZR 188/23).

Die Richter verweisen in ihrem Urteil zunächst darauf, dass eine wirksame Einwilligung des Patienten dessen ordnungsgemäße Aufklärung nach § 630d Abs. 2 BGB voraussetze. Dabei müssten die in Betracht kommenden Risiken nicht exakt medizinisch beschrieben werden. Es genüge vielmehr, den Patienten „im Großen und Ganzen“ über Chancen und Risiken der Behandlung aufzuklären und ihm dadurch eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren zu vermitteln, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern.

Ordnungsgemäße Aufklärung kann nur mündlich erfolgen

Zu den Modalitäten der Aufklärung bestimme § 630e Abs. 2 BGB, dass die Aufklärung mündlich zu erfolgen habe und ergänzend auf Unterlagen Bezug genommen werden könne, die der Patient in Textform erhalte. Nach den Gesetzgebungsmaterialien solle dem Patienten die Möglichkeit eröffnet werden, in einem persönlichen Gespräch mit dem Behandelnden gegebenenfalls auch Rückfragen zu stellen, so dass die Aufklärung nicht auf einen lediglich formalen Merkposten innerhalb eines Aufklärungsbogens reduziert werde. Das schließe die ergänzende Verwendung von Merkblättern nicht aus, in denen die notwendigen Informationen zu dem Eingriff einschließlich seiner Risiken schriftlich festgehalten seien.

Aufklärung bedarf grundsätzlich des vertrauensvollen Gesprächs zwischen Arzt und Patienten

Die mündlich gebotene Vermittlung der Chancen und Risiken der Behandlung „im Großen und Ganzen“ und damit einer allgemeinen Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren verlange, dass diese Gefahren auch im Gespräch genannt werden. Lediglich ergänzend, das heißt zur Wiederholung des Gesagten (als Gedächtnisstütze), zur bildlichen Darstellung und zur Verbesserung des Verständnisses des mündlich Erläuterten und zur Vermittlung vertiefender Informationen, die hilfreich, für das Verständnis der Risiken aber nicht unbedingt notwendig seien, könne (müsse aber nicht) auf Informationen in Textform Bezug genommen werden.

Entgegen der Vorstellung des Berufungsgerichts entstehe das Gesamtbild der gebotenen Aufklärung nicht durch eine Zusammenfügung eines mündlichen und schriftlichen Teils, sondern es müsse jedenfalls der für die selbstbestimmte Entscheidung notwendige Inhalt mündlich mitgeteilt werden. Nur so bestehe für den Patienten die ausreichende Gelegenheit für (Rück)fragen im Gespräch und für den Arzt die Möglichkeit, Verständnisprobleme, Fehlvorstellungen, aber auch Ängste zu erkennen und auf sie unmittelbar und individuell zu reagieren. Daran fehle es, wenn – was zu unterstellen sei – das Risiko der Nervenschädigung lediglich im Aufklärungsbogen, aber nicht im Gespräch genannt werde.

Von Angelika Enderle, erstellt am 19.02.2025, zuletzt aktualisiert am 19.02.2025

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