Hörgeräte senken nicht per se das Demenzrisiko

Studien legen nahe, dass Hörverlust ein wesentlicher Risikofaktor ist und möglicherweise bis zu acht Prozent der Demenzfälle beeinflussen könnte, heißt es in einer aktuellen Studie aus Frankreich. Doch sind Hörgeräte tatsächlich ein verlässlicher Weg, um dieses Risiko zu senken?

 

Bisherige Untersuchungen waren oft begrenzt: Sie stützten sich häufig auf subjektive Hörmessungen, beschränkten sich auf eine Altersgruppe oder betrachteten nur eine Dimension der Kognition. Die vorliegende Studie von Grenier et al. setzt nun an, diese Lücken zu schließen und untersuchte, wie sich objektiv gemessener Hörverlust und der Gebrauch von Hörgeräten auf mehrere kognitive Dimensionen bei Erwachsenen im mittleren Alter auswirkten.

Studiendesign

Die Analyse basiere auf Daten der CONSTANCES-Kohorte, einer repräsentativen Stichprobe französischer Erwachsener im Alter zwischen 45 bis 69 Jahren, die zwischen 2012 und 2020 erhoben wurden, erklären die Autoren eingangs. Die Teilnehmenden absolvierten vorab umfassende Hörtests und kognitive Assessments in insgesamt 21 Gesundheitszentren in Frankreich.

Als Hauptkriterium für den Hörverlust zogen die Forschenden den durchschnittlichen Hörschwellenwert (Pure Tone Average) heran, wobei sie den Hörverlust als mild (über 20 dB) oder schwer (über 35 dB) klassifizierten. Zusätzlich erfasste die Studie den Gebrauch von Hörgeräten, wobei die Teilnehmenden danach eingeteilt wurden, ob sie Hörgeräte nutzten oder nicht. Die kognitiven Leistungen evaluierten die Forschenden anhand standardisierter Tests, die verschiedene Bereiche wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Exekutivfunktionen abdeckten, heißt es weiter.

Zusammenhang zwischen Hörverlust und kognitiver Beeinträchtigung

Von den insgesamt 62.072 Teilnehmern litten etwa 38 Prozent an mildem und 10 Prozent an schwerem Hörverlust. Die weitere Analyse ergab zudem, dass Personen mit mildem Hörverlust ein um 10 Prozent höheres Risiko für kognitive Beeinträchtigungen hatten, während das Risiko bei schwerem Hörverlust um bis zu 24 Prozent höher war. Das Risiko kognitiver Beeinträchtigungen stieg demnach proportional mit dem Grad der Höreinschränkungen. Die betroffenen Teilnehmenden hatten oft auch andere Risikofaktoren wie ein höheres Lebensalter, ein geringeres Bildungsniveau und eine niedrigere soziale Stellung, berichten die Autoren.

Hörgeräte und deren Einfluss auf die Kognition

Ein zentrales Ziel der Studie war die Untersuchung zum Nutzen von Hörgeräten auf den Erhalt der kognitiven Fähigkeiten. „Hier zeigte sich jedoch, dass die Nutzung von Hörgeräten das Risiko einer kognitiven Beeinträchtigung nicht signifikant verringerte. Teilnehmende mit Hörgeräten wiesen nach unseren Ergebnissen zu urteilen ähnliche Raten an kognitiven Beeinträchtigungen auf wie Personen mit schwerem Hörverlust, die keine Hörgeräte verwendeten“, fassen die Studienautoren kurz zusammen.

Eine Ausnahme bildeten diejenigen Teilnehmenden mit Depressionen: Bei ihnen fanden die Forschenden einen leicht positiven Effekt, denn das Risiko kognitiver Beeinträchtigungen wurde durch das Tragen eines Hörgerätes um etwa 38 Prozent verringert. Dies könnte darauf hindeuten, dass Hörgeräte bei depressiven Menschen, die möglicherweise anfälliger für soziale Isolation und kognitive Beeinträchtigungen sind, eine unterstützende Rolle spielen, beurteilen die Autoren.

Empfehlungen für die Praxis

Die Studie zeige deutlich, dass Menschen mit Hörverlust ein erhöhtes Risiko für kognitive Beeinträchtigungen haben. Daher könnte es aus Sicht der Autoren nach gegenwärtigem Kenntnisstand sinnvoll sein, die kognitiven Funktionen von betroffenen Personen regelmäßig zu überwachen, insbesondere dann, wenn weitere Risikofaktoren wie Depressionen vorliegen.

Es werde jedoch überdies betont, dass Hörgeräte bislang keinen nachweislichen Effekt auf das kognitive Demenzrisiko hätten und ihre Verschreibung daher primär auf die Verbesserung der Lebensqualität und der sozialen Integration abziele, heißt es zum Abschluss.

 

Originalpublikation: Grenier B et al., Hearing Loss, Hearing Aids, and Cognition. JAMA Netw Open 2024; 7(10): e2436723