LG Offenburg: Zulässigkeit der Bezeichnung „Zahnzentrum“ – wann ist eine Zahnarztpraxis ein Zentrum?
Urteil vom 12.06.2024
Darf eine Zahnarztpraxis sich selbst als „Zahnzentrum“ bezeichnen? Oder erweckt eine solche Bezeichnung bei Patienten den falschen Eindruck, es handle sich um eine besonders große oder gar die führende Einrichtung in der Region?
Mit genau dieser Frage hat sich das Landgericht (LG) Offenburg mit Urteil vom 12.06.2024 (Az.: 5 O 25/23 KfH) befasst und kam zu dem Ergebniss, dass eine Zahnarztpraxis sich dann als „Zahnzentrum“ bezeichnen darf, wenn sie überdurchschnittliche Leistungen anbietet und damit eine besondere Stellung im Versorgungsbereich einnimmt – unabhängig von ihrer Größe.
Der Fall: Spezialisierte Praxis wird zur Zielscheibe
Ein Zahnarztehepaar betreibt gemeinsam eine Praxis, die unter dem Namen „Zahnzentrum K.tal“ firmiert. Die Praxis bietet ein breites zahnmedizinisches Leistungsspektrum an – insbesondere auch in den Bereichen Oralchirurgie und Kieferorthopädie, für die regelmäßig Patienten von anderen Zahnarztpraxen überwiesen werden. Für chirurgische Eingriffe wird ein externer Anästhesist hinzugezogen. Auch die technische Ausstattung der Praxis liegt laut unbestrittenem Vortrag deutlich über dem Durchschnitt.
Eine Zahnärztin aus der Region sah darin eine irreführende Werbung und klagte. Ihrer Ansicht nach werde durch die Bezeichnung „Zahnzentrum“ suggeriert, dass es sich um die einzige oder führende Praxishandle. Dies verstoße gegen das Wettbewerbsrecht (§ 5 UWG)sowie gegen die zahnärztliche Berufsordnung (§ 21 Abs. 1 BO). Sie verlangte, dass die Bezeichnung künftig unterlassen wird – und forderte außerdem die Erstattung ihrer Anwaltskosten.
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Landgericht Offenburg wies die Klage vollumfänglich ab. Die Richter führten aus, dass die Bezeichnung „Zahnzentrum“ nicht irreführend sei, da die Praxis tatsächlich eine zentrale Rolle in der zahnärztlichen Versorgungeinnehme:
- Fachliche Spezialisierung: Die Praxis bietet spezialisierte Leistungen in der Oralchirurgie und Kieferorthopädie an, die von anderen Praxen nicht vorgehalten werden.
- Überdurchschnittliche Ausstattung: Die Praxis ist technisch besonders ausgestattet und kann auch anspruchsvolle Behandlungen durchführen.
- Regelmäßige Überweisungen: Die gezielte Zuweisung von Patienten durch andere Zahnärzte zeigt, dass die Praxis eine Art „Versorgungszentrum“ für bestimmte Leistungen darstellt.
Wichtig ist: Das Gericht knüpft den Begriff „Zentrum“ nicht an eine bestimmte Praxisgröße (z. B. Zahl der Behandler oder Räume). Maßgeblich ist vielmehr, ob die Praxis durch ihr Angebot und ihre Funktion im Versorgungsumfeld eine herausgehobene Stellung einnimmt. Diese Sichtweise steht im Einklang mit der neueren Rechtsprechung und mit gesetzlichen Entwicklungen: Seit der Reform von § 95 SGB V muss ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) nicht mehr eine bestimmte Anzahl an Ärzten beschäftigen. Auch eine Praxis mit zwei Behandlern kann ein MVZ sein. Daraus folgt – so das Gericht –, dass auch im allgemeinen Sprachgebrauch der Begriff „Zentrum“ nicht mehr zwingend an Größe gekoppelt sein kann.
Juradent-ID: 4830