Neuartige Antibiotika
„Überraschende Entdeckung“: Antisense-PNA hemmt Tumor-assoziierte Bakterien
Fusobakterien gehören zur Mundflora. Und sie stehen im Verdacht, das Wachstum von Krebs zu fördern. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung entdeckte nun unerwarteterweise eine Verbindung, die das Wachstum von fünf Fusobakterienarten zuverlässig stoppt. Die Ergebnisse wurden in „mBio“, dem Fachmagazin der Amerikanischen Gesellschaft für Mikrobiologie, veröffentlicht.
„Fusobakterien fanden lange Zeit wenig Beachtung – und das trotz ihrer klinischen Bedeutung“, wird Studienleiter Jörg Vogel (Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung, Würzburg) in einer Mitteilung des Instituts zitiert. Fusobakterien besiedelten viele Bereiche des Körpers: Neben der Mundhöhle seien sie insbesondere auch in Tumorgewebe zu finden, beispielsweise bei Speiseröhren-, Darm- und Brustkrebs. Dort stehen sie in Verdacht, das Tumorwachstum sowie die Metastasenbildung zu fördern.
Gezielt wirkende Antibiotika
Ein Ziel seiner Arbeitsgruppe sei es, Strategien zu untersuchen, die diese Mikroben in Karzinomen gezielt beseitigen können. Zwar seien auch herkömmliche Antibiotika in der Lage, die Verbreitung von Fusobakterien zu hemmen und das Tumorwachstum zu verlangsamen, doch könne ihr Einsatz unerwünschte Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Probleme hervorrufen. Gezielte Behandlungsmethoden sollen dies vermeiden.
Peptidnukleinsäuren: neue Generation antibakterieller Wirkstoffe
Bei der Suche nach einem zielgenauen Wirkstoff konzentrierte sie sich das Team um Vogel auf Peptidnukleinsäure (PNA). Dabei handelt es sich um künstlich hergestellte Moleküle, die der DNA oder der RNA ähneln. Im Gegensatz zu natürlichen Nukleinsäuren besteht das Rückgrat von PNAs jedoch nicht aus Zucker- und Phosphatgruppen, sondern aus einer proteinartigen Struktur. Diese Struktur, die kurzen Proteinketten (Peptiden) ähnelt, verleihe den PNAs eine außergewöhnliche Stabilität. „Die Basen entsprechen denen in DNA, was es den PNAs ermöglicht, Transkripte gezielt anzusteuern. Als sogenannte Antisense-Moleküle binden PNAs an die komplementäre Boten-RNA (mRNA) eines Zielgens und blockieren deren Funktion. Auf diese Weise unterbinden sie die Produktion lebenswichtiger Proteine. Diese gezielte Wirkungsweise positioniert PNAs als potentielle Vertreter einer neuen Generation antibakterieller Wirkstoffe“, so das Helmholtz-Institut.
Ergebnis: Eine „überraschende Entdeckung“
Die von den Forschenden bei den Versuchen eingeschleusten Antisense-Moleküle konnten das Bakterienwachstum jedoch nicht wie angenommen hemmen. Stattdessen gelang eine „unerwartete Entdeckung“: Die Kontrollverbindung FUS79, die nicht auf ein bestimmtes Transkript abzielte, zeigte eine starke Wirkung gegen fünf Fusobakterienstämme, ohne andere getestete Bakterienarten zu beeinflussen! „Das Ergebnis war überraschend, da die Verbindung nicht auf die für Antisense-Nukleinsäureketten erwartete Weise agiert, sondern einen neuen Mechanismus aufweist“, wird Valentina Cosi, Erstautorin der Studie und Doktorandin im Labor von Jörg Vogel, zitiert. „Dieser scheint über Membranstress zu wirken, indem er die Struktur der Zellmembran destabilisiert oder ihre Funktion beeinträchtigt, was jedoch noch genauer untersucht werden muss.“
Fazit: Grundlage für neuartige Antisense-Therapeutika
„Die Studie liefert eine Grundlage für die Entwicklung von Antisense-Therapeutika gegen F. nucleatum und zeigt, dass diese Verbindung eine neue Strategie für gezieltere Antibiotika bieten könnte“, so das Fazit der Forschenden. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen nun dazu beitragen, Forschung auf diesem Gebiet zu beschleunigen und zukünftig die Heilungschancen bei verschiedenen Krebsarten zu verbessern.
Originalpublikation:
Cosi V, Jung J, Popella L, Ponath F, Ghosh C, Barquist L, Vogel J (2025) An antisense oligomer conjugate with unpredicted bactericidal activity against Fusobacterium nucleatum. mBio, DOI: 10.1128/mbio.00524-25 https://doi.org/10.1128/mbio.00524-25