Rechtstipp 08/24: Verstoß gegen Strahlenschutzbestimmungen kann zu Betriebsverbot von Röntgeneinrichtungen führen
VG Schleswig-Holstein: Verstoß gegen Strahlenschutzbestimmungen kann zu Betriebsverbot von Röntgeneinrichtungen führen
Urteil vom 14.02.2023
Mit Urteil vom 14.02.2023 (Az.: 6 B 3/23) stellt das Verwaltungsgericht (VG) Schleswig-Holstein fest, dass Verstöße eines Strahlenschutzverantwortlichen gegen Strahlenschutzbestimmungen über einen langen Zeitraum, Bedenken gegen dessen Zuverlässigkeit begründen können und auch die Untersagung des Betriebs der Röntgeneinrichtungen durch die zuständige Behörde rechtfertigen kann.
Hintergrund:
Ein Zahnarzt wandte sich gegen einen Bescheid der Aufsichtsbehörde, mit dem ihm der Betrieb einer Röntgeneinrichtung für die Dauer von fünf Jahren untersagt wurde. Für den Fall, dass er der Anordnung nicht nachkommt, wurde ihm eine Ersatzvornahme in Höhe von 1.061,96 Euro angedroht.
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Gericht stellt fest, dass nach summarischer Prüfung des Bescheides sich die darin getroffene Anordnung als rechtmäßig erweist. Die Rechtsgrundlage für die Untersagung des Betreibens von Röntgeneinrichtungen stellt § 20 Abs. 3 Nr. 2 und 5 Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) dar. Hiernach kann die zuständige Behörde den Betrieb einer Röntgeneinrichtung untersagen,
- wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der zur Anzeige verpflichteten Person ergeben oder
- gegen die Vorschriften des StrlSchG oder
- auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen oder
- gegen die hierauf beruhenden Anordnungen und Verfügungen der Aufsichtsbehörden erheblich oder wiederholt verstoßen wird und nicht in angemessener Zeit Abhilfe geschaffen wird.
Die zuständige Behörde habe zurecht Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Antragstellers angenommen. Zuverlässig sei, wer die Gewähr dafür biete, bei seiner Tätigkeit die für ihn geltenden Bestimmungen einzuhalten, wobei sich die Anforderungen an die Zuverlässigkeit aus dem konkreten Tätigkeitsfeld ergebe.
Unzuverlässigkeit des Strahlenschutzverantwortlichen
Im Bereich des Strahlenschutzes, der dem Schutz des Menschen und der menschlichen Gesundheit (§ 1 Abs. 1 StrlSchG) und damit hochrangigen Rechtsgütern diene, seien hohe Maßstäbe anzusetzen. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Tatbestand eine Untersagung bereits beim Vorliegen von Tatsachen ermögliche, aus denen sich Bedenken betreffend die Zuverlässigkeit ergeben. Insofern müsse die Unzuverlässigkeit nicht feststehen, sondern es genüge eine geringe Wahrscheinlichkeit in Form von Bedenken.
Die Zuschreibung von Bedenken der Zuverlässigkeit bzw. einer Unzuverlässigkeit stellt auch keine Sanktion von Verstößen dar. Vielmehr sei sie eine Prognose, die sich insbesondere bei einer Vielzahl von Fehlverhalten in der Vergangenheit dahingehend auswirken könne, dass auch in der Zukunft damit zu rechnen sei, dass weitere Verstöße gegen Vorschriften zu besorgen seien.
Dies treffe auf den Antragsteller (Zahnarzt) zu. Die Verstöße reichten über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren zurück und belegten aufgrund der Dauer und der Häufigkeit eine Tendenz, die weit über ein punktuelles Fehlverhalten hinausgehe. Beispielhaft sei der Antragsteller Vorlageverpflichtungen nach § 130 Abs. 6 StrlSchV trotz mehrmaliger Aufforderungen nicht vollumfänglich nachgekommen. Bußgelder im Zusammenhang mit Verstößen aus der Röntgenverordnung (RöV) seien verhängt worden. Gegen den Antragsteller seien mehrfach Zwangsgelder festgesetzt worden, weil er behördlichen Aufforderungen nicht nachgekommen sei. Ein Röntgengerät des Antragstellers sei bereits zwangsweise stillgelegt worden. Sofern nunmehr Unterlagen nachgereicht worden sind, ändere dies nichts daran, dass Tatsachen vorliegen, die zu Bedenken der Zuverlässigkeit führen. Eine generelle Verhaltensänderung, die eine positive Zukunftsprognose stützen könnte, sei hierin nicht erkennbar.
Anordnung dient dem Zweck des Strahlenschutzes
Es seien zudem keine Ermessensfehler der zuständigen Behörden bei ihrer Entscheidung erkennbar und auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung genüge den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO.
Die Anordnung diene dem Zweck des Strahlenschutzgesetzes, Menschen vor unnötiger Strahlenbelastung zu schützen. Durch mangelnde (zeitnahe) Kontrolle der Röntgengeräte könne dies nicht gewährleistet werden. Die Untersagung sei damit auch nicht vollkommen ungeeignet, dieses Ziel zu fördern. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel sei nicht erkennbar. Insbesondere hätten Buß- und Zwangsgelder in der Vergangenheit nicht zum gewünschten Erfolg geführt. Auch die zwangsweise Stilllegung eines Röntgengerätes habe keine Auswirkungen auf das Verhalten des Antragstellers gehabt. Aufgrund dessen sei die Anordnung auch im engeren Sinne verhältnismäßig. Der Antragsgegner habe über Jahre hinweg Fehlverhalten des Antragstellers dokumentiert, bevor er nunmehr die Untersagung als weiteres Mittel zum Schutz der Patienten angeordnet habe.
Der Vortrag des Antragstellers, dass es durch die Auslagerung der Praxisverwaltung während der Pandemie in das Homeoffice der zuständigen Mitarbeiterin zu einem Bearbeitungsstau auch von Anfragen des Antragsgegners gekommen sei und diese bereits vor Erlass der Verfügung beseitigt wurden, mag zutreffen. Aber auch eine solche Säumnis zeige, dass der Antragsteller nicht sicherstellen könne, seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen.
Auch der Einwand, dass er eine von zwei Zahnarztpraxen in der Gemeinde A-Stadt betreibe und die Patienten daher auf ihn angewiesen seien, rechtfertige nicht, dass er weiter mit Röntgengeräten arbeiten dürfe, obwohl Bedenken hinsichtlich seiner Zuverlässigkeit bestehen. Ziel der Anordnung sei gerade der Schutz der Patienten.
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