Rechtstipp 09/2025: Approbationswiderruf wegen Abrechnungsbetrugs – Wann darf wieder behandelt werden?

OVG Sachsen-Anhalt: Approbationswiderruf wegen Abrechnungsbetrugs – Wann darf wieder behandelt werden?

Urteil vom 19.02.2024

Der Widerruf der Approbation gilt gemeinhin als endgültiger Schlusspunkt einer ärztlichen Laufbahn. Doch ein Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Sachsen-Anhalt vom 19.02.2024 (Az.: 1 M 5/24) zeigt: Auch nach einer Verurteilung wegen Abrechnungsbetrugs und dem Verlust der Approbation ist ein (begrenzter) Wiedereinstieg in den Beruf nicht ausgeschlossen – zumindest unter bestimmten Voraussetzungen.

Der Fall: Approbationsverlust nach Betrug – und doch weiterbehandelt

Eine Zahnärztin aus Sachsen-Anhalt war 2017 rechtskräftig wegen Abrechnungsbetrugs in 38 Fällen verurteilt worden. Die Taten stammten aus den Jahren 2006 bis 2010 und führten zu einem Schaden von rund 130.000 Euro. Das Gericht verhängte eine Bewährungsstrafe von 10 Monaten.

Erst 2020, also Jahre nach dem Strafverfahren, widerrief die Approbationsbehörde (AB) die Approbation der Zahnärztin wegen Unwürdigkeit zur Berufsausübung. Da der Widerruf im laufenden Klageverfahren nicht sofort wirksam wurde, durfte sie bis Ende 2023 weiter praktizieren. Im Verfahren einigten sich die Zahnärztin und die Behörde schließlich auf einen Approbationsverzicht zum Jahresende 2023 – im Hinblick auf einen geplanten Ruhestand.

Doch kurz vor dem Wirksamwerden des Verzichts änderte die Zahnärztin ihre Pläne und beantragte sowohl eine Wiedererteilung der Approbation als auch – vorsorglich – eine auf zwei Jahre befristete Berufserlaubnis nach § 7a ZHG. Die AB lehnte beides ab bzw. äußerte sich zur Berufserlaubnis nicht. Daraufhin zog die Zahnärztin vor Gericht – mit Erfolg.

Die Entscheidung: Zwei Jahre Berufserlaubnis trotz Vorverurteilung

Das OVG Sachsen-Anhalt verpflichtete die Behörde, eine zweijährige Berufserlaubnis zu erteilen. Die Richter betonten in ihrer Begründung:

► Der Approbationswiderruf ist keine Strafe, sondern dient allein dem Schutz des öffentlichen Vertrauens in die Integrität des Berufsstandes.

► Die vorübergehende Berufserlaubnis nach § 7a ZHG sei vom Gesetzgeber als Brücke gedacht, um den Betroffenen eine Chance zur Rehabilitierung zu geben.

► Eine Wiederaufnahme der Berufstätigkeit sei möglich, wenn sich die persönliche und berufliche Situation nach dem Fehlverhalten nachweislich gebessert habe.

Im konkreten Fall sprach aus Sicht des Gerichts vieles für eine positive Prognose:

  • Die letzte einschlägige Tat lag über 13 Jahre zurück.
  • Die Zahnärztin hatte den verursachten Schaden vollständig ersetzt.
  • Sie hatte sich über einen langen Zeitraum beanstandungsfrei im Beruf bewährt.

Daher sei es unangemessen, die Berufsausübung weiterhin zu verhindern – zumal der Approbationsverzicht mit dem Ziel eines Ruhestands erklärt worden war, dieser jedoch dann nicht eingetreten sei. Ein „bestrafendes“ Zuwarten sei mit der Funktion des § 7a ZHG nicht vereinbar.

Fazit für die Praxis

Diese Entscheidung des OVG Sachsen-Anhalt schafft wichtige Klarheit für den Umgang mit ehemaligen Approbationsinhabern, die nach gravierendem Fehlverhalten zurück in den Beruf wollen:

  • Die Gerichte prüfen differenziert, ob trotz früherer Unwürdigkeit heute wieder Vertrauen gerechtfertigt ist.
  • Dabei zählen vor allem Zeit, Reue, Schadensausgleich und beanstandungsfreies Verhalten.
  • Eine Wiederaufnahme der Tätigkeit ist möglich, aber nur unter strengen Auflagen – etwa zunächst über eine befristete Berufserlaubnis.

 

Für Zahnärztinnen und Zahnärzte zeigt sich: Auch bei schwerem Fehlverhalten ist nicht in jedem Fall eine lebenslange berufliche Disqualifikation die Folge. Aber der Weg zurück ist lang – und nur über gelebte Integrität zu erreichen.