Rechtstipp 10/2025: OLG Köln: Abgrenzung von Dienst- und Werkvertrag im zahnärztlichen Behandlungsrecht

Urteil vom 28.05.2025

Das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom 28.05.2025 (Az.: 5 U 109/24) zeigt, wie streng die Anforderungen an den Nachweis eines Behandlungsfehlers im zahnärztlichen Bereich sind.

Der Fall:

Eine Patientin befand sich von 2019 bis 2022 in einer Zahnarztpraxis in Behandlung. Es wurde eine umfassende Sanierung mit Implantaten, Brücken und Kronen durchgeführt. Im Oberkiefer wurden alle Zähne miteinander verblockt, im Unterkiefer erhielt ein wurzelbehandelter Zahn eine Brücke. Die Patientin klagte später über Abplatzungen, Sprachprobleme, Schmerzen und mangelnde Hygienefähigkeit.

Nachdem der Praxisinhaber ihr eine Teilrückzahlung von 10.000 Euro auf das Honorar geleistet hatte, setzte sie die Behandlung bei einem anderen Zahnarzt fort. Dort musste die bestehende Versorgung zum Teil entfernt und erneuert werden.

Die Klage:

Die Patientin verlangte Schmerzensgeld und Schadensersatz für die erneute Versorgung des Ober- und Unterkiefers, insgesamt über 15.000 Euro.

Sie hielt die Verblockung, die Materialwahl (Zirkon) und die Einbeziehung des gelockerten Zahns 44 für fehlerhaft. Außerdem sei ihr durch die Abplatzungen an den Kronen ein Schaden entstanden.

Entscheidung des Berufungsgerichts

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil und wies die Berufung zurück.

1. Kein Behandlungsfehler

  • Verblockung im Oberkiefer: Die Verblockung sei nach Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen medizinisch erforderlich gewesen, um die Kaubelastung bei parodontal geschädigtem Gebiss zu verteilen. Eine alternative Gestaltung mit Einzelkronen sei nicht angezeigt gewesen.
  • Materialwahl Zirkon: Der Einsatz von Zirkon sei fachgerecht und ästhetisch sinnvoll gewesen. Zwar sei das Material spröde und anfällig für Abplatzungen, diese Risiken seien aber bekannt und vertretbar.
  • Pfeilerzahn 44: Eine Lockerung dieses Zahns im Behandlungszeitpunkt konnte nicht nachgewiesen werden. Später aufgetretene Lockerungen erklärte der Sachverständige mit Bruxismus der Patientin.
  • Abplatzungen an der Keramik: Diese seien nicht auf Fehler des Zahnarztes oder Zahntechnikers zurückzuführen, sondern auf patientenspezifische Faktoren oder materialimmanente Eigenschaften.

2. Keine Ansprüche aus werkvertraglicher Gewährleistung

Das Gericht stellte klar, dass der zahnärztliche Behandlungsvertrag grundsätzlich ein Dienstvertrag nach §§ 611, 630a BGB ist.

  • Ein Dienstvertrag verpflichtet den Zahnarzt zur fachgerechten Behandlung, nicht aber zum Eintritt eines bestimmten Erfolges. Deshalb besteht auch kein Anspruch auf kostenfreie Nachbesserung, wenn das Behandlungsergebnis nicht den Vorstellungen des Patienten entspricht.
  • Werkvertragliche Gewährleistungsansprüche (§§ 633 ff. BGB) kommen nur insoweit in Betracht, als der Zahnarzt auch die technische Herstellung des Zahnersatzes schuldet. In diesem Bereich kann er für zahnlabortechnische Verarbeitungsfehler haften.
  • Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige jedoch keine handwerklichen Fehler der Zahntechnik festgestellt. Die Abplatzungen an der Keramik stellten keinen „Mangel“ im werkvertraglichen Sinn dar, sondern ergaben sich aus patientenbedingten Faktoren.

3. Kein Schmerzensgeld, keine Feststellungshaftung

Da weder Behandlungsfehler noch zahntechnische Verarbeitungsfehler vorlagen, bestanden weder Ansprüche auf Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 BGB) noch auf Schadensersatz. Auch der Feststellungsantrag hinsichtlich zukünftiger Schäden blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Einordnung

Das Urteil verdeutlicht:

  • Der Zahnarzt schuldet im Rahmen des Behandlungsvertrages eine fachgerechte Dienstleistung, nicht aber den perfekten Erfolg.
  • Werkvertragliche Gewährleistung greift nur, wenn konkrete technische Mängel der Zahntechnik vorliegen, nicht jedoch bei Abplatzungen oder Brüchen, die auf andere Ursachen zurückzuführen sind.
  • Die gesetzliche Gewährleistungspflicht von zwei Jahren nach § 136a Abs. 4 SGB V bezieht sich ausschließlich auf das Verhältnis zwischen Zahnarzt und gesetzlicher Krankenversicherung – Patienten können daraus keine direkten Ansprüche herleiten.