Rechtstipp 10/24: Kostenzusage der Krankenkasse ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung

LSG Berlin-Brandenburg: Kostenzusage der Krankenkasse ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung

Urteil vom 24.01.2024

Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg äußert sich mit Urteil vom 24.01.2024 (Az.: L 14 KR 293/22) zur Genehmigungsdauer eines kieferorthopädisch-kieferchirurgischen Behandlungsplans in Relation zum tatsächlichen klinischen Therapieverlauf.
Es stellt in diesem Zusammenhang fest, dass die Kostenzusage der Krankenkasse für eine Kombinationsbehandlung aus KFO und Kieferchirurgie auch dann dauerhaft über 4 Jahre gültig bleibt, wenn der bei der Planung für medizinisch notwendig erachtete kieferchirurgische Eingriff letztlich entfällt. „Rechtserheblich für die Kostenzusage“ sei „der prognostizierte Behandlungsbedarf bei Beginn der Behandlung“ so das Gericht.

Hintergrund:

Der 1986 geborene und bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger litt an einer skelettalen Dysgnathie. Seine Krankenkasse bewilligte den Behandlungsplan für die auf vier Jahre angelegte kieferorthopädisch-kieferchirurgische Behandlung. Dabei teilte sie aber mit, dass die Kostenübernahme bei Erwachsenen an einige Voraussetzungen gebunden sei. Sie sei nur dann leistungspflichtig, „wenn eine schwere Kieferanomalie vorliegt, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderlich machtÄndert sich diese Planung während der Behandlung aus medizinischen Gründen, dürfen wir uns leider nicht weiter an den Kosten beteiligen.“

Aufgrund der kieferorthopädischen Behandlung entfiel nachfolgend das Erfordernis für einen kieferchirurgischen Eingriff. Daraufhin lehnte die Krankenkasse die Kostenübernahme auch der weiteren kieferorthopädischen Behandlung mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nicht mehr vorlägen, da beim Kläger keine kieferchirurgische Behandlung mehr erforderlich sei.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der dagegen gerichteten Klage gab das LSG statt. Die streitige Bewilligung erfordere lediglich das Vorliegen der Voraussetzungen “zum Zeitpunkt” der Bewilligung. Die Abrechnungsmodalitäten könnten die Rechtsnatur der Entscheidung nicht verändern. Jedenfalls liege keine wesentliche Änderung der Verhältnisse vor, welche nur in Zusammenhang mit der entsprechenden materiellen Norm gesehen werden könne.

Die Bewilligungsregelung sehe die Erforderlichkeit einer kombiniert kieferchirurgisch-kieferorthopädischen Behandlung “zu Beginn der Maßnahme“ vor, so dass ein späterer Wegfall der Erforderlichkeit chirurgischer Eingriffe keine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 SGB X darstellen könne. Der Kläger habe zudem nicht erkennen können, dass die Beklagte die Bewilligung zurücknehmen könne, da sich die Hinweise der Beklagten eindeutig nur auf den Fall bezögen, dass der Versicherte die Durchführung der chirurgischen Maßnahme verweigere.

In der Sache handle es sich bei der ärztlichen Einschätzung der Notwendigkeit einer kombiniert orthopädisch-chirurgischen Behandlung um eine zukunftsbezogene Prognoseentscheidung bei Behandlungsbeginn. Diese bleibe auch dann richtig, wenn sich unter der geplanten und genehmigten Behandlungsplanung der Behandlungsverlauf anders auswirkt. Andere wesentliche Änderungen liegen nicht vor. Weder wurde mit der Behandlung das Behandlungsziel erreicht noch sei die Behandlungsbereitschaft des Klägers entfallen.

Jedenfalls erklärte die Beklagte in Übereinstimmung mit der Vereinbarung im BMV-Z die Verpflichtung zur Kostenübernahme für die Behandlung gemäß dem eingereichten Kostenplan durch einen Vertragszahnarzt. Diese Entscheidung entfalte Wirkung für die Dauer der Behandlung des Klägers und darüber hinaus bis zur Abrechnung des Eigenanteils.

Mit dem Wegfall der streitigen Aufhebungsentscheidung sei die Beklagte wieder verpflichtet, die Behandlungskosten zu übernehmen, soweit die Behandlung im Übrigen gemäß dem ursprünglichen Behandlungsplan und durch einen Vertragsarzt fortgesetzt werde.