Rechtstipp 11/24 BGH: Kein Schriftformerfordernis für Heil- und Kostenpläne bei andersartiger Versorgung

BGH: Kein Schriftformerfordernis für Heil- und Kostenpläne bei andersartiger Versorgung

Urteil vom 02.05.2024

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 02.05.2024 (Az.: III ZR 197/23) entschieden, dass aus § 8 Abs. 7 Abs. 2 und 3 des Bundesmantelvertrags – Zahnärzte keine Schriftformerfordernis im Sinne des § 125 BGB für andersartige Versorgungen abzuleiten ist. Da die Kosten vorab durch einen Heil- und Kostenplan festgelegt und von der Krankenkasse geprüft werden müssten, sei eine ausreichende Transparenz und Schutz vor übereilten Entscheidungen gewährleistet.

Hintergrund der Entscheidung

Beklagter war ein gesetzlich versicherter Patient, der im März 2019 folgende Vereinbarungen unterzeichnet hatte:

Vier Heil- und Kostenpläne, die implantologische Leistungen betrafen und eine Gebührenvereinbarung nach § 2 Abs. 1 und 2 GOZ für ein DVT. Im gleichen Zeitraum einen Heil- und Kostenplan für OK/UK Totalprothesen mit 8 Wurzelstiftkappen mit Stift als Prothesenanker mit voraussichtlichen Gesamtkosten von 8.057,18 EUR und einem Eigenanteil von 7.282,92 EUR.

Einen weiteren Heil- und Kostenplan vom 1. Oktober 2019 für die Versorgung des zahnlosen Ober- und Unterkiefers mit jeweils einer totalen Prothese unter Verwendung eines zweiphasigen Implantatsystems für acht Zähne, mit voraussichtlichen Gesamtkosten von 13.685 EUR und einem Eigenanteil von 12.678,46 EUR, auf dessen Grundlage die nachfolgende zahnärztliche Behandlung erfolgte, hatte der Patient erhalten, aber nicht unterschrieben. Der Plan wurde jedoch vorschriftsgemäß der Krankenkasse des Patienten übermittelt, die einen Festzuschuss in Höhe von 1.006,54 EUR bewilligte.

Der Patient verweigerte nach der Implantation und Versorgung mit entsprechendem Zahnersatz trotz mehrfacher Aufforderungen die Zahlung.

In den vorherigen Instanzen wurde die Klage des Abrechnungsunternehmens abgewiesen. Das Landgericht Berlin argumentierte, die Unterschrift sei nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) erforderlich. Das Kammergericht Berlin lehnte den Anspruch mit der Begründung ab, ein Schriftformerfordernis ergebe sich aus § 8 Abs. 7 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z).

Aus den Entscheidungsgründen:

Der BGH hat nunmehr entschieden, dass sich für einen Heil- und Kostenplan für eine andersartige Versorgung weder aus § 8 Abs. 7 Satz 2 und 3 des Bundesmantelvertrages Zahnärzte (BMV-Z) noch aus der GOZ (§ 2 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 2) ein Schriftformerfordernis im Sinne des § 125 BGB ableiten lasse.

§ 28 Abs. 2 Satz 4 SGB V schreibe eine schriftliche Vereinbarung für den Fall vor, dass der Versicherte bei Zahnfüllungen eine überobligatorische Versorgung wähle (z.B. eine Inlay-Versorgung aus Gold oder Keramik), da als ausreichend und zweckmäßig nur die preisgünstigste plastischeFüllung anzusehen sei. Wähle der Versicherte eine solche überobligatorische Füllung, habe er als Rechtsfolge die Mehrkosten zu tragen, was allerdings gemäß § 28 Abs. 2 Satz 4 SGB V eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Zahnarzt und dem Versicherten voraussetzt.

Diese Vorschrift sei für Zahnersatzleistungen indes nicht einschlägig:

„Für den Bereich der Versorgung mit Zahnersatz (§§ 55 ff SGB V) besteht kein solches gesetzliches Schriftformerfordernis, weil die zu erwartenden Kosten aus dem zwingend vor der Behandlung zu erstellenden und von der Krankenkasse insgesamt – auch hinsichtlich der zusätzlichen beziehungsweise andersartigen Leistungen nach § 55 Abs. 4 und 5 SGB V – zu prüfenden Heil- und Kostenplan ersichtlich sind […].

Inhaltlich muss die Prüfung insbesondere die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der geplanten Maßnahmen sowie die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen der Leistung umfassen. Bei bestehender Versorgungsnotwendigkeit bewilligt die Krankenkasse die Festzuschüsse gemäß § 55 Abs. 1 oder 2 SGB V entsprechend dem im Heil- und Kostenplan ausgewiesenen Befund (§ 87 Abs. 1a Satz 6 SGB V), wobei die Bewilligung des Festzuschusses grundsätzlich vor der Behandlung zu erfolgen hat.

Der Versicherte wird dadurch hinreichend vor übereilten Entscheidungen geschützt. Es fehlt auch nicht an der nötigen Transparenz hinsichtlich der zu tragenden Kostenanteile, zumal der Versicherte den ausgefüllten Kostenplan beziehungsweise einen entsprechenden Vordruck zur Vorlage bei der Krankenkasse erhält […] und den Vertragszahnarzt nach § 630c Abs. 3 Satz 1 BGB eine wirtschaftliche Aufklärungspflicht trifft, die er in Textform (§ 126b BGB) erfüllen muss.

Sofern – wie hier – eine andersartige Versorgung erfolgte, erhält der Versicherte den bewilligten Festzuschuss unmittelbar von seiner Krankenkasse (§ 55 Abs. 5 SGB V). Die KZV ist in diesem Fall nicht mehr in das Abrechnungsverfahren einbezogen. Vielmehr macht der Vertragszahnarzt selbst seinen Anspruch auf Bezahlung der bei der Behandlung entstandenen Kosten unmittelbar und in vollem Umfang gegenüber dem Versicherten nach der GOZ geltend […].“

Auch § 8 Abs. 7 Satz 2 und 3 BMV-Z enthält kein Schriftformerfordernis

Anders als das Berufungsgericht meine, enthalte § 8 Abs. 7 Satz 2 und 3 BMV-Z kein Schriftformerfordernis für den Fall, dass der Versicherte sich für eine gleichartige (§ 55 Abs. 4 SGB V) oder eine andersartige (§ 55 Abs. 5 SGB V) Versorgung entscheide. Dies folge aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang der einzelnen Sätze des Absatzes 7 sowie aus einem Vergleich mit der in § 18 Abs. 8 Satz 3 Nr. 2 und 3 des Bundesmantelvertrags – Ärzte (BMV-Ä) enthaltenen Regelung.

Nach § 8 Abs. 7 Satz 1 BMV-Z rechne der Vertragsarzt gegenüber dem Versicherten die Eigenanteile an den Kosten der Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen und der kieferorthopädischen Behandlung sowie die Mehrkosten für Zahnfüllungen nach § 28 Abs. 2 Satz 2 SGB V und für Zahnersatz und Zahnkronen nach § 55 Abs. 4 und 5 SGB V ab. Dadurch werde, soweit es um die Kosten für Zahnersatz geht, hinsichtlich der Abrechnung der Regelversorgung (§ 56 Abs. 2 SGB V) sowie der gleichartigen beziehungsweise andersartigen Versorgung (§ 55 Abs. 4 und 5 SGB V) auf die Regelung des § 87 Abs. 1a SGB V Bezug genommen, die – wie dargestellt – für den zwingend zu erstellenden Heil- und Kostenplan keine Schriftform im Sinne der §§ 125, 126 BGB, sondern eine umfassende Prüfung durch die Krankenkasse vorsehe (siehe § 87 Abs. 1a Satz 2 und 4 SGB V).

„Der von den Parteien vorgelegte Heil- und Kostenplan vom 1. Oktober 2019 erfüllt die vorgenannten Kriterien und entspricht den Vorgaben der Anlage 2 zum BMV-Z. Aus dem verwendeten Vordruck 3a „Heil- und Kostenplan Teil 1“ (Anlage B 6 S. 2) ergeben sich insbesondere der Befund, die Regelversorgung und die Therapieplanung. Außerdem ist darin kenntlich gemacht, dass die Auszahlung des Festzuschusses gemäß § 55 Abs. 5 SGB V direkt von der Krankenkasse an den Versicherten zu erfolgen hat. Aus dem ausgefüllten Vordruck 3b „Heil- und Kostenplan Teil 2“ (Anlage K 8) ergeben sich die Gesamtkosten in Höhe von 13.685 EUR (aufgegliedert nach Honorar gemäß GOZ und Material- und Laborkosten) sowie ein Festzuschuss von 1.006,54 EUR. Dass der Heil- und Kostenplan der T. Krankenkasse im Bewilligungsverfahren zur Prüfung vorlag, ist daraus ersichtlich, dass auf dem „Heil- und Kostenplan Teil 1“ (Anlage B 6 S. 2) unter dem 31. Januar 2020 ein Zuschuss von 1.006,54 EUR mit der Maßgabe festgesetzt wurde, dass die Krankenkasse diesen Zuschuss unter der Voraussetzung übernimmt, dass der Zahnersatz innerhalb von sechs Monaten in der vorgesehenen Weise eingegliedert wird.“

Nach der Zurückverweisung wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob der erstellte Heil- und Kostenplan inhaltlich ordnungsgemäß und die gestellte Rechnung in vollem Umfang berechtigt ist.

Hinweis:
In § 630c Abs. 3 BGB ist für die wirtschaftliche Aufklärungspflicht folgendes geregelt: Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist, oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren. Das kann beispielsweise durch die Übergabe einer ausgedruckten Kostenaufstellung geschehen.