Rechtstipp 11/2025: BVerwG zu Werbeanrufen in Zahnarztpraxen zum Zahngold-Ankauf ohne Einwilligung

Urteil vom 29.01.2025

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit Urteil vom 29.01.2025 (Az.: 6 C 3.23) entschieden, dass die Verarbeitung der Kontaktdaten von Zahnarztpraxen zum Zweck der Telefonwerbung ohne (mutmaßliche) Einwilligung unzulässig ist.
Wer in allgemein zugänglichen Verzeichnissen veröffentlichte Telefonnummern von Zahnarztpraxen erhebt und speichert, um unter Nutzung dieser Daten Telefonwerbung zu betreiben, kann sich nicht auf den in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO geregelten Erlaubnistatbestand der Wahrung berechtigter Interessen berufen, sofern nicht eine zumindest mutmaßliche Einwilligung der betroffenen Zahnärzte im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG vorliegt.

Sachverhalt:

Ein Unternehmen kaufte Edelmetallreste von Zahnarztpraxen auf. Um neue Kunden zu gewinnen, suchte es in öffentlich zugänglichen Verzeichnissen (z. B. Gelbe Seiten) nach Namen und Telefonnummern von Zahnarztpraxen. Anschließend wurden die Praxen telefonisch kontaktiert, um zu erfragen, ob sie Edelmetalle verkaufen möchten.

Die Datenschutzaufsichtsbehörde untersagte dieses Vorgehen bereits 2017 mit der Begründung, dass die Datenerhebung und telefonische Werbung ohne Einwilligung der betroffenen Zahnärzte gegen das Datenschutzrecht und gegen das Wettbewerbsrecht (§ 7 UWG) verstoße.

Nach Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Mai 2018 beantragte das Unternehmen die Aufhebung der alten Untersagungsverfügung – mit der Begründung, das Vorgehen sei nach der neuen Rechtslage nunmehr zulässig. Der Antrag wurde abgelehnt. Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht bestätigten die Ablehnung, woraufhin die Klägerin Revision zum Bundesverwaltungsgericht einlegte.

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision zurückgewiesen.

1. Keine Änderung der Rechtslage zugunsten der Klägerin (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 SVwVfG)

Zwar hat sich mit dem Inkrafttreten der DSGVO die Rechtslage geändert, diese Änderung wirkt sich aber nicht zugunsten der Klägerin aus. Auch nach der DSGVO darf die Verarbeitung personenbezogener Daten nur erfolgen, wenn eine der in Art. 6 Abs. 1 DSGVO genannten Voraussetzungen erfüllt ist – insbesondere entweder eine Einwilligung der betroffenen Person oder ein berechtigtes Interesse des Verarbeitenden.

2. Kein berechtigtes Interesse nach Art. 6 Abs. 1 f DSGVO

Das Gericht stellte klar, dass die Klägerin sich nicht auf ein berechtigtes Interesse berufen kann.

Denn die telefonische Ansprache der Zahnärzte zum Zweck des Aufkaufs von Edelmetallresten verstößt gegen § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG, der Werbung per Telefon ohne vorherige Einwilligung grundsätzlich als unzumutbare Belästigung einstuft.

Dabei gilt:

  • Auch Nachfragehandlungen (z. B. Anrufe, um etwas zu kaufen) sind Werbung im Sinne des § 7 UWG.
  • Eine mutmaßliche Einwilligung liegt nur vor, wenn ein sachliches Interesse der angerufenen Person an einem solchen Anruf vermutet werden kann.
  • Ein solches Interesse besteht bei Zahnärzten nicht, da der Verkauf von Edelmetallresten nicht typischer Bestandteil der zahnärztlichen Berufsausübung ist.

Selbst wenn Zahnarztpraxen ihre Telefonnummer veröffentlichen, geschieht dies ausschließlich, um für Patienten erreichbar zu sein – nicht für gewerbliche Werbeanrufe.

3. Verhältnis DSGVO – UWG

Das Gericht hat betont, dass datenschutzrechtliche und wettbewerbsrechtliche Vorschriften nebeneinander anzuwenden sind.

Auch wenn die DSGVO einheitliche Standards schaffen soll, dürfen nationale Vorschriften wie § 7 UWG weiterhin zur Konkretisierung des Begriffs des „berechtigten Interesses“ herangezogen werden.

Dies gewährleiste einen kohärenten Schutz des Privatlebens und der beruflichen Kommunikation vor unerwünschter Werbung.

4. Verpflichtung der Aufsichtsbehörde zum Einschreiten

Die Datenschutzaufsichtsbehörde ist nach Art. 58 Abs. 2 f DSGVO verpflichtet, eine solche rechtswidrige Datenverarbeitung zu untersagen. Ein bloßes Verwarnen oder Hinweisen wäre nicht ausreichend, da die Klägerin ausdrücklich beabsichtigte, ihre Werbeanrufe fortzusetzen.

Fazit für die Praxis:

Das Urteil stärkt den Datenschutz und den beruflichen Ruhebereich von Zahnärzten. Telefonische „Nachfragewerbung“ – also Anrufe, bei denen etwas angekauft oder eine Geschäftsbeziehung angebahnt werden soll – bleibt ohne ausdrückliche Zustimmung unzulässig.