Rechtstipp August 2011 Heilpraktiker fachkundiger als Zahnärzte?

Heilpraktiker fachkundiger als Zahnärzte?

Zahnärzte sind nicht berechtigt, Faltenunterspritzungen oder Botoxbehandlungen über den Bereich der Lippen hinaus vorzunehmen, sofern sie nicht über eine zusätzliche ärztliche Approbation oder eine Heilpraktikererlaubnis verfügen. Zu diesem Ergebnis kommt das Verwaltungsgericht Münster in seinem Urteil vom 19. April 2011 (Az.: 7 K 338/09). Im Auftrag einer Zahnärztin hatten wir eine Klage gegen die zuständige Zahnärztekammer eingereicht, mittels derer die Feststellung der Zulässigkeit von Unterspritzungen von Falten und Botoxbehandlungen im Gesichts- und Halsbereich durch Zahnärzte erfolgen sollte.

Das Gericht wies die Klage ab und führt zur Begründung aus, dass es sich bei den beabsichtigten Leistungen nicht um eine Ausübung der Zahnheilkunde handele, da Paragraf 1 Absatz 3 Zahnheilkundegesetz die Zahnärzte lediglich berechtige, alle Behandlungen vorzunehmen, die sich auf den Bereich der Zähne, des Mundes und des Kiefers beziehen. Obwohl Zahnärzte unstreitig auch berechtigt sind, extraorale Leitungsanästhesien vorzunehmen, erklärte das Gericht weiter, dass selbst dies nicht für eine Zulässigkeit von Faltenunterspritzungen oder Botoxbehandlungen durch Zahnärzte im Gesichts- und Halsbereich spreche, da in diesen Fällen die Anästhesien auf eine Behandlung innerhalb des Bereichs Zähne, Mund und Kiefer gerichtet seien.

Ebensowenig liege in der Erlaubnis der Vornahme der streitigen Maßnahmen durch Heilpraktiker eine Ungleichbehandlung im Sinne des Artikels 3 Grundgesetz, da der Bundesgesetzgeber berechtigt gewesen sei, bei der Definition der den Zahnärzten erlaubten Ausübung der Zahnheilkunde im Rahmen des Zahnheilkundegesetzes enge Grenzen zu ziehen.
Unberücksichtigt gelassen hat das Gericht in seiner Entscheidung unserer Auffassung nach, dass dieses Gesetz und insbesondere die hier streitentscheidende Definition zu einem Zeitpunkt formuliert wurden, als Faltenunterspritzungen und sonstige vornehmlich kosmetisch veranlasste Behandlungen noch reine Phantasie waren und daher vom Gesetzgeber in dessen Überlegungen nicht einbezogen werden konnten.

Zudem sollte der Regelungszweck – nämlich der Schutz des Patienten vor Behandlungen durch unzureichend ausgebildete Personen – nicht außer Acht gelassen werden. Da Zahnärzte im Vergleich zu Heilpraktikern oder fachlich fernliegenden ärztlichen Professionen (zum Beispiel Strahlentherapeuten) fachlich sicher in der Lage sind, die streitgegenständlichen Maßnahmen durchzuführen, besteht kein sachlicher Grund, ihnen im Gegensatz zu den vorgenannten Gruppen die entsprechende Erlaubnis zu versagen und – wie im vorliegenden Fall – sogar anzuraten, die Heilpraktikererlaubnis zu erlangen, um so rechtlich sicheres Terrain zu betreten. Der Hinweis des Gerichts, der Zahnarzt könne ja eine Heilpraktikererlaubnis erlangen, erscheint vor diesem Hintergrund wenig zielführend.

Trotzdem fügt sich das vorliegende Urteil leider in eine Reihe von Entscheidungen unterschiedlicher Gerichtszweige ein, welche ebenfalls von einer Unzulässigkeit der Durchführung von Faltenunterspritzungen und Botoxbehandlungen durch Zahnärzte ausgehen. Nicht zuletzt weil hierbei auch strafrechtliche Sanktionen – insbesondere im Hinblick auf Betrugs- und Körperverletzungsdelikte – drohen, sollten Zahnärzte von solchen Behandlungen Abstand nehmen, solange das Zahnheilkundegesetz den heutigen Begebenheiten noch nicht angepasst oder durch die Rechtsprechung eine zeitgemäße Auslegung vorgenommen wurde.

Rechtsanwälte Martin Voß und Sabine Warnebier, Münster 

 

 

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