Rechtstipp März 2012 Zahnarztwerbung über Fensterfront

Zahnarztwerbung über Fensterfront

Die Außendarstellungsmöglichkeiten von Ärzten, Apothekern und Zahnärzten sind immer weiter liberalisiert worden, wobei das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) über viele Jahre hinweg Impulsgeber war und ist. Regeln in Berufsordnungen wurden dabei bisweilen als zu einengend angesehen, da sie den Heilberufler insbesondere in seiner Berufsausübungsfreiheit tangieren. Das Verwaltungsgericht Berlin (VG) hat sich in seiner Entscheidung vom 12.01.2011 (90 K 5.10 T) mit der Frage befasst, ob ein etwa zehn Meter langer und etwa ein Meter hoher Plakat-Schriftzug über einer Fensterfront eines Praxisgebäudes „Zahnarztpraxis am B…“ berufsrechtlich zulässig ist.

Der Fall:

Auf die Beschwerde von zwei Zahnärzten aus der näheren Umgebung der Praxis erließ die Zahnärztekammer Berlin im März 2010 einen Rügebescheid gegen den werbungsaffinen Zahnarzt und machte ihm zur Auflage 1.000,00 Euro zu zahlen. Zur Begründung wurde dabei u. a. ausgeführt, dass das Werbeplakat über der Praxisfront darauf abziele, die Aufmerksamkeit auch an der Praxis weit entfernt vorbei gehender Passanten bzw. vorbei fahrender Verkehrsteilnehmer in anpreisender und typisch kommerzieller Weise zu erheischen (Blickfangwerbung). Diese Werbemaßnahme nähere sich den Werbemethoden der gewerblichen Wirtschaft – insbesondere des Dienstleistungs- und Einzelhandelsgewerbes – an und leiste so dem Eindruck der Kommerzialisierung des Arztberufes und damit Zweifel an der beruflichen Integrität des Arztes Vorschub. Außerdem vermittle die Bezeichnung „Zahnarztpraxis am B…“ den Eindruck, als handele es sich vorliegend um die einzige oder auch aufgrund der Größe des Banners auch um eine besonders hervorgehobene Zahnarztpraxis an diesem Standort.

Die Entscheidung:

Das VG Berlin sprach den Zahnarzt von dem ihn vorgeworfenen Berufsvergehen frei. Durch die beanstandete Werbung habe dieser seine Berufspflichten nicht verletzt.

Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG schütze die Freiheit der Berufsausübung. Zu dieser gehöre nicht nur die berufliche Praxis selbst, sondern auch jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhänge und dieser diene. Sie schließe die Außendarstellung von selbstständig Berufstätigen ein soweit sie auf die Förderung des beruflichen Erfolges gerichtet sei.

Unübliche Größe reklamehaft?

Der Werbefreiheit der Ärzte und Zahnärzte würde nur durch Gemeinwohlbelange Grenzen gesetzt. Das Werbeverbot diene dem Schutz der Bevölkerung, wobei das Vertrauen des Patienten darauf erhalten werden solle, dass der Arzt nicht aus Gewinnstreben besondere Untersuchungen vornimmt oder Behandlungen vorsieht. Für interessengerechte und sachangemessene Informationen, die keinen Irrtum erregen würden, müsse im rechtlichen und geschäftlichen Verkehr Raum bleiben. Vor dem Hintergrund der gegenüber früheren Vorstellungen durch das BVerfG deutlich erweiterten Grenzen der Zulässigkeit werbenden Verhaltens niedergelassener Ärzte, liege im vorliegenden Fall keine berufswidrige Werbung vor. Die Außendarstellung von Ärzten sei nicht (mehr) von allen Elementen der Anpreisung und Reklame freizuhalten. Sachliche Informationen über die berufliche Betätigung seien unabhängig von der Wahl der Werbemethode zulässig. Es habe sich zwar um eine unübliche Größe der Ankündigung einer Zahnarztpraxis gehandelt, wobei aber nicht festzustellen sei, dass in diesem Einzelfall durch die gewählte Form der Werbung Gemeinwohlbelange tatsächlich gefährdet worden seien. Aus der Wahl eines Werbeträgers unmittelbar auf eine Gefährdung der ärztlichen Gesundheitsversorgung oder mittelbar auf einen Schwund des Vertrauens der Öffentlichkeit in die berufliche Integrität der Ärzte zu schließen, sei schwerlich möglich, solange sich die Werbemittel im Rahmen des Üblichen bewegen würden. Die ortsfeste Werbung enthalte sachliche Aussagen über die Lage der Zahnarztpraxis. Die Größe der Werbung allein erwecke keinen Irrtum über die zu erwartende Qualität der zahnärztlichen Leistung.

Verstoß gegen Kollegialitätsgebot?

Es läge auch kein Verstoß gegen das Kollegialitätsgebot vor, da die gewählte Werbung sich nicht auf das Arzt-Patienten-Verhältnis auswirke. Das Kollegialitätsgebot diene dem allgemeinen Interesse an einer funktionierenden Gesundheitsfürsorge und solle im Interesse des Heilwesens ein kollegiales Klima schaffen. Die Pflicht zu rücksichts- und achtungsvollem Verhalten untereinander schütze dabei nicht die Kollegialität als solche, sondern nur die Kollegialität innerhalb der beruflichen Sphäre. Ein unkollegiales Verhalten sei folglich insoweit standesrechtlich von Bedeutung, da es das Ansehen der betroffenen Kollegen in den Augen der Patienten mindern könne.

RA Michael Lennartz

 

 

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