Von der Zahnreinigung direkt in die Notaufnahme
Eine Frau in ihren Dreißigern ohne relevante Vorerkrankungen lässt eine Zahnreinigung durchführen. Kurz nach Beginn der Maßnahme erlebt sie einen plötzlich einsetzenden, reißenden Schmerz im Kiefer und muss in die Notaufnahme eingewiesen werden. Der Fallbericht aus der Türkei wurde im JAMA veröffentlicht.
Die Zahnreinigung zählt zu den elementaren Maßnahmen zur Vermeidung von Karies und Paradontitis. Emphyseme im Weichgewebe des Kiefers ist eine Komplikation. Selten breitet sie sich bis in den Brustkorb aus (Symbolbild).
Die Zahnreinigung wird mit einem Hochdruckstrahl aus Wasser, Luft und Reinigungspulver durchgeführt. Nach dem Schmerzereignis schwellen das gesamte Gesicht der Patientin, ihr Halsbereich und ihr Brustkorb an. Die Frau klagt zudem über ein Engegefühl in der Brust und Dyspnoe.
In der Annahme einer anaphylaktischen Reaktion verabreichen die Behandelnden sofort Pheniramin und Methylprednisolon, doch die Schwellungen sind progredient, so dass die Patientin schließlich als Notfall in eine Klinik überwiesen wird.
Bei der Aufnahme in der Notaufnahme imponieren die Schwellungen und palpable Krepitationen über dem Thorax, im Halsbereich und periorbital. Der Blutdruck liegt bei 110/70 mmHg, der Puls bei 130/min und die Atemfrequenz bei 25/min. Die Sauerstoffsättigung ist mit 92 Prozent erniedrigt.
Die Frau erhält eine ganze Reihe Medikamente:
- Sauerstoff: 6 l/min
- Dexamethason 8 mg i.v.
- Paracetamol 1000 mg i.v.
- Salbutamol (2,5 mg), Budesonide (1g) und Ipratropium bromid 0,5 mg via Vernebler
Bildgebende Untersuchungen (Röntgenaufnahme des Brustkorbs und Computertomografie) offenbaren schließlich Luftansammlungen im Unterhautgewebe von Gesicht und Hals sowie in den Weichteilschichten des Halses und im Mediastinum.
Die Behandelnden stellen die Diagnose eines Pneumomediastinums und subkutanen Emphysems.
Aufnahme in die Thoraxchirurgie
Die Patientin wird zur Beobachtung in die Thoraxchirurgie überwiesen. Unter Sauerstoffgabe (6 l/min) und NSAR (Dexketoprofen) kommt es nach und nach zu einem Rückgang der Luftansammlungen, wie man in täglichen Röntgenaufnahmen sehen kann. Am vierten Tag des Aufenthaltes kann sie schließlich nach Hause entlassen werden. Ihr wurde geraten, in Zukunft bei der Zahnreinigung auf die Verwendung von Hochdruckreinigung mit Wasser und Luft zu verzichten.
Pneumomediastinum: Selten nach Zahnreinigung
Ein Pneumomediastinum ist definiert als das Vorhandensein freier Luft im Mediastinum. Es kann spontan oder sekundär infolge von Traumata, medizinischen Eingriffen (z. B. Bronchoskopie, Endoskopie, Zahnbehandlungen), thorakalen Operationen, pulmonalen Grunderkrankungen (wie Asthma oder COPD) oder Infektionen (z. B. Keuchhusten, Tuberkulose, Mycoplasma pneumoniae, COVID-19, Influenza) auftreten.
Ein spontanes Pneumomediastinum ist häufig mit Aktivitäten verbunden, die den intrathorakalen Druck akut erhöhen, etwa durch Husten, Niesen, Erbrechen, körperliche Anstrengung oder den inhalativen Konsum von Substanzen wie Tabak, Shisha, Kokain oder Methamphetamin.
Insbesondere in der Zahnmedizin können Hochdruckgeräte wie Air-Polisher, luftgetriebene Bohrer oder Wasser-Luft-Spritzen durch mikroskopisch kleine Schleimhautläsionen Luft in subkutane oder mediastinale Gewebe einbringen und so ein Pneumomediastinum verursachen. Solche Fälle sind selten, treten jedoch vermehrt bei längeren Eingriffen mit Druckluftwerkzeugen, bei Patienten mit Bindegewebserkrankungen, chronischer Kortikosteroidtherapie oder bei operativer Entfernung von Weisheitszähnen auf. Ein zusätzliches Risiko besteht bei der direkten Einleitung von Luft in gingivale Taschen oder offene Wunden.
Die Therapie erfolgt konservativ
Die Therapie erfolgt in der Regel konservativ. Hochdosierte Sauerstoffgabe kann die Resorption der Luft beschleunigen, indem sie die alveoläre Sauerstoffkonzentration erhöht und so einen Diffusionsgradienten zur Verdrängung des Stickstoffs im Mediastinum schafft. Zusätzlich werden Analgetika, Bettruhe und die Vermeidung intrathorakaler Druckspitzen für mindestens eine Woche empfohlen. Eine tägliche Bildgebung zur Verlaufskontrolle wird angeraten.
Originalpublikation:
Ulas AB, Aydin Y, Egilmez MZ. A Woman With Facial, Neck, and Chest Swelling During Dental Cleaning. JAMA. Published online May 14, 2025. doi:10.1001/jama.2025.5587