Das Fluorid-Dilemma: Intelligenz oder Karies?

Fluoride sind der Goldstandard im Kampf gegen Karies – doch gerade bei Neugeborenen besteht Sorge, dass sie sich auf die Intelligenz auswirken könnten. Eine neue Metaanalyse hat das nun untersucht.

Nach der Geburt eines Kindes zählt in Deutschland und vielen weiteren Ländern die prophylaktische Gabe von Fluorid in Form einer täglichen Tablette oder über die Zahnpasta 2x täglich zum Goldstandard. Fluorid soll dabei vor allem die ersten Zähnchen schützen und eine frühe und dann meist chronische Infektion mit Kariesbakterien vermeiden. Da Fluoride, die Salze der Fluorwasserstoffsäure, aber nicht nur auf dem Zahnschmelz, sondern auch auf der Mundschleimhaut, im Magen-Darm-Trakt und schließlich im ganzen Körper landen, stellt sich unweigerlich die Frage nach potenziellen Nebenwirkungen.

Schmilzt der Goldstandard?

Kyla Taylor und ihr Team wollten an dieser Stelle Wissenslücken schließen und konzentrierten sich im Rahmen ihrer Metaanalyse vor allem auf mögliche Assoziationen zwischen einer verhältnismäßig hohen Fluorid-Exposition und den Intelligenzquotienten (IQ) exponierter Kinder. Auf Grundlage einer systematischen Literaturrecherche identifizierten sie insgesamt 74 Querschnitts- und prospektive Kohortenstudien.

Die wichtigsten Einschlusskriterien umfassten die Untersuchung von Assoziationen zwischen Fluorid-Exposition und kindlichem IQ, Details zum Ausmaß der Exposition, sowie den Bericht von Effektgrößen. Des Weiteren orientierte sich das Forscherteam an den gängigen Leitlinien zur Verfassung systematischer Reviews und Metaanalysen und griff u. a. auf ein Risk-of-Bias-Tool zur Beurteilung der Studienqualitäten zurück.

Mit einer Anzahl von 64 handelte es sich bei den meisten Untersuchungen um Querschnittsstudien, 45 Publikationen stammten aus China und 52 Arbeiten hatten ein auffällig hohes Bias-Risiko. Trotz dieser und weiterer möglicher methodischer Einschränkungen zeigte sich ein dosisabhängiger inverser Zusammenhang zwischen einer hohen Fluorid-Exposition und dem IQ. Die Exposition wurde dabei entweder als Konzentration von Fluoriden im Trinkwasser oder in Urinproben gemessen.

 

Im erstgenannten Fall ließ sich die umgekehrte Assoziation beispielsweise bei Konzentrationen von 4 mg/l und auch noch bei 2 mg/l nachweisen. Und auch unter Berücksichtigung der Urinkonzentrationen blieb der beunruhigende Zusammenhang bis zu einer Konzentration von 1,5 mg/l bestehen. Je nachdem, ob die Forschergruppe Studien mit hohem oder niedrigem Bias-Risiko betrachtete, führte die Exposition zu einer relativen Verringerung des IQs von 1,63 oder 1,14 Punkten.

Karies als Alternative zur IQ-Abnahme?

Sollten sich Eltern deshalb nun Sorgen um die Intelligenz ihrer Kinder machen oder sogar ganz auf diese Art der frühen Kariesprophylaxe verzichten? Ein kritischer Blick auf diese Metaanalyse ist sicher angebracht. Denn schließlich gibt es eine große Heterogenität und ein nicht unerhebliches Bias-Risiko bei den überwiegend in China durchgeführten Studien.

Darüber hinaus wurden überwiegend hohe Konzentrationen untersucht, die wahrscheinlich nicht mit den Dosen durch beispielsweise unsere „deutsche“ Prophylaxe nach Empfehlungen der Zahnärzte erreicht werden können. Und was ist die Alternative? Karies bei Babys im Alter von 10 Monaten?

Arbeiten dieser Art sind immer wichtig, um gängige Vorgehensweisen überprüfen, hinterfragen und bei Bedarf optimieren zu können. Dennoch empfehlen sich weitere prospektive Studien mit guter methodischer Qualität und einer vergleichbaren Operationalisierung von Exposition und IQ-Messung. Bis dahin könnt ihr besorgte Eltern beruhigen – denn vermutlich ist ein IQ-Punkt weniger doch deutlich harmloser als ständige schmerzhafte Zahnarztbehandlungen.

Quellen: 
Taylor, Kyla W. et al. Fluorid Exposure and Childrens IQ Scores, JAMA, 2025. doi: 
10.1001/jamapediatrics.2024.5542

Hederson, Jennifer. High Fluoride Exposure Linked to Lower IQ-Levels in KidsMedpagetoday, 2025.

Hinweis der Bundeszahnärztekammer: https://www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/b16/Hinweise_fuer_Eltern_ecc.pdf