LAG Baden-Württemberg: Außerordentliche Kündigung einer Praxismitarbeiterin wegen Weitergabe von Patientendaten
Urteil vom 11.11.2016
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 11.11.2016 (Az.: 12 Sa 22/16) klargestellt: Verletzt eine medizinische Fachangestellte ihre arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht dadurch, dass sie Patientendaten an eine nicht berechtigte Person weitergibt, rechtfertigt dies eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung.
Aus dem Sachverhalt:
Die medizinische Fachangestellte war in der Praxis der Beklagten u.a. für die Terminverwaltung zuständig.
Dort hatte eine Bekannte von ihr und ihrer Tochter einen Untersuchungstermin vereinbart und später wieder abgesagt. Die Klägerin rief darauf das elektronisch gespeicherte Terminblatt der Patientin auf. Aus dem Terminblatt war Name und Geburtsdatum der Patientin, zu untersuchender Körperbereich und damit korrespondierend das für die Untersuchung zu reservierende MRT-Gerät ersichtlich. Die Klägerin fotografierte das Terminblatt mit Hilfe ihres Smartphones und leitete das Foto, mit dem Kommentar „Mal sehen, was die schon wieder hat…“ versehen, per WhatsApp an ihre Tochter weiter. Der Vater der Patientin beschwerte sich in der Praxis darüber, dass die Tochter der Klägerin im Sportverein die WhatsApp-Nachricht ihrer Mutter weitergezeigt habe.
Dem Arbeitgeber gegenüber begründete die Arzthelferin ihr Fehlverhalten damit, dass sie nicht gewusst habe, derartige Daten nicht an direkte Verwandte weiterleiten zu dürfen, sie bereue jedoch Ihre Handlung. Die Argumente ließ der Arbeitgeber nicht gelten und verwies auf die Geheimhaltungspflicht im Arbeitsvertrag und kündigte ihr fristlos. Die Klägerin erhob hieraufhin Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht und brachte unter anderem vor, dass eine Abmahnung ausgereicht hätte.
Aus der Urteilsbegründung:
„Die Weitergabe des Patientennamens einschließlich der beabsichtigten Untersuchung (Körperbereich/MRT) wiegt so schwer, dass die Klägerin erkennen konnte, die Beklagten würden das gemeinsame Arbeitsverhältnis bei einer derartigen Vertragsverletzung beenden.
Eine Abmahnung der Klägerin hätte das Vertrauen der Beklagten in ihre Diskretion nicht wiederherstellen können. Der vertrauliche Umgang mit Patientendaten ist für eine Arztpraxis zum einen so grundlegend, dass sich jede Mitarbeiterin bewusst ist, sie stellt ihr Arbeitsverhältnis in Frage, wenn sie Daten unbefugt nach außen gibt.
Zum anderen ist der vertrauliche Umgang mit Patientendaten auch so selbstverständlich, dass ein Verstoß hiergegen das für das Arbeitsverhältnis erforderliche Vertrauen der Praxisbetreiber in die Diskretion seiner Angestellten besonders nachhaltig und deshalb unwiederbringlich beeinträchtigt.
Das gilt erst recht im Falle der Klägerin, die den im Arbeitsvertrag ausdrücklich aufgenommenen Passus zum Schutz der Patientendaten nur als ein Detail unter Vielen betrachtet und sich deshalb dann, wenn es darauf ankommt, nicht mehr daran erinnern kann und die den Namen der ihr bekannten Patientin ohne Not gedankenlos aus einer Laune heraus weitergibt, was eine erhebliche Gleichgültigkeit gegenüber den Belangen der Patientin deutlich macht. Eine Abmahnung der Klägerin wäre daher nicht geeignet gewesen, das verloren gegangene Vertrauen in die Diskretion der Klägerin wiederherzustellen.
Auch die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses war für die Beklagten keine geeignete Handlungsalternative. Den Beklagten war es nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende am 31. Dezember 2015 fortzusetzen. Ihr Interesse an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwog das Interesse der Klägerin an der Einhaltung der Kündigungsfrist.“
Von Angelika Enderle, erstellt am 17.10.2017, zuletzt aktualisiert am 18.10.2017
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