Rechtstipp Februar 2014: Wohlverhalten soll nicht mehr berücksichtigt werden
Wohlverhalten soll nicht mehr berücksichtigt werden
Extrem wichtige Entscheidung des Bundessozialgerichts zum Zulassungsentzug
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Urteil vom 17. Oktober 2012 (Az.: B 6 KA 49/11 R) die Rechtsprechung zum sogenannten Wohlverhalten ausdrücklich geändert. Danach soll ein Wohlverhalten des Vertragszahnarztes während des laufenden Gerichtsverfahrens in Zukunft nicht mehr berücksichtigt werden.
Worum es geht: Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist – jedenfalls bei einer noch nicht vollzogenen Zulassungsentziehung – zu prüfen, ob sich die Sachlage während des Prozesses durch ein Wohlverhalten des Zahnarztes in einer Weise zu seinen Gunsten geändert hat, dass eine Grundlage für eine erneute Vertrauensbasis zwischen dem Betroffenen und den vertragsärztlichen Institutionen wieder aufgebaut worden ist und damit eine Entziehung der Zulassung nicht mehr als angemessen erscheint. Einfacher formuliert: Es wurde also erst nach Jahren, am Tag der letzten mündlichen Verhandlung, beurteilt, ob der – einmal eingetretene – Vertrauensbruch zwischenzeitlich „durch Wohlverhalten geheilt“ worden ist.
In vielen Fällen konnte dies bejaht werden, nachdem der Zahnarzt nach dem ausgesprochenen, aber nicht vollzogenen Zulassungsentzug an der Aufklärung des Sachverhalts mitgewirkt und den angerichteten Schaden wieder gut gemacht und daneben keinerlei Veranlassung zu Beanstandungen gegeben hat.
Diese Rechtsprechung hat das BSG für sogenannte Neufälle aufgegeben. In Zukunft wird nur noch überprüft, ob im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdeausschusses die Voraussetzungen für einen Zulassungsentzug vorlagen. Auf ein sich anschließendes Wohlverhalten kommt es danach nicht mehr an.
Das Bundessozialgericht erklärt auch, ab wann diese wichtige Neuerung in der Rechtsprechung gilt: Der Senat wendet die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Wohlverhalten auf Entscheidung der Berufungsausschüsse, die nach Veröffentlichung dieses Urteils ergehen, nicht mehr an. Allerdings – und dies dürfte für viele Zahnärzte relevant sein – bleibt es bei der bisherigen Rechtsprechung, soweit Zahnärzte bei lange laufenden Gerichtsverfahren davon abgesehen haben, sich nach (mutmaßlich) eingetretener Bewährung um eine neue Zulassung zu bewerben. Das allerdings kommt auch nur dann in Frage, wenn die grundsätzlich vom Bundessozialgericht für ein Wohlverhalten vorausgesetzte „Bewährungszeit“ von fünf Jahren seit der Entscheidung des Berufungsausschusses bereits verstrichen ist.
Daraus ergibt sich wiederum, dass Zahnärzte, die sich momentan in einem Zulassungsentzugsverfahren befinden, das nicht bis zur Veröffentlichung der Entscheidung des Bundessozialgerichts mit einer Entscheidung des Berufungsausschusses abgeschlossen worden ist, ihre Überlegungen grundlegend ändern sollten. Es ist jetzt – allerdings nur nach gründlicher und sorgfältiger Beratung – zu erwägen, bei eindeutiger Sachlage die Entscheidung nicht anzufechten beziehungsweise vorher auf die Zulassung selbst zu verzichten. Diesen Zahnärzten bleibt natürlich ebenfalls die Möglichkeit eröffnet, nach einer bestimmten Bewährungszeit eine neue Zulassung zu beantragen. Allerdings nehmen sie bis dahin grundsätzlich nicht an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil.
Es dürfte also klar sein, dass Zahnärzte, die in der misslichen Situation eines solchen Verfahrens stehen, jetzt besonders hohes Augenmerk auf ihre wirksame Vertretung legen müssen. Dabei hat sich bewährt, die Vertretung in solchen Verfahren nicht nur einer Person, sondern einem Kompetenzteam zu überlassen. Idealerweise sollten sich dabei ein Fachmann für vertragszahnärztliche Fragen, ein weiterer Fachmann für strafrechtliche Zusammenhänge und schließlich ein Fachmann für rein abrechnungstechnische Fragen befinden. Dabei ist von dem Gedanken auszugehen, dass die Sozialgerichte oft nicht die ausreichende Kompetenz für reine Abrechnungsfragen haben und auch die von Gerichten beauftragten Gutachter nicht ausnahmslos richtigliegen. Alle Menschen machen Fehler, so auch die Zuständigen bei den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen. Hier gilt es, etwaige Fehlvorstellungen von Abrechnungsfragen konsequent herauszufiltern, zu bezeichnen und notfalls vor Gericht zu eliminieren.
Letztlich können die Gründe für den Entzug einer vertragszahnärztlichen Zulassung vielfältig sein. Nach dem Gesetz kommt es auf eine gröbliche Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten an. Das Bundessozialgericht geht so weit, neben Verstößen gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung als – weitere – relevante Pflichtverstöße alle Gesetzesverstöße (zum Beispiel Straftaten, berufsrechtliche Vergehen, wettbewerbsrechtliche Verstöße) anzusehen, die im Zusammenhang mit der vertragszahnärztlichen Tätigkeitsausübung begangen werden (sogenannte weite Auslegung). Damit ist es letztlich eine Pflicht des Vertragszahnarztes, bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit keinerlei Gesetzesverstöße zu begehen.
Diese Auffassung hat natürlich in Zeiten, in denen die Berichterstattung über Steuerhinterziehungen und Straftaten im Zusammenhang mit politisch/weltanschaulichen Verhaltensweisen an der Tagesordnung ist, besondere Bedeutung.
Dr. Frank Ihde, Hannover
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