Rechtstipp Juni 2014: Ist die Dienstkleidung vorgeschrieben, sind Umkleidezeiten meist Arbeitszeit

Ist die Dienstkleidung vorgeschrieben, sind Umkleidezeiten meist Arbeitszeit

Entscheidend ist, ob das Umziehen „fremdnützig“ ist und vorgeschriebene Arbeitskleidung auch zu Hause oder ohne Aufsehen auf dem Weg zur Arbeit getragen werden kann
Das Arbeitszeitgesetz definiert die Arbeitszeit als den Zeitraum von Beginn bis Ende der Arbeit, ohne Ruhepausen. Nur: Was gilt alles als Arbeit? Umstritten ist oft, ob sogenannte Rüstzeiten sowie Umkleidezeiten der Arbeitnehmer zur bezahlten Arbeitszeit gehören. Rüstzeiten sind Zeiten, die der Arbeitsvorbereitung dienen – etwa das Ausrüsten einer Maschine für den Produktionsprozess oder das Ausrüsten eines Fahrzeugs für einen Montageeinsatz.

In verschiedenen Branchen wie im Gesundheitswesen ist jedoch auch eine bestimmte Arbeits­kleidung zu tragen – etwa weil Schutzkleidung vorgeschrieben ist oder der Arbeitgeber eine bestimmte Dienstkleidung wünscht. Wann das Umziehen als Arbeitszeit gilt, ist je nach Branche unter­schiedlich. Regelungen können in Arbeits- und Tarifverträgen getroffen werden. Die D.A.S. Rechtsschutzversicherung hat dazu Urteile zum Thema „Rüst- und Umkleidezeiten“ vorgestellt (weitere Informationen auf www.das.de/ rechtsportal).

Krankenschwester: Umkleidezeit bei vorgeschriebener Arbeitskleidung
Eine Münchner Krankenschwes­ter war im OP-Dienst tätig. Sie musste jeden Tag bei Arbeitsbeginn zunächst in einem speziellen Umkleideraum im Tiefparterre des Krankenhauses die vorgeschriebene Dienstkleidung anlegen. Danach musste sie sich in den OP-Bereich begeben, dort sogenannte Bereichskleidung anziehen und sich die Hände desinfizieren. Weder Dienst- noch Bereichskleidung durften mit nach Hause genommen werden. Als Arbeitszeit galt nur die Zeit der eigentlichen Tätigkeit im OP.

Die Krankenschwester klagte nun auf Bezahlung von zweimal 15 Minuten Umkleide- und innerbetriebliche Wegezeit pro Arbeitstag und berief sich dabei auf eine schon länger zurückliegende betriebliche Praxis. Der Tarifvertrag enthielt keine Regelung für die Umkleidezeiten.

Das Bundesarbeitsgericht hielt fest, dass Arbeit jede Tätigkeit sei, die der Erfüllung eines fremden Bedürfnisses diene. Dazu gehöre auch das Umkleiden, wenn der Arbeitgeber eine bestimmte Berufskleidung vorschreibe und das Umkleiden im Betrieb stattfinden müsse. Dazu komme hier noch, dass das Umkleiden in erster Linie der Hygiene im OP diene und damit dem Interesse des Arbeitgebers. Die Wegezeit zwischen Umkleideraum und Arbeitsstelle sei ebenfalls Arbeitszeit. Die Klägerin habe Anspruch auf Entlohnung für die Umkleide- und Wegezeiten.

Die Pauschalierung dieser Zeiten auf zweimal 15 Minuten sei jedoch vom Arbeitgeber erfolgreich angegriffen worden, so das Bundesarbeitsgericht. Hier müsse die Vorinstanz – gegebenenfalls mithilfe eines Sachverständigen – feststellen, wie viel Ar­beits­zeit tatsächlich zusätzlich anfalle (Bundesarbeitsgericht, Ur­teil vom 19. September 2012, Az.: 5 AZR 678/11).

Einheitliche Firmenkleidung
Wie sieht das aus, wenn der Arbeitgeber eine einheitliche Firmenkleidung vorgibt? In einer Kette von Einrichtungshäusern exis­tierte eine „Staff-Clothing-Order“, nach der für das Personal mit Kundenkontakt Kleidung in bestimmten Farben und mit einem bestimmten Schnitt vorgeschrieben war. Dies war durch eine Betriebsvereinbarung abgesichert. Die Arbeitnehmer konnten sich sowohl zu Hause als auch in Um­klei­deräumen im Betrieb umziehen.

Als die Arbeitgeberin erfuhr, dass einige Arbeitnehmer sich nach Arbeitsende erst nach dem Umkleiden am Zeiterfassungssys­tem abmeldeten, wurden diese entsprechend ermahnt. Der Betriebsrat leitete daraufhin ein gerichtliches Feststellungsverfahren ein, um festzuhalten, dass das An- und Ausziehen der Berufsklei­dung zur Arbeitszeit gehöre. Auch stehe dem Betriebsrat hier ein Mitbestimmungsrecht zu – der Arbeitgeber könne nicht eigenmächtig Beginn und Ende der Arbeitszeit ändern.

Das Bundesarbeitsgericht erklärte, dass Umkleidezeiten dann zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gehörten, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürf­nis diene und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfülle. Das Anziehen vorgeschriebener Dienstkleidung sei dann keine Arbeitszeit, wenn sie auch zu Hause ange­zogen und – ohne besonders aufzufallen – auch auf dem Weg zur Arbeit getragen werden könne.

Die Firmenkleidung sei hier blau und hellgelb und weise große Firmenlogos an verschiedenen Stellen auf. Von unauffälliger Kleidung könne somit keine Rede sein. Das Tragen sowie das An- und Ausziehen der Kleidung sei rein fremdnützig. Das Umkleiden im Betrieb zähle zur Arbeitszeit. Mit der Anweisung, sich außerhalb der regis­trierten Anwesenheitszeit umzuziehen, habe der Arbeitgeber eigenmächtig Beginn und Ende der Arbeitszeit geändert. Eine solche Änderung sei mitbestimmungspflichtig (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 10. November 2009, Az.: 1 ABR 54/08).

 

 

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