Rechtstipp September 2012 Faktorsteigerung GOÄ 5004 und 5090 bei KFO

VG Stuttgart: Faktorsteigerung GOÄ 5004 und 5090 bei KFO

Wer kennt sie nicht, die langatmigen Bescheide der Beihilfe, in denen die Steigerungssatzerhöhungen des Zahnarztes pauschal als „nicht abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle“ und/oder „nicht patientenbezogen“ verworfen werden.

Dies, obwohl das Bundesverwaltungsgericht in einem Beschluss vom 19. Januar 2011 (BVerwG 2B 64.10) noch einmal eindeutig festgestellt, dass die Auslegungen des ärztlichen Gebührenrechts durch die Zivilgerichte auch für die Beihilfestellen maßgebend sind.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 13. Oktober 2011 (Az. III ZR 231/10) noch einmal nachgelegt und darauf hingewiesen, dass Beihilfestellen wegen ihrer Verweigerungshaltung schadensersatzpflichtig werden können.
Das kann dann passieren, wenn der Beihilfeberechtigte in treuem Glauben auf die Richtigkeit eines Ablehnungsbescheids der Beihilfestelle den Rechnungsbetrag seines Arztes oder Zahnarztes in gleicher Höhe kürzt, dann von dem behandelnden Arzt auf Zahlung verklagt wird und den Prozess verliert.

Umso erstaunlicher ist eine neue Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart, das sich mit Urteil vom 03.01.2012 (Az. 12 K 2580/11) zu den Anforderungen an die Begründung des 2,5fachen Gebührensatzes der GOÄ-Ziffern 5004 und 5090 äußert. Es stellt u. A. fest, die Besonderheiten müssten gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten auftreten und von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle abweichen.

In seinen Entscheidungsgründen führt es aus:
Für die Nrn. 5004 und 5090 GOÄ, die zum Abschnitt O. des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ gehören, gilt Folgendes: Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 GOÄ bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühr nach dem Einfachen bis Zweieinhalbfachen des Gebührensatzes. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ sind die Gebühren innerhalb des Gebührenrahmens unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Nach § 5 Abs. 3 Satz 2, Abs. 2 Satz 4 GOÄ darf eine Gebühr in der Regel nur zwischen dem Einfachen und dem 1,8fachen des Gebührensatzes bemessen werden; ein Überschreiten des 1,8fachen des Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen. Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz GOÄ muss die Überschreitung des 1,8fachen des Gebührensatzes auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich begründet werden.
Auch hier gilt, dass Besonderheiten, die das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen, nur vorliegen, wenn sie gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten, abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle aufgetreten sind. Im Übrigen gelten die Ausführungen oben entsprechend.
Die in der Rechnung angegebenen Begründungen, die von Dr. H. S. in der Stellungnahme vom 25.10.2010 ergänzt wurden, beziehen sich nun nicht auf die Behandlung gerade von M. Sie beziehen sich vielmehr auf die in der Praxis allgemein gehandhabte Art und Weise der kieferorthopädischen Behandlung.“

Wie sind Beanstandungen der Beihilfe zu bewerten?

Die Forderung, dass nur personenbezogene Gründe mit dem „Charakter einer Ausnahme“ zur Regelsatzüberschreitung vorzuliegen haben, ist im Gesetzestext (GOZ 2012) nicht gefordert.
Aus zahnärztlicher Sicht können Gebührensätze oberhalb des 2,3/1,8-fachen Satzes auch durch die in einer Behandlung angewandten Verfahren, Technik oder Materialien begründet oder bereits wegen überdurchschnittlicher Schwierigkeiten gerechtfertigt sein. Auch diese Beurteilung wird durch zahlreiche gerichtliche Urteile gestützt.

Der BGH hat bereits vor der jetzt erfolgten Novellierung der GOZ – ebenso wie stets auch die Verwaltungsgerichte – betont, dass sich die Höhe der einzelnen Gebühr für Leistungen des Gebührenverzeichnisses nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GOZ bemisst. Insoweit sind künftig die Kostenerstatter von Bund, Ländern und Gemeinden gut beraten, ein paar Grundsätze zu beherzigen:
Die Beihilfestelle verletzt ihre Amtspflicht, wenn sie bei Prüfung der Beihilfefähigkeit zahnärztlicher Behandlungskosten den Sachverhalt nicht vollständig erforscht und die dafür maßgeblichen Gesetze sowie allgemeinen Dienst- und Verwaltungsvorschriften nicht anwendet.
Die Verwaltungsvorschriften zur Bundesbeihilfeverordnung sehen ausdrücklich vor, dass die Beihilfestelle bei nicht ausgeräumten Zweifeln an einer ausreichenden Begründung für die Überschreitung des 2,3- fachen des Gebührensatzes eine Stellungnahme der zuständigen Zahnärztekammer oder eines zahnärztlichen Sachverständigen einholt. Die Regelung auf Ebene der Bundesländer ist ähnlich.

Dieser Artikel wurde zur Verfügung gestellt von JURADENT (R)

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