Rechtstipp 6/2025 AG Reutlingen: Digitale Volumentomographie vor prothetischer/implantologischer Versorgung medizinisch notwendig und rechtlich abgesichert

Urteil vom 28.02.2020

Zahnärzte stehen regelmäßig vor der Frage, ob eine Digitale Volumentomographie (DVT) medizinisch notwendig und gegenüber dem Patienten sowie dem Kostenträger abrechnungsfähig ist. Das Amtsgericht (AG) Reutlingen hat mit Urteil vom 28.02.2020 (Az.: 5 C 409/19) bestätigt, dass vor einer prothetischen Versorgung sowie Implantation zur Abklärung von Zustand, Behandlungswürdigkeit, Erhaltungsfähigkeit und Situation der Zähne eine aussagekräftige Digitale Volumentomographie notwendig und sogar medizinisch geboten ist.

Sachverhalt:
Eine Patientin wurde zahnärztlich wegen zweier vorgeschädigter Zähne behandelt, bei denen zusätzlich eine Versorgung mit einem Implantat im Raum stand. Die hausärztlich vorgelegten 2D-Röntgenbilder reichten dem behandelnden Zahnarzt nicht aus, um eine fundierte Entscheidung über die Erhaltungswürdigkeit der Zähne zu treffen. Er veranlasste deshalb eine Digitale Volumentomographie (DVT) zur weiterführenden Diagnostik. Nach erfolgter Behandlung verweigerte die Patientin die Zahlung der Röntgenaufnahme und wendet ein, dass eine Leistungserstattung durch die private Krankenversicherung nicht erfolgt, weil die Aufnahme unnötigerweise erstellt worden sei.

Aus den Entscheidungsgründen:
Das Amtsgericht gab der Klägerin Recht: Die Patientin wurde zur Zahlung der restlichen Behandlungskosten in Höhe von 722,84 Euro verpflichtet. Im Zentrum der Entscheidung stand die medizinische Notwendigkeit der DVT.

Kernaussagen des Gerichts:

  • Die DVT war medizinisch notwendig und fachlich geboten, um Zustand, Erhaltungsfähigkeit und die Planung der weiteren Versorgung zu beurteilen.
  • Es handelt sich dabei um ein etabliertes und durch Leitlinien empfohlenes Verfahren, insbesondere laut der 2k-Leitlinie der AWMF zur dentalen DVT.
  • Die Behandlung war nicht ungewöhnlich teuer, gefährlich oder mit seltenen Methoden verbunden. Deshalb bestand keine besondere wirtschaftliche Aufklärungspflicht (§ 630c Abs. 3 BGB).
  • Der medizinische Sachverständige bestätigte, dass die 3D-Bildgebung gegenüber herkömmlichen 2D-Röntgenbildern signifikante diagnostische Vorteile bietet.
  • Der Vorwurf der „Gerätemedizin“ wurde ausdrücklich zurückgewiesen – vielmehr handele es sich um eine sinnvolle Weiterentwicklung der zahnärztlichen Diagnostik.

Dieses Urteil unterstreicht:

Zahnärzte dürfen und sollen moderne bildgebende Verfahren einsetzen, wenn herkömmliche Diagnostik nicht ausreicht.

Eine DVT kann insbesondere vor implantologischen oder komplex prothetischen Maßnahmen nicht nur sinnvoll, sondern aus haftungsrechtlicher Sicht geboten sein.

Die bloße Nichtverfügbarkeit eines DVT-Geräts in einer Praxis spricht nicht gegen die medizinische Notwendigkeit – das Gericht erkennt an, dass wirtschaftliche Aspekte die Geräteausstattung beeinflussen können.