Sie kann es nicht lassen
Massive Störung des Arzt-Patienten-Verhältnis:
In puncto Abrechnung: Dr. Peter Esser zu den häufigsten Fragen der Abrechnung (460)
aus DZW 06-2019
Ein konkreter Vorfall mit einer PKV soll stellvertretend eine mittlerweile häufigere Praxis einiger weniger privater Krankenversicherungen aufzeigen, die so früh und so drastisch in das Zahnarzt-Patienten-Verhältnis eingreifen, dass die Bekundung im Beschluss Nummer 5 des GOZ-Beratungsforums von Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Privater Krankenversicherung (PKV) und Beihilfe „Trennung von Liquidation und Erstattung“ wie ein schlechter Scherz klingt.
Zuletzt derart krass aufgefallen war dieses Verhaltensmuster 2014 bei der HUK- Coburg. Da musste umfangreich in mehreren Artikeln von nicht hinnehmbaren Wirrungen und Irrungen sowie unhaltbaren Forderungen zur Material- und Laborkostenberechnung berichtet werden.
Übergriff weit im Vorfeld von Liquidation und Erstattung
Nun liegt ein neuer, gravierender und auch ziemlich pikanter Fall vor: Ein privat versicherter Zahnarzt legte im Herbst 2018 seiner Versicherung, der HUK-Coburg, einen Heil- und Kostenplan vor, weil er eine Krone und eine eingliedrige Brücke im Unterkiefer links benötigte. Er erhielt einen Bescheid mit wirr erscheinenden Zahlen beziehungsweise einer Verwechslung von Honorar und Material- und Laborkosten, der selbst für Fachleute nur schwer nachvollziehbar war. Nachgerechnet ergaben sich angekündigte Erstattungsabzüge in Höhe von ca. einem Fünftel des veranschlagten Gesamtbetrags.
Zusätzlich gab es im zweiseitigen Bescheid krause Vorschläge: „Als Ihr Krankenversicherer möchten wir Ihnen gerne anbieten, Ihre Behandlungskosten im vollen tariflichen Umfang zu zahlen.“ Wieso anbieten? Tarif ist doch Tarif! Also gegebenenfalls auch nicht im tariflichen Umfang? Etwa willkürlich? Tarifumfang ist doch der vertragliche Anspruch? Wenn man diesen schon vor vier Jahren heftig kritisierten ähnlichen Satz mit Aussicht auf untertarifliche Mindererstattung als Druckmittel missverstanden haben sollte, so spricht dessen Beibehaltung und Wiederverwendung sehr stark dafür, dass genau das beabsichtigt sei.
Die HUK-Coburg fährt fort: „Aus diesem Grunde haben wir uns mit verschiedenen Gesundheitspartnern, welche unsere Qualitätsansprüche erfüllen, zusammengeschlossen. Vorteil für Sie: Wir übernehmen die Kosten einer medizinisch notwendigen Behandlung ohne die in der Zusage genannten Kürzungen.“ „Unsere Qualitätsansprüche?“ Egal, ob auch die Qualitätsansprüche des Versicherten erfüllt sind oder gegebenenfalls nicht? Bei Minderqualität werden die notwendigen Behandlungskosten ohne Kürzung übernommen, oder wie ist das gemeint? Das darf doch alles nicht wahr sein!
Aber die HUK-Coburg packt noch drauf: „Ihr Vorteil bei einer Behandlung durch unsere Gesundheitspartner: Bundesweites Qualitätsnetzwerk von Zahnarztpraxen und regionalen Zahnlaboren, qualitativ hochwertige Versorgung, preiswerter Zahnersatz zu 100 Prozent aus Deutschland, schnelle Terminvereinbarung, erweiterte Öffnungszeiten und weitere Serviceleistungen zu vergünstigten Konditionen. Möchten Sie unser Angebot nutzen und unseren Gesundheitspartner kennenlernen? Setzen Sie sich mit unserem Partner in Verbindung und reduzieren Sie Ihren Eigenanteil:
Quality Smile — Hotline: …, Festnetz:…,E-Mail: huk@quality-smile.de
Bitte beachten Sie: Die Wahl Ihres Zahnarztes sowie des Labors steht Ihnen selbstverständlich frei. Der Hinweis auf unseren Gesundheits-partner ist lediglich ein Tipp von uns an Sie, Ihren Geldbeutel zu entlasten.“
Zu Deutsch und im Klartext: Wenn Sie aber zu dem Zahnarzt gehen, der den Heil- und Kostenplan ausgestellt hat und der die zahntechnischen Leistungen in einem Labor seiner Wahl anfertigen lässt, dann gibt es keine Entlastung, stattdessen die angekündigten Kürzungen. Ist das ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht? Ist das Zuweisung von Patienten gegen indirektes Entgelt? Das sollte die jeweilige Zahnärztekammer herausfinden!
Der Gipfel aber ist, dass in diesem besonderen Fall einem Patienten ein Behandler aufgedrängt werden soll, den er nicht kennt und der seinem vertrauten, fähigen Behandlerkollegen vorgezogen werden soll!
Weitere Schlupflöcher
Die HUK-Coburg sagt im Effekt, wenn der Versicherte sich für ein anderes Labor entscheidet, entstehen ihm zusätzliche Eigenanteile. Darüber hinaus wird die sowieso schon unbestimmte Erstattungszusage völlig unverbindlich mit der scheinbaren Zusage: „Wir übernehmen die Kosten einer medizinisch notwendigen Behandlung ….“. Wenn erstatterseitig nachträglich behauptet wird, Zahnarzt oder Labor hätten eine medizinisch nicht notwendige Versorgung durchgeführt, gilt die erfolgte Zusage zum Heil- und Kostenplan wenig. Der HKP-Bescheid besagt nicht, dass die Behandlung prinzipiell – mit den angeführten Erstattungsausnahmen – als notwendig anerkannt wurde.
Nicht anerkannt wurden (vorerst) konkrete Verblendkosten des Molarenpfeilers. Und eine Summe für Material- und Laborkosten, die die Preise eines unbekannten, wohl nicht im abgeschlossenen Tarif verankerten „Leistungsverzeichnis für Zahntechnik“ der HUK-Coburg übersteigen würde?
Laborauflagen sollen in Fremdpraxen lenken
Da der Versicherte in seiner Rolle als Patient in der Regel auf gemeinsame Auswahl des Dentallabors mit seinem Zahnarzt angewiesen ist, gibt die HUK-Coburg zielstrebig und keiltreibend zu den „Gesundheitspartnern“ an: „Bundesweites Qualitätsnetzwerk von Zahnarztpraxen und regionalen Dentallaboren.“
Das ist meines Erachtens ein unzulässiges Aufdrängen von Konkurrenzzahnärzten. Und richtig: Bei näherer Vertiefung in die beiliegenden „Anlagen – Flyer Gesundheitspartner zahnärztliche Versorgung“ und nach zusätzlichem Besuch der Homepage der HUK-Coburg „Quality Smile – Gesundheitspartner HUK-Coburg“ erhält man eine werblich gestaltete Auflistung von beteiligten MVZ (medizinischen Versorgungs-zentren) und Praxen.
Der „normale“ Zahnarzt denkt bei derartiger „Empfehlung“ anderer Zahnärzte, dass diese ja der Nennung zwecks Abwerbung zugestimmt haben müssen. Er wertet dieses Verhalten als sehr unkollegial. Der „gestandene“ Zahnarzt empfindet zudem Scham und Sorge, wie weit es mit dem Berufsstand bereits bergab gegangen ist.
Rückbehalt des Rechnungsbetrags
Der Gipfel der Tipps an den Versicherten zur „Entlastung des Geldbeutels“ durch die HUK-Coburg erscheint rechtlich sehr bedenklich: „Bitte nehmen Sie die Begleichung der Rechnung erst vor, wenn wir Sie über das Ergebnis der Prüfung informiert haben bzw. wenn Sie die Erstattung von uns erhalten haben. Dann unterstützen wir Sie auch gern bei der Abwehr unseres Erachtens ungerechtfertigter Forderungen.“
Das könnte unter Umständen – so unbestimmt – eine Aufforderung zu rechtswidrigem Handeln sein. Antworten kann man recht unemotional mit einem Zitat aus Paragraf 10 Absatz 1 Satz 1 GOZ: „Die Vergütung wird fällig, wenn dem Zahlungspflichtigen eine dieser Verordnung entsprechende Rechnung … erteilt worden ist“ – und nicht erst, wenn die Versicherung die Bezahlung der Rechnung freigibt.
Was ist zu tun?
Solche Vorgänge sind der Zahnärztekammer mit allen zugehörigen Unterlagen zugänglich zu machen, verbunden mit der Aufforderung, berufsrechtlich und gegebenenfalls wettbewerbsrechtlich gegen derartige Praktiken vorzugehen.
Da diese Art des Verhaltens unbeirrt seit geraumer Zeit erfolgt, wäre es vielleicht sinnvoll, Heil- und Kostenplänen für Versicherte der HUK-Coburg oder ähnlich handelnder PKVen ein kleines Anschreiben vorzuheften. Das könnte folgenden Inhalt haben:
Liebe Patientin, lieber Patient,
wir haben gemeinsam Ihre Heilplanung und dazugehörige Versorgung erarbeitet. Sie haben sich dazu entschlossen. Sie haben eine gute Entscheidung getroffen und wollen den Plan und den Laborkostenvoranschlag Ihrer Krankenversicherung HUK- Coburg vorlegen.
Mir wurde in letzter Zeit bekannt, dass diese Versicherung versucht, sich einzumischen. Man will Sie zur Inanspruchnahme billigerer Dentallabors und eventuell anderer Praxen drängen. Es wird mit Niedrigpreisen geworben, die sich rein rechnerisch bereits bei einem Jahr weniger Tragedauer als bitteres Minusgeschäft erweisen könnten. Deren Labore werden namentlich nicht genannt, ich kenne sie nicht und schon gar nicht die dort tätigen Zahntechniker und deren Arbeitsweise. Sie werden dem Standard genügen und werden wohl eine dem Preis entsprechende Qualität liefern.
Als Ihr Zahnarzt arbeite ich seit Jahren mit einem Dentallabor zusammen, mit dem ich beste Erfahrungen habe. Ich bin bei Ihrer Behandlung auf gute und vor allen Dingen vertrauensvoll enge Zusammenarbeit mit „unserem“ Zahntechniker angewiesen, wenn das Ergebnis gut sein soll. Vor allem wenn es schwierige Situationen oder Voraussetzungen zu meistern gilt.
Zahntechnik wird je nach Ausbildung, Verantwortungsgefühl und Fähigkeit in unterschiedlicher Qualität geliefert. Zahntechnik ist feine, einzigartige Handarbeit, möglichst von begabten Künstlern und Meistern ihres Fachs. Zahntechnik ist ein gutes Stück Vertrauenssache, denn vieles kann der Zahnarzt mit dem Labor abstimmen, beeinflussen, auch kontrollieren, aber in das Innere eines Werkstücks hineinschauen kann er nur begrenzt.
Ich kann mich auf mein Labor verlassen und ich bleibe dabei. Sie können sich auf unser Labor verlassen, aber Sie haben die Wahl.
Sie können sich aber auch die Einmischung der HUK-Coburg verbitten. Und Sie können auf einem konkreten Kostenübernahmebescheid, gegebenenfalls mit konkreten Einzelbegründungen, bestehen und sollten sich mit einer völlig unverbindlichen Mitteilung wie „Wir übernehmen die Kosten einer medizinisch notwendigen Behandlung“ nicht zufrieden geben.
Es grüßt Sie freundlich
Ihr Zahnarzt
Da wir Ihnen gerne unsere Unterstützung anbieten, raten wir dazu, sich bei angeblich vertragbegrenzter Laborkostenerstattung diese Klausel auf einer Kopie Ihres Originalvertrags konkret nachweisen zu lassen.
Dr. Peter H. G. Esser, Simmerath-Einruhr
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