VG Saarland: Eine Überschreitung des Schwellenwertes setzt Besonderheiten mit Ausnahmecharakter voraus
Urteil vom 26.05.2017
Die Schwellenwertüberschreitung ist weiterhin bei der Beihilfe ein schwieriges Thema, da die Begründungen in der Regel nicht anerkannt werden.
Das Verwaltungsgericht (VG) Saarland hatte sich am 26.05.2017 (Az.: 6 K 468/16) mit der Klage eines Beihilfeberechtigten zu beschäftigen und festgestellt, dass eine Überschreitung des Schwellenwertes nur dann zulässig ist, wenn Besonderheiten – abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle – gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten aufgetreten sind.
Hintergrund:
Streitig war die GOZ-Nr. 2100 „Kompositfüllung in Adhäsivtechnik, dreiflächig“ für die Zahnregion 28, die mit dem Steigerungssatz von 3,5 in Ansatz gebracht wurde. Zur Begründung dieses Steigerungssatzes war in der Rechnung folgendes angegeben:
„überdurchschnittlicher Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand wegen Anwendung Mehrfarbentechnik bzw. schwierige spezielle Farbanpassung und besonders schwierige Füllungsgestaltung im Kontaktbereich zum Nachbarzahn“
Die Beihilfefeststellungsstelle erkannte diese zahnärztliche Leistung nur in Höhe eines 2,3-fachen Steigerungssatzes an und begründete dies damit, dass eine Überschreitung des Schwellenwertes nur in besonders schwierigen Fällen, die von der Masse der Behandlungsfälle abweichen würde, zulässig sei. Die angegebene Begründung lasse einen solchen Ausnahmefall nicht erkennen. Die Schwierigkeit sei mit dem 2,3-fachen Satz bereits abgedeckt, so dass keine weitere Beihilfe zustehe. Zudem habe in der Regel jeder Zahn mindestens einen Kontaktbereich zum Nachbarzahn, sodass eine überdurchschnittliche Leistung nicht anzuerkennen sei.
Das Urteil:
Das Gericht hielt den ablehnenden Bescheid für rechtmäßig und stützt seine Auffassung auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 17.02.1994 (Az.: 2 C 10.92):
„Eine Überschreitung des Schwellenwertes hat nach dem sachlichen Zusammenhang der Vorschrift den Charakter einer Ausnahme und setzt voraus, dass Besonderheiten gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten, abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle, aufgetreten sind. Dem Ausnahmecharakter des Überschreitens des Schwellenwertes widerspräche es, wenn schon eine vom Zahnarzt allgemein oder häufig, jedenfalls nicht nur bei einzelnen Patienten wegen in ihrer Person liegenden Schwierigkeiten, angewandte Verfahrensweisen bei der Ausführung einer im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistung als eine das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigende Besonderheit angesehen würde.
Voraussetzung ist demnach zum einen, dass die Leistung aufgrund der tatsächlichen Umstände vom Typischen und Durchschnittlichen erheblich abweicht. Die Begründung darf dabei nicht allgemein gehalten sein, sondern muss genügend Anhaltspunkte für einen Vergleich enthalten, bei dem deutlich wird, dass die Behandlungsschritte einen ungewöhnlich hohen Schwierigkeitsgrad aufwiesen, der deutlich über demjenigen lag, der durch die Regelspanne abgegolten wird. Voraussetzung ist nach ständiger Rechtsprechung der Kammer aber des Weiteren, dass die besonderen Schwierigkeiten nicht in der angewandten Behandlungsmethode begründet sind, sondern auf den individuellen Verhältnissen des konkret behandelten Patienten beruhen.
Die gegebene Begründung lässt, soweit mit ihr ein „überdurchschnittlicher Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand wegen Anwendung Mehrfarbentechnik“ geltend gemacht wird, keine auf die Person der Ehefrau des Klägers bezogene Besonderheiten erkennen. Es lässt sich der Begründung weder entnehmen, dass sich die Anwendung der Mehrfarbentechnik in deren Fall aufgrund individueller Besonderheiten und abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle besonders schwierig gestaltet hätte, noch dass mit der Anwendung der Mehrfarbentechnik gerade im Fall der Ehefrau des Klägers ein besonderer, die durchschnittliche Anwendungsdauer erheblich überschreitender Zeitaufwand verbunden gewesen wäre.
Aber auch soweit als Begründung die „schwierige spezielle Farbanpassung und besonders schwieriger Füllungsgestaltung im Kontaktbereich zum Nachbarzahn“ angeführt ist, ergibt sich hieraus kein die Schwellenwertüberschreitung rechtfertigender Umstand. Aus ihr ergibt sich nämlich ebenfalls nicht, dass und inwieweit dem besagten Umstand im Vergleich zu der Mehrzahl der Behandlungsfälle überdurchschnittliche Bedeutung beizumessen gewesen wäre.
Insoweit hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass in der Regel jeder Zahn mindestens einen Kontaktbereich zum Nachbarzahn hat.“
Von Angelika Enderle, erstellt am 03.11.2017, zuletzt aktualisiert am 03.11.2017
Juradent-ID: 3811
Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
© Asgard-Verlag Dr. Werner Hippe GmbH, Siegburg.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!