Rechtstipp 09/24: Festzuschuss ist auch bei Härtefall auf die Kosten der Regelversorgung begrenzt

LSG Nordrhein-Westfalen: Festzuschuss ist auch bei Härtefall auf die Kosten der Regelversorgung begrenzt

Urteil vom 13.04.2023

Mit Urteil vom 13.04.2023 (Az.: L 5 KR 26/23) stellt das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen klar, dass die Begrenzung bei Vorliegen eines „Härtefalls“ in Höhe des zweifachen Festzuschusses der Regelversorgung bzw. auf die tatsächlich entstandenen Kosten nicht gegen Grundrechte des Versicherten verstießen und verletze insbesondere nicht den allgemeinen Gleichheitssatz. Eine über die Regelversorgung hinausgehende Versorgung könne sich der Versicherte lediglich auf eigene Kosten verschaffen.

Hintergrund:

Die gesetzliche Krankenkasse hatte einem Patienten für eine prothetische Behandlung bei Annahme eines Härtefalls einen Zuschuss i.H.v. 11.294,74 Euro bewilligt. Hiergegen legte der er Widerspruch ein. Er habe Anspruch auf eine vollständige Kostenübernahme. Er erhalte Leistungen nach dem SGB II und könne den Eigenanteil nicht bezahlen. Zudem könne der behandelnde Zahnarzt wegen einer Allergie und Krankheiten durch Kontakt mit Schwermetallen „keine Eisenzähne“ implantieren.

Aus den Entscheidungsgründen:

Für die beantragte prothetische Versorgung habe der Kläger bereits den dort vorgesehenen doppelten Festzuschuss bewilligt erhalten. Die Beklagte sei hierbei von einer unzumutbaren Belastung nach § 55 Abs. 2 SGB V ausgegangen. Wählen Versicherte – wie hier der Kläger –, die unzumutbar belastet werden, nach § 55 Abs. 4 oder 5 SGB V einen über die Regelversorgung hinausgehenden gleich- oder andersartigen Zahnersatz, leisten die Krankenkassen nur den doppelten Festzuschuss. Die klare Begrenzung der Leistungen auf höchstens die vollen Kosten der Regelversorgung beruhe darauf, dass die Versicherten mit der Regelversorgung das erhalten, was geeignet, ausreichend und erforderlich sei. Eine über die Regelversorgung hinausgehende Versorgung könne sich der Versicherte lediglich auf eigene Kosten verschaffen.

Auch § 55 Abs. 3 SGB V begrenze den Leistungsumfang aus den gleichen Gründen höchstens auf den Betrag für die Regelversorgung, die vorliegend dem Kläger durch die Beklagte jedoch bereits gewährt worden sei. Versicherte hätten bei der Versorgung mit Zahnersatz zusätzlich zu den Festzuschüssen nach Abs. 1 Satz 2 Anspruch auf einen weiteren Betrag (§ 55 Abs. 3 S. 1 SGB V).

Die Krankenkassen erstatteten den Versicherten den Betrag, um den die Festzuschüsse nach Abs. 1 S. 2 das Dreifache der Differenz zwischen den monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt und der zur Gewährung eines zweifachen Festzuschusses nach Abs. 2 S. 2 Nr. 1 maßgebenden Einnahmegrenze überstiegen (§ 55 Abs. 3 S. 2 SGB V). Die Beteiligung an den Kosten umfasse jedoch höchstens einen Betrag in Höhe der zweifachen Festzuschüsse nach Abs. 1 S. 2, jedoch nicht mehr als die tatsächlich entstandenen Kosten (§ 55 Abs. 3 S. 3 SGB V).

Die dargelegten Regelungen verstießen nicht gegen Grundrechte Versicherter. § 55 SGB V verletze insbesondere nicht den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs. 1 GG; BSG, Urt. v. 27.08.2019 – a.a.O. Rn. 21). Insofern komme dem Kläger auch kein Anspruch aus einer grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts wie bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen sowie bei wertungsmäßig in damit vergleichbaren Erkrankungen in Betracht, weil selbst drohende Zahnlosigkeit keinen vergleichbaren Schweregrad erreiche (BSG, Urt. v. 04.03.2014 – B 1 KR 6/13 R Rn. 16; BSG, Urt. v. 02.09.2014 – B 1 KR 12/13 R Rn. 21).