Rechtstipp Oktober 2011 Fatales Nebengeschäft eines angestellten Arztes

Arbeitsgericht Hagen: Fatales „Nebengeschäft“ eines angestellten Arztes

Auch auf den ersten Blick betragsmäßig geringfügige „Nebengeschäfte“ eines angestellten Arztes können arbeitsrechtlich zu ganz gravierenden Folgen führen, wie ein Urteil des Arbeitsgerichtes (ArbG) Hagen vom 18.01.2011 (5 Ca 1324/10) zeigt.

Der Fall:

Im konkreten Fall arbeitete ein Arzt nach dem erfolgten Verkauf seiner Praxis bei den Praxiskäufern als angestellter Arzt weiter. Im Rahmen des vereinbarten Arbeitsvertrages wurde u. a. die Verpflichtung des angestellten Arztes festgeschrieben, den ärztlichen und organisatorischen Weisungen der Praxisinhaber nachzukommen, wobei auch vereinbart wurde, dass jede Nebentätigkeit des angestellten Arztes – mit Ausnahme von Vortrags- und Seminartätigkeiten sowie Autorentätigkeit für Fachartikel – einer vorherigen schriftlichen Genehmigung der Praxisinhaber bedurfte. Im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses untersuchte der angestellte Arzt am 19.04.2010 einen Privatpatienten und erstellte ein ärztliches Kurzgutachten über dessen Hörfähigkeit zur Vorlage beim Straßenverkehrsamt. Hierbei stellte er ein ärztliches Attest mit dem Stempel der nicht mehr bestehenden früheren Praxis aus und ließ sich einen Betrag von 17,43 Euro für das erstellte Gutachten von der Arzthelferin der Praxis auskehren, die das Geld von dem Privatpatienten vereinnahmt hatte. Am 20.03.2010 erstellte der angestellte Arzt darüber hinaus ein Kurzgutachten für den Tauchsport, wobei er bei einer Arzthelferin auch das hierfür vereinnahmte Honorar in Höhe von 25,00 Euro einforderte, was ihm aber mit dem Hinweis, dass das Geld verbucht werden müsse, verwehrt wurde. Nachdem den Praxisinhabern diese Vorgänge bekannt wurden, wurde dem angestellten Arzt am 09.06.2010 fristlos gekündigt.

Die Entscheidung:

Das ArbG Hagen bestätige die fristlose Kündigung. Von einem Arbeitnehmer zu Lasten des Arbeitgebers begangene Eigentums- oder Vermögensdelikte seien regelmäßig geeignet, eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zu rechtfertigen, und zwar auch dann, wenn die rechtswidrige Verletzungshandlung nur Sachen von geringem Wert betreffe. Es könne dahinstehen, ob der angestellte Arzt eine vollendete und eine versuchte Unterschlagung an den Honorarbeträgen für die beiden Kurzgutachten im strafrechtlichen Sinne begangen habe, da dies aus arbeitsrechtlicher Sicht nicht entscheidend sei. Dem angestellten Arzt sei vielmehr eine erhebliche Verletzung der Treuepflicht vorzuwerfen, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertige. Bei den beiden Honorarbeträgen handele es sich um Patientengelder, die aus der Tätigkeit als angestellter Arzt resultierten. Der fristlosen Kündigung stünde auch nicht das Fehlen einer Abmahnung entgegen. Es spreche einiges dafür, dass bei vorsätzlichen Vermögenspflichtverletzungen das Erfordernis einer Abmahnung entfalle, weil kein verständiger Arbeitnehmer damit rechnen könne, dass der Arbeitgeber ein derartiges Fehlverhalten ohne unmittelbaren Ausspruch einer Kündigung hinnehme. Darüber hinaus habe die Vorgehensweise des angestellten Arztes das erforderliche Vertrauen in seine Redlichkeit irreparabel zerstört.

RA Michael Lennartz

 

 

Rechtstipp September 2011 Hoher Schadensersatz wegen Zahnsubstanzverlust bei Veneers

OLG Hamm: Hoher Schadensersatz wegen Zahnsubstanzverlust bei Veneers

In seinem Urteil vom 30.05.2011 (I-3 U 205/10) hat sich Oberlandesgericht (OLG) Hamm u. a. mit der Frage befasst, ob ein Zahnarzt bei einer Versorgung von Frontzähnen mit Veneers zu viel Zahnsubstanz zerstört hat. Das Urteil ist von Interesse, da es interessante Ausführungen zu den Standards bei einer Veneer-Behandlung macht, wobei es eingehend auf die Aufklärungspflichten des Zahnarztes eingeht.

Der Fall:

In dem konkreten Fall ließ sich eine Patientin Veneers an den Oberkieferfrontzähnen einsetzen. Nach der durchgeführten Versorgung reklamierte die Patientin, dass vor Aufbringen der Veneers die Frontzähne behandlungsfehlerhaft zu weit abgeschliffen worden seien. Bei den dann aufgebrachten Keramikschalen habe es sich schon definitionsgemäß nicht mehr um Veneers, sondern um Teilkronen gehandelt. Es sei fehlerhaft gewesen, dass über die Tiefe des Zahnschmelzes hinaus bis in das Dentin präpariert worden sei, was für das Aufbringen von Veneers viel zu viel gewesen sei. Zulässig sei nur ein Abtrag von 0,3 bis 0,5 mm der Zahnhartsubstanz. Zudem machte die Patientin geltend, dass sie von Seiten des Zahnarztes nicht ordnungsgemäß über die Risiken der Behandlung mit Veneers aufgeklärt worden sei, und zwar insbesondere nicht über die Schädigung der Pulpa sowie eine dauerhafte teils hochgradige thermische Empfindlichkeit und Abszedierung. Zudem sei sie über den Verlauf der Behandlung, insbesondere die Abschleifmaßnahmen sowie über Behandlungsalternativen, nicht aufgeklärt worden. Gegenüber ihrem Zahnarzt machte die Patientin einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von mindestens 8.000,00 Euro geltend und forderte zudem noch Kosten in Höhe von 177,12 Euro für eine zahnärztliche Nachbehandlung und Einholung eines Privatgutachtens ein.

Die Entscheidung:

Auf die Berufung der Patientin hin, änderte das OLG Hamm das Urteil der Vorinstanz ab und verurteilte den Zahnarzt an die Patientin Schmerzensgeld in Höhe von 8.177,12 Euro zzgl. Zinsen zu zahlen. Darüber hinaus wird in dem Urteil festgestellt, dass der Zahnarzt verpflichtet ist, einen weiteren immateriellen Schaden zu ersetzen, der der Patientin aus der Behandlung bzgl. der Präparation ihrer vier Schneidezähne zukünftig noch entsteht.. Interessant ist, wie das OLG Hamm zu dieser Entscheidung kommt.

Kein Behandlungsfehler festgestellt

Dem Zahnarzt wird selbst kein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen bescheinigt. Der Beweis habe nicht erbracht werden könne, dass der Zahnarzt in fehlerhafte Weise zu viel Zahnsubstanz an den Frontzähnen vor Anbringen der Veneers abgeschliffen habe. Ausweislich des Votums des Sachverständigen ließe sich aus der Tatsache, dass die Veneers die Größe von Teilkronen erreicht hätten, nicht auf einen Fehler schließen. Definitionsgemäß handele es sich bei keramischen Verblendungen im Frontzahnbereich um Veneers und bei derartigen Versorgungen im Backenzahnbereich um Teilkronen. Ein Veneer im Frontzahnbereich könne also bei entsprechender Ausdehnung einer Teilkrone im Seitenzahnbereich entsprechen. Auch nach erneuter Nachfrage bei dem Sachverständigen könne nicht festgestellt werden, dass der Zahnarzt vorliegend zu viel abgeschliffen habe bzw. zu dicke Veneers aufgebracht habe. Unter Berücksichtigung der klinischen und radiologischen Befunde könnten auch keine Feststellungen mehr dazu getroffen werden, in welchem Ausmaß tatsächlich Zahnschmelz abgeschliffen wurde. Zwar sei an Teilen der Zähne bis ans Dentin geschliffen worden, wobei diese Vorgehensweise aber an der Anatomie des Zahnes gelegen habe und nicht auf einen Behandlungsfehler rückschließe.

Aufklärungspflicht verletzt?

Das OLG Hamm bejaht aber gleichwohl eine Haftung des Zahnarztes für sämtliche Folgen der zahnärztlichen Behandlung im Zusammenhang mit dem Einsetzen der Veneers, da die Patientin nicht hinreichend über die Risiken, die mit einer solchen Behandlung verbunden sind, aufgeklärt worden sei. Die Patientin sei insbesondere nicht über das Risiko einer Pulpitis, in deren Folge auch eine Abszedierung auftreten könne, aufgeklärt worden. Über ein solches Risiko hätte der Zahnarzt allerdings nach den Kriterien, die der BGH für die Risikoaufklärung entwickelt habe, aufklären müssen. Insoweit sei nämlich auch über seltene Risiken aufzuklären, wo sie, wenn sie sich verwirklichen, die Lebensführung schwer belasten und trotz ihrer Seltenheit für den Eingriff spezifisch, für den Laien überraschend sind. Nach diesen Maßstäben entfalle eine Aufklärungsverpflichtung des Zahnarztes also nicht deshalb, da eine Aufklärung in der zahnärztlichen Praxis nicht üblich sei, weil es sich um ein seltenes Risiko handele. Der Sachverständige habe erklärt, dass mit jedem Beschleifen von Zähnen das typische und spezifische Risiko einer Pulpitis verbunden sei. Bei diesem Risiko handele es sich nicht um eine absolute Rarität, sodass es für die Entscheidung der Patientin zur Durchführung der Behandlung nicht ohne jede Bedeutung gewesen wäre. Dies gelte insbesondere deshalb, weil das Einsetzen der Veneers im Wesentlichen auch aus kosmetischen Gründen erfolge. Pulpitis ist Risiko Nach den Feststellungen des OLG Hamm entwickelte sich bei der Patientin nach der Versorgung mit Veneers eine Pulpitis, womit sich das aufklärungsbedürftige Risiko in diesem Fall verwirklicht hatte. Aufgrund der damit einhergehenden Beschwerden und Beeinträchtigungen stünde der Patientin ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von 8.000,00 Euro zu. Darüber hinaus sei auch der Feststellungsantrag der Patientin hinsichtlich weiterer zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vorhersehbarer immaterieller Schäden begründet, da solche Schäden bspw. der Verlust der Frontzähne durchaus noch möglich seien. In der Sache wurde die Revision zum BGH nicht zugelassen.

Bewertung:

Die Entscheidung des OLG Hamm zeigt einmal mehr, wie wichtig die Risikoaufklärung in der zahnärztlichen Praxis ist. Selbst wenn kein Behandlungsfehler vorliegt, kann eine nicht erfolgte Aufklärung über typische oder auch seltene Risiken zu einer Haftung des Zahnarztes führen, sofern sich das Risiko über das aufgeklärt werden musste, verwirklicht hat. Nach dieser Entscheidung ist jedenfalls dringend anzuraten, dass bei einer Versorgung mit Veneers auch über das Risiko einer Pulpitis aufgeklärt wird.

RA Michael Lennartz

 

 

Rechtstipp August 2011 Heilpraktiker fachkundiger als Zahnärzte?

Heilpraktiker fachkundiger als Zahnärzte?

Zahnärzte sind nicht berechtigt, Faltenunterspritzungen oder Botoxbehandlungen über den Bereich der Lippen hinaus vorzunehmen, sofern sie nicht über eine zusätzliche ärztliche Approbation oder eine Heilpraktikererlaubnis verfügen. Zu diesem Ergebnis kommt das Verwaltungsgericht Münster in seinem Urteil vom 19. April 2011 (Az.: 7 K 338/09). Im Auftrag einer Zahnärztin hatten wir eine Klage gegen die zuständige Zahnärztekammer eingereicht, mittels derer die Feststellung der Zulässigkeit von Unterspritzungen von Falten und Botoxbehandlungen im Gesichts- und Halsbereich durch Zahnärzte erfolgen sollte.

Das Gericht wies die Klage ab und führt zur Begründung aus, dass es sich bei den beabsichtigten Leistungen nicht um eine Ausübung der Zahnheilkunde handele, da Paragraf 1 Absatz 3 Zahnheilkundegesetz die Zahnärzte lediglich berechtige, alle Behandlungen vorzunehmen, die sich auf den Bereich der Zähne, des Mundes und des Kiefers beziehen. Obwohl Zahnärzte unstreitig auch berechtigt sind, extraorale Leitungsanästhesien vorzunehmen, erklärte das Gericht weiter, dass selbst dies nicht für eine Zulässigkeit von Faltenunterspritzungen oder Botoxbehandlungen durch Zahnärzte im Gesichts- und Halsbereich spreche, da in diesen Fällen die Anästhesien auf eine Behandlung innerhalb des Bereichs Zähne, Mund und Kiefer gerichtet seien.

Ebensowenig liege in der Erlaubnis der Vornahme der streitigen Maßnahmen durch Heilpraktiker eine Ungleichbehandlung im Sinne des Artikels 3 Grundgesetz, da der Bundesgesetzgeber berechtigt gewesen sei, bei der Definition der den Zahnärzten erlaubten Ausübung der Zahnheilkunde im Rahmen des Zahnheilkundegesetzes enge Grenzen zu ziehen.
Unberücksichtigt gelassen hat das Gericht in seiner Entscheidung unserer Auffassung nach, dass dieses Gesetz und insbesondere die hier streitentscheidende Definition zu einem Zeitpunkt formuliert wurden, als Faltenunterspritzungen und sonstige vornehmlich kosmetisch veranlasste Behandlungen noch reine Phantasie waren und daher vom Gesetzgeber in dessen Überlegungen nicht einbezogen werden konnten.

Zudem sollte der Regelungszweck – nämlich der Schutz des Patienten vor Behandlungen durch unzureichend ausgebildete Personen – nicht außer Acht gelassen werden. Da Zahnärzte im Vergleich zu Heilpraktikern oder fachlich fernliegenden ärztlichen Professionen (zum Beispiel Strahlentherapeuten) fachlich sicher in der Lage sind, die streitgegenständlichen Maßnahmen durchzuführen, besteht kein sachlicher Grund, ihnen im Gegensatz zu den vorgenannten Gruppen die entsprechende Erlaubnis zu versagen und – wie im vorliegenden Fall – sogar anzuraten, die Heilpraktikererlaubnis zu erlangen, um so rechtlich sicheres Terrain zu betreten. Der Hinweis des Gerichts, der Zahnarzt könne ja eine Heilpraktikererlaubnis erlangen, erscheint vor diesem Hintergrund wenig zielführend.

Trotzdem fügt sich das vorliegende Urteil leider in eine Reihe von Entscheidungen unterschiedlicher Gerichtszweige ein, welche ebenfalls von einer Unzulässigkeit der Durchführung von Faltenunterspritzungen und Botoxbehandlungen durch Zahnärzte ausgehen. Nicht zuletzt weil hierbei auch strafrechtliche Sanktionen – insbesondere im Hinblick auf Betrugs- und Körperverletzungsdelikte – drohen, sollten Zahnärzte von solchen Behandlungen Abstand nehmen, solange das Zahnheilkundegesetz den heutigen Begebenheiten noch nicht angepasst oder durch die Rechtsprechung eine zeitgemäße Auslegung vorgenommen wurde.

Rechtsanwälte Martin Voß und Sabine Warnebier, Münster 

 

 

Rechtstipp Juli 2011 PZR nur unter Aufsicht des Zahnarztes

PZR nur unter Aufsicht des Zahnarztes

„Zahnkosmetikerin“ darf keine PZR mit Airflow durchführen

Die Regelungen des Zahnheilkundegesetzes (ZHG) sind eindeutig. Nach Paragraf 18 Nummer 1 ZHG wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer die Zahnheilkunde ausübt, ohne eine Approbation oder Berufserlaubnis als Zahnarzt zu besitzen. Das Amtsgericht (AG) Nürtingen hat sich in seinem Urteil vom 17. März 2011 (Az.: 16 Cs 115 Js 93733/08) mit den Aktivitäten einer „Zahnkosmetikerin“ zu befassen, die Professionelle Zahnreinigungen (PZR) im Airflow-Verfahren durchführte. Es verurteilte sie wegen unerlaubter Ausübung der Zahnheilkunde zu einer Geldstrafe.

Das Amtsgericht (AG) Nürtingen hat sich in seinem Urteil vom 17. März 2011 (Az.: 16 Cs 115 Js 93733/08) mit den Aktivitäten einer „Zahnkosmetikerin“ zu befassen, die Professionelle Zahnreinigungen (PZR) im Airflow-Verfahren durchführte. Es verurteilte die Zahnkosmetikstudiobetreiberin wegen unerlaubter Ausübung der Zahnheilkunde zu einer Geldstrafe.

Der Ausgang dieses Strafverfahrens ist insbesondere für die Abgrenzung zwischen rein kosmetischen Behandlungen und Behandlungen, die einer zahnärztlichen Approbation bedürfen, von besonderem Interesse. Auch in anderen Bereichen, wie der Zahnaufhellung (Bleaching), gibt es zwischenzeitlich gewerbliche Anbieter, die „zahnkosmetische Behandlungen“ durchführen. Auch hier kann es durchaus zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen, da bestimmte Formen des Bleachings klar unter Zahnarztvorbehalt stehen. So darf ein sogenanntes internes Bleaching (Einführung des Bleichmittels durch eine Zugangskavität) und externes Bleaching ab einer bestimmten Bleichmittelkonzentration nur durch approbierte Zahnärztinnen und Zahnärzte erbracht werden.

In dem der Entscheidung des AG Nürtingen zugrundeliegenden Fall führte eine ausgebildete Zahnmedizinische Fachassistentin in ihrem Zahnkosmetikstudio Behandlungsmaßnahmen der ästhetischen Zahnheilkunde mit einem Airflow-Pulverstrahlgerät durch. Konkret wurde der Betreiberin des Zahnkosmetikstudios vorgeworfen, diese Behandlungsmaßnahmen in drei Fällen durchgeführt zu haben, ohne die Zahnheilkunde auszuüben beziehungsweise auf Anordnung eines berechtigten Zahnarztes im Wege der Delegation zu handeln.

Das AG Nürtingen kommt zu dem Ergebnis, dass die von der Zahnkosmetikstudiobetreiberin durchgeführte Entfernung von Zahnverfärbungen und Zahnbelag unter Verwendung eines Airflow-Geräts den Straftatbestand der Paragrafen 18 Nr. 1, 1 Absatz 1, Absatz 3 ZHG erfüllt, da es sich um die Ausübung von Zahnheilkunde handelt.

Einer Straftat nach Paragraf 18 Nr. 1, 1 Abs. 1, Abs. 3 ZHG mache sich nur schuldig, wer im Geltungsbereich des ZHG die Zahnheilkunde dauernd ausübe, ohne eine Approbation oder Berufserlaubnis zu besitzen. Die Zahnreinigung im Airflow-Verfahren sei Ausübung der Zahnheilkunde und unterfalle damit dem normierten Zahnarztvorbehalt. Bei der Verwendung von Luft-Pulver-Wasserstrahlgeräten würden kleinste Pulverpartikel verschiedener Stoffe (Salze, Metalle) mit Wasser von einem starken Luftstrom transportiert und konstruktionsbedingt an der Austrittsdüse beschleunigt. Beim Auftreffen dieser Teilchen auf die Oberfläche des Zahns führe diese Bewegungsenergie zu einem Substanzabtrag von Belägen auf dem Zahn und von Zahnhartsubstanz.

Sinn und Zweck des Zahnarztvorbehalts sei es, die berufsmäßige Behandlung und Erkennung von Krankheiten im Mund- und Kieferbereich sowie die dazugehörige Prophylaxe zum Schutz der Patienten vor Schäden durch fehlerhafte Beratung und Behandlung durch entsprechend qualifiziert ausgebildete Ärzte durchführen zu lassen. Die Normierung dieses strikten Zahnarztvorbehalts diene darüber hinaus auch dem Schutz der Volksgesundheit und dem Schutz der Gesellschaft vor finanziellen und volkswirtschaftlichen Folgeschäden, welche durch unsachgemäße Behandlungen durch nicht entsprechend ausgebildete Personen entstehen können.

Der Gesetzgeber habe nicht beabsichtigt, durch die Einführung des Paragrafen 1 Absatz 5 ZHG (Anm.: Möglichkeit der Delegation an qualifiziertes Personal), das zuvor bestehende Schutzniveau für den Patienten durch die Zuweisung aller individualprophylaktischer Tätigkeiten an den Zahnarzt abzusenken. Dies ergebe sich aus der amtlichen Begründung zur Einführung des Paragrafen 1 Absatz 5 ZHG, wonach davon ausgegangen werde, dass es unter fachlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht erforderlich sei, alle Leistungen an Patienten nur von approbierten Zahnärzten durchführen zu lassen, es jedoch erforderlich sei, dass die Tätigkeit nicht approbierten Personales jederzeit vom Zahnarzt kontrolliert und überwacht werden.

Von der diagnostischen Tätigkeit, welche allein dem Zahnarzt vorbehalten bleibe, könne die rein mechanische Tätigkeit der Zahnreinigung nicht getrennt werden. Entscheidend in diesem Zusammenhang sei nicht, ob die rein mechanische Tätigkeit der Zahnreinigung ausschließlich kosmetische Zwecke verfolge. Maßgeblich sei die Erkenntnis, dass auch Eingriffe, die zu ästhetischen Zwecken vorgenommen würden, gesundheitliche Schädigungen verursachen können und daher dem Schutzzweck des ZHG unterfallen.

Die professionelle Zahnreinigung im Rahmen des Airflow-Verfahrens führe nach den anschaulichen und nachvollziehbaren Ausführungen des zugezogenen Sachverständigen auf kariesfreiem Zahnschmelz zu keinen Beschädigungen der Schmelzoberfläche. Einschränkungen würden sich insoweit jedoch in Bezug auf Zahnschmelz mit einer initialen Demineralisation ergeben, welcher durch die Bearbeitung mit Wasser-Pulverstrahlgeräten so beschädigt werden könne, dass eine Remineralisation nicht mehr möglich sei. Bei Patienten mit hohem Plaqueaufkommen und Remineralisation dürften Beläge auf den Zähnen nicht primär mit einem Wasser-Pulverstrahlgerät entfernt werden. Um dies zu erkennen, seien medizinische Kenntnisse erforderlich. Darüber hinaus handele es sich bei einer irreversiblen Demineralisation des Zahnschmelzes um einen erheblichen Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten mit der Folge, dass die Tätigkeit grundsätzlich dem Zahnarztvorbehalt unterfalle.

Am Anfang eines zu delegierenden Prophylaxefalls würde immer Diagnose und Anordnung entsprechender Maßnahmen aufgrund einer allein dem Zahnarzt vorbehaltenen Ermessensentscheidung stehen. Im Rahmen der Therapieplanung könne der Zahnarzt sodann prophylaktische Leistungen an entsprechend qualifiziertes Personal delegieren, wobei die jederzeitige Kontrolle gewährleistet sein müsse. Dass die Angeklagte vor Durchführung der Airflow-Behandlung gegebenenfalls verlangt habe, dass vor der Behandlung eine zahnärztliche Kontrolle stattgefunden hat, genüge nicht.

Die Zahnkosmetikstudiobetreiberin konnte sich auch nicht mit ihrem Argument durchsetzen, dass unter anderem das Zähneputzen mittels einer Zahnbürste bei dieser Auslegung nach dem ZHG strafbar sein würde. Nach Auffassung des AG Nürtingen sind die bei einer Behandlung der Zähne im Airflow-Verfahren potenziell möglichen Folgeschäden an den Zähnen der Patienten nicht mit „Zähneputzen“ vergleichbar, da bei diesem Verfahren ein vielfach höherer Druck auf die Zähne ausgeübt wird

Das AG Nürtingen verurteilte die Zahnkosmetikstudiobetreiberin wegen dreier Vergehen der unerlaubten Ausübung der Zahnheilkunde zu einer Gesamtgeldstrafe von 15 Tagessätzen à 20 Euro. Als strafmittelmildernd wurde unter anderem berücksichtigt, dass die Angeklagte eine einschlägige Berufsausbildung und langjährige Berufsausführung hatte und den Patienten/Kunden letztlich kein gesundheitlicher Schaden entstanden war.

Mit seiner Entscheidung stellt das AG Nürtingen unmissverständlich fest, dass der Zahnarztvorbehalt kein Selbstzweck ist, sondern dem Schutz der Patienten dient. Es kann nicht angehen, dass in sogenannten „Zahnkosmetikstudios“ Zahnheilkunde betrieben wird. Diese Entscheidung wird dazu beitragen, dass es sich „Zahnkosmetikstudiobetreiber“ sehr genau überlegen werden, welche Leistungen sie anbieten. Zur Vermeidung von strafrechtlichen Konsequenzen werden sie sich auf rein kosmetische Leistungen beschränken müssen. Hierbei darf es auch bei den eingangs erwähnten „Bleaching-Maßnahmen“ keine Grauzonen geben.

RA Michael Lennartz, Bonn

 

 

Rechtstipp Juni 2011 Anwendbarkeit des Datenschutzrechts im Rahmen des zahnärztlichen Wirkens

Anwendbarkeit des Datenschutzrechts im Rahmen des zahnärztlichen Wirkens

Ende März dieses Jahres haben die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) in einem gemeinsamen Leitfaden zu „Datenschutz- und Datensicherheit für die Zahnarztpraxis-EDV“ veröffentlicht. Nicht nur ich, auch zahlreiche weitere mit der juristischen Beratung der Zahnärzteschaft befasste Kolleginnen und Kollegen haben daraufhin Anrufe von besorgten Zahnärzten erhalten. Grund genug, das Problem des Datenschutzes in der Zahnarztpraxis in einer kleinen Beitragsserie einmal näher zu beleuchten.

Neben den im gemeinsamen Leitfaden aus hiesiger Sicht zu kurz gekommenen datenschutzrechtlichen Grundlagen sind dabei vor allem ergänzende und zum Teil klarstellende Aussagen zu den Themenkomplexen der elektronischen Behandlungsdokumentation, des Outsourcings sowie der Verpflichtung zur Bestellung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten geboten. Neben den theoretischen Grundlagen werden dabei auch Handlungsoptionen des Zahnarztes konkret aufgezeigt und bewertet. Im ersten Teil der Serie ging es um die Frage Datenschutz und rechtliche Grundlagen wie das Bundesdatenschutzgesetz. Für die vertragszahnärztliche Versorgung hat der Gesetzgeber Datenschutzregelungen auch im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für die Gesetzliche Krankenversicherung festgehalten. Der folgende Beitrag befasst sich mit dem Datenschutz in der privatzahnärztlichen Versorgung.

Im Rahmen der privatzahnärztlichen Behandlung verbleibt es bei der Anwendung des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Die hier normierten Pflichten werden jedoch durch die speziellen Anforderungen des zahnärztlichen Berufsrechts und ihrer (strafgesetzlichen und -prozessualen) Absicherung verschärft, gegebenenfalls sogar aufgehoben.
Der Zahnarzt übt gemäß Paragrafen 1, 2 der Musterberufsordnung für Zahnärzte (MBOZ) einen freien und unabhängigen Beruf aus. Dabei unterliegt er strafbewehrten berufsrechtlichen Geheimhaltungspflichten. Paragraf 7 MBOZ verpflichtet den Zahnarzt, über alles, was ihm in seiner Eigenschaft als Zahnarzt anvertraut und bekannt geworden ist, gegenüber Dritten Verschwiegenheit zu wahren.

Diese berufsrechtliche Verschwiegenheitsverpflichtung wird strafrechtlich durch die Norm des Paragrafen 203 Strafgesetzbuch (StGB) flankiert, der die unbefugte Offenbarung fremder Geheimnisse durch besonders benannte Geheimnisträger unter Strafandrohung stellt. In Paragraf 203 Absatz 1 Nummer 1 BDSG wird der Zahnarzt als Adressat und möglicher Täter der vorbenannten Strafnorm bezeichnet. Dem in Paragraf 203 Absatz 1 Satz 1 Genannten stehen gemäß Paragraf 203 Absatz 3 StGB ihre berufsmäßig tätigen Gehilfen und die Personen gleich, die bei ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätig sind.

Korrespondierend mit der Verpflichtung des Zahnarztes, ihm anvertraute Geheimnisse keinem Dritten zu offenbaren, finden sich die in der Strafprozessordnung (StPO) normierten Zeugnisverweigerungsrechte der Paragrafen 53 Absatz 1 Nummer 3 StPO (für den Zahnarzt) und des Paragrafen 53a Absatz 1 StPO (für seine Gehilfen und die Personen, die zur Vorbereitung auf den Beruf an seiner berufsmäßigen Tätigkeit teilnehmen). Die strafrechtlichen Bestimmungen schützen – wie das Berufsrecht – vornehmlich das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Es geht hier also nicht primär um den Datenschutz, das heißt den Schutz vor der Verwendung personenbezogener Daten im Lichte des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, sondern vorwiegend um den Schutz des zwischen Arzt und Patient bestehenden und von Verfassung wegen garantierten Vertrauensverhältnisses.

Festzuhalten bleibt damit, dass weder das Strafrecht noch das zahnärztliche Berufsrecht originäres Datenschutzrecht darstellen. Die hier normierten Verpflichtungen an den Zahnarzt strahlen allenfalls auf das Datenschutzrecht aus.

Wegen dieser Ausstrahlwirkung der zahnärztlichen Berufspflichten auf das Datenschutzrecht und mit Blick auf die Vorschrift des Paragrafen 1 Absatz 3 BDSG wird vertreten, dass die Bestimmungen des BDSG gegenüber der in Paragraf 7 MBOZ enthaltenen Verschwiegenheitsverpflichtungen subsidiär seien. Alle Daten, die unter das Arztgeheimnis fallen, wären dementsprechend dem Anwendungsbereich des BDSG vollständig entzogen. Übrig blieben lediglich Daten ohne jeglichen Bezug zur eigentlichen zahnärztlichen Tätigkeit, wie dies bei Daten des Büropersonals und beispielsweise bei Lieferantendaten der Fall sein mag.

Die herrschende Meinung vertritt hingegen die Ansicht, dass die Anwendung des BDSG durch die Regelung des zahnärztlichen Berufsrechts grundsätzlich nicht verdrängt, sondern lediglich ergänzt wird. Die Subsidiarität tritt bezogen auf den Zahnarzt nur dann ein, wenn die spezielleren Regelungen des zahnärztlichen Berufsrechts inhaltlich einen Reglungsgegenstand des BDSG umfassen. Werden bestimmte Sachverhalte durch die spezifischen Regelungen hingegen nicht erfasst, so bleibt das BDSG anwendbar.
Da die Zahnärzteschaft in heutiger Zeit fast vollständig automatisiert Daten verarbeitet, sind auch Zahnärzte damit grundsätzlich potenzielle Adressaten der datenschutzrechtlichen Normen des BDSG. Die Anwendung des Datenschutzrechtes ist daher nur dort begrenzt, wo das Berufsgeheimnis vorgeht. Im Einzelnen ergibt sich damit nachfolgend beschriebenes Bild.

Auskunfts- und Benachrichtigungspflichten gegenüber dem Patienten?

Gemäß Paragraf 34 Absatz 1 BDSG hat die verantwortliche Stelle dem Betroffenen auf Verlangen Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten, den Empfängern, an die Daten weitergegeben werden, und den Zweck der Datenspeicherung zu erteilen. Nach Paragraf 33 Absatz 1 BDSG ist der Betroffene für den Fall, dass erstmals personenbezogene Daten für eigene Zwecke ohne seine Kenntnis gespeichert werden, von der Speicherung zu benachrichtigen (Paragraf 33 Abs. 1 BDSG). Die Benachrichtigungspflicht besteht nicht, wenn der Betroffene auf andere Weise Kenntnis von der Speicherung seiner personenbezogenen Daten erlangt oder die Daten nur deshalb gespeichert sind, weil sie aufgrund gesetzlicher, satzungsmäßiger oder vertraglicher Aufbewahrungsvorschriften nicht gelöscht werden dürfen.

Auskunftspflichten gegenüber Datenschutzkontrollinstanzen?

Nach Paragraf 38 BDSG wird die Ausführung des BDSG durch die Aufsichtsbehörden der Länder kontrolliert. Die der Kontrolle unterliegenden privaten Stellen sowie die mit deren Leitung beauftragten Personen haben der Aufsichtsbehörde gemäß Paragraf 38 Absatz 3 BDSG auf Verlangen die für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Auskünfte unverzüglich zu erteilen. Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft solcher Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in Paragraf 383 Absatz 1 Nummern 1 bis 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde.

Vor allem die Datenschutzbeauftragten der Länder sind der Ansicht, die Auskunftspflicht des Paragrafen 38 BDSG treffe auch den Zahnarzt. Dies ergebe sich aus einer Zusammenschau des Paragrafen 38 Absatz 4 Satz 3 BDSG in Verbindung mit Paragraf 24 Absatz 6 BDSG und Paragraf 2 Nummer 2 BDSG. Den Datenschutzkontrollinstanzen stünden daher umfassende Auskunfts- und Besichtigungsansprüche zu.

RA Dr. Robert Kazemi, Bonn   

 

 

Rechtstipp Mai 2011 Keine Faltenunterspritzung durch Zahnärzte im Gesichts- und Halsbereich

Keine Faltenunterspritzung durch Zahnärzte im Gesichts- und Halsbereich

Das Verwaltungsgericht Münster hat mit Urteil vom 19. April 2011 (Az.: 7 K 338/09) entschieden, dass Zahnärzte keine Faltenbehandlungen im Gesichts- oder Halsbereich durchführen dürfen (die DZW berichtete in Ausgabe 18/11). Das Unterspritzen solcher Falten sei von der zahnärztlichen Approbation nicht gedeckt.

Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) rekurriert in ihrem aktuellen Klartext auf dieses Urteil und berichtet über die eigene Stellungnahme zu diesem Thema, nach der Zahnärzte nur Lippenunterspritzungen vornehmen dürfen.

Im Klartext heißt es: „Die Klägerin des Verfahrens, eine Zahnärztin, hatte sich an die Zahnärztekammer Westfalen-Lippe gewandt. Diese sollte ihr bestätigen, dass es ihr nicht verwehrt sei, unter anderem Hyaluronsäure beziehungweise im Gesichts- und Halsbereich ihrer Patienten zu injizieren. Die Kammer konnte im Hinblick auf die Reichweite von Paragraf 1 Zahnheilkundegesetz nicht entsprechen.Deshalb wurde das Verwaltungsgericht zur Entscheidung aufgefordert. Das Gericht betont, dass es sich bei der Faltenunterspritzung um erlaubnispflichtige Heilkunde handele, die nicht durch Zahnärzte erbracht werden dürfe. Eine zahnärztliche Approbation reiche hierfür nicht aus. Sie berechtige nach Paragraf 1 Abs. 3 Zahnheilkundegesetz zur Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Damit werde der dem Zahnarzt eröffnete Behandlungsbereich räumlich abgegrenzt. Die Lippe stelle die äußere Grenze des Mundbereichs dar.
Der Vorstand der Bundeszahnärztekammer hat sich in seiner Sitzung am 13. April 2011 ebenfalls mit dem Thema befasst und einstimmig folgende Stellungnahme verabschiedet, so der Klartext: „Bei der Augmentation der Lippen und/oder perioraler Falten handelt es sich um kosmetische Eingriffe, die ärztliches, diagnostisches Fachwissen erfordern, um einer Gesundheitsgefährdung durch den Eingriff vorzubeugen. Die Eingriffe sind daher als Heilkunde anzusehen.

Ausübung der Zahnheilkunde ist die berufsmäßige auf zahnärztlich-wissenschaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Der von der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde umfasste Bereich erfasst das zum Mund gehörende Gewebe, das heißt den Mundinnenraum, begrenzt durch das Lippenrot.

Die Lippenunterspritzung ist deshalb vom Begriff der Zahnheilkunde umfasst und darf von Zahnärzten ausgeführt werden. Die Behandlung der Gesichtsoberfläche, insbesondere der perioralen Falten oder der Naso-Labial-Falten, gehört dagegen grundsätzlich nicht zu den der Zahnheilkunde zugewiesenen Körperbereichen.“

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster bestätige den BZÄK-Vorstand in seiner Entscheidungsfindung.

 

 

Rechtstipp April 2011 – Diese Leistung habe ich nicht bestellt!

„Diese Leistung habe ich nicht bestellt!“

Wer kennt sie nicht: Privatpatienten, die mit hohen Ansprüchen in die Praxis kommen, sich im Umgang als schwierige Personen entpuppen und die sich dann, wenn die Rechnung auf dem Tisch liegt, an so manche Begebenheiten nicht mehr erinnern können. Es wird dann manchmal sogar behauptet, dies oder das habe man „nicht bestellt“ oder „nicht in Auftrag gegeben“. Nicht selten ist der wahre Hintergrund für ein derartiges Verhalten in einer mangelhaften Liquidität des Patienten zu finden.

Der Privatzahnarzt Dr. Gerd Mayerhöfer in Düsseldorf hat vor dem Amtsgericht Düsseldorf ein sehr gut und ausführlich begründetes Urteil (Az.: 44 C 10658/09; verkündet am 3. Dezember 2010) erstritten, das den Zahnärzten nützlich sein wird. Nachfolgend eine Zusammenfassung von Fall und Urteil.

Wegen unklarer Beschwerden im Mundbereich, die von mehreren Vorbehandlern nicht zur Zufriedenheit der Patientin behandelt worden waren („hat er übersehen“, „am falschen Zahn geschnitten“), suchte die seinerzeit 48-jährige Sekretärin auf Empfehlung eines weiteren Zahnarztes Mayerhöfer auf. Nach Erhebung der Anamnese traf dieser mit der Patientin nach ausführlicher Erläuterung eine Gebührenvereinbarung über alle aus seiner Sicht für die Behandlung in Betracht kommenden Leistungen. Insbesondere wurden die verschiedenen Behandlungsalternativen besprochen. Die Patientin entschied sich für ein möglichst zahnsubstanzerhaltendes Vorgehen. Im weiteren Verlauf der Behandlung wurde ein Heil- und Kostenplan für die Versorgung des Zahns 26 mit einer Einzelkrone erstellt. Nach Rücksprache mit ihrer Krankenversicherung, der HUK Coburg, brach die Patientin daraufhin die Behandlung durch Mayerhöfer ab.

Mayerhöfer erstellte eine Rechnung über 3.419,16 Euro für seine Leistungen an zwölf Behandlungstagen. Die Patientin zahlte trotz mehrfacher Mahnungen nichts.
Daraufhin kam es zur Honorarklage vor dem Amtsgericht Düsseldorf. Im Rechtsstreit wurde die Patientin durch ihren Bruder, einen in der Nähe von Hanau niedergelassenen Rechtsanwalt, vertreten.  Dieser rügte zunächst und in erster Linie die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Düsseldorf. Das Amtsgericht erklärte sich für örtlich unzuständig und wies mit der Begründung, örtlich zuständig sei das Gericht am Wohnsitz der Beklagten, die Klage des Zahnarztes ab. Das Landgericht Düsseldorf hob mit seinem Berufungsurteil vom 23. Januar 2009 (Az.: 20 S 135/08) unter dem Vorsitz des Präsidenten des Landgerichts Düsseldorf das Urteil des Amtsgerichts auf und wies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück.

Das Landgericht erklärte unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (zum Beispiel Urteile vom 3. Juni 2004, Az.: I-8 U 110/03, und vom 12. Februar 2003, Az.: 8 U 99/02) das Amtsgericht Düsseldorf gemäß Paragraf 29 Zivilprozessordnung (ZPO) für örtlich zuständig. Demnach ist ein gemeinsamer Erfüllungsort für beide Vertragsparteien, das heißt auch für den zahlungspflichtigen Patienten, am Praxissitz des Zahnarztes gegeben. Dies beruht darauf, dass zahnärztliche Behandlungen ausschließlich in den Praxisräumen durchgeführt werden, in welchen der Zahnarzt über die zur Behandlung notwendigen Räume, seine Einrichtung, sein Werkzeug, die sonstigen zur Behandlung erforderlichen Hilfsmittel, sein Personal und die notwendigen Dokumentationen verfügt.

Im weiteren Verfahren vor dem Amtsgericht behauptete die Patientin, der Zahnarzt habe ihr gegenüber lediglich die Erforderlichkeit einer Wurzelkanalbehandlung und der Entfernung eines im Wurzelkanal verbliebenen Instruments erwähnt. Über die Gründe für die weiteren von ihm vorgenommenen Maßnahmen habe er sie nicht aufgeklärt. Insgesamt sei eine Behandlung von zwölf Tagen nicht erforderlich gewesen. Über das Aufschneiden einer Zahntasche, eine Entzündungsbehandlung sowie eine Wurzelkanalbehandlung hinaus seien die Behandlungsmaßnahmen nicht erforderlich und nicht indiziert gewesen. Die Honorarvereinbarung habe sich der Zahnarzt ohne Erläuterung unterschreiben lassen. Die Durchführung der Behandlung sei von der Unterzeichnung abhängig gemacht worden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Das Gericht entschied, dass der Zahnarzt gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 3.419,16 Euro gemäß Paragraf 611 Absatz 1 zweiter Halbsatz Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat.
„Zwischen der Beklagten und dem Zahnarzt ist wirksam ein zahnärztlicher Behandlungsvertrag zustande gekommen. Die Beklagte hat den Zahnarzt  beauftragt, die durch ihr Beschwerdebild und ihren zahnärztlichen Krankheitszustand indizierten ärztlichen Maßnahmen vorzunehmen. Dieses ergibt sich nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung schlüssig aus ihrer Vorstellung bei dem Zahnarzt mit dem Ansinnen, sich in die dortige zahnärztliche Behandlung zu begeben und ihrer einverständlichen Mitwirkung an der weiteren Behandlung bis zum Behandlungsabbruch.

Selbst wenn nach dem Beklagtenvortrag nur teilweise Informationen über den Behandlungsverlauf erfolgten und der Beklagten nur bekannt war, dass eine Wurzelkanalbehandlung durchgeführt werden sollte und ein Instrumententeil aus dem Wurzelkanal entfernt werden sollte, führte dies nicht zu einer Beschränkung des zahnärztlichen Behandlungsvertrags auf lediglich diese Behandlungsmaßnahmen. Es ist davon auszugehen, dass ein Patient grundsätzlich, wenn er eine Behandlung wünscht, verbindlich sämtliche medizinisch indizierten Maßnahmen und damit zu der Herstellung seiner Gesundheit erforderlichen Maßnahmen beauftragt. Anderenfalls würde der gerade im medizinischen Bereich wesentliche Leistungsumfang, der eigentlich immer der Gesundung dienen sollte, von den Zufälligkeiten des Informationshintergrundes des Patienten und der Ausführlichkeit der Information des Behandlers abhängig sein.

Die Annahme eines anderen Leistungsumfangs als demjenigen der medizinisch indizierten Behandlungsmaßnahmen ist nur dann gerechtfertigt, wenn ausdrücklich der Patient den gewünschten Leistungsumfang auf bestimmte Behandlungsmaßnahmen beschränkt und zudem das Risiko des mangelnden Behandlungserfolgs ausdrücklich auf sich nimmt.
Vorliegend sind von dem Zahnarzt sämtlichst aufgrund des Befundes bei der Beklagten medizinisch indizierte Behandlungsmaßnahmen durchgeführt worden. Der Sachverständige hat in sich schlüssig und beanstandungsfrei gutachterlich ausgeführt, dass die von dem Zahnarzt durchgeführten Behandlungen aufgrund der Parodontalerkrankung, der unzureichenden Wurzelfüllung mit der Folge einer Entzündung im Knochen und aufgrund der bei der Beklagten vorliegenden Funktionsstörung medizinisch indiziert gewesen sind.

Die Rechnung ist unter Berücksichtigung der Vergütungsvereinbarung und der Vorschriften der GOZ nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat insoweit auch keine Einwände erhoben.

Das Urteil kann im vollständigen Wortlaut angefordert werden bei der Geschäftsstelle der PZVD Privatzahnärztliche Vereinigung Deutschlands e.V., Susannenstraße 7a, 33335 Gütersloh; E-Mail: geschaeftsstelle@pzvd.notes-net.de

 

Rechtstipp März 2011 Erstattungszinsen des Finanzamts sind nicht mehr steuerpflichtig

Erstattungszinsen des Finanzamts sind nicht mehr steuerpflichtig

Rechtsprechung hat sich zugunsten der Steuerzahler geändert – In einer neuen Entscheidung hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine Rechtsprechung zugunsten der Steuerzahler geändert (Az.: VIII R 33/07).

Die Entscheidung betrifft die Verzinsung der zu zahlenden Einkommensteuer. Alle selbstständigen Zahnärzte zahlen quartalsweise Vorauszahlungen auf die zu erwartende Einkommensteuer für das laufende Jahr. Diese Vorauszahlungen werden aufgrund der zuletzt festgesetzten Einkommensteuer berechnet. Regelmäßig ist die tatsächlich entstehende Einkommensteuer höher oder niedriger als die Summe der Vorauszahlungen. Deshalb gibt es dann eine Nachzahlung durch den Steuerpflichtigen oder eine Erstattung zu viel gezahlter Vorauszahlungen durch das Finanzamt. Sofern Nachzahlung oder Erstattung weniger als 15 Monate nach Abschluss des Jahres erfolgen, für die die Einkommensteuer zu zahlen ist, fallen keine Zinsen an. Wenn dieser Zeitraum jedoch überschritten ist, muss der Ausgleichspflichtige, also der Steuerzahler oder das Finanzamt, Zinsen zahlen. Die steuerliche Bewertung dieser Zinsen war nun Gegenstand der Entscheidung des BFH. Er bestätigte die bisherige Rechtsprechung, dass der Steuerpflichtige die von ihm zu zahlenden Zinsen nicht steuerlich geltend machen kann. Allerdings entschied der BFH in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung, dass er umgekehrt die vom Finanzamt erhaltenen Zinsen nicht versteuern muss. Eigentlich sagt einem schon der gesunde Menschenverstand – oder das Verfassungsverständnis – dass eine Ungleichbehandlung nicht richtig sein kann: Der Staat darf sich nicht die Rosinen herauspicken, indem er Zinsen zu seinen Gunsten unterschiedlich behandelt, die aus dem gleichen Rechtszusammenhang entstehen. Alle Zahnärzte sollten aufgrund dieser Entscheidung sofort alle ihre noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheide darauf überprüfen, ob Erstattungszinsen, die sie vom Finanzamt erhalten haben, der Steuer unterworfen wurden. Falls dies der Fall sein sollte, sollten sie sofort Einspruch einlegen. Dieser Fall wird derzeit nicht selten eintreten, da die Zahnarzteinkommen sinken, die Vorauszahlungen aber noch aufgrund des Einnahmenüberschusses früherer Jahre berechnet werden.

 

 

Rechtstipp Februar 2011 Oberlandesgericht München gegen Zahnarztpraxis Ltd.

Oberlandesgericht München gegen „Zahnarztpraxis Ltd.“

Keine Eintragung für deutsche Zweigniederlassung in Handelsregister –

Das Oberlandesgericht (OLG) München bestätigt in einem Beschluss vom 1. Juli 2010, Az.: 31 Wx 088/10, dass eine deutsche Zweigniederlassung einer Private Limited Company englischen Rechts (Ltd.) mit der Firmierung „Zahnarztpraxis Ltd.“ nicht in das Handelsregister eingetragen werden kann.

Die Private Limited Company (Ltd.) ist eine Gesellschaftsform nach britischem Gesellschaftsrecht, die sich eine Zeit lang einiger Beliebtheit in Deutschland erfreute. Sie ist ihrer Konstruktion nach mit der seit dem 1. November 2008 im deutschen Gesellschaftsrecht als Reaktion auf diese Beliebtheit neu eingeführten „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ beziehungsweise „UG (haftungsbeschränkt)“ mit einem Mindeststammkapital von einem Euro (Paragraf 5a GmbHG [Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung]) vergleichbar. Das Mindest-Nominalkapital der Ltd. liegt bei einem Pfund (GmbH dagegen mindestens 25.000 Euro – Paragraf 5 GmbHG). Seit den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Niederlassungsfreiheit in den Fällen Centros (9. März 1999, Az.:C-212/97), Überseering (5. November 2002, Az.: C 208/00) und Inspire Art (30. September 2003, Az.: C 167/01) können innerhalb der EU unter bestimmten Voraussetzungen auch Gesellschaftsrechtsformen anderer EU-Mitgliedsländer eingesetzt werden. Im Bereich der Heilberufe allerdings ist die Rechtsform einer juristischen Person – wie der Ltd. – in Deutschland je nach Landesrecht überhaupt nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Unter „Firma“ versteht das deutsche Handelsrecht abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch den Namen, unter dem ein handelsgewerbliches Unternehmen (= Kaufmann) seine Geschäfte betreibt und unter dem es klagen und verklagt werden kann (vgl. Paragraf 17 Handelsgesetzbuch [HGB]). Die Eintragung von gewerblichen Unternehmen in das öffentliche, von den Gerichten elektronisch geführte Handelsregister unter ihrer Firma und mit der zutreffenden Angabe ihrer wichtigsten Rechtsverhältnisse dient der Offenlegung ihrer Zuge-hörigkeit oder gegebenenfalls Nicht-Zugehörigkeit zum Handelsstand (Publizität) sowie dem Verkehrsschutz. Es ist Aufgabe des Registergerichts, die förmlichen und materiellen Voraussetzungen für die Eintragung zu prüfen. Im vorliegenden Fall ging es um die Eintragung der Münchener Zweigniederlassung einer im Handelsregister von Cardiff mit dem Firmennamen „Zahnarztpraxis Ltd.“ eingetragenen Gesellschaft. Das Amtsgericht (AG) München hatte die Eintragung abgelehnt (Beschluss vom 22. März 2010, Az.: 31 AR 8023/09). Die Gesellschaft trug im Beschwerdeverfahren vor, sie betreibe ein Büro in München mit zwei Angestellten. Unternehmensgegenstand sei die Erbringung von Serviceleistungen gegenüber zahnmedizinischen Berufen, insbesondere Organisation, Abrechnung und Verwaltung. Das OLG München wies die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Münchens zurück. Das OLG München wendet auf die Eintragung der Zweigniederlassung deutsches Recht an und folgt damit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH; vgl. BGH, 7. Mai 2007, Az.: II ZB 7/06). Für die Zulässigkeit des Firmennamens seien deshalb die Bestimmungen des Paragraf 18 HGB zur Unterscheidbarkeit einzelner Firmen und zum Schutz des Rechtsverkehrs vor Irreführung entscheidend. Bloße Branchen- und Gattungsbezeichnungen wie hier „Zahnarztpraxis“ erfüllten die erforderliche Inidividualisierungsfunktion der Firma nach Paragraf 18 Absatz 1 HGB nicht und widersprächen gleichzeitig dem Freihaltebedürfnis des Rechtsverkehrs. „Zahnarztpraxis“ sei eine schlichte Gattungsangabe, der sowohl die Eignung zur Kennzeichnung als auch die Unterscheidungskraft fehle. Im Hinblick auf den Grundsatz der Firmenwahrheit in Paragraf 18 Absatz 2 HGB erwecke die Firma „Zahnarztpraxis Ltd.“ den Eindruck, eine Zahnarztpraxis zu betreiben, während sie tatsächlich nur Dienstleistungen für Zahnarztpraxen anbiete. Darin liege eine Irreführung über wesentliche geschäftliche Verhältnisse. Die Irreführung werde nicht durch den Rechtsformzusatz „Ltd.“ beseitigt, da dieser Zusatz über die tatsächliche Tätigkeit der Zweigniederlassung nicht das Geringste aussage und deshalb nicht geeignet sei, die Täuschung zu beseitigen. Es dränge sich hier für denjenigen, dem die für Heilberufe geltenden Einschränkungen bei der Wahl der Rechtsform bekannt seien, allenfalls die Annahme auf, es werde möglicherweise unter Umgehung der gesetzlichen Vorschriften eine Zahnarztpraxis betrieben. Im Übrigen könne diese rechtliche Kenntnis bei den angesprochenen Verkehrskreisen nicht vorausgesetzt werden, weil die rechtlichen Regelungen für die Ausübung von Heilberufen in den einzelnen Landesgesetzen unterschiedlich ausgestaltet seien. Die Eintragung der Zweigniederlassung einer in Cardiff eingetragenen Ltd. in das deutsche Handelsregister betrifft die in der EU als sogenannte Grundfreiheit grenzüberschreitend geschützte Niederlassungsfreiheit nach Artikel 43, 48 EGV. Die Entscheidung des OLG München führt aber nicht zu einer Verletzung dieser EU-Grundfreiheit. Denn die Umsetzung der handelsrechtlichen Bestimmungen zur Individualisierungsfunktion und zur Firmenwahrheit rechtfertigt nach zutreffender Auffassung des OLG München einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit. Der Schutz des Rechtsverkehrs vor Täuschung und Missbrauch sowie das Interesse anderer Unternehmensgründer an der Freihaltung von Allgemeinbegriffen stellen zwingende Gründe des Allgemeininteresses dar. Die Entscheidung des OLG München folgt damit der Linie des BGH (vgl. BGH, 7. Mai 2007, Az.: II ZB 7/06). In Ausgestaltung der genannten EuGH-Rechtsprechung rechtfertigt der BGH Eingriffe in die Niederlassungsfreiheit unter anderem mit dem Schutz der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit und der Lauterkeit des Handelsverkehrs.

 

 

Rechtstipp Januar 2011 Approbation als Arzt und Zahnarzt zwingend

Approbation als Arzt und Zahnarzt zwingend Facharztweiterbildung für Mund,- Kiefer- und Gesichtschirurgie

– Voraussetzungen und Umfang der erlaubten Tätigkeit –

Das Bundesverwaltungsgericht wurde kürzlich vor die Entscheidung gestellt, ob der in Humanmedizin approbierte Arzt mit der Weiterbildung zum Facharzt für Mund,- Kiefer- und Gesichtschirurgie weiterhin zahnärztliche Leistungen erbringen darf, obwohl ihm die Approbation als Zahnarzt oder eine entsprechende Berufserlaubnis fehlte.

Der Fall:Ein approbierter Arzt in Humanmedizin hatte eine zahnärztliche Ausbildung in Ungarn abgeschlossen. Daraufhin wurde ihm die Erlaubnis erteilt, den zahnärztlichen Beruf vorübergehend und unselbstständig auszuüben, und er absolvierte erfolgreich die Facharztweiterbildung zum Mund,- Kiefer- und Gesichtschirurgen (MKG). Im Rahmen dieser Tätigkeit extrahierte er Zähne, führte Kieferaugmentationen durch und brachte Implantate ein. Seine Anträge auf die Erteilung einer zahnärztlichen Approbation wurden jedoch weiterhin abgelehnt. Der Arzt nahm, nachdem seine Kenntnisse mehrfach erfolglos überprüft worden waren, die entsprechenden Zulassungsanträge zurück. Aus der Sicht der zuständigen Bezirksregierung entsprach der Ausbildungsstand, den er in Ungarn erworben hatte, nicht dem deutschen zahnärztlichen Standard. Standard fehlte Es handelte sich um eine Bescheinigung einer Hochschule für ärztliche Weiterbildung und nicht um eine Bescheinigung über die Absolvierung eines universitären zahnmedizinischen Studiums mit der Vermittlung von Grundlagenwissen für eine zahnärztliche Tätigkeit. Im Jahr 1999 wurde ihm zum letzten Mal die Erlaubnis erteilt, als Zahnarzt zu arbeiten. Über eine zahnärztliche Approbation verfügte er weiterhin nicht. Die Entscheidung Wer kein approbierter Zahnarzt ist, darf keine Zahnheilkunde ausüben, auch wenn er MKG-Chirurg ist. Das Bundesverwaltungsgericht beantwortete diese Frage mit dem Beschluss vom 25. August 2010 (Az.: 3 B 31/10) dahin gehend, dass die Arbeit in dem Fachbereich der Mund,- Kiefer- und Gesichtschirurgie eine Approbation als Arzt und Zahnarzt voraussetze sowie die erfolgreiche Absolvierung der Facharztweiterbildung für MKG. Dementsprechend sei der Facharzt für MKG nicht mehr befugt, in den jeweiligen Gebieten seines Fachbereichs zu arbeiten, wenn er die seiner Tätigkeit zugrundeliegende Approbation oder Approbationen verliert oder seine Berufserlaubnis einbüßt. Der betroffene Arzt durfte wegen der fehlenden zahnärztlichen Approbation beziehungsweise fehlenden Berufserlaubnis keine zahnheilkundlichen Tätigkeiten mehr ausüben. Paragraf 1 Absatz 1 Zahnheilkundegesetz Zur Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht im Anschluss an die Vorinstanz aus, der Arzt dürfe von Bundesrechts wegen keine zahnheilkundlichen Tätigkeiten mehr ausüben, und bezog sich damit auf Paragraf 1 Absatz 1 Zahnheilkundegesetz (ZHG). In dieser bundesrechtlichen Norm ist geregelt, dass für die dauernde Ausübung der Zahnheilkunde eine Approbation als Zahnarzt erforderlich ist. Sie stellt eine bundesweit gleiche Ausbildung und Grundqualifikation für die Ausübung des Zahnarztberufs dar. Im Gegensatz dazu bezieht sich die Weiterbildung zum MKG auf die Berufsausübung und dient der Erweiterung der bereits in der Ausbildung erworbenen Fähigkeiten auf einem eingegrenzten und bestimmten Gebiet. Universitäres Studium ist erforderlich Daraus ziehen die Vorinstanz und das Bundesverwaltungsgericht den Schluss, dass die Weiterbildung zum MKG die Ausbildung zum Zahnarzt voraussetzt und erst nach deren Beendigung absolviert werden kann, was dann zu der – hier relevanten – Konsequenz führt, dass Weiterbildungsmaßnahmen und -qualifikationen keine Wirkung zuerkannt werden kann, wenn es an der bundesrechtlich geforderten grundlegenden Ausbildung und ihrem formellen Abschluss fehlt. Kein Widerspruch zu Paragraf 6 GOÄ Im Übrigen, so das Bundesverwaltungsgericht, ergäbe sich aus dem Umstand, dass Fachärzte für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie zahnärztliche Leistungen abrechnen könnten, keine Widersprüche, solange sie in ihrer Person die in Rede stehenden Voraussetzungen der Berufsausübung erfüllten – also Ärzte und Zahnärzte sind. Die Regelung in Paragraf 6 GOÄ bestimmt nur, wann ein MKG-Chirurg zahnärztliche Leistungen nach der insoweit spezielleren Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) abzurechnen hat und wann er die ärztliche Gebührenordnung (GOÄ) zugrundelegen darf und kann als Abrechnungsmodalität nichts zu der Frage beitragen, ob für bestimmte heilkundliche Betätigungen eine entsprechende (zusätzliche) Approbation erforderlich ist und ob im Speziellen ein Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg bestimmte zahnärztliche Tätigkeiten ohne Approbation als Zahnarzt durchführen darf. Auswirkung auf die Praxis Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts beantwortet die immer wiederkehrende Frage von Studierenden im In- und Ausland, welche Voraussetzungen zu erfüllen sind, um als MKG-Chirurg tatsächlich arbeiten zu dürfen. Nunmehr ist klargestellt, dass beide Approbationen im human- und zahnmedizinischen Bereich erforderlich sind beziehungsweise eine entsprechende Berufserlaubnis in dem betroffenen Bereich.