Rechtstipp 07/2024 Beweiswert einer ärztlichen Dokumentation in einer Patientenakte

BGH: Beweiswert einer ärztlichen Dokumentation in einer Patientenakte

Urteil vom 05.12.2023

Der Behandlungsdokumentation kommt in Arzthaftungsprozessen häufig eine entscheidende Bedeutung zu. Mit Urteil vom 05.12.2023 (Az.: VI ZR 108/21) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die Eintragungen in einer Behandlungsdokumentation nur Indizwirkung haben und nicht zu einer Beweislastumkehr führen.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat eine gesetzliche Kranken- und Pflegekasse rechtliche Schritte gegen eine Beleghebamme sowie den behandelnden Assistenzarzt auf Schadensersatz aus übergegangenem Recht eines Neugeborenen wegen behaupteter Behandlungsfehler im Rahmen der Geburt eingeleitet. Streitig war im zugrunde liegenden Fall, wem die Beweislast für den Behandlungsfehler oblag. Das Berufungsgericht war den Eintragungen der Beleghebamme gefolgt, die auf Fehler des Assistenzarztes hindeutete und bejahte eine Haftung des Arztes für den Geburtsschaden. Dieser hatte dagegen unter anderem notiert, dass er keine Informationen hatte.

Die Grundsätze, die der BGH aufstellt, gelten in allen medizinischen Fächern und auch für digitale fälschungssichere Behandlungsdokumentationen:

Einer ordnungsgemäßen, zeitnah erstellten Dokumentation in Papierform, die keinen Anhalt für Veränderungen, Verfälschungen oder Widersprüchlichkeiten bietet, kommt zugunsten der Behandlungsseite Indizwirkung zu, die im Rahmen der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO zu berücksichtigen ist.

Als Urkunde begründet eine Behandlungsdokumentation gemäß § 416 ZPO vollen Beweis (nur) dafür, dass die darin enthaltenen Erklärungen abgegeben wurden, nicht aber dafür, dass sie inhaltlich zutreffend sind.

In die Beweiswürdigung sind alle vom Beweisgegner vorgebrachten Gesichtspunkte einzubeziehen. Der Beweisgegner muss nicht die inhaltliche Richtigkeit der Dokumentation widerlegen. Ihm obliegt nicht der Beweis des Gegenteils. Vielmehr genügt es, wenn er Umstände dartut, die bleibende Zweifel daran begründen, dass das Dokumentierte der Wahrheit entspricht, das Beweisergebnis also keine Überzeugung im Sinne von § 286 ZPO rechtfertigt. So verhält es sich insbesondere, wenn der Beweisgegner Umstände aufzeigt, die den Indizwert – die abstrakte Beweiskraft – der Dokumentation in Frage stellen.

An dem erforderlichen Indizwert der Dokumentation fehlt es dann, wenn der Dokumentierende Umstände in der Patientenakte festgehalten hat, die sich zu Lasten des im konkreten Fall in Anspruch genommenen Mitbehandlers (Beweisgegners) auswirken, und nicht ausgeschlossen werden kann, dass dies aus eigenem Interesse an einer Vermeidung oder Verringerung der eigenen Haftung erfolgt ist.

Eine andere Beurteilung folge auch nicht aus § 630 h Abs. 3 BGB. Dieser kodifiziert die bisherige Rechtsprechung zur Beweislastumkehr bei Dokumentationsversäumnissen. Eine positive Beweisvermutung spricht die Norm nicht aus, so der BGH.

Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Rechtstipp 06/2024 Haftung wegen Planungs-, Aufklärungs- und Behandlungsfehlern / Bemessung des Schmerzensgeldes

LG Karlsruhe: Haftung wegen Planungs-, Aufklärungs- und Behandlungsfehlern / Bemessung des Schmerzensgeldes

Urteil vom 26.07.2023

Das Landgericht (LG) Karlsruhe hat am 26.07.2023 (Az.: 6 O 140/17) Zahnärzte wegen Planungs-, Aufklärungs- und Behandlungsfehlern bei der Zahnsanierung zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,00 EUR sowie Schadensersatz für die daraus resultierenden langfristigen gesundheitlichen Schäden in Höhe von 2.850,78 EUR verurteilt. Das Gericht stellte fest, dass die Beklagten ihre Aufklärungs- und Behandlungspflichten verletzt hatten, was zu den vom Patienten geltend gemachten Schäden führte.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen, war bereits die Planung der beabsichtigten Sanierung des Oberkiefers nicht ausreichend:

„Zu einer fachgerechten prothetischen Planung gehörten verschiedene Befunderhebungen mit Überprüfung der Werthaltigkeit der zu überkronenden Zähne: Vitalitätsprüfung, Prüfung der Lockerung, Paradontalzustand (Zahnhalteapparat – Zahnfleisch, Kieferknochen, Parodontalspalt, Wurzelhaut, Faserapparat der Zahnbefestigung), Röntgenbefunde und weitere Indizes. Im Rahmen der prothetischen Planung ist keine Vitalitätsprüfung der zu überkronenden Zähne dokumentiert. Das der Planung zugrunde liegende präprothetische Orthopantomogramm […] lässt keine eindeutige Einschätzung der apikalen Situation, d. h. der Entzündungssituation der Wurzelspitzen […] verschiedener Zähne (11, 13, 14, 15, 16, 21, 22, 23, 24) zu. Zudem besteht bei 25 ein deutlicher Verdacht auf eine apikale Aufhellung, in der Regel die Folge des Absterbens der Pulpa […]. Hier wäre in der Planungsphase durch scharf zeichnende Einzelaufnahmen abzuklären gewesen, ob sich die Zähne zur Überkronung eignen. Zwei Detailaufnahmen der Oberkieferfront von 13 bis 23 vom 30.12.2011 sind für eine Planung im Jahr 2014 zu alt […].“

Nach eigener Prüfung legt das Gericht diese Feststellungen seiner Entscheidung zugrunde und stellt fest: Ist die prothetische Planung im Hinblick auf die gewählte Behandlung nicht ausreichend, so kann der Patient durch den behandelnden Zahnarzt grundsätzlich auch nicht ordnungsgemäß aufgeklärt werden.

Nach gefestigter Rechtsprechung haftet ein Arzt für alle den Gesundheitszustand des Patienten betreffenden nachteiligen Folgen, wenn der ärztliche Eingriff nicht durch eine wirksame Einwilligung des Patienten gedeckt und damit rechtswidrig ist. Eine wirksame Einwilligung des Patienten setzt dessen ordnungsgemäße Aufklärung voraus. Kern der Aufklärung ist zunächst die Selbstbestimmungsaufklärung in Form der Behandlungsaufklärung (§ 630e Abs. 1 S. 3 BGB). Die Behandlungsaufklärung – als vertragliche Pflicht aus dem Behandlungsvertrag sowie als Ausfluss der deliktischen Garantenstellung des Arztes – verlangt im Besonderen auch die Erläuterung der Tragweite des Eingriffs. Dies betrifft vor allem den als sicher oder regelmäßig eintretend vorhersehbaren postoperativen Zustand, sowie, dass der Arzt dem Patienten innerhalb des vom Patienten bestimmten Therapieziels Kenntnis von Behandlungsalternativen verschaffen muss, wenn gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden mit wesentlich unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten begründen. Eine Aufklärung kann nur dann erforderlich werden, wenn die Behandlungsalternativen zu jeweils wesentlich unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen, oder wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten.
[…] Einen wesentlichen Anhaltspunkt für die Tatsache, dass ein Aufklärungsgespräch stattgefunden hat, gibt dabei das von dem Arzt und dem Patienten unterzeichnete Formular, mit dem der Patient sein Einverständnis zu dem ärztlichen Eingriff gegeben hat. Dieses Formular ist – sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht – zugleich ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgesprächs.

Zu den Behandlungs- und Aufklärungsfehlern:

Zahn 11, 12 und 13: In seinem Gutachten hatte der Sachverständige ausgeführt, dass in der Herstellungsphase des Zahnersatzes nach der Abnahme der alten Versorgung notwendig wurde, bei Zahn 12 eine Wurzelbehandlung durchzuführen, was zugleich die Aufnahme der Zähne 11 und 13 bedingte. Die sich daraus ergebenden Befunde bedeuten für die Beklagte, dass sie zumindest nach Abnahme der alten Kronen und der Wurzelbehandlung bei Zahn 12 hätte erkennen können, dass bei diesen Zähnen ein erhöhtes Frakturrisiko besteht und eine Einzelüberkronung äußerst risikoreich ist. Hierüber hätte der Kläger aufgeklärt werden müssen.
Wäre bei der Versorgung der Frontzähne 13 – 23 eine dem Befund entsprechende Planung und damit einhergehende Aufklärung durchgeführt worden, hätte mit großer Wahrscheinlichkeit der Verlust von Zahn 13, die Erneuerung der Kronen 11 und 12 und die erneute Überkronung der Zähne 21 – 23 durch Verblockung und Einbeziehung in eine neue Versorgung der Zähne 12 – 23 vermieden werden können. Insoweit hat sich das Aufklärungsrisiko auch verwirklicht.

Zahn 16: Aufgrund des röntgenologischen Befundes hätte der Sachverständig den Zahn 16 nicht mehr in eine prothetische Versorgung einbezogen, da die Prognose angesichts des fast vollständigen Verlustes der Zahn Hartsubstanz, der erhöhten Bruchgefahr als Folge der Wurzelfüllung und der reduzierten Qualität der Wurzelfüllung sehr unsicher war. Ferner hätte die Beklagte hinsichtlich des Zahnes 16 über die Behandlungsalternative einer Wurzelbehandlung und eines Brückengliedes aufklären müssen, da die bei Zahn 16 ursprünglich vorhandene Füllung mit hoher Wahrscheinlichkeit an die Knochengrenze reichte. Zusammen mit dem eindeutigen Befund, dass zusätzlich eine unvollständige Wurzelfüllung vorliegt, wäre in diesem Fall die Entfernung des Zahnes und die Versorgung entweder mit einer Brücke oder einem Implantat die sicherere und zudem preisgünstigere Lösung gewesen. Die Implantation von zwei Implantaten 15 und 16 stellt eine erfolgversprechende und dem aktuellen Standard entsprechende Alternative zu der hier von der Beklagten gewählten Brücke 14 – 17 dar, worüber der Kläger nicht aufgeklärt wurde.

Brücke 14 – 17: Die Brücke 14 – 17 zur Versorgung der Lücke 15, 16 war verfrüht während der Ausheilphase eingesetzt worden, sodass es zu einer Spaltbildung zwischen der Brückenbasis und dem Zahnfleisch (Gingiva) kam. Bei der vorliegend „definitiv zementierten Brücke“ kommt keine Nachbesserung, sondern nur eine Neuplanung- und -anfertigung des Zahnersatzes in Betracht. Hierbei handelt es sich objektiv um einen Behandlungsfehler.

Zahn 25: Bei den beiden präprothetischen OPG ergab sich ein deutlicher Verdacht auf eine apikale Aufhellung (chronische Vereiterung), der im Rahmen der Planung mittels einer Einzelaufnahme hätte abgeklärt werden müssen. Vor der Überkronung wären lege artis und auch nach den Zahnersatzrichtlinien der gesetzlichen Kassen endodontische Maßnahmen angezeigt gewesen. Der Zahn hätte vorerst nur provisorisch versorgt werden dürfen. Erst nach Ausheilung wäre definitiver Zahnersatz angezeigt gewesen. Im Nachhinein kann nicht darauf geschlossen werden, dass der Zahn nicht verloren gegangen wäre, wenn die Beklagten vor der Überkronung bereits eine Wurzelkanalbehandlung durchgeführt hätten. Es handelt sich vielmehr um eine schicksalhafte Komplikation nach Wurzelbehandlung.

Nachbehandlung Oberkiefer: Aufgrund der mangelhaften Brücke 14 -17, des Verlustes von Zahn 13 und 16, der notwendigen Extraktion von Zahn 25 und der Kronenfraktur der Zähne 11 bis 13 war überwiegend eine neue prothetische Planung und Versorgung notwendig. Die Entscheidung des Nachbehandlers, die Lücke bei Zahn 13 durch ein Implantat zu ersetzten und einen weiteren Pfeiler durch ein Implantat bei Zahn 15 zu bekommen, um den wurzelgefüllten Zahn 14 zu entlasten, war die fachlich korrekte Entscheidung. Durch die Neuversorgung der Zähne 12 und 11 und Verblockung mit den linken Nachbarzähnen 21, 22 und 23 ist das Frakturrisiko zumindest deutlich verringert worden.

Zur Bemessung des Schmerzensgeldes:

Mit der gefestigten Rechtsprechung hängt die Höhe des zuzubilligenden Schmerzensgeldes entscheidend von dem Maß der Lebensbeeinträchtigung ab. Die Schwere dieser Belastungen wird vor allem durch die Stärke, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen bestimmt, wobei etwaigen Dauerfolgen der Verletzungen besonderes Gewicht zukommt.

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist bei dem Kläger zunächst zu berücksichtigen, dass die Implantatbehandlung des Oberkiefers von Anfang an rechtswidrig war, weshalb die Beklagte die Leidenszeit einer zahnprothetischen Behandlung des Klägers insgesamt bis in das Jahr 2019 verlängerte. Dabei ist jedoch wiederum zu beachten, dass der Kläger besondere Umstände dieser Verlängerung nicht substantiiert dargelegt hat, sondern pauschal auf eingereichte Unterlagen, insbesondere die Karteikarten der Ärzte verwies, aus denen sich zwar bei sorgfältiger Lektüre die einzelnen Arztbesuche herauslesen lassen, nicht jedoch ein besonderes Leiden über die vier Jahre hinweg. Auch wird nicht deutlich, warum die Behandlung so lange gedauert hat. Besonders sind demgegenüber die Verluste der Zähne 13 und 16 zu berücksichtigen. Die Brücke hätte bei Erhalt des Zahnes 16 dann nicht von Zahn 14 bis 17 erstellt werden müssen. Ferner fällt ins Gewicht, dass beim Kläger wegen der überwiegenden Ungeeignetheit der von der Beklagten gefertigten Prothetik die Kronen von Zahn 11 und 12 erneuert, die Zähne 21 – 23 neu überkront und durch Verblockung und Einbeziehung der Zähne 12 – 23 neu versorgt werden mussten. Zahn 25 hätte vorerst nur provisorisch versorgt werden dürfen; erst nach Ausheilung wäre definitiver Zahnersatz angezeigt gewesen. Bei Festsetzung des Schmerzensgeldes ist daher dem Ausgleichsgedanken insgesamt besondere Bedeutung beizumessen.

Dies zu Grunde gelegt ist ein Schmerzensgeld von insgesamt 15.000,00 EUR erforderlich, aber auch unter Berücksichtigung der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion in Würdigung und Wägung der zuvor aufgezeigten erlittenen Schäden und daraus folgenden Beeinträchtigungen ausreichend.

Rechtstipp 05/2024: Fällt der orale Perkussionstest (Klopftest) unter den Leistungsinhalt der GOÄ-Nr. 399?

Fällt der orale Perkussionstest (Klopftest) unter den Leistungsinhalt der GOÄ-Nr. 399?

Vielfach wird vertreten, dass die GOÄ-Nr. 399 auch für den sog. Klopf- oder Perkussionstest berechnet werden kann. Der Leistungstext der GOÄ-Nr. 399 lautet:

Oraler Provokationstest, auch Expositionstest bei Nahrungsmittel- oder Medikamentenallergien – einschließlich Überwachung zur Erkennung von Schockreaktionen (200 Punkte/26,81 EUR, 2,3-fach)

Mit dem Provokationstest soll gezielt eine körperliche oder psychische Reaktion auf ein Medikament oder einen Reiz hervorgerufen (provoziert) werden. Der zahnärztliche Perkussionstest erfolgt in der Regel durch das Beklopfen eines Zahnes mit einem metallischen Instrumentengriff und liefert durch Klangvergleich bzw. Schmerzempfinden eine Information über die Empfindlichkeit eines Zahnes. Sie ist eines der Merkmale, um festzustellen, ob ein Zahn erkrankt sein könnte. Somit erfolgt tatsächlich eine orale Provokation (Reiz), allerdings werden hier keine Nahrungsmittel- oder Medikamentenallergien provoziert. Der Leistungsinhalt der GOÄ-Nr. 399 ist somit nicht erfüllt. Desgleichen ist die Empfehlung, die GOÄ-Nr. 399 mit dem 1,0fachen Satz zu berechnen, abzulehnen, da auch bei einem reduzierten Faktor der vollständige Leistungsinhalt erfüllt sein muss.

Dazu teilt die Zahnärztekammer Berlin in ihrer Stellungnahme vom 21.11.2023 (MBZ 9/23) mit:

„Die Geb.‐Nr. 399 GOÄ: „Oraler Provokationstest, auch Expositionstest bei Nahrungsmittel‐ oder Medikamentenallergien ‐ einschließlich Überwachung zur Erkennung von Schockreaktionen“ ist zwar Zahnärzten formal zugänglich, steht aber im Kontext zu Allergietest u. dgl. Auch die Bewertung der ä399, die mit 200 Punkten (26,81 €, 2,3fach) viermal höher ist, als die der Geb.‐Nr. 0070 GOZ (50 Punkte, 6,47 €, 2,3fach), wäre unverhältnismäßig, da der Aufwand für einen Klopftest sicher nicht viermal höher ist als der für die Vitalitätsprüfung eines Zahnes oder mehrere Zähne einschließlich Vergleichstest. An der Unverhältnismäßigkeit der Bewertungen (0070/ä399) und der Zuordnung im Gebührenverzeichnis der GOÄ kann man ablesen, dass mit der ä399 kein Klopftest gemeint sein kann.
Ein Klopf‐ oder Perkussionstest wäre mit der zugrundeliegenden Untersuchung, z. B. nach Geb.‐Nr. 5 GOÄ, „symptombezogene Untersuchung“ oder mit der Gebühr für eine eingehende Untersuchung nach Geb.‐Nr. 0010 GOZ abgegolten, löst aber keine gesonderte Gebühr aus.“

Bestätigt wird diese Auffassung von dem in der Rechtsprechung anerkannten “Kommentar zu BEMA und GOZ” von Liebold/Raff/Wissing (Stand: Januar 2024):

„Die Perkussion (das Beklopfen) der Zähne gibt Aufschluss über eventuell vorliegende Erkrankungen (vgl. Abschnitt 1.2) der Pulpa oder des Parodontiums. Eine gesonderte Berechnung des Perkussionstestes nach der GOÄ-Nr. 399 ist nicht möglich. Der erste Teil deren Leistungslegende „Oraler Provokationstest“ könnte bei oberflächlicher Betrachtung die Berechnung nahelegen. Jedoch zeigt sich bei genauer Betrachtung auch des zweiten Teils der Leistungslegende „…, auch Expositionstest bei Nahrungsmittel- oder Medikamentenallergien – einschließlich Überwachung zur Erkennung von Schockreaktionen“, dass es sich beim oralen Provokationstest um einen Allergietest handelt, bei dem die zu testende Substanz dem Patienten auf oralem Wege (also nicht etwa über die Haut oder intravenös) zugeführt wird, um ggf. allergische Symptome zu provozieren. Die Leistung nach der GOÄ-Nr. 399 hat somit nichts mit einer zahnärztlichen Maßnahme im Mund, wie z. B. der Perkussionstestung oder auch der Vitalitätsprüfung (vgl. GOZ-Nr. 0070) an Zähnen, zu tun.

Somit handelt es sich bei einem Klopf‐ oder Perkussionstestum einen Handgriff, der Bestandteil der Nrn. 0010 GOZ, 5 GOÄ oder 6 GOÄ wäre und nicht um eine selbstständige Leistung.

Rechtstipp 04/2024: Begründung des Steigerungssatzes kann nachgeholt werden

VGH Bayern: Begründung des Steigerungssatzes kann nachgeholt werden

Urteil vom 23.03.2023

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) stellt mit Urteil vom 23.03.2023 (Az.: 24 B 20.549) klar, dass der Behandler die im Rahmen des § 10 Abs. 3 S. 1 GOZ erforderliche Begründung, die für die Fälligstellung der Rechnung erforderlich ist, auch noch im behördlichen sowie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen, erläutern und korrigieren kann.
Nach Ansicht des VGH kann eine Beschränkung dahingehend, dass der Arzt das Überschreiten des 2,3-fachen Satzes nachträglich im Verfahren nur noch erläutern, nicht jedoch um neue, bislang nicht vorgetragene Gründe ergänzen darf, um die Besonderheiten des jeweiligen Behandlungsfalles nach § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ darzulegen, der GOZ nicht entnommen werden.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der VGH Bayern betont zunächst die allgemeinen Grundsätze der Beihilfegewährung:

„Angemessen und damit beihilfefähig sind Aufwendungen, die dem Zahnarzt nach Maßgabe der GOZ zustehen (BVerwG, 20.03.2008 – 2 C 19.06 –, Rz. 17). Die angesetzten Rechnungsbeträge sind beihilferechtlich als angemessen anzusehen, wenn der Zahnarzt diese bei zutreffender Auslegung der Gebührenordnung zu Recht in Rechnung gestellt hat (BVerwG, 30.05.1996 – 2 C 10.95 –, Rz. 23).“

Zu den Bemessungskriterien des § 5 GOZ führt der VGH Bayern aus:

„Die Annahme von Besonderheiten der Bemessungskriterien im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ setzt voraus, dass die Besonderheiten gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten, abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle, aufgetreten sind. Dem Ausnahmecharakter des Überschreitens des Schwellenwertes widerspräche es, wenn schon eine vom Arzt allgemein oder häufig, jedenfalls nicht nur bei einzelnen Patienten wegen in ihrer Person liegender Schwierigkeiten angewandte Behandlung als eine das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigende Besonderheit angesehen würde. Diese Betrachtungsweise ergibt sich bereits aus der in § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ enthaltenen Anordnung einer schriftlichen Begründung beim Überschreiten des Schwellenwertes. Ob „Besonderheiten“ der Bemessungskriterien im Sinne des zweiten Halbsatzes des § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ vorliegen, die ein Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigen, ist gerichtlich voll nachprüfbar.

Wann der Honoraranspruch des behandelnden Arztes fällig wird, regelt § 10 GOZ. Hierzu ist gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 GOZ dem Zahlungspflichtigen eine dieser Verordnung entsprechende Rechnung nach der Anlage 2 zu erteilen, die insbesondere die in § 10 Abs. 2 GOZ aufgeführten Positionen enthalten muss. Soweit die berechnete Gebühr das 2,3-Fache des Gebührensatzes überschreitet, fordert § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ zusätzlich, dass in solchen Fällen dies auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständlich und nachvollziehbar schriftlich begründet werden muss. Auf Verlangen ist die Begründung näher zu erläutern (§ 10 Abs. 3 Satz 2 GOZ). Die Frage, ob der behandelnde Arzt, der eine Gebühr mit einem höheren als dem 2,3-fachen Satz abgerechnet hat, dies nach § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ gegenüber dem Patienten ausreichend begründet hat, ist damit eine Frage der Fälligkeit der Rechnung, die im Rahmen der formellen Voraussetzungen an die Rechnungsstellung zu prüfen ist, denn nur insoweit sind dem Beamten Aufwendungen entstanden. § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ betrifft damit nicht die materielle Rechtmäßigkeit des Vergütungsanspruches, also die Frage, ob die ärztliche Leistung medizinisch notwendig und angemessen ist.

Legt man diesen Maßstab – also die Abgrenzung der formellen Voraussetzungen des Honoraranspruches nach § 10 GOZ und der materiellrechtlichen Anforderungen für das Überschreiten des Schwellenwertes nach § 5 Abs. 2 GOZ – zugrunde, ergibt sich hieraus, dass der behandelnde Arzt im behördlichen sowie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch Ausführungen zur Begründung für das Überschreiten des Schwellenwertes vorbringen, seine vorgebrachte Begründung erläutern und diese auch ergänzen darf, um hiermit die Notwendigkeit und Angemessenheit der erbrachten ärztlichen Leistung darzulegen.

Eine Beschränkung dahingehend, dass der Arzt das Überschreiten des 2,3-fachen Satzes nachträglich im Verfahren nur noch erläutern, nicht jedoch um neue, bislang nicht vorgetragene Gründe ergänzen darf, um die Besonderheiten des jeweiligen Behandlungsfalles nach § 5 Abs. 2 Satz 4 GOZ darzulegen, kann nach Ansicht des erkennenden Senats weder der GOZ noch der BayBhV (Bayerischen Beihilfeverordnung) entnommen werden. Zudem bleibt es der Beihilfestelle unbenommen, bei Zweifeln darüber, ob die in der Begründung dargelegten Umstände den Umfang des Überschreitens des Schwellenwertes rechtfertigen, den Beihilfeberechtigten zu bitten, die Begründung von seinem behandelnden Arzt erläutern zu lassen (§ 10 Abs. 3 Satz 2 GOZ). Zudem kann die Beihilfestelle nach § 28 Abs. 7 Satz 1 BayBhV zur Überprüfung von Notwendigkeit und Angemessenheit einzelner geltend gemachter Aufwendungen Gutachterinnen bzw. Gutachter, Beratungsärztinnen bzw. Beratungsärzte und sonstige geeignete Stellen beteiligen. Ein Anspruch des Beamten darauf, dass dies bereits im Festsetzungsverfahren geschieht, besteht indes nicht. […]

Nach ausführlichen Erläuterungen zu den Begründungsanforderungen befasst sich der VGH mit 17 Leistungsziffern aus der GOZ und GOÄ an zwei Behandlungstagen. Er hält die Berufung allerdings lediglich für die GOÄ-Nr. 5000 und die GOZ-Nrn. 4020, 0050, 5170 und 7030 als begründet.

Zu GOÄ-Nr. 5000: Soweit das Verwaltungsgericht ausführt, der behandelnde Arzt habe keine patientenspezifischen Besonderheiten dargelegt was die Positionierung des Sensors patientenbezogen besonders schwierig gemacht habe, hat das Gericht fehlerhaft die ärztliche Stellungnahme unberücksichtigt gelassen.
Denn der Zahnarzt hat ausgeführt, dass sich die Röntgenaufnahmen deswegen besonders schwierig gestaltet hätten, weil die Klägerin aufgrund ihres Krankheitsbildes – craniomandibuläre Dysfunktion – nur eingeschränkt den Mund öffnen habe können und der analoge Röntgensensor damit nur unter Schmerzen positionierbar gewesen sei, sodass hierfür überdurchschnittlich mehr Zeit benötigt worden sei.

Zu GOZ-Nr. 4020: Das Verwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, dass sich aus der Begründung des Zahnarztes „Mehrfachanwendungen und Wiederholungen“ keine Hinweise auf patientenbezogene Umstände ergäben.
Der Zahnarzt hat jedoch in seiner Stellungnahme nachvollziehbar ausgeführt, dass sich die Maßnahmen insbesondere durch die eingeschränkte Mundöffnung besonders schwierig und zeitaufwändig gestaltet hätten und nicht in einem Behandlungsschritt hätten durchgeführt werden können. Der dadurch bedingt eingeschränkte Zugang sowie das wiederholte Schließen des Mundes wegen Schmerzen im Kiefer Gesichtsbereich (craniomandibuläre Dysfunktion) habe einen außergewöhnlich hohen Zeitaufwand durch die nur schrittweise Durchführung dieser Maßnahme bedingt.
Diese Begründung erscheint nach Ansicht des erkennenden Senates nachvollziehbar. Die individuelle Besonderheit der Klägerin, ihre Krankheit des Kauapparates, haben vorliegend nach überzeugender Ausführung des Zahnarztes einen erhöhten zeitlichen Aufwand verursacht, der in der erhöhten Abrechnungsgebühr zum Ausdruck kommen durfte.

Zu GOZ-Nr. 0050: Der Zahnarzt begründete die besondere Erschwernis bei der Abformung eines Kiefers für ein Situationsmodell in der Rechnung zunächst mit einer „besonders schwierigen Lagefixierung“, ergänzte diese Begründung mit Stellungnahmen weiter mit der motorischen Unruhe der Klägerin am Unterkiefer. Diese motorische Unruhe sei bedingt durch die hochgradige Myo-/Arthropathie der Klägerin, aber auch durch die Schmerzsymptome der craniomandibulären Dysfunktion (CMD).
Der Einwand des Verwaltungsgerichts, dass rund zwei Drittel der Bevölkerung an einer Myo-/Arthropathie leide, weshalb hiermit eine besondere Erschwernis nicht begründet werden könne, überzeugt nicht. Denn der behandelnde Arzt führt hierzu zutreffend aus, dass nach den wissenschaftlichen Studien der WHO innerhalb der Gruppe der von CMD-Betroffenen (80% einer Gesamtbevölkerung unabhängig vom Zivilisationsgrad) in Europa 3,5% als behandlungsbedürftig anzusehen seien.
Nachdem der Zahnarzt damit ausreichend die Erschwernisse bei der Abformung dargelegt hat (vgl. GOZ-Kommentar, GOZ-Nr. 0050, S. 40: „Zusätzlicher Aufwand: Erschwernisse bei der Abformung [z. B. Stellungsanomalie, inserierende Bänder, Würgereiz]“), war nach Ansicht des erkennenden Senats der erhöhte Ansatz des Gebührensatzes gerechtfertigt und ermessensgerecht.

Zu GOZ-Nrn. 5170: Das Verwaltungsgericht hat bei der GOZ-Nummer 5170 argumentiert, dass das Vorliegen einer hochgradigen Myo-/Arthropathie nicht genüge, um eine außergewöhnliche patientenbezogene Besonderheit zu begründen, da nach Angabe der Gesellschaft für Zahngesundheit, Funktion und Ästhetik rund zwei Drittel der Bevölkerung Symptome Myo-/Arthropathie aufzeigen würden. Diese Ausführungen überzeugen aus den zu GOZ-Nummer 0050 dargelegten Gründen nicht.
Vielmehr berechtigt hier ausnahmsweise die vom Zahnarzt vorgebrachte Begründung für die erhöhte Abrechnung, die „besonders schwierige Lagefixierung; hochgradige Myo-/Arthropathie“ nach Ansicht des erkennenden Senats eine erhöhte Abrechnung, da sich gerade bei der bestehenden Krankheit des Kauapparates die Fixierung des Abformlöffels über einen mehrminütigen Zeitraum nachvollziehbar als besonders schwierig gestalten kann, zumal wenn wegen der bestehenden motorischen Unruhe am Unterkiefer ein Ablösen des Löffels bzw. des Abbaumaterials verhindern werden muss, wie der Zahnarzt ausführte. Die motorische Unruhe sei bei der Klägerin insbesondere durch die Krankheit der hochgradigen Myo-/Arthropathie aufgrund des völligen Verlustes der Abstützung rechtsseitig verursacht. Der für die Behandlung abgerechnete 3,5-fache Gebührensatz für die GOZ-Nr. 5170 war damit nach Ansicht des erkennenden Senats gerechtfertigt.

Zu GOZ-Nr. 7030: Entgegen der Ansicht des Beklagten genügt nach Ansicht des erkennenden Senates die Begründung des behandelnden Zahnarztes bei der Gebührenposition GOZ-Nummer 7030 (Wiederherstellung der Funktion eines Aufbissbehelfes) den Anforderungen des § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ. Spätestens mit den Ausführungen des Zahnarztes, wonach der untere Kieferbereich von Zahn 44 bis Zahn 48 durch die Entfernung des Zahnes 47 völlig zahnlos sei und bei der Neuanpassung die entzündlichen, degenerativen Veränderungen des Kiefergelenks und auch die hochgradige Myo-/Arthropathie zu berücksichtigen gewesen seien, hat der Zahnarzt darüber hinaus Besonderheiten im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ vorgetragen, die ein Überschreiten des Gebührensatzes als gerechtfertigt erscheinen lassen. Auch in dem GOZ-Kommentar (GOZ-Nummer 7030, S. 235) wird bei dieser Gebührenposition die erschwerte Abdrucknahme bei eingeschränkter Mundöffnung (M/A) sowie das Vorliegen von Freiendsätteln als „zusätzlicher Aufwand“ aufgeführt.

Nach alledem war die Berufung in Höhe von insgesamt 74,93 Euro begründet.

Rechtstipp 03/2024: Kein analoger Ansatz der GOZ-Nr. 5030 für mehrfach geschichtete, dentinadhäsiv befestigte Aufbaurestauration aus Komposit

VG München: Kein analoger Ansatz der GOZ-Nr. 5030 für mehrfach geschichtete, dentinadhäsiv befestigte Aufbaurestauration aus Komposit

Urteil vom 09.11.2023

Es gibt unterschiedliche Gerichtsurteile zu der Frage, wie mehrfach geschichtete Aufbaufüllungen oder Stumpfaufbauten aus Kompositmaterial mit adhäsiver Befestigung zu berechnen sind, was regelmäßig zu Erstattungsschwierigkeiten mit privaten Krankenversicherungen und Beihilfen führt.

In seinem Urteil vom 09.11.2023 (Az.: M 17 K 22.3863) kommt das Verwaltungsgericht (VG) München zu dem Ergebnis, dass für die Vergütung eines mehrschichtigen Aufbaus mit Kompositmaterial in Adhäsivtechnik als vorbereitende Maßnahme für eine Kronenversorgung die GOZ-Nrn. 2180 und 2197 anzuwenden sind.

Aus den Entscheidungsgründen:

„Der behandelnde Zahnarzt hat vorliegend für die streitgegenständliche dentinadhäsive Stumpfrekonstruktion nach § 6 GOZ die Nr. 5030 GOZ entsprechend angesetzt. Gemäß § 6 Abs. 1 GOZ können selbstständige zahnärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses dieser Verordnung berechnet werden. Für die in Streit stehende Behandlungstechnik finden jedoch richtigerweise die Gebührenziffern GOZ 2180 und 2197 Anwendung.

Für Aufbaufüllungen vor Überkronungen ist in der GOZ die Gebührenziffer 2180 vorgesehen, die lautet: „Vorbereitung eines zerstörten Zahnes mit plastischem Aufbaumaterial zur Aufnahme einer Krone“. Abgegolten sind damit Exkavieren des Zahnstumpfes, ggf. Anbringen einer Matrize, Aufbringen des Aufbaumaterials (Zement, Komposit, etc.), Modellation und Formgestaltung des Materials und Ausarbeitung des Aufbaumaterials (…). Sie kann zusammen mit der GOZ-Nr. 2197 abgerechnet werden, die die „adhäsive Befestigung (plastischer Aufbau, Stift, Inlay, Krone, Teilkrone, Veneer, etc.)“ beinhaltet.

Hieraus folgt, dass der Wortlaut der Leistungsbeschreibung von Gebührenziffer GOZ 2180 („plastisches Aufbaumaterial“) umfassend ist, d.h. hierunter fällt grundsätzlich jedes plastische Material – auch Kompositkunststoff. Für dieses Ergebnis spricht auch die historische Auslegung: Mit der GOZ-Novelle 2012 sollte das Gebührenverzeichnis der GOZ gerade an die medizinische und technische Entwicklung angepasst werden (amtl. Begründung, BR-Drs. 566/11 v. 21.9.2011, S. 1). Aus dem Umstand, dass der Verordnungsgeber im Rahmen der GOZ-Novelle 2012 bei den plastischen Füllungen im Leistungstext ausdrücklich zwischen der Ausführung ohne (GOZ 2050, 2070, 2090 und 2110) und mit (GOZ 2060, 2080, 2100 und 2120) Verwendung von Kompositmaterialien in ggf. mehrschichtiger Adhäsivtechnik unterschieden hat (vgl. amtl. Begründung, BR-Drs. 566/11 v. 21.9.2011, S. 53), folgt, dass der Verordnungsgeber die genannte Technik gekannt hat und diese nur in den ausdrücklich genannten Fällen (GOZ 2060, 2080, 2100 und 2120) besonders hat vergüten wollen.

Zudem ist im Rahmen der GOZ-Novelle 2012 die Gebührenziffer GOZ 2197 gerade angesichts der zwischenzeitlich erfolgten fortgeschrittenen technischen Entwicklung der Adhäsivtechniken und -materialien geschaffen worden, um diesen Fortschritt – insbesondere einen Mehraufwand für eine adhäsive Befestigung plastischen Aufbaumaterials i.S.d. Gebührenziffer GOZ 2180 (amtl. Begründung, BR-Drs. 566/11 v. 21.9.2011, S. 54) – auch gebührentechnisch abzubilden.

Soweit es die Mehrschichttechnik anbetrifft, so handelt es sich hierbei lediglich um eine besondere Ausführung der in der Gebührenziffer GOZ 2197 enthaltenen Leistung, die gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ nicht gesondert berechnet werden darf (vgl. VG Augsburg, U. v. 8.2.2018 – Au 2 K 17.1291 – BeckRS 2018, 5878; PKV, Kommentierung praxisrelevanter Analogabrechnungen, Stand 19.6.2023, S. 30 f. […].“

AG Siegburg: Für die Entfernung einer alten Wurzelfüllung kann die GOZ-Nr. 2170 analog verlangt werden

Urteil vom 28.10.2016

Das Amtsgericht (AG) Siegburg kam mit Urteil vom 28.10.2016 (Az.: 102 C 118/15) zu dem Ergebnis, dass die Entfernung einer bereits vorhandenen Wurzelfüllung (Revisionsbehandlung) nach der GOZ-Nr. 2170 analog abgerechnet werden konnte.

Sachlage:

Bei einer Patientin, die die Rechnung nicht vollständig bezahlen wollte, wurde eine umfangreiche Revisionswurzelkanalbehandlung am Zahn 37 durchgeführt. Dabei enthielt die Abrechnung u.a. folgende Kostenposition:

GOZ-Nr. 2170 – Beseitigung von pysiologischen/iatrogen verursachten Penetrationshindernissen, entsprechend Par. 6 Abs. 1 GOZ der Geb.-Nr. 2170: Einlagefüllung, mehr als zweiflächig

Die Patientin vertrat die Ansicht, sie habe vom Behandler darüber aufgeklärt werden müssen, dass bei der Positionen Nr. 2170 analog GOZ die Erstattungsfähigkeit nicht gesichert sei. Mit einem hierauf gestützten Schadensersatzanspruch erklärt sie hilfsweise die Aufrechnung.

Aus der Urteilsbegründung:

Der Sachverständige hat festgestellt, dass Entfernung der alten Wurzelfüllung im Rahmen der Revisionsbehandlung medizinisch notwendig und von der GOZ-Nr. 2410 nicht erfasst sei.

Zum einen finde sich weder in dem Leistungstext noch in den Abrechnungsbestimmungen ein entsprechender Hinweis. Zudem würden die Positionen Nr. 2360 und 2300 GOZ zeigen, dass die Entfernung von Materialien und Geweben vor der eigentlichen Aufbereitung, die sich im Wurzelkanal befinden, eine eigenständige Leistung darstellten.

Zudem sei unter Berücksichtigung der Kosten für die verbrauchten Instrumente, des Zeitaufwandes und der Tatsache, dass die Leistung unter einem Dentalmikroskop erbracht wurde, die notwendige Vergleichbarkeit mit den Leistungen der Position 2170 GOZ gegeben.

Das Gericht schließt sich den plausiblen und schlüssig dargestellten medizinischen Feststellungen des Sachverständigen an und kommt auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Leistung um eine selbstständige Leistung handelt, die nach der GOZ-Nr. 2170 analog abgerechnet werden konnte. Die von der Beklagten gegen die Forderung geltend gemachten Einwendungen greifen nicht durch.

Kein Schadensersatzanspruch aufgrund unterlassener Aufklärung

Schließlich steht der Beklagten kein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Aufklärungspflicht zu, denn es fehlt an einem kausalen Schaden. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass sie bei einer Aufklärung – d.h. bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten – von einer Entfernung der Wurzelfüllung abgesehen hätte. Dies ist auch nicht naheliegend, da die Maßnahme nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen für einen Behandlungserfolg zwingend notwendig war.

Von Angelika Enderle, erstellt am 06.02.2017, zuletzt aktualisiert am 06.02.2017

Juradent-ID: 3688

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LAG Baden-Württemberg: Außerordentliche Kündigung einer Praxismitarbeiterin wegen Weitergabe von Patientendaten

Urteil vom 11.11.2016

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 11.11.2016 (Az.: 12 Sa 22/16) klargestellt: Verletzt eine medizinische Fachangestellte ihre arbeitsvertragliche Verschwiegenheitspflicht dadurch, dass sie Patientendaten an eine nicht berechtigte Person weitergibt, rechtfertigt dies eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung.

Aus dem Sachverhalt:

Die medizinische Fachangestellte war in der Praxis der Beklagten u.a. für die Terminverwaltung zuständig.

Dort hatte eine Bekannte von ihr und ihrer Tochter einen Untersuchungstermin vereinbart und später wieder abgesagt. Die Klägerin rief darauf das elektronisch gespeicherte Terminblatt der Patientin auf. Aus dem Terminblatt war Name und Geburtsdatum der Patientin, zu untersuchender Körperbereich und damit korrespondierend das für die Untersuchung zu reservierende MRT-Gerät ersichtlich. Die Klägerin fotografierte das Terminblatt mit Hilfe ihres Smartphones und leitete das Foto, mit dem Kommentar „Mal sehen, was die schon wieder hat…“ versehen, per WhatsApp an ihre Tochter weiter. Der Vater der Patientin beschwerte sich in der Praxis darüber, dass die Tochter der Klägerin im Sportverein die WhatsApp-Nachricht ihrer Mutter weitergezeigt habe.

Dem Arbeitgeber gegenüber begründete die Arzthelferin ihr Fehlverhalten damit, dass sie nicht gewusst habe, derartige Daten nicht an direkte Verwandte weiterleiten zu dürfen, sie bereue jedoch Ihre Handlung. Die Argumente ließ der Arbeitgeber nicht gelten und verwies auf die Geheimhaltungspflicht im Arbeitsvertrag und kündigte ihr fristlos. Die Klägerin erhob hieraufhin Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht und brachte unter anderem vor, dass eine Abmahnung ausgereicht hätte.

Aus der Urteilsbegründung:

„Die Weitergabe des Patientennamens einschließlich der beabsichtigten Untersuchung (Körperbereich/MRT) wiegt so schwer, dass die Klägerin erkennen konnte, die Beklagten würden das gemeinsame Arbeitsverhältnis bei einer derartigen Vertragsverletzung beenden.

Eine Abmahnung der Klägerin hätte das Vertrauen der Beklagten in ihre Diskretion nicht wiederherstellen können. Der vertrauliche Umgang mit Patientendaten ist für eine Arztpraxis zum einen so grundlegend, dass sich jede Mitarbeiterin bewusst ist, sie stellt ihr Arbeitsverhältnis in Frage, wenn sie Daten unbefugt nach außen gibt.

Zum anderen ist der vertrauliche Umgang mit Patientendaten auch so selbstverständlich, dass ein Verstoß hiergegen das für das Arbeitsverhältnis erforderliche Vertrauen der Praxisbetreiber in die Diskretion seiner Angestellten besonders nachhaltig und deshalb unwiederbringlich beeinträchtigt.

Das gilt erst recht im Falle der Klägerin, die den im Arbeitsvertrag ausdrücklich aufgenommenen Passus zum Schutz der Patientendaten nur als ein Detail unter Vielen betrachtet und sich deshalb dann, wenn es darauf ankommt, nicht mehr daran erinnern kann und die den Namen der ihr bekannten Patientin ohne Not gedankenlos aus einer Laune heraus weitergibt, was eine erhebliche Gleichgültigkeit gegenüber den Belangen der Patientin deutlich macht. Eine Abmahnung der Klägerin wäre daher nicht geeignet gewesen, das verloren gegangene Vertrauen in die Diskretion der Klägerin wiederherzustellen.

Auch die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses war für die Beklagten keine geeignete Handlungsalternative. Den Beklagten war es nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende am 31. Dezember 2015 fortzusetzen. Ihr Interesse an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwog das Interesse der Klägerin an der Einhaltung der Kündigungsfrist.“

Von Angelika Enderle, erstellt am 17.10.2017, zuletzt aktualisiert am 18.10.2017

Juradent-ID: 3796

 

 

VG Saarland: Eine Überschreitung des Schwellenwertes setzt Besonderheiten mit Ausnahmecharakter voraus

Urteil vom 26.05.2017

Die Schwellenwertüberschreitung ist weiterhin bei der Beihilfe ein schwieriges Thema, da die Begründungen in der Regel nicht anerkannt werden.

Das Verwaltungsgericht (VG) Saarland hatte sich am 26.05.2017 (Az.: 6 K 468/16) mit der Klage eines Beihilfeberechtigten zu beschäftigen und festgestellt, dass eine Überschreitung des Schwellenwertes nur dann zulässig ist, wenn Besonderheiten – abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle – gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten aufgetreten sind.

Hintergrund:

Streitig war die GOZ-Nr. 2100 „Kompositfüllung in Adhäsivtechnik, dreiflächig” für die Zahnregion 28, die mit dem Steigerungssatz von 3,5 in Ansatz gebracht wurde. Zur Begründung dieses Steigerungssatzes war in der Rechnung folgendes angegeben:

„überdurchschnittlicher Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand wegen Anwendung Mehrfarbentechnik bzw. schwierige spezielle Farbanpassung und besonders schwierige Füllungsgestaltung im Kontaktbereich zum Nachbarzahn”

Die Beihilfefeststellungsstelle erkannte diese zahnärztliche Leistung nur in Höhe eines 2,3-fachen Steigerungssatzes an und begründete dies damit, dass eine Überschreitung des Schwellenwertes nur in besonders schwierigen Fällen, die von der Masse der Behandlungsfälle abweichen würde, zulässig sei. Die angegebene Begründung lasse einen solchen Ausnahmefall nicht erkennen. Die Schwierigkeit sei mit dem 2,3-fachen Satz bereits abgedeckt, so dass keine weitere Beihilfe zustehe. Zudem habe in der Regel jeder Zahn mindestens einen Kontaktbereich zum Nachbarzahn, sodass eine überdurchschnittliche Leistung nicht anzuerkennen sei.

Das Urteil:

Das Gericht hielt den ablehnenden Bescheid für rechtmäßig und stützt seine Auffassung auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 17.02.1994 (Az.: 2 C 10.92):

„Eine Überschreitung des Schwellenwertes hat nach dem sachlichen Zusammenhang der Vorschrift den Charakter einer Ausnahme und setzt voraus, dass Besonderheiten gerade bei der Behandlung des betreffenden Patienten, abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle, aufgetreten sind. Dem Ausnahmecharakter des Überschreitens des Schwellenwertes widerspräche es, wenn schon eine vom Zahnarzt allgemein oder häufig, jedenfalls nicht nur bei einzelnen Patienten wegen in ihrer Person liegenden Schwierigkeiten, angewandte Verfahrensweisen bei der Ausführung einer im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistung als eine das Überschreiten des Schwellenwertes rechtfertigende Besonderheit angesehen würde.

Voraussetzung ist demnach zum einen, dass die Leistung aufgrund der tatsächlichen Umstände vom Typischen und Durchschnittlichen erheblich abweicht. Die Begründung darf dabei nicht allgemein gehalten sein, sondern muss genügend Anhaltspunkte für einen Vergleich enthalten, bei dem deutlich wird, dass die Behandlungsschritte einen ungewöhnlich hohen Schwierigkeitsgrad aufwiesen, der deutlich über demjenigen lag, der durch die Regelspanne abgegolten wird. Voraussetzung ist nach ständiger Rechtsprechung der Kammer aber des Weiteren, dass die besonderen Schwierigkeiten nicht in der angewandten Behandlungsmethode begründet sind, sondern auf den individuellen Verhältnissen des konkret behandelten Patienten beruhen.

Die gegebene Begründung lässt, soweit mit ihr ein „überdurchschnittlicher Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand wegen Anwendung Mehrfarbentechnik” geltend gemacht wird, keine auf die Person der Ehefrau des Klägers bezogene Besonderheiten erkennen. Es lässt sich der Begründung weder entnehmen, dass sich die Anwendung der Mehrfarbentechnik in deren Fall aufgrund individueller Besonderheiten und abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle besonders schwierig gestaltet hätte, noch dass mit der Anwendung der Mehrfarbentechnik gerade im Fall der Ehefrau des Klägers ein besonderer, die durchschnittliche Anwendungsdauer erheblich überschreitender Zeitaufwand verbunden gewesen wäre.

Aber auch soweit als Begründung die „schwierige spezielle Farbanpassung und besonders schwieriger Füllungsgestaltung im Kontaktbereich zum Nachbarzahn” angeführt ist, ergibt sich hieraus kein die Schwellenwertüberschreitung rechtfertigender Umstand. Aus ihr ergibt sich nämlich ebenfalls nicht, dass und inwieweit dem besagten Umstand im Vergleich zu der Mehrzahl der Behandlungsfälle überdurchschnittliche Bedeutung beizumessen gewesen wäre.

Insoweit hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass in der Regel jeder Zahn mindestens einen Kontaktbereich zum Nachbarzahn hat.”

Von Angelika Enderle, erstellt am 03.11.2017, zuletzt aktualisiert am 03.11.2017

Juradent-ID: 3811

 

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OVG NRW: Keine Anerkennung der Schwellenwert-überschreitung unter Hinweis auf hochwertige Versorgung

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen hat sich mit Urteil vom 15.03.2016 (Az.: 1 A 120/15) einmal mehr mit den beihilferechtlichen Anforderungen an die Begründung bei Überschreitung des Schwellenwertes (2,3facher Gebührensatz) in einer Zahnarztrechnung beschäftigt. Grundsätzlich stellt das Gericht fest, dass Prothetik unter Beachtung der heutigen Standards in der Zahnmedizin immer hochwertig ist. Außerdem handele es sich bei der Anfertigung einer dreigliedrigen Brücke zum Ersatz eines Zahns um eine Routinebehandlung und nicht um komplizierte Prothetik.

In seiner Rechnung hatte der behandelnde Zahnarzt folgende Begründungen angegeben:

GOZ-Nrn. 501 und 507: „Krone als Brücken- oder Prothesenanker (Hohlkehlpräp.) – Konstruktionsbedingter zeitlicher und instrumenteller Mehraufwand bei der Anfertigung hochwertiger, komplizierter Prothetik“.

GOZ-Nr. Nr. 502: „Versorgung e. Lückengeb. d. Brücke o. Prothese (Teilkrone) – besonders aufwändige Präparation – rundumlaufender Federrand“.

In einem Schreiben erläuterte der behandelnde Zahnarzt den jeweils 3,5fachen Satz:

Da die untere Versorgung an die bestehende, vollkeramische Versorgung des Oberkiefers habe angepasst werden müssen, sei eine besonders gestaltete Präparation notwendig gewesen. Um Schäden an der Keramik des Gegenkiefers zu verhindern, sei es unumgänglich, die Präparation der Kauflächen besonders sorgfältig und mit mehrfacher Kontrolle der Unterkieferbewegungen durchzuführen. Dies und die Gestaltung der Präparationsränder der Teilkrone (rundumlaufender Federrand) zwängen zu einem erheblich höheren Zeitaufwand der Präparation und der Herstellung der Versorgung des Klägers.

Das Urteil

In seinen Entscheidungsgründen führt das OVG Nordrhein-Westfalen aus, dass die Ausführungen des Zahnarztes zur Anpassung der Versorgung an den Gegenkiefer keine patientenbezogenen Besonderheiten begründen. Wenn nämlich ein Patient eine Zahnbrücke oder -prothese erhält, ist es nach den Ausführungen des Sachverständigen vielmehr immer notwendig, diese Brücke oder Prothese an die Zähne oder Prothesen des Gegenkiefers anzupassen, damit keine Schäden entstehen; dies gelte unabhängig davon, wie die Gegenbezahnung beschaffen sei. Ferner sei bei jeder Präparation auch zu kontrollieren ist, ob diese ausreichend ist oder ob sie etwa Schäden am Gegenkiefer verursachen könnte. Auch das Anlegen eines Federrandes sei bei der hier erfolgten Versorgung mit einer Goldteilkrone notwendiger Bestandteil der Leistung und keine Besonderheit.

Kommentar

In den Ausführungen der OVG findet das leider wieder das klassische Argument, dass die auf der Rechnung angegebene Begründung auch bei anderen Patienten in Betracht komme. Grundsätzlich ist die Regelung in der GOZ eindeutig: Der durchschnittliche Aufwand wird mit 2,3 bewertet und Besonderheiten rechtfertigen die Faktorerhöhung, unabhängig davon, ob die Besonderheiten auch bei anderen Patienten vorkommen können.

Von Angelika Enderle, erstellt am 26.07.2016, zuletzt aktualisiert am 26.07.2016

Juradent-ID: 3599

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VG Freiburg: Zahnfarbenbestimmung und individuelle Schichtung sind nicht beihilfefähig

Auch wenn Beihilfeberechtigten in der Regel klar ist, dass bestimmte zahnärztliche Leistungen nur begrenzt oder nicht beihilfefähig sind, überraschen sie immer wieder die teilweise erheblichen Einschränkungen, die zu einigen Beihilfeverordnungen in der „Anlage 2“ hinterlegt sind.

Zu den Leistungsausschlüssen der Beihilfeverordnung des Landes Baden-Württemberg bestätigt das Verwaltungsgericht (VG) Freiburg mit Urteil vom 22.05.2017 (Az.: 6 K 823/15), dass Aufwendungen für eine besondere zahntechnische Gestaltung, insbesondere die „Zahnfarbenbestimmung“ und „individuelle Schichtung“ (Charakterisierung) der Prothetik an den Patienten nicht beihilfefähig sind.

Der Fall:

Die Beihilfefestsetzungsstelle hatte dem Patienten mitgeteilt, dass eine Zahnfarbenbestimmung und individuelle Schichtung in direkter Anwendung der Anlage zur BVO von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen seien, denn diese Leistungen dienten selbstverständlich der „besonderen“ und „individuellen“ Anpassung der Prothetik an den Patienten. Ferner beinhalte bereits der Leistungsinhalt der entsprechenden GOZ-Ziffern, z.B. 5000 bis 5040 die Bestimmung der Farbschichtung, den Farbvergleich und die Farbauswahl.

Dagegen hat die Beihilfeberechtigte Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen Folgendes ausführt:

Bei den als gar nicht beihilfefähig anerkannten Aufwendungen für die Zahnfarbenbestimmung und die individuelle Schichtung jedes Prothesenzahns handle es sich nicht um Aufwendungen nach Ziff. 1.2.1. c) der Anlage zur BVO. Vielmehr beträfen diese Leistungen für die Zahnfarbenbestimmung ganz normale Methoden der Farbauswahl und nicht, wie nach dieser Ziffer erforderlich, eine „besondere“ Farbauswahl. Denn es handle sich um ein übliches, nicht um ein besonderes Verfahren der Zahnfarbenbestimmung. Jedenfalls aber seien sämtliche Leistungen nicht nur aus ästhetischen Gründen erfolgt, sondern medizinisch zwingend notwendig und ohne Behandlungsalternative gewesen.

Aus den Urteilsgründen:

Nach der Ansicht des Verwaltungsgerichts erfasst der in der Anlage zur BVO geregelte Ausschluss für „Aufwendungen für besondere individuelle Zahngestaltung, Charakterisierung, besondere Farbauswahl und Farbgebung, Bemalen und Bleaching“ Aufwendungen, die nicht der medizinischen Notwendigkeit geschuldet sind, sondern (nur) der ästhetischen Gestaltung dienen, etwa der Anpassung der Farbe von prothetischen Zähnen an die Farbe der individuellen Zähne des Patienten.

Das zeige schon die Ursprungsfassung der Anlage zur BVO, die lautete „Aufwendungen für besondere zahntechnische Gestaltung, insbesondere Charakterisierung“, die mit der Änderungsverordnung vom 20.2.2003 eingeführt wurde und worunter Laborkosten und zahnärztliche Gebühren fallen, die zahnmedizinisch nicht notwendig sind, vielmehr nur durch kostenträchtige Gestaltung das Aussehen verbessern oder natürlich erscheinen lassen sollen.

In der Fassung vom 30.10.2008 sei dies noch konkretisiert worden, nämlich insbesondere durch die zusätzlichen Begriffe „Farbauswahl und Farbgebung, Bemalen und Bleaching“, die ebenfalls ersichtlich allein das ästhetische Äußere betreffenden.

Dass es bei diesen Begriffen um eine gestalterische, ästhetische Leistung gehe, zeige insoweit auch der Begriff „individuelle Charakterisierung“, welche den Zweck habe, eine Strukturierung der Oberfläche wie bei den natürlichen Zähnen (des individuellen Patienten) zu erreichen und durch die Einlegung von Effektmassen, Schichten verschiedener Farben und das Bemalen der Oberfläche erfolge. Dieser Begriff sei mithin gleichbedeutend mit dem in den streitigen Rechnungsposten verwendeten Begriff der „individuellen Schichtung“.

Von Angelika Enderle, erstellt am 31.10.2017, zuletzt aktualisiert am 02.11.2017

Juradent-ID: 3799

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