Was bei einer Praxisabgabe zu beachten ist

In absehbarer Zeit will ich in den Ruhestand gehen – und was jetzt? Diese Frage stellen sich viele Praxisinhaberinnen und -inhaber früher oder später. Organisatorisch und steuerrechtlich ist bei einer Praxisübergabe vieles zu beachten, zeigte eine Veranstaltung der Apobank.

Rund 20 Prozent der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sind älter als 60 Jahre – und einige davon wollen zeitnah oder auf Sicht ihre Praxen abgeben. Drastischer formulierte es Moderatorin und Abteilungsleiterin bei der Apobank Nora Zumdick: „Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass das gewünschte Renteneintrittsalter mit 64 Jahren beginnt, dann steht im Prinzip gerade eine ganze Generation vor der Frage, wie gebe ich meine Praxis ab.“ Wie Ärztinnen und Ärzte dabei vorgehen sollten und was zu beachten ist, darüber hat die Apobank am Mittwoch informiert.

Möchte man die Praxis abgeben, stellt sich zunächst die Frage, an wen. Während einige Praxen in der Familie bleiben, gehen andere an Ärztinnen und Ärzte von außerhalb der Familie. In letzterem Fall ist zu entscheiden, ob man sich für das Vorgehen Hilfe holt. Aus Sicht der Apobank, die sowohl Unterstützung für Praxisverkäufer als auch -käufer anbietet, ist der Fall natürlich klar. Umsonst macht das der Finanzdienstleister jedoch nicht: Für die Wertermittlung einer Einzelpraxis nimmt er 1.500 Euro netto, für Gemeinschaftspraxen kostet die Leistung 1.800 Euro. Weitere Beratungsleistung werden auf Stundenbasis abgerechnet.

Für den Internisten Dr. Stephan Krinke aus Leichlingen hat sich der Preis gelohnt. Er führe gemeinsam mit einem Kollegen eine hausärztliche Gemeinschaftspraxis, doch beide wollten zeitnah in den Ruhestand gehen. Sie hätten sich „konzeptionslos“ auf die Suche nach einer Praxisnachfolge begeben, unzählige teils „komische“ Gespräche geführt und mehrere Medizinische Versorgungszentren abgewehrt. Aber sie hätten nicht gewusst, wie sie vorgehen sollten und wie viel Geld sie für ihre Praxis verlangen sollten. Für sie war deshalb der Kontakt zur Apobank „der Gamechanger“.

Was Apobank-Praxisberater Carsten Bauer für Krinke – insgesamt nach eigenen Angaben für bis zu 30 Praxen im Jahr – machte, war zunächst, den Praxiswert zu ermitteln. Es gebe verschiedene Möglichkeiten dafür. Die Apobank nutze ein „modifiziertes Ertragswertverfahren“. Auf die Details ging Bauer nicht ein, erzählte aber, man schaue auf den Umsatz sowie dessen Zusammensetzung, auf die Kostenstruktur, den Ort der Praxis, die Fachrichtung und ermittle daraus einen Wert. Dieser werde außerdem mit den Preisen vergleichbarer Praxen abgeglichen. Auch die Preisvorstellung derer, die eine Praxis abgeben wollten, spiele zur Preisfindung eine Rolle.

Wie verhandelt man nun diesen Preis mit potenziellen Käufern? Bauer rät, sie erst durch die Praxis zu führen und dafür zu begeistern und erst danach den Kaufpreis zu nennen. Zu diesen Gesprächen könne man auch Praxisberater hinzuholen.

Diese Steuern fallen an

Nach Angaben von Bauer lässt sich eine Praxis in NRW für durchschnittlich 150.000 bis 170.000 Euro verkaufen – vor Steuern. „Das Finanzamt will in der Regel eine Scheibe abhaben vom Verkaufspreis“, so Jens Hellmann, Diplom-Finanzwirt und Steuerberater bei der Trilling – Hellmann & Partner. Aber er macht Hoffnung: „Die gute Nachricht ist, dass der Verkaufspreis selten der Betrag ist, der auch im Steuerbescheid landet.“

Nicht der Verkaufspreis, sondern der Veräußerungsgewinn stehe im Steuerbescheid. Beides könne sich „erheblich“ unterscheiden. Ein Beispiel von Hellmann: Ein Arzt verkauft seine Praxis für 200.000 Euro. Für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns geht der Buchwert des Betriebsvermögens ab, in diesem Fall 45.000 Euro. Gemeint sind alle nicht abgeschriebenen Investitionen in der Praxis. Außerdem werden die Veräußerungskosten in Höhe von 5.000 Euro abgezogen. Es bleibt ein Veräußerungsgewinn von 150.000 Euro.

Von diesem Veräußerungsgewinn hängt die Höhe des Steuerfreibetrags ab, der nach Hellmanns Angaben noch abgezogen werden kann. Dieser beträgt maximal 45.000 Euro. Das Finanzamt gewährt ihn nur einmal im Leben Menschen, die älter sind als 55 Jahre oder dauerhaft berufsunfähig. „Man merkt an dieser Stelle schon, es macht Sinn, einen Experten daran zu lassen“, so Hellmann – und empfiehlt damit, Steuerberaterinnen und -berater aufzusuchen, sollte man eine Praxis verkaufen wollen.

Den eigenen Kindern Praxis schenken oder verkaufen?

Viele junge Ärztinnen und Ärzte treten in die beruflichen Fußstapfen ihrer Eltern und wollen deren Praxis übernehmen. Häufig wollten Eltern eine Praxis aber nicht an ihre Kinder verkaufen. Aber ergibt eine Schenkung steuerlich Sinn? „Steuerlich gesehen muss man sagen, aufgrund der Steuersätze, über die wir eben geredet haben, macht das total Sinn, einen Kaufpreis anzusetzen“, rät Jens Hellmann. Denn: Der Veräußerungspreis, an dem das Finanzamt die Steuerlast ermittelt, sei deutlich geringer als der Verkaufspreis. Außerdem gebe es noch den zweiten Steuersatz. Bei einer Schenkung würden Mutter oder Vater jedoch im schlimmsten Fall ein Viertel des Werts ans Finanzamt zahlen. „Das wäre schon hoch.“ Außerdem könnten die Kinder den Praxis-Kaufpreis steuerlich abschreiben über die nächsten Jahre.

Ein Punkt, den sich diejenigen, die eine Praxis verkaufen möchten, ebenfalls überlegen müssten, sei, wie eine Übergabe ablaufen soll. Will man sukzessive aussteigen oder direkt komplett raus sein? Für den Leichlinger Hausarzt und seinen Kollegen war klar, sie wollten ihre Praxis schleichend übergeben. „Wir sind zwei Jahre mit ihm Partner.“ Danach wollten sie sich zurückziehen. Auch Praxisberater Bauer hält das für eine gute Vorgehensweise, wobei das nicht immer der Sichtweise des Käufers entspreche. Deshalb glaubt er, „es ist immer wichtig, flexibel zu sein“.

Es gibt also vieles abzustimmen. Deshalb empfiehlt er auch, frühzeitig mit den Planungen zu beginnen. Grob überlegen solle man idealerweise schon zehn Jahre vor einer geplanten Übergabe. Fünf Jahre vor Übergabe könne man sich dann konkreten Fragen stellen: Welche Optionen gibt es gerade? Was möchten beide Seiten, wie findet man zusammen? Vier Jahre lang hat die Suche bei Krinke gedauert. Und das deckt sich auch mit der Erfahrung der Apobank: „Drei bis fünf Jahre kann das Ganze wirklich mal dauern, also man kann schon sagen, es ist leider meistens nicht in einem Jahr erledigt“, so Moderatorin Zumdick.