Elektronische Patientenakte: Chaos Computer Club zeigt massive Sicherheitslücken auf

IT-Fachleute haben auf dem Kongress des Chaos Computer Clubs auf massive Schwachstellen der elektronischen Patientenakte (ePA) hingewiesen. Ihr Fazit: Ein unsicherer Entwicklungsprozess und fehlende Kontrollen würden das Vertrauen in die Digitalisierung des Gesundheitswesens untergraben.

Auf dem diesjährigen Chaos Communication Congress in Hamburg stellten Martin Tschirsich und Bianca Kastl in einem Vortrag massive Sicherheitslücken und grundlegende Probleme bei der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) vor. Unter dem Titel „Konnte bisher noch nie gehackt werden – Die elektronische Patientenakte kommt – jetzt für alle“ warfen sie einen kritischen Blick auf die technische und organisatorische Umsetzung der ePA, die ab Januar im sogenannten Opt-out-Verfahren für alle gesetzlich Versicherten eingeführt werden soll. Sie kritisierten sowohl die Komplexität des Systems als auch die unzureichende Absicherung sensibler Gesundheitsdaten und forderten grundlegende Reformen in der Entwicklung und Sicherheit solcher Systeme.

Laut Tschirsich und Kastl ist das System so komplex, dass Sicherheitslücken systematisch auftreten. „Der Prozess, in dem diese Akte entsteht, kann nicht zu einer sicheren, vertrauenswürdigen digitalen Gesundheitsakte führen“, resümierte Tschirsich.

Kritisch sehen die beiden etwa die Vielzahl an Beteiligten im System, von Krankenkassen und Gesundheitsinstitutionen bis hin zu technischen Dienstleistern, die alle Zugriffsmöglichkeiten auf unterschiedliche Ebenen der ePA haben.

Um die Sicherheitsmängel zu verdeutlichen, griffen Tschirsich und Kastl auf konkrete Beispiele zurück. Besonders problematisch: Die SMCB-Karten, die den Zugriff für Praxen und Kliniken auf das System ermöglichen. Diese Karten, die eigentlich nur berechtigten Institutionen ausgestellt werden sollten, könnten durch Schwachstellen in der Infrastruktur einfach angefordert oder manipuliert werden.

Ein besonders eindrückliches Beispiel zeigten die beiden Hacker anhand einer sogenannten SQL-Injection: Über fehlerhafte Eingabeformulare eines Kartenherausgebers sei es möglich gewesen, Datenbankabfragen zu manipulieren und sich Zugriff auf Patientendaten zu verschaffen. „Mit nur wenigen Zeilen Code konnten wir in einem Testsystem Zugriffsrechte für tausende Patientenakten freischalten“, erklärte Tschirsich. Das Problem sei nicht neu, sondern eine grundlegende Schwäche der technischen Infrastruktur, die schon seit Jahren bekannt sei. „Dass solche grundlegenden Angriffe immer noch möglich sind, zeigt, wie schlecht vorbereitet das System ist“, so Tschirsich weiter.

Auch den unzureichend gesicherten Versand von Gesundheitskarten kritisierten Tschirsich und Kastl: „Mit nur einem Anruf bei der Krankenkasse konnten wir Gesundheitskarten auf falsche Identitäten ausstellen lassen. Diese Karten bieten dann direkten Zugang zur Patientenakte – ohne weitere Sicherheitsprüfungen.“

Forderung nach unabhängiger Sicherheitsprüfung

Neben den technischen Schwachstellen kritisierten die beiden Referenten vor allem den Entwicklungsprozess der ePA. Es mangele an unabhängigen Sicherheitsprüfungen und einer transparenten Kommunikation der Risiken. „Es kann nicht sein, dass ehrenamtlich arbeitende Sicherheitsexperten wie wir immer wieder auf diese Probleme hinweisen müssen, während die Verantwortlichen aus Politik und Industrie entweder abwiegeln oder verspätet reagieren“, erklärte Tschirsich.

Statt immer wieder dieselben Fehler zu machen, fordern sie einen offenen Entwicklungsprozess und eine unabhängige Instanz, die das System überprüft. „Wir brauchen ein vertrauenswürdiges digitales Gesundheitssystem. Und das erreicht man nur mit einer sicheren, transparenten und belastbaren Infrastruktur.“

Die Vortragenden warnten eindringlich vor den Folgen der Einführung eines unsicheren Systems: „Wenn das Vertrauen in die ePA und die Digitalisierung des Gesundheitswesens weiter schwindet, werden gerade die Menschen, die am meisten von den Möglichkeiten der Digitalisierung profitieren könnten, die Nutzung verweigern.“

Transparency International und Mezis fordern: Keine Punkte mehr für kostenlose Fortbildungen

Bei der Umsetzung der neuen Musterfortbildungsordnung sind die Landesärztekammern gefordert, detaillierte Angaben über Interessenskonflikte zu machen. Transparency International und eine Gruppe von Ärztinnen und Ärzten schlagen ein dreistufiges System vor.

©vasil – stock.adobe.comWie unabhängig sind medizinische Fortbildungen? Darüber fordern Transparency International und die Ärzte-Initiative Mezis mehr Transparenz.

In einer gemeinsamen Stellungnahme fordern Mezis („Mein Essen zahl‘ ich selbst – Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte“ und Transparency International Deutschland (TI), dass kostenlose Fortbildungen nur noch in Ausnahmefällen von Ärztekammern zertifiziert und damit bei der Vergabe von Fortbildungspunkten berücksichtigt werden sollen. „Im Fall einer Fortbildung ohne Teilnahmebeitrag wird diese nur dann anerkannt, wenn sie oder die Referenten nicht überwiegend oder ganz über Sponsoren finanziert werden“, so ein Regelungsvorschlag der beiden Initiativen.

Die MFO ist im Mai 2024 beschlossen worden. Sie gibt den Rahmen für die verbindlichen Fortbildungsordnungen vor, die in den Landesärztekammern in der Folge nun geändert werden müssen. TI und Mezis begrüßen die Regelungen der neuen MFO. Sie stelle einen bedeutenden Schritt hin zu einer Fortbildung dar, die frei von kommerziellen Einflüssen ist. „Eine solche einflussfreie Fortbildung ist essenziell, um die Qualität und Integrität der medizinischen Weiterbildung zu gewährleisten“, heißt es in der Stellungnahme. Jedoch seien die Maßnahmen nicht ausreichend.

„Zum einen ist die Regelung zur Offenlegung von Interessenkonflikten zu ungenau, um den Beteiligten eine klare Einschätzung zu ermöglichen. Zum anderen bleibt die Möglichkeit bestehen, dass Fortbildungsveranstaltungen vollumfänglich oder überwiegend von Sponsoren finanziert werden. Dies stellt die grundsätzliche Interessenunabhängigkeit solcher Fortbildungen in Frage und birgt das Risiko, dass sie weiterhin als Teil einer umfassenden Marketingstrategie genutzt werden“, schreiben die beiden Organisationen.

TI und Mezis schlagen ein dreistufiges System zur Bewertung der beruflichen Verbindungen von Referenten, Veranstaltern und weiterer Akteure bei Fortbildungen vor, um neutrale, interessenunabhängige ärztliche Fortbildung zu gewährleisten:

Geringe Interessenskonflikte sehen sie, wenn die Betroffenen nur Vortragstätigkeiten mit Honoraren von weniger als 5000 Euro für pharmazeutische Unternehmen, Medizinprodukte-Hersteller, Interessenverbände im Gesundheitswesen, medizinische Fachgesellschaften, Stiftungen oder weitere Akteure im Gesundheitswesen mit finanziellen, berufsständischen, ideologischen oder ähnlichen Interessen ausgeübt haben.

  • Bei Honoraren von 5000 bis 10.000 Euro, regelmäßige Vortragstätigkeit, der Tätigkeit in einem wissenschaftlichen Beirat oder als Gutachter, Managementverantwortung für Studien, Federführung bei direkt gesponserter Fort- oder Weiterbildung oder finanzieller Beteiligung an Unternehmen des Gesundheitswesens bis zu fünf Prozent sehen sie eine moderate Ausprägung von Interessenskonflikten.
  • Wenn ein Akteur in den vergangenen mehr als 10.000 Euro Honorar für Vorträge oder Veröffentlichungen von einer der genannten Organisationen erhalten hat,
  • in einem Advisory Board, einer finanziellen Beteiligung von mehr als fünf Prozent oder einem Arbeitsverhältnis bei einer der Organisationen tätig ist, sehen TI und Mezis Interessenskonflikte in hoher Ausprägung

Im letzten Fall sollen die Landesärztekammern Fortbildungen grundsätzlich nicht anerkennen. Liegen moderate Interessenskonflikte vor, soll eine Begründung für die Wahl der Referenten erfolgen. Zudem sollen diese Informationen den Teilnehmenden in den Fortbildungskalendern der Landesärztekammern mitgeteilt werden und nicht erst bei der Veranstaltung.

Die Musterfortbildungsordnung der Bundesärztekammer sieht als Anerkennungsvoraussetzungen für Fortbildungsmaßnahmen unter anderem die „Wahrung der Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen“ und die „Erweiterung der Offenlegung von Interessenkonflikten“, sowie die  Vorlage von Verträgen auf Verlangen der Ärztekammern vor.

IDS 2025: Mehr Flexibilität für Besucher – Rund 2.000 Aussteller in Köln

Die Internationale Dental-Schau (IDS) untermauert auch 2025 ihre Position als weltweit führende Messe der Dentalbranche. Für die 41. Ausgabe, die vom 25. bis 29. März 2025 in Köln stattfindet, haben sich bereits mehr als 1.300 Aussteller, darunter alle wichtigen Akteure der Branche, angemeldet. Daneben werden rund 500 Teilnehmer in Länderpavillons aus allen Kontinenten erwartet.

Die Messe werde erneut das gesamte Spektrum der Dentalwelt abdecken, von Zahnmedizin und Zahntechnik über Infektionsschutz und Wartung bis hin zu Dienstleistungen sowie Informations-, Kommunikations- und Organisationssystemen. „Durch diese Vollumfänglichkeit und die präsentierte Innovationsdichte wird die IDS ihrer Bedeutung als zukunftsweisender Taktgeber der Branche gerecht“, so die Koelnmesse in einer Pressemitteilung.

Mitte November 2024 geht der Ticket-Shop online

Angesichts der globalen Reichweite der IDS erwartet die Koelnmesse wieder einen starken Besucherzuspruch. Demzufolge empfiehlt die Messegesellschaft allen Besuchern frühzeitig mit der Planung ihres Besuches anzufangen. Bereits Mitte November 2024 geht der Ticket-Shop online. Alle Tickets zur IDS 2025 sind ausschließlich online buchbar und werden personalisiert ausgestellt. Besucher profitieren von einer flexiblen, auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittenen Ticketverwaltung. So kann das Ticket über die offizielle IDS-App verwaltet werden, in das Smartphone-Wallet geladen oder klassisch ausgedruckt werden.

Darüber hinaus werden weitere Services angeboten, die den Besuchern ihre Teilnahme an der fünftägigen Veranstaltung so angenehm wie möglich gestalten. Die IDS versteht sich nicht nur als führende Plattform der Dentalbranche, sondern auch als Gastgeber für die gesamte internationale Dental-Community. In Verbindung mit der Eintrittskarte stehen beispielsweise ein VRS/VRR-Ticket für die Anreise sowie exklusive Angebote der Deutschen Bahn und der Lufthansa zur Verfügung. Über das Hotelbuchungsportal der Koelnmesse können Aussteller und Besucher bis zu fünf Zimmer gleichzeitig online buchen und von Sonderkonditionen profitieren.

Online-Plattform IDS-Connect ab März 2025

Die messebegleitende Online-Plattform IDS-Connect bietet ab Anfang März 2025 erweiterte Möglichkeiten zur Vernetzung und Vorbereitung. Von Learning-Sessions über Online-Seminare bis hin zu Unternehmens- und Produktpräsentationen stellt das Tool vielfältige Möglichkeiten bereit, vor, während und nach der Messe das IDS-Feeling über die Messehallen hinaus zu erleben.

NRW plant Bachelor für die Zahnmedizin. Durchgefallen? Zur Belohnung gibt‘s den Bachelor !!!

In Nordrhein-Westfalen sollen Studenten, die die Zahnärztliche Prüfung Z3 nicht bestanden haben, künftig einen „integrierten Bachelor“ bekommen. Bundeszahnärztekammer und Verbände kritisieren den Plan scharf.

Zur Minderung des Fachkräftemangels sollen in Nordrhein-Westfalen auch die Hochschulen ihren Beitrag leisten. Als Lösung stellt sich die Landesregierung dabei aber nicht die Erhöhung der Studienplätze vor, sondern sie plant eine „Attraktivitätsoffensive für den Hochschulbereich“. Mit einem neuen Gesetzentwurf des „Hochschulstärkungsgesetzes“ will man unter anderem „durch studierendenfreundlichere Präzisierungen im Gesetzestext für mehr Transparenz“ sorgen, wie es im vorliegenden Referentenentwurf heißt.

Der Bachelor für die Zahnmedizin

Das 337 Seiten umfassende Papier enthält auch neue Regelungen für die zahnmedizinische Ausbildung in Nordrhein-Westfalen. Unter anderem soll ein „integrierter“ Bachelor eingeführt werden. In Paragraf 66 Abs. 1c heißt es „Die Universität verleiht Studierenden eines Studiengangs der Zahnmedizin …. einen Bachelorgrad, wenn sie den Dritten Abschnitt der Zahnärztlichen Prüfung (gem. ZApprO) oder die zahnärztliche Prüfung (gem. AOZ) nicht bestanden haben“.

Scharfe Kritik von Bundeszahnärztekammer und aus der Fachwelt

Der Gedanke, einen akademischen Grad für das Nichtbestehen einer Prüfung zu verleihen, trifft in der Standespolitik und universitären Fachwelt nicht gerade auf Gegenliebe. In einer gemeinsamen Stellungnahme haben sich jetzt die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde e.V. (DGZMK), die Vereinigung der Hochschullehrer für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde e. V. (VHZMK), der Arbeitskreis für die Weiterentwicklung der Lehre in der Zahnmedizin (AKWLZ) und die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) an die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen gewandt. Sie kritisieren die geplante Regelung als „Fehlanreiz“ und empfehlen „dringend, den Absatz 1c völlig zu streichen“.

Keine beruflichen Perspektiven für einen Bachelor

In der Begründung verweisen die Verbände auch auf den ungeklärten Status des im Gesetzentwurf aufgeführten Bachelor-Abschlusses: „Wir sehen gegenwärtig keine relevanten beruflichen Perspektiven für diese Bachelor. Selbst wenn sie anschließend ein postgraduales Masterstudium in der Zahnmedizin absolvieren, so muss dabei berücksichtigt werden, dass sich diese postgradualen Masterstudiengänge inhaltlich an Zahnärztinnen und Zahnärzte richten und das vermittelte Wissen ohne Approbation nicht umgesetzt werden kann.“

Qualität der Ausbildung wird gefährdet

Sorgen machen sich Bundeszahnärztekammer und die Verbände auch um die Qualität der Ausbildung. Sie schreiben:

„In der ZApprO (§3 Absatz 4 Satz 2) sind die ECTS-Punkte für das zehnsemestrige Zahnmedizinstudium Studium in einer Höhe von 300 ECTS ausgewiesen. Diese lässt sich im LHG nicht willkürlich und im Widerspruch zur ZApprO auf 180 ECTS verkürzen.“

Aufgrund der Unwägbarkeit zu erwartender verwaltungsgerichtlicher Verfahren besteht die ernsthafte Gefahr, dass die betreffenden Bachelor nach entsprechendem Masterstudiengang – gewissermaßen durch die „Hintertür“ – eine zahnärztliche Approbation anstreben werden, heißt es weiter. Das würde dem auch im geplanten Gesetz formulierten Qualitätsgedanken „diametral entgegenlaufen und darüber hinaus die Patientensicherheit ernstlich gefährden“.

ePA: „Täuschung von Patienten und Ärzten“

Kurz nach der Verkündung von Gesundheitsminister Lauterbach, er „sei schon im Gespräch mit Meta, Open AI und Google“, um den Konzernen die Nutzung der Krankheitsdaten der deutschen Bevölkerung für kommerziellen Zwecke zu ermöglichen, fand Ende November in Berlin der Jahreskongress der Freien Ärzteschaft statt, bei dem ganz andere Töne zu hören waren.

Prof. Dr. Kelber ( Bonn ):

„Tiefgrüne Schrumpelbananensoftware“

Der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte Prof. Ulrich Kelber ( Bonn )  äußerte schwere Bedenken gegen die „ePA für alle“ in ihrer jetzt vorgestellten Form. Auf das Gesundheitswesen komme eine unvollständig getestete „tiefgrüne Schrumpelbananensoftware“ zu, die erst in den Praxen reifen solle.

Als „bekennender Fan der Digitalisierung“ kritisierte er Sicherheitslücken, veraltete Technikkomponenten, die zentrale Datenspeicherung und die jetzige Opt-out-Regelung. Man bräuchte einen „akuten Behandlungsplan und eine Langzeitbehandlung“ für das TI-Projekt. Er sehe aber weder bei der jetzigen noch bei möglichen zukünftigen Bundesregierungen, dass ein Umsteuern geplant sei.

Mit Blick auf die Sichtweise von Ärzten und Psychotherapeuten referierte Dr. Silke Lüder, stellvertretende Bundesvorsitzende der Freien Ärzteschaft, vor allem über neue juristische Fallstricke, weil die „ePA für alle“ die berufsrechtlich und strafrechtlich fixierte Schweigepflicht für Ärzte und Psychotherapeuten unter den Bedingungen der Opt-out-Regelung faktisch abschaffe. In Zukunft, so Lüder, könnten zwei Millionen Mitarbeiter des deutschen Gesundheitswesens durch die neuen Zugriffsregelungen einfach die ganze Krankengeschichte eines Bürgers lesen. „Nur nach dem Einlesen der Versichertenkarte in der Apotheke beim Einlösen eines E-Rezepts kann das ganze Team dort drei Tage lang alle Arztbriefe lesen. Ein Unding!“, so Lüder in Berlin.

Profit statt Benefit im Fokus?

Als Forschungsexperte äußerte sich Prof. Dr. Jürgen Windeler, bis vor kurzem Leiter des IQWIG (Institut für Wirtschaftlichkeit und Qualität im Gesundheitswesen) zur Behauptung der Politik, dass der künftige Datenberg aus den Versorgungsdaten der ePA einen Quantensprung für die medizinische Forschung erzeugen werde. „Bei Entscheidungen in einem Gesundheitssystem geht es in allererster Linie um die Frage, ob diese gesundheitliche Verbesserungen für die Betroffenen bringen. Die Vorteile sind gegen Nachteile (Nebenwirkungen) abzuwägen.“ Das sei mit Abrechnungsdaten und unsortierten ePA-Daten nicht möglich, so Windeler. Falsche Versprechungen brächten die Gefahr, Prozessverbesserungen zu vernachlässigen.

Verkauf der Daten an Monopolisten befürchtet

Alle Referenten kritisierten scharf die augenblicklich laufende Werbekampagne von Politik und Kassen für Versicherte und Öffentlichkeit. „Die Werbekampagne suggeriert, dass es bei der künftigen Krankheitsdatensammlung nur um die Verbesserung der medizinischen Behandlung gehe. Dabei zeige sich jetzt gerade, dass eher der Verkauf unserer Daten an die Monopolisten Meta, Open AI und Google das vorrangige Ziel sei“, so Lüder in Berlin. Die Allgemeinmedizinerin prangerte zudem an, dass sich Kassenärztliche Bundesvereinigung und Bundesärztekammervorstand völlig unkritisch an der Werbekampagne beteiligten, statt sich aktiv um den Schutz der ärztlichen Schweigepflicht und der grundrechtlich geschützten informationellen Selbstbestimmung der Bürger zu kümmern.

Quelle DZW:

ePA: „Täuschung von Patienten und Ärzten“

apoBank-Studie: Praxen und Apotheken unter Druck

Eine neue apoBank-Studie zeigt: Viele Arztpraxen, Zahnarztpraxen und Apotheken stehen unter massivem Druck. Fehlendes Personal und hohe Bürokratie belasten die Arbeitsabläufe – Zeit für Verbesserungen bleibt kaum.

Fachkräftemangel
Fachkräftemangel, wachsende Bürokratie und volle Terminkalender bringen Deutschlands Arztpraxen, Zahnarztpraxen und Apotheken zunehmend an ihre Grenzen. Laut einer aktuellen Umfrage der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank) sehen knapp zwei Drittel der Heilberufler großen Optimierungsbedarf in ihren Arbeitsabläufen und Angeboten – doch Zeit und Ressourcen dafür fehlen. Besonders betroffen sind Hausärzte.

Praxen an der Kapazitätsgrenze
Hausärzte behandeln im Schnitt 1.400 Patienten pro Quartal. Es entfallen zwei Drittel der Arbeitszeit auf die medizinische Versorgung, Verwaltungsaufgaben beanspruchen weitere 18% sodass nur 3% der Zeit für strategische Praxisentwicklung bleiben. Zeit für Mitarbeiterführung (6%), Weiterbildung (5%) und Praxisentwicklung (3%) ist knapp.

Rund 30% der Hausärzte haben offene Stellen, 20% nehmen keine neuen Patienten mehr auf. Die Mehrheit der Praxen sieht Verbesserungsbedarf bei Leistungsangeboten (79%) und Arbeitsabläufen (75%).

Erschwerte Personalsuche
Mit knapp 1.300 Patienten pro Quartal liegt die Arbeitslast bei Fachärzten kaum darunter. Etwa 69% der Arbeitszeit wird für die Behandlung aufgewendet, Verwaltung beansprucht 16%. Hinzu kommen hohe Hürden bei der Personalgewinnung. Ein Viertel hat offene Stellen, 62% haben Schwierigkeiten bei der Personalgewinnung. Optimierungspotenziale liegen in den Bereichen Patientenstammerweiterung, Leistungsangebot und Praxisausstattung.

Offene Stellen in Zahnarztpraxen
Zahnärzte sind am stärksten vom Personalmangel betroffen: Fast jede zweite Zahnarztpraxis sucht Mitarbeiter, wobei sich die Besetzung offener Stellen teils über Jahre hinzieht. Die Zeitverteilung in Zahnarztpraxen ähnelt stark der in Haus- und Facharztpraxen: Rund 68% der Arbeitszeit fließen in die Patientenbehandlung. Administrative Aufgaben nehmen mit 16% ebenfalls einen beträchtlichen Anteil ein.

Für die Betreuung der Mitarbeiter wird etwa 6% der Zeit aufgewendet, während für die eigene Fortbildung 4% und für die Praxisentwicklung lediglich 3% verbleiben. Das zeigt, dass auch zahnärztliche Praxisinhaber nur begrenzt Kapazitäten für strategische Weiterentwicklung haben.

Apotheken: Bürokratie und Konkurrenz
Im Schnitt beraten Apotheken pro Quartal über 10.000 Kunden, von denen etwa 80% zur Stammkundschaft zählen. Für die Kundenberatung wird rund 43% der Arbeitszeit aufgewendet, während knapp ein Drittel in die Verwaltung fließt – deutlich mehr als in Arztpraxen. Für die Betreuung von Mitarbeitenden bleibt etwa 7%, für die strategische Entwicklung der Apotheke 6%.

Neben dem steigenden Verwaltungsaufwand kämpfen Apotheken vor allem mit dem Wettbewerbsdruck durch den Online-Versandhandel. Um Kunden zu gewinnen und langfristig zu binden, setzen 88% auf Botendienste und 65% auf neue pharmazeutische Dienstleistungen. Gleichzeitig macht der Fachkräftemangel die Situation schwieriger: Es haben 42% der Apotheken offene Stellen für angestellte Apotheker oder pharmazeutisch-technische Assistenten.

Offen für Innovationen
Die apoBank-Studie zeigt, dass Praxen und Apotheken trotz der Herausforderungen innovative Ansätze wie Botendienste oder digitale Prozesse nutzen. Es sind jedoch strukturelle Reformen und Entlastungen notwendig, um die ambulante Versorgung langfristig zu sichern.

Daniel Zehnich, Leiter des Bereichs Gesundheitsmarkt der apoBank, sagt zur Umfrage: „Den Bedarf nach Optimierung spiegeln uns die Befragten grundsätzlich in fast allen Bereichen, aber auch, dass dafür keine Zeit bleibt, und hier entsteht ein Teufelskreis, denn an den Arbeitsabläufen lässt sich in der Regel immer etwas tun, um mehr Ressourcen zu gewinnen.“

Hintergrund zur Studie
Die Befragung wurde vom 1. bis 25. Juli 2024 vom Marktforschungsinstitut DocCheck Insights (Köln) durchgeführt. Insgesamt nahmen 400 Heilberufler aus verschiedenen Fachbereichen teil. Schwerpunkte waren Themen wie Arbeitszeitverteilung, Personalprobleme und Verbesserungsmöglichkeiten.

Die apoBank ist Deutschlands führende genossenschaftliche Primärbank und der wichtigste Finanzdienstleister im Gesundheitswesen. Zu ihren Kunden zählen Angehörige von Heilberufen, Standesorganisationen, Berufsverbände, Gesundheitsversorgungseinrichtungen sowie Unternehmen im Gesundheitsmarkt. Die apoBank ist spezialisiert auf die Bedürfnisse des Gesundheitssektors.

Autor:
Dr. Nicole Schuster
Stand:
04.12.2024

Bilanz der Ampel-Koalition im Gesundheitswesen: Enttäuschte Erwartungen und dringender Reformbedarf

Nach dem Bruch der Ampel-Koalition sieht die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) wenig Hoffnung auf entscheidende Gesundheitsreformen in dieser Legislaturperiode. Zentral geplante Gesetze bleiben ungewiss, während drängende Probleme im Gesundheitssystem weiter ungelöst sind.

Bundesministerium für Gesundheit
Nach dem politischen Zerwürfnis in der Ampel-Koalition ziehen die Verantwortlichen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) eine ernüchternde Bilanz der vergangenen drei Jahre. Trotz zahlreicher Herausforderungen im Gesundheitswesen und einem allseits anerkannten Reformbedarf wurden bisherige Gesetzesinitiativen nur unzureichend umgesetzt. Wichtige Themen wie die Reform der Notfallversorgung, das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz und das Digitalagenturgesetz stehen auf der Kippe, da aktuell keine politischen Mehrheiten für deren Verabschiedung in Sicht sind.

Fehlende Entbudgetierung und wirtschaftliche Entlastung für Hausärzte
Die Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen gilt seit langem als zentraler Ansatz, um Praxen zu entlasten und eine effektivere Versorgung sicherzustellen. Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorsitzender der KBV, betont, dass die Umsetzung dieser Maßnahme lediglich „wenige hundert Millionen Euro“ kosten würde. Doch auch diese vergleichsweise geringe Investition wurde in der bisherigen Legislaturperiode nicht priorisiert. Ebenso wurde eine Entlastung bei den Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch eine Bagatellgrenze von 300 Euro nicht umgesetzt, obwohl diese Regelung sowohl Praxen als auch Krankenkassen erheblich administrativen Aufwand ersparen könnte, so KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner.

Krankenhausreform mit weitreichenden Folgen für die Versicherten
Im Kontext der Krankenhausreform weist Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der KBV, auf die finanzielle Belastung für Versicherte hin. Das IGES Institut prognostiziert einen Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge auf bis zu 50 Prozent in den kommenden Jahren. Dieser Anstieg könnte zu Leistungseinschränkungen für die Versicherten führen. Die hohe finanzielle Belastung und die gleichzeitig ungelösten strukturellen Probleme im Krankenhaussektor stellen das geplante Reformvorhaben infrage und verdeutlichen den umfassenden Handlungsbedarf.

Wichtige gesundheitspolitische Fragen bleiben unbeantwortet
Rückblickend resümierte Gassen die Gesetzesbilanz der Koalition als „dürftig“: Wichtige Reformen wie die Verbesserung der hausärztlichen Versorgung und die Digitalisierung wurden nur unzureichend adressiert. Einzig das Cannabisgesetz, das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz und kleinere Digitalisierungsansätze wurden umgesetzt, doch blieben die großen Strukturprobleme im Gesundheitswesen ungelöst.

Autor:
Nina Haußer
Stand:
08.11.2024

Geplantes Zertifizierungsverfahren für die Abrechnungs-Praxissoftware

Anlässlich der heutigen Anhörung des Gesundheits-Digitalagentur-Gesetzes (GDAG) im Gesundheitsausschuss des Bundestages rügt die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) das geplante Zertifizierungsverfahren für die Abrechnungs-Praxissoftware.

Die KZBV unterstütze das mit dem GDAG verfolgte Ziel der Digitalisierung im Gesundheitswesen, stellte ihr stellvertretender Vorsitzender Dr. Karl-Georg Pochhammer klar. „Die vorgesehenen Maßnahmen müssen allerdings zu einem spürbaren Mehrwert für die Patientinnen und Patienten sowie die Vertragszahnärztinnen und -zahnärzte führen“, betonte er.

Das mit dem GDAG geplante Abrechnungsverbot gefährde jedoch die Existenz der Praxen und damit die Gesundheitsversorgung: „Die Hersteller von Praxissoftware sollen künftig ein neues Zertifizierungsverfahren durchlaufen. Fällt das Produkt ihres Software-Herstellers durch, dürfen Zahnarztpraxen dieses nicht mehr nutzen; andernfalls laufen sie Gefahr, die von ihnen erbrachten Leistungen nicht mehr abrechnen zu dürfen.“

Die Praxen selbst hätten keinen Einfluss auf die Umsetzung der gesetzlichen Regelungen durch die Software-Hersteller und infolge der vorgegebenen Frist nicht genug Zeit, um gegebenenfalls den sehr aufwendigen Prozess eines Softwarewechsels anzustoßen.

Die Terminvergabe gehört nicht in die Hände der Krankenkassen

Darüber hinaus schaffe die im GDAG vorgesehene Weiterentwicklung der digitalen Terminvergabe, die eine Normierung der Anforderungen an digitale Terminbuchungsplattformen durch die KZBV vorsieht, einen erheblichen Mehraufwand für alle Beteiligten.

Pochhammer: „Die geplante Regelung lässt viele Punkte offen, etwa die Folgen für die freie Zahnarztwahl sowie Fragen des Datenschutzes und der Finanzierung. Sie bietet keinen erkennbaren Mehrwert für die Versorgung, sondern schafft nur zusätzliche Bürokratie für die Vertragszahnärzteschaft. Erst recht ist die Idee, Krankenkassen die Terminvermittlung zu überlassen, strikt abzulehnen. Der Aufbau von Parallel- und Doppelstrukturen ist weder wirtschaftlich, noch geeignet, begrenzte Behandlungskapazitäten besser auszuschöpfen. Die Terminvergabe ist grundlegende Aufgabe der Zahnarztpraxen.“

Die Stellungnahme der KZBV zum GDAG-Regierungsentwurf finden Sie auf der Website unter: KZBV – Gesundheits-Digitalagentur-Gesetz.

Füllungstherapie im Blick

Innerhalb der Zahnheilkunde stellt die Füllungstherapie ein echtes Schwergewicht dar. Schließlich macht sie bei vielen Praxen einen wesentlichen Teil des Arbeitsalltags aus und zählt damit zum sogenannten Brot- und Buttergeschäft der Zahnmedizin. In Zahlen: Die Einzelleistungsstatistik im Bereich konservierend-chirurgische Behandlung 2022 weist für die GKV eine Zahl von 44,9 Millionen Füllungen in Deutschland aus.

Neue Erkenntnisse sowie neue Regularien machen es für die Praxen dabei aktuell besonders attraktiv, sich mit bewährten und innovativen Materialien und Konzepten zu beschäftigen. Das sprichwörtliche Füllhorn an Möglichkeiten präsentiert vom 25. bis zum 29. März 2025 die Internationale Dental-Schau (IDS).

Zahnfarben, substanzschonend, haltbar

Bei der Füllungstherapie könnte es sich wohl um die älteste zahnmedizinische Disziplin überhaupt handeln. Immerhin konnten Forscher selbst bei aus dem Neolithikum stammenden Funden entsprechende Behandlungen dokumentieren. So berichtete etwa eine Publikation aus dem Jahr 2012 von einem 6.500 Jahre alten Unterkiefer aus Slowenien, in dem ein Eckzahn Spuren einer Füllung aus Bienenwachs aufwies. Auch heute noch kommen Wachse in Praxis und Labor zum Einsatz, etwa als kieferorthopädisches Wachs oder für Wax-ups. Als Füllungsmaterialien steht heute jedoch eine ganze Reihe anderer Werkstoffe bereit, die aufgrund ihrer verschiedenen Eigenschaften bei unterschiedlichen Indikationen überzeugen.

Großer Beliebtheit erfreuen sich die bei Patienten häufig als Kunststofffüllungen bekannten Komposite. Neben ihrer zahnfarbenen Anmutung bringen sie eine lange Haltbarkeit von rund zehn Jahren mit und ermöglichen darüber hinaus eine substanzschonende Arbeitsweise – ein Aspekt, der vielen Patienten wichtiger ist, als man womöglich zunächst denkt. Was ihren Indikationsbereich betrifft, so lieferte erst kürzlich eine vielbeachtete S3-Leitlinie mit dem Titel „Direkte Kompositrestaurationen an bleibenden Zähnen im Front- und Seitenzahnbereich“ aktualisierte Empfehlungen.

Starke Empfehlungen sprechen die Autoren sowohl für die Verwendung direkter Kompositmaterialien zur Restauration von Defekten der Klassen III und IV als auch für die Anwendung direkter Kompositmaterialien für Zahnformkorrekturen im Frontzahnbereich aus. Ebenfalls interessant: Ein starker Konsens besteht für die Empfehlung zur Politur von Kompositrestaurationen, um eine Oberflächenvergütung und eine Reduktion der Plaqueanlagerung zu erreichen. Wer sich also auf der Suche nach Optimierungspotenzial in der Füllungstherapie durch die Messehallen bewegt, für den kann es sinnvoll sein, den Blick auf Polierscheiben, -spitzen und -bürstchen auszuweiten.

Komposite selbst stehen der Praxis sowohl in Varianten für den Einsatz in der Mehrschicht-Technik als auch für die Bulkfill-Technik zur Verfügung. Auf der IDS lässt sich nicht nur die gesamte Palette entsprechender Materialien in Augenschein nehmen, daneben können die ebenfalls benötigten Adhäsiv- und Matrizensysteme sowie Polymerisationslampen verglichen und bewertet werden.

Füllungen ohne Adhäsiv

Ohne den Einsatz von Adhäsiven lassen sich Glasionomerzemente (GIZ) applizieren, sie haften auf chemische Weise direkt an der natürlichen Zahnsubstanz. Daraus ergibt sich ein vereinfachtes Handling, bei dem außerdem auf Materialschichtung verzichtet werden kann. Ein weiterer Vorteil: Glasionomerzemente geben Fluorid an ihre Umgebung ab und entfalten somit eine kariostatische Wirkung.

Da diese Vorteile allerdings auch mit einer geringeren Haltbarkeit einhergehen, stellen sie insbesondere für provisorische Versorgungen, beispielsweise in der Kinderzahnheilkunde, eine attraktive Option dar. Hinzu kommt der Einsatz bei kleinen bis mittelgroßen kautragenden Füllungen der Klassen I und II sowie im Zahnhalsbereich (Klasse V).

Technische Weiterentwicklungen in den vergangenen Jahren haben neben den klassischen Glasionomerzementen bereits hochvisköse und kunststoffmodizierte Varianten hervorgebracht. Ein weiter vereinfachtes Handling (Stopfbarkeit) oder verbesserte mechanische Eigenschaften zählen hier zu den wesentlichen Fortschritten. Einen vollständigen Überblick über die verschiedenen bewährten Materialvarianten hält die IDS bereit.

Vorteile aus beiden Welten

Wer sich die jeweiligen Stärken von Glasionomerzementen und Kompositen vergegenwärtigt, der kann leicht auf den Gedanken kommen: Warum nicht die Vorteile aus beiden Welten vereinen? Diesem Ansatz folgen gleich zwei Materialklassen: Kompomere und selbstadhäsive Komposit-Hybrid-Kunststoffe. Letztere haben trotz vielversprechender Eigenschaften aufgrund ihres Neuheitenstatus noch keinen flächendeckenden Einsatz in der Praxis erfahren. Kompomere hingegen sind in der Kinderzahnheilkunde bei Klasse-II-Füllungen im Seitenzahnbereich zum Standardmaterial avanciert – die nötige Kooperation der jungen Patienten vorausgesetzt.

Bereits am Namen lässt sich erkennen: Hier handelt es sich um ein Hybridmaterial an der Schnittstelle von Komposit und Glasionomerzement. Ebenso wie Komposite müssen auch Kompomere lichtgehärtet werden. Zusätzlich weisen sie jedoch eine chemische Selbsthärtung auf. Neben Milchzahnkavitäten sind Kompomere hauptsächlich für die Versorgung von Zahnhalsdefekten oder Klasse-III-Frontzahnkavitäten indiziert.

Fazit für die Praxis

Um die aktuellen Herausforderungen in der Füllungstherapie adäquat zu beantworten, stehen der zahnärztlichen Praxis eine Reihe verschiedener Materialien sowie dazugehörige Hilfsmittel rund um Polymerisation, Politur und Co. zur Verfügung. Ein umfassender Abgleich bewährter und neuer Werkstoffe lässt sich besonders gut auf der IDS 2025 vornehmen. Denn hier besteht die Möglichkeit, die gesamte Bandbreite an Anbietern und Produkten kennenzulernen und einzelne Optionen auf die Relevanz für die eigene Praxis hin zu prüfen.

Marius Urmann, Bad Homburg

Bürokratieaufwand in Praxen ist unzumutbar

Ärzte und Patienten in Deutschland leiden zunehmend an der Bürokratielast in Arztpraxen, so eine aktuelle Umfrage. Und 73 Prozent der Befragten empfinden den Bürokratieaufwand dort als zu hoch.

Ärzte und Patienten in Deutschland leiden immer mehr an der Bürokratielast in Arztpraxen, ergab eine aktuelle YouGov Umfrage im Auftrag des Health-Tech-Unternehmens Nelly. Und 73 Prozent der Befragten erachten demnach den Bürokratieaufwand als zu hoch. Gleichzeitig kritisieren 65 Prozent, dass die Politik nicht genug für die Digitalisierung im Gesundheitswesen unternimmt. Das Berliner Startup-Unternehmen Nelly und YouGov wollen mit ihrer Umfrage Einblicke in die Zufriedenheit der Deutschen mit der Digitalisierung in Arztpraxen geben. Die verwendeten Daten beruhen auf einer Online-Umfrage der YouGov Deutschland GmbH, an der 2.248 Personen zwischen dem 26. und 29.07.2024 teilnahmen. Die Ergebnisse wurden gewichtet und sind nach Angaben von Nelly repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren.

Auf die Frage: „Denken Sie, dass die Politik genug tut, um die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben?“ antworteten 45 Prozent mit „eher nicht“ und 19 Prozent mit „Nein, auf keinen Fall.“ Und auf die Frage: „Und wie empfinden Sie den Bürokratieaufwand in Arztpraxen?“ antworteten 43 Prozent mit „eher hoch“ und 30 Prozent mit „sehr hoch.“

Viele Ärzte würden zwar den Bedarf an digitalen Lösungen erkennen, die Umstellung gestalte sich in der Praxis aber schwieriger als erwartet, heißt es bei Nelly dazu weiter. Das habe ernste Konsequenzen: Termine würden seltener vergeben, Wartezeiten verlängerten sich und das Konfliktpotenzial zwischen Personal und Patienten steige.

Patienten bemerken fehlenden Einsatz der Politik

„Die Menschen verstehen die Herausforderungen der Ärzte. Trotzdem haben sie genug von langen Wartezeiten und Stress beim Arzt“, erklärt Niklas Radner, Mitbegründer und CEO von Nelly. Zusammen mit seinem Team um Dr. Tobias Heuer, Laurids Seibel, Lukas Eicher und Rasmus Schulz erkannte er, dass Praxen die Digitalisierung selbst in die Hand nehmen müssen. „Auf die Politik zu hoffen, bringt nicht die nötigen Fortschritte. Die digitale Transformation muss praktisch umsetzbar sein: ohne große Investitionen und ohne, dass der Praxisalltag umgestellt werden muss“, kommentiert Radner.

Aus der Umfrage geht außerdem hervor, dass auch Patienten zunehmend die Konsequenzen zu spüren bekommen. Ein Großteil der Befragten sieht demnach das Problem in der Politik, die nicht genug unternehme, um den digitalen Wandel voranzutreiben. Dabei wollten Praxen ihre Angestellten nicht mit neuer Technik überfordern, aber es sei gerade der Bürokratie- und Verwaltungsaufwand, der so viel Stress in ihren Arbeitsalltag bring – und sich letztlich auch auf die Patienten auswirke, heißt es.

Das Berliner Startup Nelly konzentriert sich auf die Digitalisierung administrativer Prozesse in Arztpraxen. Es zielt nach eigenen Angaben darauf ab, den Verwaltungsaufwand für Ärzte, medizinisches Personal und Patienten zu minimieren.