Massive Datenschutzmängel bei Gesundheits-Apps

Forschende der Universität Bremen haben erhebliche Defizite beim Datenschutz vieler mobiler Gesundheitsanwendungen (mHealth-Apps) aufgedeckt: Viele Apps übermitteln bereits personenbezogene Daten, bevor die Nutzer ihre Zustimmung gegeben haben.

Das Forschungsteam um Dr. Mehrdad Bahrini vom Digital Media Lab der Universität Bremen untersuchte 20 populäre mHealth-Apps, die in Deutschland erhältlich sind. Mittels technischer Analysen und einer detaillierten Auswertung der Datenschutzrichtlinien überprüften die Wissenschaftler, wie transparent die Apps mit sensiblen Nutzerdaten umgehen – und ob sie tatsächlich den geltenden Datenschutzanforderungen entsprechen.

Alle untersuchten Apps sendeten Informationen in Drittländer

Das Ergebnis fällt deutlich aus: Mehrere Apps übermittelten personenbezogene Daten, darunter Werbe-IDs, bereits vor der Einwilligung der Nutzerinnen und Nutzer. Alle untersuchten Anwendungen sendeten Informationen zudem in Drittländer, vor allem in die USA, teilweise aber auch nach Australien, China, Schweden und Singapur. Rund 40 Prozent der Apps nutzten zusätzlich Server in Irland.

Ein manipulierendes Design verführt zu schnellen Klicks

Darüber hinaus fand das Team in sämtlichen Apps mindestens ein sogenanntes „Dark Pattern“ – also ein manipulierendes Designelement, das Nutzerinnen und Nutzer zur voreiligen Zustimmung verleitet.

Auch sprachlich zeigte sich laut der Untersuchung Nachbesserungsbedarf: In 10 von 16 Apps mit deutscher Benutzeroberfläche waren die Datenschutzrichtlinien ausschließlich auf Englisch verfügbar, häufig ohne klare Angaben zu konkreten Datenempfängern.

„Rechtliche Konformität allein reicht nicht aus, wenn Nutzerinnen und Nutzer nicht nachvollziehen können, was mit ihren Daten geschieht“, sagt Bahrini. Gerade im Gesundheitsbereich sei Vertrauen entscheidend – Datenschutz müsse daher nicht nur rechtlich, sondern auch ethisch und nutzerorientiert gestaltet werden.

Die Autorinnen und Autoren fordern daher verbindliche Transparenzstandards für Datenschutzinformationen sowie Designrichtlinien zur Vermeidung manipulativer Einwilligungsdialoge. In künftigen Projekten plant das Bremer Team die Entwicklung automatisierter Analyseverfahren, die sowohl Entwicklerinnen und Entwickler als auch Aufsichtsbehörden bei der Bewertung von Gesundheits-Apps unterstützen sollen.

Die Studie „Transparency and Consent Challenges in mHealth Apps: An Interdisciplinary Study of Privacy Policies, Data Sharing, and Dark Patterns“ wurde auf dem European Symposium on Research in Computer Security (ESORICS 2025) vorgestellt – einer der weltweit führenden Konferenzen im Bereich Computersicherheit.

Angstpatienten: Wenn die Furcht Wurzeln schlägt

Jeder Dritte hat Angst vorm Zahnarzt. Und doch kann der Besuch nicht ewig vermieden werden – also einfach Zähne zusammenbeißen? Ein Spezialist teilt exklusiv seine Hacks mit uns.

Die Angst vor dem Zahnarzt ist ein weitverbreitetes Phänomen, das für viele Praxen zum täglichen Brot gehört. Eine Umfrage von Doctolib zeigt, dass knapp ein Drittel der Deutschen (29 Prozent) Angst vor einem Zahnarztbesuch hat, wobei fast jeder Zehnte den Gang in die Praxis gänzlich zu vermeiden versucht. Doch wie begegnet man diesen Patienten adäquat im eng getakteten Praxisalltag? Wie lässt sich das Vertrauen von Menschen gewinnen, die oft jahrelange Leidensgeschichten mitbringen?

Von Nervosität bis zur Phobie

Im Praxisalltag ist eine klare Differenzierung entscheidend. „Man muss natürlich ein bisschen unterscheiden zwischen einem Patienten, der einfach nur ein bisschen Angst vor der Spritze hat, und einem Patienten, der eine richtige Angststörung hat“. Während viele Patienten eine gewisse Anspannung verspüren und vielleicht „30 Sekunden mehr Zeit brauchen“, bevor eine Injektion gesetzt wird, sind Extrempatienten eine völlig andere Kategorie. Diese Patienten, die oft über zehn oder sogar zwanzig Jahre keine Praxis mehr von innen gesehen haben, leiden unter einer manifesten Phobie.

Ihre Angst äußert sich in körperlichen und psychischen Reaktionen: Sie weinen bereits vor dem Betreten der Praxis, benötigen oft eine Begleitperson und sind psychologisch stark belastet. Dr. Langenbach begegnet in seiner Praxis täglich ein bis zwei dieser Extremfälle – ein Beleg dafür, dass der Bedarf an spezialisierten Behandlungskonzepten hoch ist.

Die Wurzeln der Furcht

Die Gründe, warum Patienten eine derart ausgeprägte Angst entwickeln, sind vielfältig, doch fast immer lassen sie sich auf negative persönliche Erfahrungen zurückführen. Dr. Langenbach identifiziert zwei Hauptfaktoren: traumatische Erlebnisse in der Jugend und schmerzhafte Behandlungen im Erwachsenenalter. „Besonders die Generation der heute über 50- oder 60-Jährigen hat oft noch Behandlungen erlebt, bei denen Milchzähne ohne Betäubung gezogen wurden“. Diese prägenden Erfahrungen manifestieren sich als tief sitzende Furcht.

Der häufigste Auslöser ist jedoch die Angst vor Schmerzen während der Behandlung: „Die Hauptangst ist in den meisten Fällen die Angst, wir bohren los und es tut weh“, präzisiert Dr. Langenbach. Ein kurzer, unerwarteter Schmerzreiz, weil die Betäubung noch nicht vollständig wirkt, kann das Vertrauen eines Patienten nachhaltig erschüttern. Hier spielt der Umgang des behandelnden Zahnarztes eine entscheidende Rolle. Zeitdruck und administrative Belastungen im Praxisalltag führen oft zu Ungeduld, die eine adäquate, empathische Zuwendung verhindert.

Die Entstehung eines Teufelskreises

Wenn Patienten nach jahrelanger Abstinenz schließlich doch den Weg in die Praxis finden, ist es oft „kurz nach zwölf“, wie Dr. Langenbach es formuliert. Der Leidensdruck ist dann meist enorm. Die Betroffenen haben oft mehrere gescheiterte Versuche bei anderen Zahnärzten hinter sich, die sich „diesen Angstpatienten nicht unbedingt widmen wollten“. Die Konsequenz ist nicht selten eine umfassende Sanierungsbedürftigkeit. Der Wunsch, wieder selbstbewusst lachen und am sozialen Leben teilnehmen zu können, ist letztlich die treibende Kraft, die enorme Hürde zu überwinden.

Dr. Langenbachs Ansatz basiert auf drei Säulen: einem empathischen Erstkontakt, einer klaren Behandlungsstruktur und der gezielten Schaffung positiver Erfahrungen. Gerade bei Patienten, die jahrelang keine Behandlung in Anspruch genommen haben, handelt es sich oft um komplexe Sanierungsfälle. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer strukturierten, vorausschauenden Planung.  Wir bauen Ihr Haus von unten auf – und dafür muss ich zunächst die Statik verstehen.“ Da Unsicherheit Ängste verstärkt, setzt er auf ein transparentes Drei-Termine-Konzept, das den Patienten von Beginn an einen klaren Fahrplan bietet.

Erster Termin: Beratung und Planung

Der erste Termin ist entscheidend für den Aufbau einer Vertrauensbasis. Dr. Langenbach führt dieses Gespräch bewusst nicht auf dem Behandlungsstuhl, sondern in einer neutraleren Umgebung. „Ich nehme mir erstmal 10 Minuten Zeit, nur zu reden, reden, reden“, erklärt er. In dieser Phase geht es darum, dem Patienten das Gefühl zu geben, gehört und verstanden zu werden. Ein zentraler Punkt ist dabei, den Patienten ihre Geschichte erzählen zu lassen.

Dieser Termin dient ausschließlich der Diagnostik, dem Kennenlernen und der Erstellung eines umfassenden Behandlungs- und Kostenplans. Es finden keine invasiven Maßnahmen statt. Der Patient kann die Praxis mit einem klaren Verständnis der nächsten Schritte verlassen, ohne eine Behandlung über sich ergehen lassen zu müssen.

Zweiter Termin: Therapie

In diesem Termin findet die eigentliche Behandlung statt. Je nach Umfang kann dies eine einzelne Sitzung oder, bei größeren Sanierungen, ein umfassender Eingriff, oft unter Sedierung oder Narkose, sein.

Dritter Termin: Abschluss

Der Patient erhält seinen endgültigen Zahnersatz und die primäre Behandlung ist abgeschlossen. Das Ziel, wieder normal aussehen und kauen zu können, ist in einem absehbaren Zeitrahmen erreicht.

Es beginnt bewusst mit Behandlungen, die als wenig bedrohlich wahrgenommen werden. Eine erste positive Erfahrung, beispielsweise eine absolut schmerzfreie professionelle Zahnreinigung, kann das Fundament für weiteres Vertrauen legen. Das Ziel ist, dass der Patient die Praxis mit dem neu gewonnenen Selbstbewusstsein verlässt und der Erkenntnis: „Es gibt auch Zahnmedizin, die schmerzfrei funktioniert.“

Die Rolle des Teams

Die Praxismitarbeiter sollten persönlich im Umgang mit Angstpatienten geschult worden. Diese Schulung findet weniger in formalen Seminaren als vielmehr durch eine intensive Einarbeitung und das tägliche Vorleben der Praxisphilosophie statt. Ein einfaches, aber wirkungsvolles Protokoll ist beispielsweise, Angstpatienten niemals lange allein im Behandlungszimmer sitzen zu lassen. „Die Angst, die man dann noch aufbaut, wenn man den Patienten lange dasitzen lässt, startet die Spirale im Kopf“, so Dr. Langenbach. Ein abgestimmtes Team, das schnell reagiert und präsent ist, kann diese Angstspirale von vornherein unterbinden. Das beginnt bei den empathischen Empfangsmitarbeitern und setzt sich im gesamten Behandlungsteam fort.

Frühe Vorbereitung auf die „Extremfälle“

Das zahnmedizinische Studium vermittelt zwar die Grundlagen der Empathie, bereitet aber laut Dr. Langenbach nur unzureichend auf die Konfrontation mit extremen Angstpatienten und komplexen Sanierungsfällen vor. Er plädiert daher dafür, dass bereits in der Ausbildung ein stärkerer Fokus auf die systematische Gesamtplanung gelegt werden sollte. Das Durchspielen komplexer Fälle, das Erstellen von Behandlungsstrategien und das Abwägen von Prognosen sind Fähigkeiten, die einen guten Prothetiker und Behandler ausmachen.

Mindestens ebenso wichtig ist die Rolle des Mentorings in der Assistenzzeit. „Sich einen Chef zu suchen, der mit einem diese großen Fälle durchgeht, ist wertvoll. Da lernt man von erfahrenen Zahnärzten, die nicht alles direkt rausreißen, was vielleicht verloren scheint.“ Die Bereitschaft, sich auch als erfahrener Zahnarzt mit Kollegen auszutauschen, führt nach dem Vier- oder Sechs-Augen-Prinzip oft zu besseren und durchdachten Therapiekonzepten.

Die Behandlung von Angstpatienten ist eine der anspruchsvollsten, aber auch lohnendsten Aufgaben in der Zahnmedizin.  „Man muss immer schön lieb sein.“ Ein Satz, der banal klingt, aber in seiner Konsequenz den Kern professioneller Zahnmedizin trifft – gerade dann, wenn Angst und Vertrauen die eigentlichen „Baustellen“ sind.

 

Quelle:

Thiele: Mit Angst und Aggression professionell umgehen. Die junge Zahnmedizin, 2025. doi:

10.1007/s13279-024-1950-0

70 Prozent der Ärztinnen und Ärzte unter 40 macht Gewalterfahrungen

Eine aktuelle Umfrage der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern unter ihren Mitgliedern zeigt: Junge Ärztinnen und Ärzte werden besonders häufig von Patienten angegangen. Gerade in der Klinik kommt es oft zu heftigen Ausrastern.

Mehr als jedes zweite (57 Prozent) Mitglied berichtet von psychischer, knapp jedes fünfte (19 Prozent) von körperlicher Gewalt durch Patientinnen und Patienten. Im stationären Bereich haben 30 Prozent der Umfrageteilnehmer körperliche Übergriffe erlebt, 13 Prozent sogar ausgeprägte körperliche Gewalt wie Schlagen, Treten, Würgen, Beißen.

Junge Ärztinnen und Ärzte unter 40 Jahren sind besonders häufig betroffen. In dieser Altersgruppe berichten 70 Prozent von Gewalterfahrungen innerhalb des letzten Jahres, ein Drittel davon sowohl von körperlicher als auch psychischer Art. Auch sexualisierte Gewalt bleibt kein Randphänomen: 5 Prozent der Ärztinnen und Ärzte geben an, körperliche sexualisierte Gewalt erfahren zu haben.

Dasselbe gilt auch für Medizinische Fachangestellte und das Pflegepersonal. Zwei Drittel der Ärzte berichten, dass sie Gewalt beim Personal erlebt haben, vor allem psychische Gewalt (65 Prozent).

Viele Betroffene fühlen sich dabei alleingelassen

Über 40 Prozent der Befragten nehmen eine deutliche Zunahme von Aggression in den vergangenen fünf Jahren wahr. Häufig werden Frust (61 Prozent), psychische Probleme (56 Prozent) oder Suchtverhalten (50 Prozent) der Patientinnen und Patienten als Auslöser genannt. Viele Betroffene fühlen sich dabei alleingelassen: Ein Viertel hat mindestens schon ein Mal die Polizei oder Sicherheitsdienste alarmiert, viele Befragte berichten von eingestellten Strafverfahren oder mangelnder Unterstützung durch Arbeitgeber und Behörden. Allerdings berichten aber auch 81 Prozent, dass sie durch ein deeskalierendes Gespräch versucht haben, den Konflikt zu lösen.

„Diese Zahlen zeigen, dass Gewalt gegen medizinisches Personal kein Einzelfall und kein Randthema mehr ist“, betont Kammerpräsident Dr. Jens Placke. „Wenn Ärztinnen und Ärzte in ihrem Arbeitsalltag bedroht, beleidigt oder gar angegriffen werden, gefährdet das nicht nur ihre Sicherheit, sondern auch die Versorgung der Patientinnen und Patienten.“

Gewalt zu verhindern ist keine Aufgabe, die allein die Ärzteschaft lösen kann“, bekräft sein Vize Prof. Johannes Buchmann. „Es ist eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung – von Politik, Justiz, Gesundheitsinstitutionen und der gesamten Bevölkerung. Ärztinnen und Ärzte brauchen Rückhalt, Respekt und Sicherheit in ihrer täglichen Arbeit.

Parodontitis-Prävalenz geht nicht mehr zurück

Im März 2025 präsentierte das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) weitere Ergebnisse der sechsten Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS 6) [1]. Diese zeigen, dass Zahnlosigkeit ­immer seltener wird und Menschen auch im ­höheren Alter viele eigene Zähne im Mund haben [2]. Zugleich bleibt die Erkrankungshäufigkeit ­sowohl bei Karies als auch bei Parodontitis hoch [3, 4].

Prof. Dr. Peter Eickholz, Direktor der Poliklinik für Parodontologie am Carolinum (Goethe-Universität, Frankfurt am Main) war an der DMS 6 und ebenso an der Behandlungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) maßgeblich beteiligt. Im dzw-Interview erklärt er, warum die in der Mundgesundheitsstudie ermittelte Parodontitis-Prävalenz zu hoch ist – und nimmt Stellung zum tatsächlichen Behandlungsbedarf.

Nach den Ergebnissen der DMS 6 hat fast jeder Erwachsene Parodontitis. Sind diese sehr hohen Prävalenz-Werte realistisch?

Prof. Dr. Peter Eickholz: Damit die Zahlen der DMS 6 besser verständlich sind, muss ich etwas ausholen. Die für die Studie genutzte Par-odontitis-Klassifikation von 2018 basiert in erster Linie auf dem klinischen Attachmentniveau (CAL), also dem Abstand vom Taschenfundus zur Schmelz-Zement-Grenze [5]. Das Stadium eins entspricht einem Attachmentverlust von ein bis zwei Millimetern, bei Stadium zwei sind es drei bis vier Millimeter. Die Werte müssen inter­dental an zwei nicht benachbarten Zähnen festgestellt werden, also führt ein gemessener Attachmentverlust von je einem Millimeter an zwei Zähnen bereits zu einer Einstufung als Parodontitis.

Dieser Ansatz führt dazu, dass die Gesamthäufigkeit zu hoch eingeschätzt wird, mit 95,1 Prozent besonders bei den 35- bis 44-Jährigen. Zum anderen sind in dieser Zahl auch Fälle enthalten, bei denen es in der Vergangenheit zu Attachmentverlusten gekommen ist, bei denen aber keine parodontale Entzündung mit erhöhten Sondierungstiefen mehr vorliegt. Es besteht somit kein Therapiebedarf mehr [4, 6]. Dieser Wert sagt also nur etwas über einen bereits stattgefundenen Attachmentverlust aus, nicht über die Behandlungsbedürftigkeit.

Außerdem sind klinische parodontale Messungen mit einem Fehler von plus oder minus ein Millimeter behaftet, so dass in der Klassifikation wahrscheinlich auch parodontal Gesunde als erkrankt eingeordnet werden. Bei Patienten mit 28 Zähnen werden 112 interdentale Stellen gemessen. Es ist also leicht möglich, dass eine Person, die tatsächlich keine Parodontitis hat, als Stadium eins eingestuft wird.

Welche Rolle spielt das Alter?

Eickholz: Im Querschnitt der DMS 6 wurden einerseits jüngere Erwachsene zwischen 35 und 44 Jahren, andererseits jüngere Senioren im Alter von 65 bis 74 Jahren untersucht. In der älteren Probandenstichprobe sind die ermittelten Prozentsätze für die Stadien drei und vier mit 52,7 Prozent eher zu niedrig angesetzt. Grund ist, dass knapp 10 Prozent der Zähne in dieser Altersgruppe nicht klassifiziert werden konnten, zum Beispiel wegen Überkronung. Die für Attachment-Messungen benötigte Schmelz-Zementgrenze ist hier in der Regel nicht mehr bestimmbar, so dass nur Sondierungstiefen erhoben werden konnten.

Die epidemiologisch ermittelte Parodontitis-Häufigkeit wird außerdem durch die langfristig stark zurückgehende Zahnlosigkeit und die individuell höhere Zahl verbleibender Zähne beeinflusst. So hatten jüngere Senioren im Jahr 2005 durchschnittlich 14 Zähne, im Jahr 2023 waren es fast 20 [7]. Dieser Befund erklärt aber nur zum Teil, warum sich die über die letzten Jahrzehnte deutlich reduzierte Parodontitis-Prävalenz nicht weiter in die richtige Richtung entwickelt. So ist die Häufigkeit behandlungsbedürftiger schwerer Parodontitiden bei jüngeren Senioren nach einem Rückgang von 29,1 auf 21,7 Prozent zwischen 2005 (DMS 4) und 2014 (DMS 5) für das Jahr 2023 (DMS 6) wieder auf 30,4 Prozent gestiegen. Dies, obwohl die Zahl verbleibender Zähne gegenüber der vorangegangenen Studie nur noch geringfügig gestiegen ist [7].

Um die Werte aus den DMS-Studien vergleichen zu können, wurde für die zuletzt genannten Zahlen der Code vier des CPI (Community Periodontal Index) erhoben, auf dem der par-odontale Screening-Index (PSI) basiert [8]. Dieser misst keinen Attachmentverlust, sondern nur Sondierungstiefen. Trotz dieser Einschränkung müssen wir davon ausgehen, dass es nach wie vor einen sehr hohen Prozentsatz behandlungsbedürftiger schwerer Parodontalerkrankungen – zumeist Parodontitis – gibt. Obwohl es sich bei den Zahlen nur um Querschnittsdaten handelt und eine Entwicklung daraus nur bedingt abgeleitet werden kann, scheint sich die Prävalenz zudem aktuell nicht weiter in die gewünschte Richtung zu bewegen.

Wie könnte der Behandlungsbedarf aussehen, wenn aktuelle diagnostische und ätiologische Erkenntnisse berücksichtigt werden?

Eickholz: Wie sich aus der Antwort zur ersten Frage ergibt, haben viele jüngere Erwachsene, bei denen nach der aktuellen Klassifikation eine Parodontitis ermittelt wurde, wahrscheinlich „nur“ eine Gingivitis. Stadium-eins-Parodontitis entspricht einem Übergang von Gingivitis zu Parodontitis und – wie oben erläutert – klinisch nicht zuverlässig zu diagnostizieren [6, 9].

In der Praxis hat dies aber kaum Bedeutung, weil die Mehrheit der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen das Stadium anhand von Röntgenbildern beurteilen. Damit kommt als Kriterium der radiologische Knochenabbau hinzu. Ab einer Distanz zwischen Schmelz-Zement-Grenze und Knochen von drei Millimetern ist von Parodontitis auszugehen. Als weiteres Kriterium kommt eine Sondierungstiefe von mindestens vier Millimetern hinzu [10]. Bei diesem Vorgehen kann der genannte methodische Fehler nicht auftreten und die Werte für eine Behandlungsbedürftigkeit nach Richtline – immer noch 73 Prozent – sind klinisch relevant.

KI-Training mit Gingivitis 
plus Stadium eins

Auf der Europerio-11-Tagung war die Schwierigkeit, Stadium-eins-Parodontitis klinisch aufgrund des Attachment-Niveaus (CAL) zuverlässig festzustellen, ein viel diskutiertes Thema. So wird künstliche Intelligenz an der Unterscheidung von Gingivitis und Stadium-eins-Parodontitis gegenüber Stadium zwei, drei und vier trainiert und nicht an der Unterscheidung von Gingivitis zu Parodontitis Stadium eins bis vier. Daran lässt sich erkennen, dass diagnostische Schwellenwerte fortlaufend evaluiert und angepasst werden müssen. Beispiele sind zuletzt nach unten korrigierte Blutdruck- und nach oben korrigierte HbA1c-Werte.

Welche Konsequenzen haben diese Befunde für die Versorgung nach der deutschen Parodontitis-Richtlinie?

Eickholz: Für Deutschland lässt sich aus den vorhandenen Daten zusammenfassen, dass die weiter reduzierte Zahnlosigkeit ein klarer Präventionserfolg ist. Und dass die Menschen in den betrachteten Altersgruppen mehr Zähne haben. Folge ist, dass unter den Erwachsenen und jüngeren Senioren im Vergleich zur vorangegangenen DMS-Studie jetzt 14 statt ca. elf Millionen Patienten eine schwere behandlungsbedürftige 
Parodontalerkrankung aufweisen (Sondierungstiefen/ST ≥ 6 mm). Die im Juni 2021 in Kraft getretene Behandlungsrichtlinie hat diese Befunde übrigens nicht beeinflusst. Dafür ist die Zahl von ca. 1,4 Millionen abgerechneten Therapiefällen im Jahr 2022 und nur noch einer Million im Jahr 2024 – im Vergleich zu 14 Millionen schweren Erkrankungen – viel zu gering.

„Prävalenzwerte unter 
diesen Bedingungen nicht veränderbar“

Die Behandlungszahlen sind durch die Budgetierung sogar wieder unter das Niveau von vor Einführung der Richtlinie zurückgegangen. Unter diesen Bedingungen können die immer noch hohen Prävalenzwerte nicht nachhaltig verändert werden. Die DMS 6 ist übrigens ein Werk, das nicht alle medizinischen Fachgebiete auf diesem Niveau geliefert haben. Die Zahnmedizin macht in Deutschland der übrigen Medizin vor, wie Prävention geht. Es bleibt zu hoffen, dass das starke und positive Medienecho auf die Studie von der Gesundheitspolitik registriert wurde und zu richtigen Folgerungen im Interesse unserer Patienten führen wird.

Wie können wir die weltweit hohe Parodontitis-Prävalenz primär präventiv in den Griff
 bekommen? Welchen Handlungsbedarf sehen Sie?
Eickholz: Wir haben verglichen, wie sich die Querschnittsdaten der letzten drei Mundgesundheitsstudien verändert haben. Diese Trenddaten weisen darauf hin, dass sich ein höherer Bildungsgrad, ein geringerer Anteil von Rauchern bei den jüngeren Erwachsenen und die Verwendung von Hilfsmitteln zur Interdentalreinigung sowie elektrischen Zahnbürsten jeweils positiv auf den Zahnerhalt auswirken [7].

Das sind Beobachtungen für Deutschland. Die Zusammenhänge sind sehr wahrscheinlich nicht ohne weiteres auf andere Regionen vor allem außerhalb Europas übertragbar, wo zum Beispiel elektrisch betriebene Mundhygieneprodukte nicht zur Verfügung stehen. Anderenfalls wären Mundhygiene mit modernen Hilfsmitteln, Bildung und Maßnahmen gegen das Rauchen, in Bezug auf die allgemeine, aber auch auf die parodontale Gesundheit förderlich.

Dr. Jan H. Koch, Freising

Das Interview führte Dr. Jan H. Koch während der Europerio in Wien.

Literatur

[1] Jordan AR, Wiltfang J, Geurtsen W, et al. DMS * 6: All new ! Quintessence Int. 2025;56(11):S2-S3. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/40091716 .
[2] Wostmann B, Samietz S, Jordan AR, et al. Tooth loss and denture status: results of the 6th German Oral Health Study (DMS * 6) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/40091723 . Quintessence Int. 2025;56(11):S60-S8. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/40091723
[3] Jordan A, Meyer-Lückel H, Kuhr K, et al. Karieserfahrung und Versorgung in Deutschland: Ergebnisse der 6. Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS • 6). DZZ 2025;80(2):90-100.
[4] Eickholz P, Holtfreter B, Kuhr K, et al. Prävalenz von Parodontalerkrankungen in Deutschland: Ergebnisse der 6. Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS • 6). DZZ. 2025;80(2):102-10.
[5] Papapanou PN, Sanz M, Buduneli N, et al. Periodontitis: Consensus report of workgroup 2 of the 2017 World Workshop on the Classification of Periodontal and Peri-Implant Diseases and Conditions. J Periodontol. 2018;89 Suppl 1:S173-S82. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29926951
[6] Eickholz P, Holtfreter B, Kuhr K, et al. Prevalence of the periodontal status in Germany: results of the 6th German Oral Health Study (DMS * 6). Quintessence Int. 2025;56(11):S40-S7. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/40091721
[7] Kocher T, Eickholz P, Kuhr K, et al. Trends in periodontal status: results from the German Oral Health studies from 2005 to 2023. Quintessence Int. 2025;56(11):S48-S58. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/40091722
[8] Ainamo J, Barmes D, Beagrie G, et al. Development of the World Health Organization (WHO) community periodontal index of treatment needs (CPITN). Int Dent J. 1982;32(3):281-91. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/6958657
[9] Jordan AR. Die neue Klassifikation bei Parodontalerkrankungen. DMS 6 im Detail, Teil 2: Parodontitis. zahnärztliche mitteilungen. 2025;115(9):766-8. https://www.zm-online.de/artikel/2025/zm-2025-09/die-neue-klassifikation-bei-parodontalerkrankungen

[10] Gemeinsamer Bundesausschuss GBA. Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zur systematischen Behandlung von Parodontitis und anderer Parodontalerkrankungen (PAR-Richtlinie). in der Fassung vom 17. Dezember 2020 veröffentlicht im Bundesanzeiger am 21. Juni 2021 (BAnz AT 21.06.2021 B2) in Kraft getreten am 1. Juli 2021 https://www.g-ba.de/richtlinien/124/ . 2021.

US-Bericht zum Einsatz von KI im Gesundheitswesen

Wie wird KI unsere Versorgung verändern?

Unklare Rechtslage, unvorhersehbare Folgen für die Versorgung und eine fehlende Evaluation: Experten zufolge wird Künstliche Intelligenz (KI) das Gesundheitswesen trotzdem revolutionieren. Fragt sich nur in welche Richtung …

Beim „JAMA Summit on AI“, einem Gipfeltreffen zum Thema Künstliche Intelligenz, das letztes Jahr vom „Journal of the American Medical Association“ in Chicago ausgerichtet wurde, kamen zahlreiche Experten zusammen, darunter Kliniker, Vertreter von Technologieunternehmen, Aufsichtsbehörden, Versicherer, Ethiker, Anwälte und Ökonomen. Sie alle diskutierten darüber, wie KI im Gesundheitswesen entwickelt, bewertet, reguliert, verbreitet und überwacht werden sollte.

In dem jüngst veröffentlichten Bericht heißt es: „Viele KI-Tools sind bereits weit verbreitet, insbesondere in der medizinischen Bildgebung, mobilen Gesundheit, in Geschäftsabläufen im Gesundheitswesen und als Hybridfunktionen, etwa zum Aufzeichnen ambulanter Besuche.“

Alle diese Tools könnten gute oder schlechte Auswirkungen auf die Gesundheit haben, doch würden diese Folgen werden häufig nicht quantifiziert: Bewertungen seien extrem schwierig oder nicht erforderlich, was teilweise darauf zurückzuführen sei, dass viele dieser Tools nicht der behördlichen Aufsicht der US-amerikanischen Food and Drug Administration unterliegen.“

„Für Kliniker bedeutet Wirksamkeit in der Regel bessere Gesundheitsergebnisse, aber es gibt keine Garantie dafür, dass die Aufsichtsbehörde einen entsprechenden Nachweis verlangt“, kritisiert Erstautor Prof. Derek Angus von der Universität Pittsburgh in Pennsylvania. Eine große Herausforderung bei der Bewertung von KI-Tools bestehe zudem darin, dass die Auswirkungen eines Tools stark von der Mensch-Computer-Schnittstelle, der Benutzerschulung und der Umgebung, in der das Tool verwendet wird, abhängen.

„Sobald KI-Tools verfügbar sind, können sie auf unzählige unvorhersehbare Weise in unterschiedlichen klinischen Umgebungen, bei unterschiedlichen Patienten und von Nutzern mit unterschiedlichen Qualifikationsniveaus eingesetzt werden. Es gibt kaum eine Garantie dafür, dass das, was in der Vorabzulassung als gute Idee erscheint, in der Praxis auch tatsächlich umgesetzt wird.“

KI – ein weit gefasster Begriff

Jahrzehntelang bestand KI aus regelbasierten Wissensrepräsentationen (Software, die logische Anweisungen wie „Wenn X, dann Y“ kodiert) und Vorhersagemodellen (künstliche neuronale Netze), die ähnliche Ergebnisse lieferten wie herkömmliche Computersoftware und statistische Modelle.

Mit der zunehmenden Rechenleistung und der Verfügbarkeit größerer, komplexerer Datensätze in den letzten zwei Jahrzehnten hat sich KI jedoch rasant weiterentwickelt. Die folgenden drei Fortschritte helfen, KI von früheren digitalen Technologien abzugrenzen:

  • Deep Learning: Entwicklung tieferer, komplexerer neuronaler Netzwerke, die in der Lage sind, große, komplexe Datensätze zu interpretieren, um spezifische, aber komplizierte Aufgaben zu bewältigen (z. B. Computer Vision).
  • Generative KI: eine Erweiterung des Deep Learning unter Verwendung sogenannter großer Sprach- und Basismodelle, die in der Lage sind, neue Inhalte zu generieren, um weitaus umfassendere Aufgabenanforderungen zu erfüllen (z. B. ChatGPT oder Gemini).
  • Agentische KI: eine Erweiterung des Deep Learning und der generativen KI, die zu autonomer Entscheidungsfindung fähig ist (z. B. die Tesla-Autopilot-Software für autonomes Fahren).

Angus DC, Khera R, Lieu T, et al. AI, Health, and Health Care Today and Tomorrow: The JAMA Summit Report on Artificial Intelligence. JAMA. Published online October 13, 2025. doi:10.1001/jama.2025.18490

Der Bericht zeigt außerdem, dass viele der aktuellen Bewertungsansätze teuer und umständlich sind. Wichtig sei daher, Mittel bereitzustellen, um die Leistungsfähigkeit von KI-Tools im Gesundheitswesen angemessen bewerten zu können, betont Angus.

Investitionen in die digitale Infrastruktur seien dabei ein Schlüsselbereich. Während des Gipfels wurde auch darauf hingewiesen, dass die am besten bewerteten Tools am wenigsten genutzt werden, und die am häufigsten genutzten Tools am wenigsten evaluiert.

Wer haftet bei einer KI-Falschaussage?

Untersucht wurden auch die damit verbundenen rechtlichen Bedenken. Mitautor Prof. Glenn Cohen von der Harvard Law School in Cambridge, Massachusetts, betont, dass Patienten möglicherweise Probleme damit haben werden, Fehler bei der Nutzung oder beim Design eines KI-Produkts nachzuweisen. Wie soll nachgewiesen werden, dass ein schlechtes Ergebnis durch das KI-System selbst verursacht wurde?

„Das Zusammenspiel der Parteien kann auch Herausforderungen für die Einreichung einer Klage mit sich bringen. Sie können sich gegenseitig die Schuld zuweisen. Möglicherweise haben sie auch eine bestehende Vereinbarung, die die Haftung vertraglich neu verteilt, oder sie reichen Schadensersatzklagen ein“, warnt Cohen.

Mitautorin Prof. Michelle Mello von der Stanford Law School in Kalifornien ist überzeugt, die Gerichte seien gut gerüstet, um Rechtsfragen zu lösen. „Das Problem ist, dass es Zeit braucht und in der Anfangsphase zu Inkonsistenzen kommt. Diese Unsicherheit erhöht die Kosten für alle Beteiligten im Feld KI-Innovation und -Einführung.“

KI wird das Gesundheitssystem trotzdem revolutionieren

Dennoch sehen die Experten „enorme Potenziale“. KI werde in den kommenden Jahren „jeden Bereich des Gesundheitswesens und der Gesundheitsversorgung revolutionieren“, heißt es im Bericht. Vier Beispiele werden konkret genannt:

  • In den Biowissenschaften eingesetzte KI-Tools könnten die biomedizinische Forschung verbessern: etwa in der Arzneimittelforschung, bei der Durchführung randomisierter Studien oder zur Abfrage von Gesundheitsdaten.
  • KI-Tools, die im sozialen Bereich eingesetzt werden, könnten die Gesundheit in der Folgezeit verändern: etwa bei der Bezahlbarkeit von Wohnraum oder der Ernährungssicherheit.

  • Algorithmen, die auf Social-Media-Plattformen eingesetzt werden, könnten die psychische Gesundheit beeinträchtigen, Informationen (oder Desinformationen) über Gesundheit verbreiten und beispielsweise die Einstellung zu Impfungen beeinflussen.

  • Die Verwendung allgemeiner Effizienz-Hacks durch Biomediziner und Angehörige der Gesundheitsberufe, wie etwa die Verwendung von ChatGPT zum Verfassen biomedizinischer Berichte oder Gemini für Internetsuchen, könnte Auswirkungen darauf haben, wie medizinische Informationen zusammengefasst, verteilt und verwendet werden.

KI-Tools müssen reguliert, bewertet und überwacht werden

„Angesichts der vielen langjährigen Probleme im Gesundheitswesen stellt diese Revolution eine enorme Chance dar“, heißt es abschließend in dem Bericht. „Die Chancen, dass diese Revolution die Gesundheit aller Menschen verbessert, hängen jedoch stark von der Schaffung eines Ökosystems ab, das schnell, effizient, robust und verallgemeinerbar Erkenntnisse über die Auswirkungen dieser Tools auf die Gesundheit gewinnen kann.“

Angus DC, Khera R, Lieu T, et al. AI, Health, and Health Care Today and Tomorrow: The JAMA Summit Report on Artificial Intelligence. JAMA. Published online October 13, 2025. doi:10.1001/jama.2025.18490

eHBA und SMC-B

Medisign glaubt an rechtzeitigen Kartentausch

Produktionsprobleme beim Kartenhersteller Medisign sorgen zurzeit für Verunsicherung in der Vertragsärzteschaft. Das Unternehmen indes versucht zu beruhigen. Man rechne damit, den erforderlichen Austausch von elektronischen Heilberufs- und Praxisausweisen planmäßig bis Jahresende abzuschließen. Aber nicht alle sind so optimistisch.

Eine umfassende Systemumstellung bei Medsign hatte in den vergangenen Wochen dazu geführt, dass zeitweise keine Karten mehr produziert werden konnten. Auch das Antragsportal war zwischendurch nicht erreichbar gewesen. Infolgedessen müssen sich Ärztinnen und Ärzte sowie andere Heilberufler nun in Geduld üben: Wer in letzter Zeit bei Medisign einen neuen elektronischen Heilberufsausweise (eHBA) oder Praxis- oder Institutsausweis (SMC-B) beantragt hat, könnte nun etwas länger darauf warten.

Aktuell sei leider noch ein kleiner Teil der Kunden betroffen, die vor der Systemumstellung ihre Anträge gestellt hätten, teilt eine Sprecherin von Medisign auf änd-Anfrage mit. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, diese Anträge zeitnah bearbeiten zu können und verschiedene Prozesse und Funktionalitäten im Rahmen der Erst- und Folgekartenbeantragung zu optimieren.“

Sondertausch ist vor einigen Tagen gestartet

Für ältere eHBA der Generation 2.0 (RSA-Only) hat Medisign vor einigen Tagen einen sogenannten Sondertausch gestartet. „Den rund 65.000 betroffenen Kunden und Kundinnen bieten wir hierfür ein vereinfachtes, mit der gematik abgestimmtes Verfahren an, bei dem lediglich die Karte selbst getauscht wird – ohne erneute Identifizierung“, heißt es. Im Rahmen dieses Verfahrens würden pro Tag etwa 4.000 Kundinnen und Kunden per E-Mail benachrichtigt. Fast die Hälfte der bislang angeschriebenen Ärzte, Apotheker und Zahnärzte habe den Tauschprozess sofort in die Wege geleitet. „Nach den ersten Tagen lagen uns bereits mehr als 7.000 Aufträge vor. Diese Karten werden jetzt abproduziert und versendet“, erklärte die Sprecherin. Weiter teilte sie mit, dass bis zum Jahresende circa 72.000 Ausweise ausgetauscht werden müssen, der Großteil davon seien eHBA.

Zur Erinnerung: Der Austausch von eHBA und SMB-C der Generation 2.0 ist deshalb erforderlich, weil deren Zertifikate ablaufen. Ab 1. Januar 2026 wird ein neues Verschlüsselungsverfahren mit der Bezeichnung ECC 256 (altes Verfahren: RSA 2048) gelten. Die alten Karten werden dann nicht mehr für Anwendungen der Telematikinfrastruktur wie elektronisches Rezept oder elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung funktionieren.

Medisign zeigt sich – trotz der zwischenzeitlichen Produktionsprobleme – nun zuversichtlich, den Kartentausch bis Jahresende sicherzustellen. Hierfür sei „eine neue, deutlich leistungsstärkere Produktionsstraße in Betrieb genommen“ worden, heißt es aus der Pressestelle. Mit dieser könnten „täglich hohe Stückzahlen an Karten produziert werden“.

Bis zu 2.640 eHBA können laut Medisign pro Tag produziert werden

Das Unternehmen rechnet nach eigenen Angaben damit, ab kommender Woche Montag durchschnittlich rund 8.600 Tauschkarten pro Woche abzurufen, was einer Produktion von etwa 1.430 eHBA pro Tag (bei einer Sechs-Tage-Woche) entspreche. Die Produktionskapazität von Medisign liege aber deutlich höher, und zwar bei bis zu 2.640 eHBA pro Tag, heißt es.

Bei der Gematik geht man hingegen offenbar nicht davon aus, dass Medisign den Kartentausch noch pünktlich hinbekommt. Die Betreibergesellschaft hat jetzt nämlich ein verwaltungsrechtliches Anhörungsverfahren eingeleitet und prüft „entsprechende Maßnahmen“ gegen den Hersteller. Sollte sich bestätigen, dass Medisign oder andere Anbieter die zugesagten Liefermengen nicht einhalten, drohen Konsequenzen. „Wir behalten uns vor, gegenüber Anbietern zu handeln, wenn Fristen oder Zusagen nicht eingehalten werden“, heißt es von der Gematik. Man überwache die Fortschritte der Industriepartner „engmaschig“, um die Funktionsfähigkeit der TI sicherzustellen.

Große Zweifel über pünktliche Lieferung bei den KVen

Auch bei den Kassenärztliche Vereinigungen (Kven) herrscht große Skepsis darüber, dass Medisign pünktlich liefern kann. Einige raten ihren Mitgliedern dazu, sich an andere Anbieter zu wenden. So schreibt zum Beispiel die KV Rheinland-Pfalz (KV RLP) auf ihrer Internetseite (ohne den Hersteller Medisign konkret zu benennen): „Zum jetzigen Zeitpunkt kann nicht ausgeschlossen werden, dass alle Karten, die vom Zertifikatsablauf am 31. Dezember 2025 betroffen sind, rechtzeitig von diesem Anbieter ausgetauscht werden können.“ Für Praxen hätte dies „schwerwiegende Folgen“, betont die KV RLP weiter. Sie wären dann ab dem 1. Januar 2026 von der Telematikinfrastruktur abgeschnitten. Außerdem müssten Anwendungen wie das E-Rezept und die eAU über papiergebundene Ersatzverfahren abgewickelt werden.

Die KV RLP empfiehlt daher Folgendes: Ärztinnen und Ärzte, die sich gerade niedergelassen hätten und zeitnah einen eHBA und einen SMC-B benötigten, sollten beide Karten bei einem Anbieter bestellen, der verbindliche Liefertermine nennen könne. Und wer noch einen eHBA oder SMC-B habe, deren Zertifikate bis Jahresende abliefen, solle mit ausreichend Vorlauf die Folgekarte bestellen, um den „unterbrechungsfreien Betrieb“ der Praxis sicherzustellen.

Ähnlich äußert sich auch die KV Nordrhein in einem Informationsschreiben an ihre Mitglieder (änd berichtete): Kartenanträge sollten möglichst frühzeitig „an einen lieferfähigen Hersteller“ gerichtet werden, „um rechtzeitig ein neues Praxiszertifikat zu erhalten“.

Über den Sondertausch des eHBA informiert Medisign auf einer eigenen Internetseite unter www.medisign.de/sondertausch.

Paradontitis als neuer Risikofaktor identifiziert

Hat die Mundflora einen direkten Einfluss auf die Entstehung von Bauchspeicheldrüsenkrebs? Diese Frage beschäftigt Forschende aus den USA, die über mehrere Jahre Probanden und deren orale Bakterien und Pilze beobachteten. Heraus kam, dass manche Bakterien mit einem signifikant erhöhten Risiko für das Pankreaskarzinom einhergehen.

Im Jahr 2022 erkrankten in Deutschland etwa 18.700 Menschen an einem Bauchspeichelsdrüsenkrebs. Gesicherte Risikofaktoren sind Rauchen, starkes Übergewicht und Diabetes mellitus Typ 2, ebenso ein hoher Alkoholkonsum und stattgehabte Pankreatitiden

Bauchspeicheldrüsenkrebs gilt als eine der tödlichsten Krebserkrankungen: Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei nur 13 Prozent. Bekannte Risikofaktoren wie Rauchen, Adipositas, Pankreatitis oder genetische Prädisposition erklären jedoch weniger als ein Drittel aller Fälle. Forschende vermuten, dass orale Mikroorganismen das Risiko für Pankreaskarzinome beeinflussen. Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass eine schlechte Mundgesundheit und insbesondere Parodontitis das Erkrankungsrisiko erhöhen. Bislang fehlt es jedoch an systematischen Untersuchungen zur Rolle von oraler Mundflora und Krebsrisiko.

Mundspüllösung und Daten gesammelt

Um diese Zusammenhänge genauer zu beleuchten, führten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine prospektive Studie in zwei großen US-Kohorten mit rund 155.000 Teilnehmenden durch. In beiden Kohorten wurden zwischen 2000 und 2003 Mundspüllösungen als Biomaterial genommen. Daten zu Krebserkrankungen wurden über Krankenakten, Krebsregister und Sterbeurkunden gesammelt. Patientinnen und Patienten mit neu aufgetretenem Pankreaskarzinom, wie vor der Diagnose eine Probe abgegeben hatten, wurden in die Studie eingeschlossen. Die Forschenden analysierten die Bakterien durch whole-genome Shotgun-Sequenzierung und die Pilze durch ITS-Sequenzierung, um das orale Mikrobiom präzise zu charakterisieren.

Ziel der Studie, die in JAMA Oncologypubliziert wurde, war es, das Risiko für Bauchspeicheldrüsenkrebs in Abhängigkeit von einzelnen Mikrobenarten zu bestimmen einen mikrobiellen Risikoscore zu etablieren.

Erhöhtes Risiko durch Paradontitis-Keime

Die Studie ergab, dass bestimmte orale Bakterien und Pilze signifikant mit einem erhöhten Risiko für Pankreaskarzinome verbunden waren. Die Analysen identifizierten drei periodontale Bakterien (Porphyromonas gingivalis, Eubacterium nodatum und Parvimonas micra), die das Risiko für Bauchspeicheldrüsenkrebs signifikant erhöhten. In präklinischen Modellen wanderten sie direkt in das Pankreas und beschleunigten dort die Tumorentstehung. Die Forschenden vermuten, dass dies über eine Veränderung des Mikrobioms in der Bauchspeicheldrüse geschehe, was schließlich über Toxine, Metabolite und Immunreaktionen karzinogene Prozesse antreiben könnte.

Darüber hinaus fanden die Forschenden insgesamt 13 weitere Bakterienarten, die mit einem höheren Risiko assoziiert waren, während acht Bakterienarten das Risiko senkten. Aufseiten der Pilze war vor allem die Gattung Candida mit einer erhöhten Krebswahrscheinlichkeit verknüpft.

Zusammengenommen ergab sich aus 27 Keimen ein Mikrobieller Risikoscore (MRS): Jede Standardabweichung beim Anstieg im MRS war mit einem mehr als dreifach erhöhten Risiko für die Entwicklung eines Pankreaskarzinoms verbunden (Odds Ratio 3,44; 95%-KI: 2,63–4,51).

Mundgesundheit ist Krebsprävention

Mit der Studie rücke die Mundgesundheit stärker in den Fokus der Krebsprävention. Sie liefere Evidenz, dass die orale Mikrobiota ein relevanter Risikofaktor für Bauchspeicheldrüsenkrebs sei, erklären die Forschenden abschließend. Insbesondere die Kombination von Bakterien- und Pilzdaten in einem Mikrobiellen Risikoscore eröffne die Möglichkeit, nichtinvasive Biomarker für die Identifikation von Hochrisikopatientinnen und -patienten zu entwickeln.

Langfristig könnten gezielte orale Gesundheitsinterventionen, mikrobiombasierte Tests und personalisierte Präventionsstrategien dazu beitragen, die Belastung durch Pankreaskarzinome zu verringern.

 

Originalpublikation:
Meng Y, Wu F, Kwak S, et al. Oral Bacterial and Fungal Microbiome and Subsequent Risk for Pancreatic Cancer. JAMA Oncol. Published online September 18, 2025.
doi:10.1001/jamaoncol.2025.3377

Neues Lehrgebäude der Zahnklinik Bonn: Die digitale Zukunft der Zahnmedizin beginnt im Studium

Die Zahnklinik der Uni Bonn hat ein neues, innovatives Lehrgebäude eröffnet – unter anderem mit digitalen Chairside-Systeme, die bereits in der vorklinischen Ausbildung einen komplett digitalen Workflow ermöglichen.

Mit einer feierlichen Zeremonie ist das neue Lehrgebäude der Zahnklinik am Universitätsklinikum Bonn (UKB) offiziell eröffnet worden. Zahlreiche Gäste aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft kamen in der Welschnonnenstraße 17 zusammen, um diesen wichtigen Schritt für die zahnmedizinische Ausbildung an der Universität Bonn zu feiern. Der hochmoderne Neubau, gefördert durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft, setzt neue Maßstäbe für die Lehre in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde.

Mit dem neuen Lehrgebäude der Zahnmedizin setzt die Universität Bonn neue Maßstäbe in der zahnärztlichen Ausbildung. Die praktische Lehre erfolgt an hochmodernen, praxisidentischen Behandlungseinheiten, wie sie auch in der niedergelassenen Praxis zum Einsatz kommen. Jede Einheit ist mit realistischen Bedienelementen (Winkelstück, Turbine, Luft-Wasser-Spritze, optional Ultraschall und Polymerisationslampe), Behandlungsleuchte und Absaugung ausgestattet. Die Behandlung erfolgt am Phantomkopf, wodurch ein realistisches, aber sicheres Trainingsumfeld geschaffen wird – ideal zur Vorbereitung auf die spätere Patientenbehandlung. Integrierte digitale Röntgensysteme ermöglichen zudem den unmittelbaren Zugriff auf Bilddaten direkt am Behandlungsstuhl. So lassen sich die Arbeitsabläufe der zahnärztlichen Praxis bereits während des Studiums realitätsnah abbilden, informiert die Universität.

Vollständiger digitaler Workflow

Ein zentrales Element der neuen Infrastruktur ist die Einführung digitaler Chairside-Systeme in die vorklinische Ausbildung. Studierende durchlaufen den vollständigen digitalen Workflow: vom Intraoralscan über das Design bis hin zur CAD/CAM-Fertigung von Restaurationen. Damit können – ergänzend zu konventionellen Verfahren wie dem veralteten Metallguss – vollanatomische Inlays, Teilkronen oder Brücken aus modernen Werkstoffen hergestellt werden.

Zur Qualitätssicherung steht den Studierenden eine Präparationsvergleichssoftware (zum Beispiel PrepCheck, Compare) zur Verfügung. Diese ermöglicht einen unmittelbaren Abgleich der eigenen Präparation mit der Masterpräparation der Kursleitung. Das System unterstützt ein selbstständiges, reflektiertes Lernen und ermöglicht grade in frühen Ausbildungsphasen eine objektive Selbsteinschätzung.

Ein innovativer Baustein der Ausbildung ist der Einsatz des Simulationssystems „Dente“ (SIMtoCARE), mit dem Behandlungsabläufe virtuell trainiert werden können. Das System bietet haptisches Feedback, das dem Widerstand unterschiedlicher Gewebestrukturen (zum Beispiel Schmelz und Dentin) nachempfunden ist. Derzeit liegt der Schwerpunkt auf der Schulung der Hand-Augen-Koordination sowie auf zahnerhaltenden (zum Beispiel Trepanation, Kariesexkavation) und prothetischen Maßnahmen. Präparationen lassen sich beliebig oft wiederholen, ein Echtzeitvergleich mit einer Referenzpräparation ist ohne vorherigen Intraoralscan möglich – besonders hilfreich für Anfängerinnen und Anfänger, die intensives Feedback benötigen.

Live-Übertragung inklusive Webstream

Eine hochgradig integrierte Medientechnik erweitert die Möglichkeiten der Lehre erheblich. Demonstrationen – ob phantom-, patienten- oder technikbezogen – können live in alle Praktikums- und Seminarräume sowie über Webstream auch extern übertragen werden. In den vier Simulationsetagen sorgen insgesamt fünf 83-Zoll-Bildschirme pro Praktikumsraum für optimale Sichtbarkeit. Neben Präsentationen und Videoinhalten stehen vor allem Live-Demonstrationen im Fokus, die direkt mit den Studierenden besprochen und analysiert werden können – ein wesentlicher Schritt hin zu einer modernen, vernetzten und dialogorientierten Lehre.

Prof. Dr. Bernd Weber, Dekan der Medizinischen Fakultät und kommissarischer Vorstandsvorsitzender des UKB, sagt: „Mit dem neuen Lehrgebäude schaffen wir eine Infrastruktur, die Lehre und Forschung auf herausragende Weise miteinander verbindet. Es ist ein starkes Signal für die Zukunftsfähigkeit der zahnmedizinischen Ausbildung am Standort Bonn. Wir sind stolz darauf, mit diesem Lehrgebäude einen neuen Standard für die zahnmedizinische Ausbildung zu setzen – nicht nur in Bonn, sondern bundesweit und international.“

Ein besonderer Fokus des Neubaus liegt auf der Verbindung zwischen Geschichte und Zukunft: Während der Bauarbeiten wurde eine historische Bastionsmauer entdeckt, die nun dauerhaft dokumentiert und in das Lehrgebäudekonzept eingebettet ist. Für Prof. Helmut Stark, Geschäftsführender Direktor des Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde des UKB, ein Symbol für die Verwurzelung in der Stadt Bonn: „Wir verbinden hier Tradition mit Innovation – ein Fundament, das unsere Studierenden täglich inspiriert.“

Neben barrierefreien Zugänge, begrünten Fassaden und zahlreiche Kommunikationszonen im Innen- und Außenbereich bietet der Neubau mehr als 150 Fahrradstellplätze und ein Studierendencafé.

Mehrheit der Bürger plädiert für Zuckersteuer

Die meisten Menschen in Deutschland befürworten eine Abgabe auf stark zuckerhaltige Getränke sowie strengere Werbebeschränkungen für Produkte mit viel Fett, Zucker und Salz zum Schutz von Kindern. Das ergab eine repräsentative Befragung im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands.

Für die repräsentative Erhebung befragte das Institut für Handelsforschung (IFH) Köln im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands 1.001 Menschen ab 16 Jahren zu ihren ernährungspolitischen Einstellungen und Verhaltensweisen. Dabei zeigte sich, dass den meisten eine gesunde Ernährung wichtig ist. Fast alle (91 Prozent) achten demnach zu Hause auf eine gesunde Ernährung, 65 Prozent auch außer Haus.

Wegen hoher Preise schränken sich viele ein

Doch im Alltag wird vielen Befragten eine gesunde Ernährung immer wieder erschwert – beispielsweise durch hohe Lebensmittelpreise. So gab die Hälfte der Befragten (50 Prozent) an, dass ihnen gesunde Lebensmittel wie frisches Obst und Gemüse oftmals zu teuer sind. Mehr als vier von zehn (44 Prozent) berichteten, dass sie sich aufgrund gestiegener Lebensmittelpreise beim Kauf gesunder Lebensmittel oft einschränken müssten.

Das gilt der Umfrage zufolge vor allem für Haushalte mit niedrigem Einkommen: So gaben gut zwei Drittel (68 Prozent) der Befragten mit einem Haushaltsnettoeinkommen unter 2.000 Euro an, dass sie sich beim Kauf gesunder Lebensmittel aufgrund gestiegener Lebensmittelpreise oft zurückhalten müssen.

Abschaffung der Mehrwertsteuer auf gesunde Lebensmittel findet viel Zustimmung

Ein weiteres Ergebnis der Studie: Die Mehrheit der Befragten befürwortet staatliche Maßnahmen zur Förderung gesunder Ernährung. Demnach plädiert die deutliche Mehrheit (79 Prozent) für eine Abgabe auf stark zuckerhaltige Getränke, um Hersteller gegebenenfalls zu motivieren, den Zuckergehalt zu reduzieren. 89 Prozent sprechen sich für strengere Werbebeschränkungen für Produkte mit viel Fett, Zucker und Salz zum Schutz von Kindern aus. Und 91 Prozent halten es für sehr oder eher sinnvoll, die Mehrwertsteuer auf gesunde Lebensmittel wie Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte abzuschaffen.

„Die Ergebnisse zeigen: Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen sich eine aktive Rolle des Staates, wenn es um gesunde Ernährung geht“, sagt Michaela Schröder, Geschäftsbereichsleiterin Verbraucherpolitik im Verbraucherzentrale Bundesverband. „Dies schließt steuerliche Maßnahmen und den Schutz der Kinder vor Werbung für Süßes und Fast Food ein.“

Neuer Studiengang Zahnmedizin startet in Thüringen

Mit dem neuen Studiengang Zahnmedizin erweitert die HMU Health and Medical University Erfurt ihr medizinisches Studienangebot um ein zukunftsweisendes Fach und setzt damit ein klares Zeichen für die nachhaltige Stärkung der zahnärztlichen Versorgung in Thüringen und dem gesamten Bundesgebiet. Der Studiengang ohne Numerus clausus (NC) ist mit Start zum Wintersemester 2025/26 geplant.

Studiengang schafft Zukunftsperspektive

Der neue Studiengang kommt zur rechten Zeit: In den vergangenen Jahren sind viele Zahnärzte in den Ruhestand gegangen – vielfach ohne Nachfolge. Das bedeutet für beispielsweise mehr als 100.000 Patienten im Freistaat Thüringen: Ein neuer Zahnarzt muss gefunden werden – häufig in Regionen, in denen das Angebot schon heute knapp ist. Diese Entwicklung wird sich laut Prognosen bundesweit verschärfen. Die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen begrüßt deshalb ausdrücklich die Etablierung des zahnmedizinischen Studiengangs an der HMU Erfurt.

„Durch die staatliche Anerkennung des Studiengangs Zahnmedizin der HMU Erfurt entsteht am Standort Erfurt ein zusätzliches und innovatives Studienangebot im Gesundheitsbereich – genau dort, wo Thüringen Zukunftsperspektiven braucht. Ich begrüße das starke Engagement der Universität und bin überzeugt, dass die HMU Erfurt einen wertvollen Beitrag für die Ausbildung qualifizierter Fachkräfte in unserem Land leisten wird“, sagt Wissenschaftsminister Christian Tischner.

Starker Praxisbezug

„Mit dem Studiengang Zahnmedizin tragen wir zur Sicherung der zahnärztlichen Versorgung insbesondere in ländlichen Regionen und zur Nachwuchsförderung im Gesundheitswesen bei“, erklärt Ilona Renken-Olthoff, Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin der HMU Erfurt. „Als Ergänzung zu unserem bereits bestehenden Studiengang Humanmedizin bietet die neue Zahnmedizin eine weitere exzellente Ausbildungsmöglichkeit mit starkem Praxisbezug und hoher gesellschaftlicher Relevanz.“

Das zahnmedizinische Studium an der privaten, staatlich anerkannten HMU Erfurt dauert elf Semester, schließt mit dem Staatsexamen ab und berechtigt zur Approbation. Entwickelt wurde das Studienkonzept vom Gründungsteam unter Leitung von Prof. em. Dr. Dr. h.c. Thomas Hoffmann, Gründungsprodekan der Fakultät Medizin und des Departments Orale Medizin an der HMU Erfurt. Das Studienkonzept folgt der Approbationsordnung und integriert aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse ebenso wie praxisnahe Ausbildungsformate – mit Studienabschnitten auf dem HMU Erfurt-Campus, in der entstehenden hochmodernen Lehrklinik und bei Partnerpraxen. „Unser Ziel ist es, junge Zahnmediziner bestmöglich auf ihre anspruchsvolle Rolle im Gesundheitssystem vorzubereiten – wissenschaftlich fundiert, praxisnah und interdisziplinär vernetzt“, betont Hoffmann.

Orale Gesundheit als Teil der Gesamtgesundheit

Ein besonderes Merkmal des innovativen Studiengangs: Er nimmt zukünftige Entwicklungen der Oralen Medizin in den Blick. Die ganzheitliche Betrachtung oraler Gesundheit als Teil der Gesamtgesundheit – insbesondere im Zusammenhang mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus und Herz-Kreislauf-Erkrankungen – würde integraler Bestandteil der Ausbildung. Die Mundgesundheit besitzt höchste Relevanz für die Gesamtgesundheit. Vor diesem Hintergrund komme der Oralen Medizin eine wesentliche Rolle in der Gesundheitsversorgung zu. Der neue Studiengang sei genau darauf ausgerichtet und vermittele Kompetenzen für mehrdimensionale Diagnostik und Therapie. Das interdisziplinäre und interprofessionelle Universitätskonzept der HMU Erfurt böte für die Umsetzung beste Voraussetzungen.

Der Studiengang ist bereits staatlich anerkannt – der Bescheid des Thüringer Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur ging am 6. Mai 2025 ein. Bewerbungen für das Studium der Zahnmedizin an der HMU Erfurt sind ab sofort möglich. Weitere Informationen und die Möglichkeit zu individuellen Beratungsgesprächen gibt es unter: health-and-medical-university-erfurt.de