Rechtstipp Dezember 2013; OLG Köln: Anspruch auf kostenlosen Branchenbucheintrag gegenüber der Telekom auch unter Phantasiebezeichnung

Vor allem die Streitereien um die sog. Gewerbeauskunfts-Zentrale, die zahlreiche Gewerbetreibende in den vergangenen Jahren in eine kostspielige Vertragsfalle gelockt hat, steht im Fokus, wenn es um Branchenbucheinträge geht.

Wie einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln zu entnehmen ist, bedarf es jedoch derartiger kostspieliger Einträge in der Regel nicht, denn die Telekom ist in der Regel zum kostenfreien Brancheneintrag verpflichtet (OLG Köln, Urt. v. 13.02.2013, 11 U 136/11).        Der Betreiber eines selbstständigen Kundendienstbüro einer Versicherungsgruppe, tritt unter der Bezeichnung „I Kundendienstbüro I2″ am Markt auf. Seinen Telefonanschluss für seine Büros hatte er bei der Telekom angemeldet. Diese nahm den Betreiber im Kommunikationsverzeichnis jedoch mit der Namensbezeichung: „I2 Versicherungen“ auf. Zu Unrecht, wie das OLG Köln nunmehr bestätigt.

Nach § 45 m Abs. 1 TKG kann der Teilnehmer von dem Anbieter eines öffentlichen Telefondienstes jederzeit verlangen, mit seiner Rufnummer, seinem Namen, seinem Vornamen und der Anschrift in ein allgemein zugängliches, nicht notwendig anbietereigenes Teilnehmerverzeichnis unentgeltlich eingetragen zu werden. Diese Vorschrift ist im Zusammenhang mit §§ 47 und § 104 TKG zu sehen. § 47 TKG betrifft das Verhältnis der Anbieter untereinander. Jeder Anbieter hat seine Teilnehmerdaten jedem anderen Anbieter zum Zwecke der Bereitstellung von Auskunftsdiensten und Teilnehmerverzeichnissen zur Verfügung zu stellen; Teilnehmerdaten nach § 47 Abs. 2 TKG sind die nach Maßgabe des § 104 TKG veröffentlichten Daten, wobei § 104 TKG zwischen dem Namen und Anschrift und zusätzlichen Angaben wie Beruf, Branche und Art des Anschlusses unterscheidet. § 104 TKG ist die datenschutzrechtliche Grundlage für die Veröffentlichung der Daten, § 47 TKG die Grundlage für die Erstellung der Verzeichnisse.

Der in den Vorschriften des TKG verwendete Begriff des Namens ist im Sinne des § 12 BGB zu verstehen, so dass der Kunde einen Anspruch auf Eintragung seines im Verkehr verwandten (Phantasie-)Namens hat, der in der Regel auch namensrechtlich geschützt ist, gleiches gilt für die Eintragung der Firma und Kennzeichnungen von Betriebsteilen und Unternehmenskennzeichen im Sinne des § 5 Markengesetz, soweit sie namensmäßige Unterscheidungskraft haben.

Dr. Robert Kazemi

 

Rechtstipp November 2013 BGH: Heimliche Personenüberwachung mittels GPS-System am Auto strafbar

BGH: Heimliche Personenüberwachung mittels GPS-System am Auto strafbar

Als ich vor einigen Wochen nachts aus dem Büro heimkam und den Fernseher einschaltet, um ein wenig zu „snappen“, blieb ich bei der Wiederholung einer nachmittäglichen „Reality-Detektiv-Serie“ stehen und war als Datenschutzrechtler mehr als überrascht, was mir da geboten wurde.

Zugegeben, auch mir ist bekannt, dass sich derartige Sendungsformate in aller Regel nicht durch eine besonders saubere juristische Recherche auszeichnen, gleichwohl orientieren sie sich doch zumindest partiell offenbar an der Wirklichkeit. In der Serie ging es um einen Geschäftsmann, der eine Geschäftsreise dazu nutzen wollte, herauszufinden, ob seine Frau ihn betrügt. Einen entsprechenden Verdacht hatte er, bediente sich jedoch zur Absicherung einer Detektei. Diese sollte die Ehefrau beschatten und herausfinden, ob diese neben der ehelichen vielleicht noch eine weitere Beziehung führte. Die Detektive begaben sich also daran, die ahnungslose Gattin zu observieren, ihr hinterherzufahren und sie auf „frischer Tat“ zu ertappen. Blöd nur, dass die Gattin, die ja von ihren Verfolgern nichts wusste, nicht darauf geachtet hatte, dass die Verfolger auch hinterherkamen. Schwupp, schon war sie ihren Verfolgern entkommen. Doch was wäre eine nachmittägliche Belustigungs-Serie ohne gewiefte Detektive mag sich der Autor des Story-Books gedacht haben und gestand seinen Akteuren eine gewisse Voraussicht zu. Diese hatten das KFZ der Gattin nämlich bereits Tage zuvor, unbemerkt und verständlicher Weise ohne Kenntnis und Einwilligung der Gattin mit einem GPS Peilsender versehen, der es ihnen nunmehr ermöglichen sollte, das Fahrzeug wiederzufinden. Dies hatte auch Erfolg, die Dame wurde in einem Park mit dem Liebhaber ertappt und gefilmt. Detektiv und Geschäftsmann waren glücklich. Ich hingegen musste die ganze Zeit darüber nachdenken, ob der Einsatz des GPS-Empfängers nicht ein bisschen zu weit ging und ob hier nicht ggf. gegen Bestimmungen zum Datenschutzrecht verstoßen wurde. Ich verwarf diesen Gedanken jedoch wieder, weil ich zugegebenermaßen dachte, derartige Räuberpistolen entspringen lediglich der Phantasie eines Autors, nicht jedoch der Realität. Weit gefehlt, wie eine aktuelle Entscheidung des BGH vom 04.06.2013 (Az. 1 StR 32/13) belegt.

In der Pressemitteilung des BGH heißt es:

„Das Landgericht Mannheim hat den Betreiber einer Detektei sowie einen seiner Mitarbeiter wegen gemeinschaftlichen vorsätzlichen unbefugten Erhebens von Daten gegen Entgelt in mehreren Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen unterschiedlicher Höhe verurteilt […] Die Angeklagten hatten verdeckt für verschiedene Auftraggeber (Privatpersonen) Überwachungsaufträge ausgeführt, die zu Erkenntnissen über das Berufs- und/oder das Privatleben von Personen (Zielpersonen) führen sollten.  […] Zur Erfüllung ihres Auftrags bedienten sich die Angeklagten in großem Umfang der GPS-Technik (Global Positioning System), indem sie einen GPS-Empfänger unbemerkt an den Fahrzeugen der Zielpersonen anbrachten. Dadurch konnten sie feststellen, wann und wo sich das jeweilige Fahrzeug aufhielt. Auf diese Weise erstellten sie Bewegungsprofile der Zielpersonen. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Landgericht die Angeklagten wegen einer Reihe strafbarer Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz (§§ 44* iVm. 43 Abs. 2 Nr. 1 ** BDSG) verurteilt. Nach Auffassung des Landgerichts waren die Angeklagten nicht im Sinne von §§ 28 Abs. 1 Nr. 2*** oder 29 Abs. 1 Nr. 1**** BDSG befugt, die GPS-Empfänger einzusetzen. Differenzierungen zwischen den einzelnen Fällen hat es nicht vorgenommen […].

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die heimliche Überwachung der „Zielpersonen“ mittels eines GPS-Empfängers grundsätzlich strafbar ist. Zwar ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall erforderlich. Jedoch kann lediglich bei Vorliegen eines starken berechtigten Interesses an dieser Datenerhebung die Abwägung ausnahmsweise (etwa in notwehrähnlichen Situationen) ergeben, dass das Merkmal des unbefugten Handelns bei diesen Einsätzen von GPS-Empfängern zu verneinen ist. […]

Bewertung:

Die Entscheidung des BGH ist folgerichtig und im Interesse eines wirksamen Datenschutzes geboten. Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten, zu denen zweifelsohne auch Standortdaten gehören, ist gemäß § 4 BDSG grundsätzlich nur zulässig, soweit das BDSG oder andere Rechtsvorschriften dies erlauben oder der Betroffene in die vorbeschriebenen Vorgänge eingewilligt hat. Eine Einwilligung lag hier sicherlich nicht vor, so dass allenfalls auf die gesetzlichen Erlaubnistatbestände des BDSG zurückgegriffen werden konnte.

In Betracht kommen hier §§ 28 und 29 BDSG, je nachdem ob es sich bei der Datenerhebung um eine solche für eigene oder eine solche für fremde (geschäftliche) Zwecke handelt. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 BDSG ist „das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäfts-zwecke“ unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. So einfach, wie die Vorschrift auf den ersten Blick auch erscheinen mag, sie ist es in der Realität und vor allem nach den umfassenden Neuregelungen durch die BDSG-Novelle II nicht. § 28 BDSG ist vielmehr ein „Sammelsurium“ von Ausnahmebestimmungen, Einschränkungen, Erweiterungen, Verweisen etc., deren Verständnis immer wieder den Blick in die gesetzlichen Regelungen sowie die hierzu veröffentlichte Kommentarliteratur und Rechtsprechung erfordert. Normadressat ist die verantwortliche (nicht-öffentliche) Stelle.  Die Erlaubnisnorm unter-scheidet danach, ob die Datenverwendung für eigene Geschäftszwecke oder zum Zweck der Übermittlung an Dritte erfolgt. Zentraler Begriff des § 28 Abs. 1 Satz 1 BDSG und damit Ausgangspunkt für die Frage, ob überhaupt eine „einwilligungslose“ Datenerhebung nach dieser Vorschrift in Betracht kommt, ist demnach das Vorliegen einer Datenerhebung für „eigene Geschäftszwecke“. Solche liegen dann vor, wenn Datenverarbeitung nicht selbst der Unternehmenszweck ist, sondern mit der Verarbeitung lediglich die eigentliche Tätigkeit der datenerhebenden Stelle unterstützt werden soll. Für die Anwendung des § 28 BDSG ist es daher entscheidend, dass die verantwortliche Stelle an den Daten ein eigenes Interesse hat, um mit dem Betroffenen in Kontakt zu treten bzw. in Kontakt zu bleiben.  Taeger  beschreibt dies zutreffend in der Form, dass die Datenerhebung und -verarbeitung einen „akzessorischen Charakter für die Geschäftsziele des Unternehmens“ trägt. Dies scheint mir im Falle der Detektei nicht ganz abwegig.

§ 28 Abs. 1 Satz 1 BDSG beschreibt insgesamt drei Zulässigkeitsalternativen. Die Datenerhebung im Rahmen rechtsgeschäftlicher oder rechtsgeschäftsähnlicher Schuldverhältnisse, die Datenerhebung im Rahmen berechtigter Interessen der datenerhebenden Stelle und die Datenerhebung aus öffentlich zugänglichen Datenquellen. Die erste Alternative scheidet aus, denn zwischen dem Betroffenen (der Gattin) und der Detektei besteht gerade kein Schuldverhältnis. Fraglich bliebt also, ob die Datenerhebung hier berechtigten Interessen der datenerhebenden Stelle folgt.

Wann ein berechtigtes Interesse der datenerhebenden Stelle vorliegt, definiert das BDSG selbst nicht. Allgemein anerkannt ist jedoch, dass dieses nicht rechtlicher, sondern auch ideeller oder wirtschaftlicher Natur sein kann, solange es sich um ein von der Rechtsordnung gebilligtes Interesse handelt.  Da auch die Datenerhebung im berechtigten Interesse dem Zweckbestimmungsgrundsatz unterliegt, ist bei der Beurteilung des Vorliegens eines berechtigten Interesses auch die grundsätzliche Wertung und Zweckrichtung des BDSG zu berücksichtigen. Weiterhin gilt, dass § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG eng auszulegen ist, damit er nicht zum Auffangtatbestand für beliebige Datenverarbeitungen umfunktioniert wird.  Dennoch ist es verfehlt, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG als „Ausnahme zum Regelfall“  zu bezeichnen und den Anwendungsbereich der Vorschrift gleichsam durch § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG verdrängt zu sehen. Ein solches Verständnis lässt sich weder dem Gesetzestext noch der Systematik des § 28 Abs. 1 BDSG an sich entnehmen. Es ist vielmehr so, dass § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG selbstständig neben der Ausnahmeregelung des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG Anwendung findet. Selbst wenn die Verarbeitung eines personenbezogenen Datums gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG wegen Erreichung des Vertragszwecks unzulässig werden sollte, kann sich eine Rechtfertigung zur weiteren Datenverarbeitung daher aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG ergeben.  Auch in § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG findet jedoch das bereits aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG bekannte „Erforderlichkeitskriterium“ Anwendung. Auf die Ausführungen zu Inhalt und Reichweite kann zur Vermeidung von Wiederholungen daher grundsätzlich verwiesen werden. Was im datenschutzrechtlichen Sinne erforderlich ist, ist daher auch im Rahmen der Prüfung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG eine (Wertungs-)Frage des Einzelfalles. Die Zweckbestimmung des „berechtigten Interesses“ begrenzt die durch sie legitimierte Datenverarbeitung. Nur was zur Erreichung eines anerkannten „berechtigten Interesses“ der datenerhebenden Stelle gespeichert werden muss, kann überhaupt Gegenstand einer einwilligungslosen Datenerhebung auf Basis des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG sein. Das „Müssen“ in vorgenanntem Sinne darf nach h.M. jedoch nicht in einem Sinne verstanden werden, dass die Datenverarbeitung aus technischen, wirtschaftlichen, organisatorischen oder sonstigen Gründen „schlechterdings unverzichtbar wäre“;  es reicht, wenn nach den Gesamtumständen die Wahl einer anderen Informationsmöglichkeit oder der Verzicht hierauf nicht sinnvoll wäre.  Dies mag man also noch begründen können, obgleich sich bereits hier die Frage stellt, ob auch ein „einfaches“ Hinterherfahren nicht bereits weniger einschneidend wäre.

Doch selbst wenn man (noch) ein berechtigtes Interesse der Detektei annehmen wollte, muss beachtet werden, dass das Vorliegen berechtigter Interessen für die Beurteilung der einwilligungslosen Datenverarbeitung im Lichte des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG nicht allein ausschlaggebend ist. Vielmehr sind hier auch die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen im Rahmen einer Interessenabwägung zu berücksichtigen. Betrachtet man in diesem Zusammenhang den Grundsatz der Datensparsamkeit sowie den für die Datenspeicherung stets zu beachtenden Erforderlichkeitsgrundsatz, bestehen jedoch erhebliche Zweifel an der Rechtfertigung der Datenerhebung mittels GPS-Überwachung. Verständlicherweise will der Betroffene eine solche ja gerade nicht und ist eine hierdurch ermöglichte Dauer- und Totalüberwachung besonders einschneidend. Zu Recht geht der BGH also davon aus, dass derartige Maßnahmen (ohne Einwilligung) des Betroffenen in der Regel unzulässig sind.

Dass das Datenschutzrecht kein „zahnloser Tiger“ ist, zeigen die verhangenen Freiheitsstrafen. Diese sind auf §§ 43, 44 BDSG zurückzuführen.

Dr. Robert Kazemi

 

 

Rechtstipp Oktober 2013 Neuer Auskunftsanspruch des Versicherten zur Kostenübernahme einer Heilbehandlung

Neuer Auskunftsanspruch des Versicherten zur Kostenübernahme einer Heilbehandlung

Mit dem Gesetz zur Änderung versicherungsrechtlicher Vorschriften vom 24. April 2013 (BGBl. I 2013, S. 932 ff.), welches mit Wirkung zum 01.05.2013 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber einige Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) zugunsten der Versicherungsnehmer bei einer privaten Krankenversicherung novelliert.

So gibt es nun für privat Versicherte die Möglichkeit, vor der Behandlung eine verbindliche Aussage zur Kostenübernahme einzuholen. Rechtsgrundlage ist dabei der in § 192 VVG neu eingefügte Absatz 8: (8) Der Versicherungsnehmer kann vor Beginn einer Heilbehandlung, deren Kosten voraussichtlich 2.000 Euro überschreiten werden, in Textform vom Versicherer Auskunft über den Umfang des Versicherungsschutzes für die beabsichtigte Heilbehandlung verlangen. Ist die Durchführung der Heilbehandlung dringlich, hat der Versicherer eine mit Gründen versehene Auskunft unverzüglich, spätestens nach zwei Wochen, zu erteilen, ansonsten nach vier Wochen; auf einen vom Versicherungsnehmer vorgelegten Kostenvoranschlag und andere Unterlagen ist dabei einzugehen. Die Frist beginnt mit Eingang des Auskunftsverlangens beim Versicherer. Ist die Auskunft innerhalb der Frist nicht erteilt, wird bis zum Beweis des Gegenteils durch den Versicherer vermutet, dass die beabsichtigte medizinische Heilbehandlung notwendig ist. Somit wurde ausdrücklich in das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ein neuartiger Auskunftsanspruch über den Versicherungsschutz aufgenommen, damit der Patient vor Behandlungsbeginn darüber informiert ist, ob die Kosten der geplanten Behandlung übernommen werden. Der Auskunftsanspruch greift allerdings nur in den Fällen, in denen die voraussichtlichen Behandlungskosten 2.000 Euro überschreiten und ein Kostenvoranschlag eingereicht wird. Versicherungen müssen innerhalb von vier Wochen nach Eingang der Unterlagen eine begründete schriftliche Auskunft erteilen, in Notfällen innerhalb von zwei Wochen. Die Frist beginnt mit Eingang des Auskunftsverlangens beim Versicherer. Verstreicht diese Frist, ohne dass die Versicherung reagiert hat, gilt die beabsichtigte Behandlung als medizinisch notwendig und der Versicherer muss die Kosten übernehmen, wenn er nicht das Gegenteil beweisen kann. Kritische Anmerkung: Es bleibt abzuwarten, wie Versicherungen mit dieser neuen Bestimmung umgehen werden, da hier unklar bleibt, was der Versicherer für die Auskunft prüfen soll. Die derzeitige Praxis belegt, dass die Entscheidung über die Leistungspflicht des Versicherers auf der Grundlage eines Heil- und Kostenplans häufig die Anforderung weiterer Behandlungsunterlagen wie etwa detaillierte Befundberichte, Modelle, Röntgenbilder etc. erfordert. Es erscheint zumindest fraglich, ob vor diesem Hintergrund eine Prüfung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung innerhalb der vorgesehenen zwei Wochen zu leisten ist. Hinzu kommt, dass eine abschließende gebührenrechtliche Wertung eines zahnärztlichen Heil- und Kostenplans erst nach Durchführung der Behandlung möglich ist, zumal die Material- und Laborkosten vom Behandler vorab nur geschätzt werden können. Es bleibt insoweit zu befürchten, dass die neue Regelung nicht zu der vom Gesetz angestrebten Rechtssicherheit zugunsten des Versicherten führt und an der Stelle neue Streitpunkte eröffnet werden.

 

 

Rechtstipp September 2013 BAG: Volle Vergütung für wenig Arbeit?

BAG: Volle Vergütung für wenig Arbeit?

Einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG)  vom 15.05.2013 (10 AZR 325/12) liegt ein durchaus kurioser Sachverhalt zugrunde.  Nach einem Arbeitsvertrag musste eine Arbeitnehmerin „auch außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit tätig … werden“,

wobei der Vertrag keine ausdrücklichen Regelungen zur Arbeitszeit enthielt. Hieraus folgerte die Arbeitnehmerin, die ein Jahresgehalt von ca. 95.000,00 Euro brutto bezog, dass sie vertraglich nicht verpflichtet sei, betriebsüblich 38 Stunden pro Woche zu arbeiten. Sie müsse vielmehr überhaupt nicht an bestimmten Tagen und zu bestimmten Zeiten im Betrieb sein, wobei Ihre Arbeit nicht in Zeiteinheiten zu messen sei.

Angesichts dieser paradiesischen Vorstellungen und zwischenzeitlich  700 Minusstunden beschritt der Arbeitgeber den Rechtsweg und obsiegte auch von den Erfurter Richtern. Nach Auffassung des BAG gilt die betriebsübliche Arbeitszeit als vereinbart, wenn in einem Arbeitsvertrag die Dauer der Arbeitszeit nicht ausdrücklich geregelt ist. Der Arbeitsvertrag setze als Maß der zu leistenden Arbeit die betriebsübliche Arbeitszeit voraus. Anhaltspunkte für die Vereinbarung einer dem Zeitmaß enthobenen Arbeitspflicht bestünden nicht. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, Vergütung für Zeiten zu leisten, in denen die Arbeitnehmerin nicht gearbeitet habe.

RA Michael Lennartz

 

 

Rechtstipp August 2013 Arbeitsgericht Berlin: Diskriminierung wegen Kopftuch

Arbeitsgericht Berlin: Diskriminierung wegen Kopftuch

Mit Urteil vom  28.03.2012 (55 Ca 2426/12) hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden, dass eine Stellenbewerberin um eine Ausbildungsstelle in einer Zahnarztpraxis wegen ihrer muslimischen Religionszugehörigkeit diskriminiert wird,

wenn sie bereits vor dem Abschluss des Bewerbungs-verfahrens aus dem Kreis der in Betracht zu ziehenden Bewerber ausgeschlossen wird, weil sie auf Nachfrage angibt, das Kopftuch auch während der Arbeitszeit  nicht ablegen zu wollen.

Der gewollte Ausschluss von Personen, die sich zum Islam bekennen und ihn auf ihre Art leben, stelle zwingend eine Andersbehandlung wegen der Religion dieser Personen dar.  Es bestünde auch keine Notwendigkeit, während der Tätigkeit in der Zahnarztpraxis aus zahnmedizinischen Gründen ein Kopftuch nicht zu tragen. Das Kopftuch sei nicht in stärkerem Maße ein Träger von Gesundheits-gefahren – etwa von Erregern oder Schmutz – als das menschliche Haupthaar. Es lasse sich mit Haube und Mundschutz ebenso leicht kombinieren wie mit einer einheitlichen Kleidung bestehend aus weißen Hosen, Hemden, T-Shirts oder Blusen.

Der abgelehnten Bewerberin wurde ein Schadensersatz  von drei Monatsbruttoentgelten zugbilligt, die sie im hypothetischen Ausbildungsverhältnis verdient hätte.

RA Michael Lennartz

 

Rechtstipp Juli 2013 Kündigung in kleiner Zahnarztpraxis treuwidrig?

Landesarbeitsgericht Mainz: Kündigung in kleiner Zahnarztpraxis treuwidrig?
Interessant ist eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Mainz (LAG) vom  18.04.2013 (10 Sa 10/13), die sich mit der Frage befasst, ob auch in einer kleinen Zahnarztpraxis mit nur wenigen Mitarbeitern eine fristgemäß erklärte Kündigung treuwidrig sein kann.

Der Fall:

Ein Zahnarzt, der regelmäßig nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigte, kündigte einer Rezeptionsmitarbeiterin fristgemäß zum 31.08.2012. Die Mitarbeiterin erhob gegen die Kündigung Klage vor dem Arbeitsgericht Mainz, wobei sie die Sozialwidrigkeit der Kündigung geltend machte und zumindest einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben anführte.

Das Arbeitsgericht Mainz wies die Klage in der Vorinstanz  mit Urteil vom 31.10.2012 (1 Ca 1221/12) ab. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finde aufgrund der Kleinbetriebsklausel des § 23 Abs. 1 KSchG das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung.  Zudem habe der Zahnarzt für die Kündigung auch einleuchtende Gründe im Sinne einer unternehmerischen Entscheidung aufgeführt, die selbst bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes von den Gerichten für Arbeitssachen nur auf Willkür zu überprüfen wären.

Die Entscheidung:

Auch das LAG Mainz konnte keine Unwirksamkeit der Kündigung ersehen.  Die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes fänden auf das Arbeitsverhältnis nach § 23 Abs. 1 KSchG keine Anwendung. Der Beklagte beschäftigt ein seiner Zahnarztpraxis unstreitig nicht mehr als fünf Arbeitnehmer. Auch die Annahme des Arbeitsgerichts, die ordentliche Kündigung des Beklagten verstoße nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), sei nicht zu beanstanden.

Keine Willkür

Wie das Arbeitsgericht bereits zutreffend ausgeführt habe, sei die Vorschrift des § 242 BGB auf Kündigungen neben § 1 KSchG nur in beschränktem Umfang anwendbar. Eine Kündigung verstoße deshalb in der Regel nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletze, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind. Es gehe vor allem darum, Arbeitnehmer vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen.  Der Vorwurf willkürlicher, sachfremder oder diskriminierender Ausübung des Kündigungsrechts scheide aus, wenn ein irgendwie einleuchtender Grund für die Rechtsausübung vorläge.

Soziale Rücksichtnahme

Wenn bei einer Kündigung eine Auswahl unter mehreren Arbeitnehmern zu treffen sei, müsse auch der Arbeitgeber im Kleinbetrieb, auf den das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde, ein durch Art. 12 GG gebotenes Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme wahren. Dies bedeute jedoch nicht, dass damit im Kleinbetrieb die Grundsätze des § 1 KSchG über die Sozialauswahl entsprechend anwendbar wären. Sei allerdings auf den ersten Blick erkennbar, dass der Arbeitgeber einen erheblich weniger schutzbedürftigen, vergleichbaren Arbeitnehmer weiterbeschäftige, so spreche dies dafür, dass er das erforderliche Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme außer Acht gelassen habe und deshalb die Kündigung treuwidrig sei.

In dem konkreten Fall verneinte das LAG eine treuwidrige Kündigung.  Es sei Teil der unternehmerischen Freiheit des Beklagten, darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er seine zukünftige Berufstätigkeit als Zahnarzt altersbedingt einschränken bzw. inwieweit er künftig mit weniger Personal arbeite. Der Arbeitgeber im Kleinbetrieb müsse zur Begründung der Kündigung, die er auf betriebsbedingte Gründe stütze, nur so viel vortragen, dass der Vorwurf der Treuwidrigkeit ausscheide. Der Zahnarzt dürfe sich daher damit begnügen, vorzutragen, dass er die bisherigen Aufgaben der Klägerin unter den verbleibenden Mitarbeitern aufteilt.

RA Michael Lennartz

 

 

Rechtstipp Juni 2013 Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers

Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers
BFH fordert räumliche Trennung zwischen beruflich und privat genutzten Räumen

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass Aufwendungen für die berufliche Nutzung der zweiten Wohnung, die sich im Obergeschoss eines ausschließlich von dem Kläger und seiner Familie genutzten Zweifamilienhauses befinden, unter die Abzugsbeschränkung für ein häusliches Arbeitszimmer fallen und somit lediglich pauschal in Höhe von 2.400 DM beziehungsweise 1.250 Euro steuerlich zu berücksichtigen sind.

Darauf verweist der Kieler Steuerberater Jörg Passau, Vizepräsident und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DUV Deutscher Unternehmenssteuer Verband e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die Mitteilung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. April 2013 zu seinem Urteil vom 15. Januar 2013 Az.: VIII R 7/10.

Der Kläger erzielte Einkünfte aus selbstständiger Arbeit als Erfinder. Für die Erstellung von Patenten benötigte er zahlreiche Unterlagen und umfangreiche Fachliteratur, sodass er ein ausschließlich beruflich genutztes Büro unterhielt. Dieses befand sich im Obergeschoss des von ihm und seiner Familie bewohnten Zweifamilienhauses. Eine direkte Verbindung zwischen den zum Büro gehörenden Räumlichkeiten im Obergeschoss und dem Wohnbereich der Kläger im Erdgeschoss bestand nicht. Der Zugang zum Obergeschoss war nur über einen separaten Treppenaufgang möglich, der über eine eigene Eingangstür verfügte. Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung die auf die Büroräume entfallenden Aufwendungen in voller Höhe geltend. Das Finanzamt ließ dagegen nur die für ein häusliches Arbeitszimmer geltende Pauschale von 2.400 DM zum Abzug zu. Vor Gericht argumentierte der Kläger, das Arbeitszimmer sei nicht häuslich und unterfalle deshalb nicht der Abzugsbeschränkung. Das Finanzgericht folgte dem und gab der Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hat der BFH das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, so Passau.

Der BFH rechnet das Arbeitszimmer noch dem häuslichen Bereich zu. Der für die Annahme der Häuslichkeit erforderliche Zusammenhang der beruflich und privat genutzten Räume entfällt erst, wenn das Arbeitszimmer über eine der Allgemeinheit zugängliche und auch von anderen Personen genutzte Verkehrsfläche zu erreichen ist. Im vorliegenden Fall wurden jedoch das gesamte Grundstück und Gebäude ausschließlich von dem Kläger und seiner Familie genutzt, sodass die baubedingte räumliche Trennung zwischen den beruflich und den privat genutzten Räumen nicht so stark ausgeprägt war, dass der Zusammenhang zur häuslichen Sphäre hinreichend gelöst war.

 

Rechtstipp Mai 2013 BSG: Gebührenerhebung für erfolglos durchgeführtes Widerspruchsverfahren durch K(Z)V zulässig

BSG: Gebührenerhebung für erfolglos durchgeführtes Widerspruchsverfahren durch K(Z)V zulässig

Sind die K(Z)Ven berechtigt für im Rahmen von Widerspruchsverfahren Gebühren zu erheben? Das BSG sagt JA, und weißt die Klage einer Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe endgültig ab (BSG, Urt. v. 06.02.2013, B 6 KA 13/12).

Die Klägerin hatte gegen einen Honorarbescheid Widerspruch eingelegt, den die beklagte Kassenärztliche Vereinigung zurückwies. Der Verfügungssatz zu II lautete: „Für dieses Widerspruchsverfahren wird eine Gebühr in Höhe von 100,00 Euro festgesetzt.“ Zur Begründung bezog sich die KV auf ihre Gebührenordnung, die für erfolglose Widerspruchsverfahren Gebühren in dieser Höhe vorsieht.

Gegen diese Gebührenfestsetzung hat die Klägerin bei dem SG München erfolglos Klage erhoben, auch das Das LSG hatte die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Zurückweisung wurde nunmehr auch in der Revisionsinstanz durch das BSG bestätigt. Nach Ansicht des BSG sind die K(Z)Ven berechtigt, für Widerspruchsverfahren Gebühren zu erheben, soweit diese nicht erfolgreich sind. Zwar werden nach § 64 SGB X für das Verfahren bei den Behörden nach diesem Gesetzbuch keine Gebühren und Auslagen erhoben, gleichwohl sei die Auferlegung von Kosten in begrenztem Umfang für den Fall eines erfolglosen Widerspruchs durch § 64 SGB X nicht gänzlich ausgeschlossen.

Rechtsgrundlage für die hier streitige Kostenregelung für das Widerspruchsverfahren ist § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V. Danach muss die Satzung der KV insbesondere Bestimmungen über Aufbringung und Verwaltung der Mittel enthalten. In dieser Regelung sieht der Senat in ständiger Rechtsprechung die Ermächtigungsgrundlage für Vorschriften über die „Festsetzung von Verwaltungskosten“ (vgl zuletzt SozR 4-2500 § 81 Nr. 4 RdNr 13; aaO § 81 Nr 3 RdNr 15; SozR 3-2500 § 81 Nr. 5 S 12 noch zu § 368m RVO, aber mit Hinweis auf § 81 Abs 1 SGB V). Da die Vorschrift keine näheren Vorgaben für die Ausgestaltung der Erhebung von Beiträgen durch die KVen macht, sind Art und Weise der Einnahmenerhebung dem Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers überlassen, der dabei die allgemeinen Grundsätze des Beitragsrechts sowie den Gleichheitssatz zu beachten hat (BSG SozR 4-2500 § 81 Nr 4 RdNr 13).

Der Umstand, dass jeder Vertragsarzt mit seinem Verwaltungskostenbeitrag die allgemeine Tätigkeit der KV bereits finanziert, schließe nicht aus, dass für besondere Tätigkeiten, die vom Vertragsarzt veranlasst werden und erhöhten Aufwand und Kosten verursachen, Gebühren erhoben werden. Aus der allgemeinen Finanzierungsregelung des § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V könne vielmehr auch die Berechtigung zur Erhebung von Gebühren abgeleitet werden.

Dr. Robert Kazemi

 

 

Rechtstipp April 2013 BGH-Urteil: Schadensersatzanspruch bei Internet-Ausfall

BGH-Urteil: Schadensersatzanspruch bei Internet-Ausfall

Schadenersatz für Internetausfall?Wenn der DSL-Anschluss lahmt: mit Surfsticks ins Internet Telekommmunikation: Mehr Rechte für Verbraucher Politik diskutiert „Universaldienst“ für den Weg ins Internet

Karlsruhe – Nach einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs haben Internet-Nutzer Anspruch auf Schadenersatz, wenn der Internet-Anschluss ausfällt. Der Internetzugang sei auch im privaten Bereich von zentraler Bedeutung für die Lebensführung, entschied der BGH am Donnerstag. Aus diesem Grund bestehe auch ohne Nachweis eines konkreten Schadens ein Ersatzanspruch, wenn die Nutzungsmöglichkeit entfällt. Das gleiche gelte für den Telefonanschluss. Konkrete Summen nannte der BGH nicht (Az.: III ZR 98/12).

Damit zählen Internet und Telefon für den BGH zu den wenigen Wirtschaftsgütern, bei denen sich ein Ausfall typischerweise „auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt“. Das ist Voraussetzung für einen derartigen Ersatzanspruch und war bislang vor allem für Kraftfahrzeuge und Wohnhäuser anerkannt.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sah sich durch das Urteil in der Ablehnung von Netzsperren bekräftigt. Internetnutzung sei ein Bürgerrecht, erklärte sie. Die Piratenpartei sah „weitreichende Konsequenzen“ für die Politik, wie Bundesvorstandsmitglied Klaus Peukert in einem Blogeintrag schrieb.
Wenn der Zugang zum Internet als elementar wichtig betrachtet werde, müssten die Kosten dafür beim Arbeitslosengeld berücksichtigt werden. Vorschläge, notorischen Urheberrechtsverletzern den Internetzugang zu sperren, gehörten zu den Akten gelegt, schrieb Peukert.

Im konkreten Fall hatte der Kunde eines Internetproviders seinen Tarif gewechselt – anschließend funktionierte der DSL-Anschluss zwei Monate lang überhaupt nicht mehr: Kein Internet, kein Festnetz, kein Fax. Der Mann aus Fürstenfeldbruck (Bayern) wollte Schadenersatz. Doch in den Vorinstanzen gewährten ihm die Gerichte nur die konkreten Mehrkosten für Mobilfunkgebühren und die Rechnungen eines anderen Anbieters.

Der BGH hob die Entscheidungen auf und verwies den Fall zurück an das zuständige Landgericht: Ähnlich wie beim Auto sei auch bei Telefon und Internet die „ständige Verfügbarkeit für die Lebensgestaltung von zentraler Bedeutung“. Der überwiegende Teil der Einwohner Deutschlands nutze das Internet täglich, argumentierte der BGH. „Damit hat es sich zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht.“  Was die Höhe des Ersatzanspruchs angeht, beließ es der BGH bei allgemeinen Hinweisen. Viel dürfte es aber nicht werden: Der Anspruch richtet sich nach den durchschnittlichen Kosten für den Internetanschluss, abzüglich des Gewinns des Providers. Von den 50 Euro pro Tag, welche der Kläger gefordert hatte, dürfte dies eine gute Strecke entfernt sein.

Außerdem gibt es keinen Schadenersatz, wenn dem Anschlussinhaber ein gleichwertiger Ersatz zur Verfügung steht und die Mehrkosten hierfür ersetzt werden. Deshalb hat der Kläger im konkreten Fall keinen Ersatzanspruch für den Ausfall des Telefonanschlusses – denn er nutzte in dieser Zeit ein Mobiltelefon und bekam die Kosten ersetzt.

Auch beim Internetanschluss wäre ein derartiger Ersatz im Prinzip möglich, sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Schlick bei der Urteilsverkündung. Ob hierzu allerdings schon ein internetfähiges Telefon ausreichen könnte – wie in der mündlichen Verhandlung diskutiert wurde -, musste der BGH nicht entscheiden.

 

 

Rechtstipp März 2013 BSG: Der sozialdatenschutzrechtliche Auskunftsanspruch gegenüber einer gesetzlichen Krankenkasse erstreckt sich auch auf den Übermittlungsweg

BSG: Der sozialdatenschutzrechtliche Auskunftsanspruch gegenüber einer gesetzlichen Krankenkasse erstreckt sich auch auf den Übermittlungsweg

Problemstellung:

Fragen des Datenschutzes sind nicht allein privatrechtlicher Natur; auch und vor allem, wenn es um die Datenverarbeitung durch öffentliche Stellen geht, genießt der Bürger weitreichenden Schutz.

Dies hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits am 15. Dezember 1985 im Zusammenhang mit dem sog. Volkszählungsurteil (BVerfG, Urteil v. 15. Dezember 1983, Az. 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83) entschieden und das sog. Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus dem Grundgesetz hergeleitet. Die Entscheidung wird daher gemeinhin auch als „Geburtstunde“ des deutschen Datenschutzrechts verstanden. Die Ausweitung dieses – zunächst vornehmlich gegenüber öffentlichen Stellen Geltung beanspurchenden – Rechts des Einzelnen auf die Pivatwirtschaft erschien da nur folgerichtig; fest steht jedoch, auch der Staat und seine staatlichen Einrichtungen sind nicht befugt, unkontrolliert Daten zu sammeln. Um dies zu kontrollieren stehen dem Bürger umfassende Auskunfts- und Informationsrechte zu, die – bezogen auf Sozialdaten – im Sozialgesetzbuch (SGB) X normiert sind. In einem heute veröffentlichten Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 13.11.2012 (Az: B 1 KR 13/12 R) werden die Rechte des Bürgers genauer konkretisiert und die gesetzlichen Krankenkassen  zur umfassenden Auskunftserteilung verpflichtet.

Der Fall:

Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin beantragte, ihr Auskunft darüber zu erteilen, ob und welche über sie gespeicherten Sozialdaten die Beklagte an welche Empfänger mit welchen Medien weitergegeben habe. Nach Angaben der Versicherten habe die Beklagte die betreffenden medizinischen Daten über das Internet versandt, medizinische Daten ohne Beziehung zum SGB IX an die Stadtverwaltung K. weitergegeben und Daten ohne Erlaubnis an die Bundesagentur für Arbeit übermittelt. Da die Beklagte nicht reagierte, hat die Klägerin Klage erhoben. Die Beklagte lehnte daraufhin eine Verbescheidung und Auskunftserteilung ab. SG und LSG wiesen die auf Erteilung der Auskunft gerichtete Klage ab, da der Auskunftsanspruch hinsichtlich der nicht automatisiert gespeicherten Daten daran scheitere, dass der erforderliche Verwaltungsaufwand der Beklagten in Abwägung mit dem Informationsinteresse der Klägerin unverhältnismäßig erscheine (§ 83 Abs 1 S 3 SGB X). Insoweit sei die Beklagte auch nicht zu einer Teilauskunft verpflichtet.

Dieser Rechtsansicht erteilt das BSG nunmehr eine eindeutige Absage und verweist den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung über die Auskunftsansprüche der Versicherten zurück an das LSG.

Die Entscheidung:

Rechtsgrundlage des Auskunftsbegehrens ist § 83 Abs 1 S 1 Nr 2 iVm Nr 1 SGB X. […]

Es spricht viel dafür, dass der Auskunftsanspruch nach § 83 Abs 1 S 1 Nr 2 iVm Nr 1 SGB X nicht nur die Auskunft darüber umfasst, ob und ggf welche der über die Klägerin bei der Beklagten gespeicherten Sozialdaten die Beklagte an welche Empfänger weitergab. Über den Wortlaut der Regelung hinaus dürfte auch die Auskunft über das Übermittlungsmedium einzubeziehen sein, wenn dies erforderlich ist, um insbesondere Rechte auf künftiges Unterlassen, Löschung und Schadensersatz verfolgen zu können, wenn nämlich der Übermittlungsweg den Zugriff unberechtigter Dritter eröffnet. […]

Es ist Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs nach § 83 Abs 1 S 1 Nr 1 und Nr 2 SGB X, den Betroffenen in die Lage zu versetzen, zu erfahren, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß. Dies dient dazu, die Rechte auf Löschung, Berichtigung, Sperrung und Schadensersatz (vgl §§ 82, 84 SGB X) effektiv geltend machen zu können. Der Auskunftsanspruch sichert hierdurch verfassungskonform das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG) ab (vgl grundlegend BVerfGE 65, 1, 43; Grundsatz der Transparenz; zur verfassungskonformen Konkretisierung der Parallelnorm des § 19 Bundesdatenschutzgesetz <BDSG> vgl BVerfGE 120, 351, 359 ff = Juris RdNr 53 ff).

Die Klägerin beruft sich gerade darauf, dass die Beklagte die Klägerin betreffende Sozialdaten ohne Schutz vor dem Zugriff unberechtigter Dritter übermittelt habe. Kenntnis über das Übermittlungsmedium kann insoweit zur Kenntnis über eine „unzulässige Verarbeitung“ führen. Eine unzulässige Verarbeitung kann einen Schadensersatzanspruch nach § 82 SGB X (iVm § 7 bzw § 8 BDSG) auslösen und eine gegen die Anforderungen nach § 78a SGB X verstoßende Datenverarbeitung sein (zum Beispiel des Fehlens einer nach Nr 2 der Anlage zu § 78a SGB X einzurichtenden Zugangskontrolle vgl Rombach in Hauck/Noftz, SGB X, Online-Ausgabe, § 82 RdNr 21, Stand März 2002; derselbe ebenda, § 78a RdNr 35, Stand Mai 2011; so auch bzgl § 7 BDSG Wagner, MittLVA Württ 1991, 268, 270; Gabel in Taeger/Gabel, BDSG, 2010, § 7 RdNr 7; vgl auch Schultze-Melling, CR 2005, 73, 77; Klett/Lee, CR 2008, 644, 647). Dafür sprechen auch Art 23 und Art 17 Abs 1 der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Richtlinie 95/46/EG, ABl EG Nr L 281/31 vom 23.11.1995; vgl auch Art 5 Richtlinie 95/46/EG).

Die Grundvoraussetzungen des geltend gemachten Auskunftanspruchs dürften erfüllt sein: Die Klägerin beantragte bei der Beklagten als „verantwortliche Stelle“ (§ 67 Abs 9 S 2 SGB X, § 35 SGB I) die gewünschte Auskunft darüber, ob und ggf welche der über die Klägerin bei der Beklagten gespeicherten, noch nicht mitgeteilten Sozialdaten die Beklagte an welche Empfänger mit welchen Medien weitergab. Weder bedurfte es einer weiteren Konkretisierung des Antrags […] noch der Darlegung eines schützenswerten Auskunftsinteresses.

Die Einwendungen der Beklagten dürften kaum durchgreifen. Unerheblich ist insoweit der Einwand der Beklagten hinsichtlich der telefonischen Weitergabe von Sozialdaten, dass sie nicht jedes Telefonat aktenkundig mache. Der Auskunftsanspruch nach § 83 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB X erstreckt sich nämlich auch auf nicht gespeicherte Empfänger bzw die nicht dokumentierte Übermittlung von Sozialdaten. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) gebietet grundsätzlich, die Übermittlung personenbezogener Daten zu protokollieren, sodass der Betroffene von der Weitergabe seiner Daten Kenntnis erlangen und dagegen den Rechtsweg beschreiten kann.

Dem Auskunftsanspruch der Klägerin steht nicht entgegen, dass […] der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand nicht außer Verhältnis zu dem vom Betroffenen geltend gemachten Informationsinteresse steht (§ 83 Abs 1 S 3 SGB X). Bei Prüfung dieser Voraussetzung ist zu beachten, dass mit Blick auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Einschränkungen des Informationsrechts nur zulässig sind, wenn sie gegenläufigen Interessen von größerem Gewicht dienen. […] Die Klägerin hat Angaben gemacht, die das Auffinden der Daten (hinsichtlich der Empfänger) ermöglichen. Der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand steht nicht außer Verhältnis zu dem von ihr geltend gemachten Informationsinteresse. Das Informationsinteresse der Klägerin ergibt sich nicht nur allgemein aus ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Sie untermauert es mit dem Hinweis, die Beklagte habe die Klägerin betreffende medizinische Daten über das Internet versandt. Zudem habe sie medizinische Daten an die Stadtverwaltung K. ohne erkennbare Rechtfertigung (im Rahmen des SGB IX) weitergegeben. Schließlich habe sie ohne gesetzliche Grundlage Sozialdaten an die Bundesagentur für Arbeit übermittelt.

Der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand ist zudem unter Berücksichtigung effizienter, kostensparender Verfahren zu bemessen. Um eine Auskunft zu ermöglichen, bestimmt die verantwortliche Stelle unter Berücksichtigung dieses Interesses das Verfahren, insbesondere die Form der Auskunftserteilung (vgl § 83 Abs 1 S 4 SGB X). In diesem Sinne ist es der Beklagten durchaus möglich, der Klägerin in einer Art und Weise Auskunft zu erteilen, die den organisatorischen Aufwand in Grenzen hält, beispielsweise in Form der Gewährung von Akteneinsicht. Die Beklagte hat es bei alledem in der Hand, die Aktenführung generell so zu gestalten, dass der Aufwand für die gesetzlichen Auskunftsrechte möglichst gering gehalten wird (vgl auch BVerfGK 7, 168, 184 = SozR 4-1300 § 25 Nr 1 RdNr 54).
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Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, die Auskunftserteilung müsse unterbleiben, soweit die Auskunft die ordnungsgemäße Erfüllung der in der Zuständigkeit der verantwortlichen Stelle liegenden Aufgaben gefährden würde, und deswegen das Interesse des Betroffenen an der Auskunftserteilung zurücktreten muss (vgl § 83 Abs 4 Nr 1 SGB X). Wenn die Beklagte die begehrte Auskunft erteilt, gefährdet die gewünschte Information als solche nicht die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Beklagten (vgl zu diesem wortlautgetreuen Ansatz auch BVerwGE 89, 14, 18; BFHE 203, 227, 233; BFHE 202, 425, 428; s auch Mallmann in Simitis, BDSG, 7. Aufl 2011, § 19 RdNr 84; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, 3. Aufl 2010, § 19 RdNr 23). Selbst wenn man entgegen den verfassungs- und europarechtlichen Wertungen – über den Wortlaut hinaus – Rechtsmissbrauch durch die Regelung des § 83 Abs 4 Nr 1 SGB X abwehren könnte, griffe eine solche Folge zu Lasten der Klägerin nach den dargelegten Grundsätzen effektiver Auskunftsgestaltung nicht ein.

Bewertung:

Die Entscheidung des BSG ist zu begrüßen, stärkt sie doch die Rechte des Versicherten gegenüber seiner Krankenkasse in erheblichem Umfange. Nach § 83 Abs 1 S 1 Nr 2 iVm Nr 1  SGB X ist dem Betroffenen auf Antrag über die zu seiner Person gespeicherten Sozialdaten, auch  soweit sie sich auf die Herkunft dieser Daten beziehen, und über die  Empfänger oder Kategorien von Empfängern, an die Daten weitergegeben  werden Auskunft zu erteilen. Das BSG stellt klar, dass dieser Auskunftsanspruch auch auf das zum Zwecke der Datenübermittlung verwandte Übermittlungsmedium bezieht, da bereits der Einsatz ungeeigneter, weil nicht vor dem unberechtigten Zugriff Dritter geschützer, Übermittlungswege  eine „unzulässige  Verarbeitung“ darstellen und Schadensersatzansprüche des Versicherten nach § 82 SGB X nach sich ziehen kann. In diesem Sinne fordert eine dem informationellen Selbstbestimmungsrecht genügende Datenverarbeitung gerade auch den Einsatz geeigneter technischer und organisatorischer Maßnahmen, die einen Schutz gegen die zufällige oder unrechtmäßige Zerstörung, den zufälligen Verlust, die unberechtigte Änderung, die unberechtigte Weitergabe und den unberechtigten Zugang – insbesondere wenn im Rahmen der Verarbeitung Daten in einem Netz übertragen werden – sicherstellen. Gerade der Versand von E-Mail ist jedoch nicht in jedem Falle sicher. Ihr Inhalt ist vielmehr (unverschlüsselt) genauso für jeden einsehbar wie der einer Postkarte auf dem Postweg. E-Mails lassen sich ohne allzu großen Aufwand abfangen, lesen und manipulieren. Gerade im Gesundheitswesen sollte das Thema E-Mail-Sicherheit in der Priorität daher weit oben angesiedelt werden. Diesem Umstand trägt die Entscheidung des BSG Rechnung, sie sollte daher auch anderen gesetzlichen Krankenversicherung als Warnung gelten.

Dr. Robert Kazemi