Rechtstipp Oktober 2010 Das ärztliche Aufklärungsgespräch im Wandel der Technik

Das ärztliche Aufklärungsgespräch im Wandel der Technik

Vieles ist einfacher geworden. Die korrekte Aufklärung vorab invasiver medizinischer Eingriffe ist ein immer heisseres Thema. Vor allem die zunehmende Zahl von Patientenanwälten forscht nach diesbezüglichen Versäumnissen des Behandlers, um Schadenersatzforderungen durchzudrücken. Hier ein interessanter Aufsatz aus der Kanzlei Ratajczak und Partner, Abdruck mit freundlicher Genehmigung.

Die Verwendung, der Zweck und der Nutzen von Aufklärungsbögen im Rahmen eines ärztlichen Eingriffs werden in nahezu jedem Arzthaftungsfall diskutiert. Die Rechtsprechung hierzu scheint mittlerweile gefestigt zu sein und doch gibt es technische Möglichkeiten, die bislang nicht in den Urteilen des Bundesgerichtshofes für Zivilsachen aufgetaucht sind. Das Aufklärungsgespräch Die Aufklärung des Patienten muss mündlich in einem Gespräch erfolgen, wie es der Bundesgerichtshof für Zivilsachen wiederholt entscheiden hat. Technisch gesehen kann es in einfachen Fällen jetzt sogar genügen, dass der Arzt den Patienten in einem Telefongespräch über die Risiken aufklärt, wenn dieser damit einverstanden ist. Denn auch in einem Telefonat kann sich der Arzt davon überzeugen, dass der Patient die Informationen verstanden hat und er hat die Gelegenheit, individuelle Fragen zu stellen. Darüber hinaus bleibt es dem Patienten unbenommen, um ein persönliches Gespräch zu bitten (BGH Urt. v. 15.06.2010, Az.: VI ZR 204/09, 15 min. Telefongespräch über Anästhesie). Das Gespräch ist in einem dem Patienten verständlichen Sprachstil zu führen. Spricht ein Arzt zu schnell, undeutlich und gerade zu staccato, ist davon auszugehen, dass der Patient dem Informationsfluss nicht folgen konnte, so dass kein Aufklärungsgespräch als Voraussetzung einer wirksamen Einwilligung vorliegt (LG Köln Urt. v. 09.04.2008, Az.: 25 O 72/05). Demgegenüber erfüllt eine rein schriftliche Aufklärung nach wie vor nicht die Erfordernisse einer umfassenden Information des Patienten. Das Aufklärungsgespräch wird nicht durch das Aushändigen von Merkblättern oder Aufklärungsbögen ersetzt. Denn der Arzt kann nicht darauf vertrauen, dass der Patient den Inhalt des Aufklärungsbogens tatsächlich zur Kenntnis genommen und verstanden hat, so dass er dies in einem Gespräch klären muss (OLG Oldenburg Urt. v. 27.02.2009, Az.: 5 U 43/08). In diesem Rahmen sind die Aufklärungsbögen lediglich ein Indiz dafür, dass die Aufklärung nach Maßgabe der schriftlichen Bestätigung stattgefunden hat (OLG Oldenburg Urt. v. 02.11.2005, Az.: 5 U 69/05). Dabei schadet es nicht, wenn die handschriftlichen Vermerke unleserlich sind, weil es nur darauf ankommt, dass dem Patienten in dem Aufklärungsgespräch die Gelegenheit gegeben wurde, individuelle Fragen zu stellen (BGH Urt.v.15.06.2010, Az.: VI ZR 201/09). Inhalt des Aufklärungsgespräches Im Aufklärungsgespräch soll dem Patienten eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren vermittelt werden. Der Arzt muss das Aufklärungsbedürfnis, Aufklärungswunsch, die Anamnese und die Persönlichen Verhältnisse des Patienten ermitteln, soweit das im Rahmen des Arztgesprächs zumutbar ist (BGH Urt. v. 04.11.1975, Az.: VI ZR 226/73; Urt. v. 23.10.1979, Az.: VI ZR 197/78). Der Grad der erforderlichen Aufklärung über mögliche unerwünschte Folgen richtet sich nach der allgemeinen Erkenntnisfähigkeit des Patienten und seiner Krankengeschichte (BGH Urt. v. 23.10.1979, Az.: VI ZR 197/78; VersR 1961, 1036,). Steht der Patient der Materie nicht ganz fremd gegenüber, kann ihm zugemutet werden, von sich aus Fragen zu stellen und so auf eine vollständige Belehrung hinzuwirken, falls diese ihm zu unvollständig erscheint (BGH Urt. v. 04.11.1975, Az.: VI ZR 226/73). Der Arzt darf die Fragen nie unrichtig oder irreführend beantworten und muss auch berücksichtigen, dass die Patienten durch eine situationsbedingte Befangenheit davon abgehalten werden, Umstände zu erfragen, die für sie ersichtlich von Interesse sein können und daraufhin entsprechend aufklären (BGH Urt. v. 23.10.1979, Az.: VI ZR 197/78). Es ist nicht erforderlich, dass die Risiken medizinisch exakt und in allen denkbaren Erscheinungsformen mitgeteilt werden (BGH Urt. v. 14.03.2006, Az.: VI ZR 279/04). Der Arzt muss dem Patienten die Risikohäufigkeit bzw. Komplikationsdichte nicht nach statistischen Größen beziffern (BGH Urt. v. 07.04.1992, Az.: VI ZR 216/91). Auf Nachfrage oder bei erkennbarem Interesse des Patienten an weiteren Informationen, kann eine verbale Einordnung als relativ häufiges, seltenes oder sehr seltenes Risiko erforderlich, aber auch ausreichend sein (OLG Naumburg Urt. v. 14.02.2008, Az.: 1 U 66 /07). Handelt es sich um einen Eingriff, welcher sowohl nach seinem Verlauf als auch hinsichtlich seines Schweregrades wegen seiner Häufigkeit der Allgemeinheit in besonderem Maß vertraut ist (Blinddarmoperation) kann sich der Arzt bei der Aufklärung über Natur und Risiko dieses Eingriffs im allgemeinen kurz fassen. Er muss sich indes davon überzeugen, dass der Patient nicht irrig davon ausgeht, dass dieser Eingriff wegen seiner Alltäglichkeit ganz ungefährlich ist (BGH Urt. v. 23.10.1979, Az.: VI ZR 197/78). Ein äußerst seltenes Risiko, das die Lebensführung des Patienten schwer belasten würde und dessen Eintritt für den Laien überraschend ist, ist hingegen stets aufklärungspflichtig (BGH Urt. v. 18.11.2008, Az.: VI ZR 198/07). Bei einer dauerhaften Schädigung, kann der Arzt nicht ohne weiteres erwarten, dass der Patient die verwendeten Begrifflichkeiten im Aufklärungsbogen versteht und die richtigen Schlüsse daraus zieht. Deswegen muss er sich mündlich und ungefragt vergewissern, dass dem Patienten das Risiko einer irreversiblen Schädigung bewusst ist (OLG Stuttgart, Urt. v. 15.05.1997, Az.: 14 U 21/96). Mitverschulden des Patienten bei der Aufklärung Bei den Angaben über die persönlichen Verhältnisse kann den Patienten ein anspruchsminderndes Mitverschulden gemäß § 254 Absatz 1 BGB treffen, wenn durch sein Verhalten ein falsches Bild über das Aufklärungsbedürfnis entstanden ist und ihn der Arzt aus diesem Grund nicht gründlich genug aufgeklärt hat. Das ist anzunehmen, wenn der Patient den Anschein erweckt, dass er mit den medizinischen Gegebenheiten vertraut ist und er die Risiken kennt oder ihm diese gleichgültig sind und/ oder eine unvollständige oder falsche Auskunft über persönliche Verhältnisse angibt, von denen er wusste oder bei denen er erkennen konnte, dass sie für den Aufklärungsumfang bedeutend waren (BGH Urt. v. 04.11.1975, Az.: VI ZR 226/73; Urt. v. 23.10.1979, Az.: VI ZR 197/78). Resümee Die Rechtsprechung hat sich den technischen Möglichkeiten schon insoweit angepasst, dass ein Telefongespräch in einfachen Fällen als ausreichend angesehen werden kann. Die daraus folgende Zeitersparnis vermag indes nicht die damit verbundenen Beweisschwierigkeiten aufzuwiegen. Darlegungs- und beweispflichtig für die erfolgte richtige und vollständige Aufklärung ist der Arzt (BGH Urt. v. 07.04.1992, Az.: VI ZR 216/91; OLG Karlsruhe, Urt. v. 08.10.2003, Az.: 7 U 6/02). Kann er sich nicht mehr an das Aufklärungsgespräch erinnern und ist das sich realisierende Risiko weder im Aufklärungsbogen noch in der Patientenkartei beschrieben, hat er den von ihm zu führenden Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung regelmäßig nicht erbracht (OLG Koblenz Urt. v. 1.4.2004, Az.: 5 U 1086/03). Im Gegensatz dazu rechtfertigt der von dem Patienten unterzeichnete Aufklärungsbogen mit handschriftlichen Vermerken die Annahme, dass der Arzt mit dem Patienten über die Risiken des Eingriffs mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gesprochen hat (OLG Köln Urt. v. 27.05.2002, Az.:5 U 78/96; BGH Urt. .v. 08.01.1985, Az.: VI ZR 15/83). Insbesondere lässt sich dort auch der Eindruck von dem Patienten in Hinblick auf sein Aufklärungsbedürfnis bezüglich der von ihm gemachten Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen fixieren, die gegebenenfalls ein anspruchsminderndes Mitverschulden des Patienten an einer unzulänglichen Aufklärung begründen. Die Haftung wegen eines Aufklärungssäumnisses kann mangels eines Verschulden des Arztes sogar gänzlich ausscheiden, wenn der Patient vorinformiert ist, weil er einen Aufklärungsbogen weniger als vier Monaten in Besitz hatte, die Passage unterschrieb, wonach er alles gelesen und verstanden hat und ein mündliches Aufklärungsgespräch stattfand, dessen individuelle Details handschriftlich von dem Arzt vermerkt wurden (OLG Koblenz Urt. v. 12.06.2008, Az.: 5 U 1630/07).

Dr. Henrike John, Sindelfingen

john@rpmed.de
www.rpmed.de

 

 

Rechtstipp September 2010 Abrechnungsfähigkeit von ästhetischer Kieferorthopädie

Abrechnungsfähigkeit von ästhetischer Kieferorthopädie

Von Prof. Dr. Robert Fuhrmann, Halle a.d. Saale

Seit Jahrtausenden setzen die Menschen viel daran, ihren Körper, besonders ihr Gesicht zu verschönern, und nehmen dafür jedwede Form der Behandlung auf sich.

Ziel all dieser Behandlungen ist zu jeder Zeit die äußere Erscheinung vorteilhaft zur Geltung zu bringen, Aufmerksamkeit zu erregen, eine grundlegende Veränderung des „Gesichtes als Visitenkarte“ herbeizuführen, koste es, was es wolle. Früher war jedoch das Gesicht ‚gottgegeben‘ also genetisch definiert, heute wird das Gesicht zum Kunstwerk, das sich künstlich ändern lässt. Die plastisch – kosmetische Chirurgie und die ästhetische bzw. kosmetische Zahnmedizin versprechen ein neues Gesicht mit mehr ‚Schönheit‘. Ästhetik steht meist in Verbindung zu perfekter Funktion. Dabei ist die Kieferorthopädie ein wichtiger Baustein in der präventiven Zahnmedizin. Ästhetische Orthodontie erfüllt nach der befundbezogenen Einbeziehung von parodontologischen, endodontologischen und restaurativen Erwägungen einen grundlegenden medizinischen Bedarf. Voraussetzung dafür ist eine eindeutige medizinische Indikationsstellung zur Rehabilitation bzw. erneuten Stabilisierung der Funktionsfähigkeit des Kauorgans. Die medizinischen Indikationen haben sich dabei in der Kieferorthopädie in den letzten Jahrzehnten präventionsorientiert verändert. Neue Techniken, insbesondere die ‚unsichtbaren’ Behandlungsformen erlauben verstärkt ältere Erwachsene für die zeitlich anspruchsvolle Therapie zur Erneuerung ihrer Gebissfunktionalität und Ausstrahlung zu gewinnen. Die Verbesserung der dentofazialen Ästhetik bei gleichzeitiger Stabilisierung der Funktionsfähigkeit wird bei erwachsenen Patienten zum entscheidenden Behandlungsmotiv. Der Bedarf und die Nachfrage ist in der Altersgruppe der 15- bis 40-Jährigen am höchsten. In diesem Lebensabschnitt wird ein attraktives Gesicht mit beruflichem Erfolg, Prestige und erleichterter Kontaktaufnahme assoziiert. Gerade die Zähne sind im Laufe der letzten 50 Jahre mehr und mehr zum zentralen Mittelpunkt des Lächelns geworden. Dabei gibt es teilweise eine auffällige Diskrepanz zwischen den objektiv vorliegenden Befunden und der subjektiven Selbsteinschätzung. Deshalb muss man bei der Behandlungskonzeption und Indikation vorsichtig sein, nicht auf Patienten zu treffen, bei denen tiefer liegende psychische Probleme wie z.B. Depressionen oder Beziehungsprobleme die dentale Problematik überlagern. Die Ästhetikwelle hat sich in den letzten Jahren zu einem festen Teil der Zahnheilkunde mit schnell wachsenden Umsatzanteilen etabliert. Moderne Marketingkonzepte für die kieferorthopädische Praxisdarstellung oder im Rahmen der Werbung für die spezifischen Dienstleistungsangebote, wie die ‚unsichtbare’ Behandlung mittels transparenten Schienen oder Lingualtechnik haben dazu geführt, dass sich so manche Zahnarztpraxis heute zum Zentrum für Ästhetische oder Kosmetische Zahnmedizin bzw. Kieferorthopädie umbenennt. Auf allen Inseraten, Praxisschildern,T-shirts und den Briefköpfen erkennt man das neue Praxismotto ‚create your smile‘ im Sinne einer durchaus perfekten zahnärztlichen ‚Corporate Identity‘. Diese neuen Marketingkonzepte sind sicherlich zeitgemäß und erfolgreich, aber bergen eine Reihe von Risiken. Finanzielle Risiken Die enge Vernetzung zwischen eugnather Okklusion und Artikulation, ästhetischer Zahnaufstellung und ihrer ‚Halbschwester’ der kosmetischer Zahnmedizin macht es für die Steuerbehörden, Kostenerstatter und Gerichte teilweise schwierig, zwischen medizinischer, ästhetischer Indikationsstellung und kosmetischer Leistungserbringung zu differenzieren. Voraussetzung zur Anwendung der zahnärztlichen bzw. ärztlichen Gebührenordnung (GOZ) ist meistens, dass es sich um eine medizinische Leistung handelt. Eine kosmetische Leistungserbringung erfolgt häufig ohne medizinische Indikationsstellung auf Wunsch des Patienten, so dass hier die Vereinbarung zwischen Arzt und Patient nicht auf einem klassischen Behandlungsplan (GOZ 004) basiert, sondern eine Behandlung auf Verlangen darstellt (GOZ 002). Mehrwertsteuerpflicht für Ästhetik- Anbieter ? Medizinische Dienstleistungen, die ausschließlich auf Wunsch des Patienten subjektiv empfundene Schönheitsfehler beseitigen, ohne jegliche medizinische Indikationsstellung – sind mehrwertsteuerpflichtig. Die Mehrwertsteuerpflicht bedeutet für Praxisinhaber, die kosmetische Zahnmedizin betreiben, dass eventuell 19% vom Praxisumsatz abgeführt werden müssen. Da diese Pflicht zur Entrichtung von Mehrwertsteuer bei Zahnarztpraxen meistens im Rahmen einer Betriebsprüfung diskutiert wird, ergibt sich schnell ein mehrjähriger Veranlagungszeitraum und damit sechsstellige Summen. Fragliche Genehmigungs- und Erstattungsfähigkeit Orthodontische Behandlungsmaßnahmen, die allein auf Veranlassung bzw. Wunsch des Patienten nach neuer ästhetischer Frontzahnaufstellung ohne klar definierte medizinische Indikationsstellung durchgeführt werden, sind häufig durch gesetzliche oder private Kostenerstatter nicht oder nur eingeschränkt genehmigungs- und erstattungsfähig. Kieferorthopädische Behandlungspläne, die allein eine ästhetische Reorientierung oder Neuaufstellung der Incisivi zum Schluss der dunklen interdentalen Dreiecke und / oder eine Verbesserung der rot-weiß Relation im Frontzahnbereich aus ästhetischen Gründen beantragen, werden von vielen Kostenerstattern als medizinisch nicht notwendig eingestuft und zurückgewiesen. Bei orthodontisch – ästhetischen Behandlungsmaßnahmen sollte man den Patienten die Vorausetzungen für die Genehmigungs- und Erstattungsfähigkeit im Rahmen der Kostenaufklärung eingehend vermitteln. Nach den ersten nicht erstatteten Liquidationen, kann die verständliche emotionale Aufgebrachtheit beim Patienten schnell dazuführen gegen den Zahnarzt als Leistungserbringer vorzugehen. Erwachsenbehandlung wird als reine ‚Ästhetik’ oder ‚Kosmetik’ abgestempelt Private Kostenerstatter haben mittlerweile verschiedenste Strategien zur Ablehnung von kieferorthopädischer Behandlungsmaßnahmen bei Erwachsenen entwickelt. Beinahe jeglicher orthodontischer Behandlungsplan wird als allein ästhetisch motivierte Therapie eingestuft. Dazu notwendige ‚Gefälligkeitsgutachten’ oder Stellungnahmen finden sich schnell im zahnärztlichen Markt. Die Erstattungsfähigkeit wird entweder komplett oder teilweise abgelehnt. Die Argumentationsgrundlage für einzelne private Krankenkassen wird dabei vermehrt an die restriktive Genehmigung von Behandlungsplänen bei Erwachsenen aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. Beihilfe angelehnt. Die gesetzlichen Regelungen bei der vertragszahnärztlichen Versorgung richten sich bekanntlich nach § 29 des SGB V. Ausgehend von diesen Vorgaben bei den gesetzlichen Krankenversicherungen, möchte einige private Kostenerstatter nur noch schwerwiegende craniofaziale Kieferanomalien mit angeborenen Missbildungen des Gesichts, ausgeprägte skelettale Dysgnathien oder verletzungsbedingte Kieferfehlstellungen genehmigen, die mindestens in die Behandlungsgrade A5, D4, M4, O5, B4 oder K4 der Indikationsgruppen eingestuft werden können. Die Ausgrenzung medizinisch indizierter orthodontischer Maßnahmen bei erwachsenen Patienten durch private Kostenerstatter analog zu den gesetzlichen Krankenkassen ist nicht statthaft und steht meistens in Widerspruch zu den Versicherungsbedingungen, die beim Abschluss der privaten Krankenversicherung gültig waren. Immer mehr betroffene Patienten und Kieferorthopäden haben sich in letzter Zeit erfolgreich gegen die Vorgehensweise der privaten Kostenerstatter durchgesetzt. Vorausetzung dazu ist meist ein unabhängiges und gerichtsfestes Gutachten. Uneingeschränkte Therapiefreiheit in der Kieferorthopädie ? Vorausetzung für die Kostenerstattung ist der Nachweis der medizinischen Notwendigkeit durch den Versicherten bzw. seinen behandelnden Arzt. Die Definition von medizinischer Notwendigkeit in der aktuellen Rechtssprechnung lautet: ‚Eine Heilbehandlung ist medizinisch notwendig, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen. Für die Erstattungspflicht der privaten Krankenkasse kommt es auf die objektive medizinische Notwendigkeit an. Im sogenannten Alpha-Urteil vom 12.3.2003, IV ZR 278/01 wird klar herausgestellt, dass nachdem die medizinische Notwendigkeit nachgewiesen wurde, muss der Patient bei der Wahl der Therapie nicht die preisgünstigste Möglichkeit wählen. Drei Jahre später hat der BGH die Feststellungsklage einer KFO-Patientin gegen ihre PKV befürwortet (IV ZR 131/05, 8.Februar 2006). Die PKV hatte eine Zusage kategorisch verweigert, da der Versicherungsgutachter nur ein kombiniertes Vorgehen mit chirugischer Bisslagekorrektur als medizinisch sinnvoll angesehen hat. Im Kommentar dazu schrieb der BGH: Die Klägerin habe einen Anspruch gegenüber ihrer PKV darauf, vor einem nicht abzuschätzenden Kostenrisiko geschützt zu werden. Entscheidend, so der BGH, kommt es auf die Eignung einer medizinischen Maßnahme an, eine Krankheit zu heilen oder zu lindern. Der BGH nimmt die zahnärztliche Therapiefreiheit ernst und formuliert: Eine Behandlung kann auch dann medizinisch sinnvoll sein, wenn ihr Erfolg nicht sicher vorhersehbar ist. Es genügt, wenn die Befunde zum Zeitpunkt der Behandlung als vertretbar erscheinen lassen, die Behandlung als notwendig anzusehen. Diese eindeutige BGH- Rechtssprechung für die Versicherten und die zahnärztliche Therapiefreiheit wird durch das neue Versicherungsvertragsgesetz zukünftig beeinflusst werden. In diesem Gesetz wird ein neuer Begriff der Übermaßbehandlung definiert. Was in der Kieferorthopädie eine Normal- bzw. Übermaßbehandlung ist, wird in den nächsten Jahren vermutlich vor Gericht landen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit durch dieses Versicherungsvertragsgesetz die Therapiefreiheit in der Kieferorthpädie sich verändert. Überprüfbare und legale Abrechnung Private Liquidationen werden zunehmend von privaten Kostenerstattern und der Beihilfe hinsichtlich der Abrechnung adäquater Gebührenpositionen und angemessener Steigerungsfaktoren auf Plausibiltät überprüft. Bei Unstimmigkeiten werden die entsprechenden Gebührenpositionen durch die Sachbearbeiter immer häufiger nicht erstattet, teilweise mit dem Hinweis ‚Ihr Zahnarzt rechnet falsch ab’. Die Patienten bringen diese Briefe mit in die Praxis, mit der Bitte um Klarstellung, Korrektur bzw. Erstattung. Obwohl die aktuelle Gebührenordnung bereits 20 Jahre alt ist und unzählige teilweise widersprüchliche GOZ-Urteile bei unterschiedlichen Gerichten und Instanzen bundesweit ergangen sind, halten sich viele Kostenerstatter nicht an diese Rechtssprechung. Hinweise dass diese GOZ- Positionen zweideutig oder umstritten sind, fehlen in diesen Schreiben weitestgehend. Das Ansetzen von umstrittenen Gebührenpositionen, wie der Position Ä3 für eine umfassende längere Beratung oder der GOZ-Position 203 für das Separieren vor dem Setzen der Bänder werden von manchen Praxen gar nicht mehr abgerechnet, um die Anzahl der Abrechnungskonflikte bzw. Patientenreklamationen zu reduzieren. Obwohl in vielen Praxen überwiegend die Zahnarzthelferinnen die Abrechnung vornehmen, sollten sich die Ärzte darüber im Klaren sein, dass Sie allein für die Liquidation haften. Das werbewirksame Abrechnungsmotto ‚ alles was geht’ hat in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass viele Gebührenziffern aus der Gebührenordnung für Ärzte unkontrolliert in den Liquidationsbereich der Kieferorthopädie eingebunden wurden. Dies hat das Ausmaß und die Anzahl der Konflikte weiter verschärft. Zur Erreichung einer höheren Rechtssicherheit und zur Reduktion von Abrechnungskonflikten, sollte man vor allem spezifische KFO-Positionen in den Vordergrund der Liquidationserstellung stellen. Zur Wahrung der Umsatzneutralität, empfiehlt es sich die kieferorthopädischen Gebührenpositionen angemessen zu steigern. Umstellung der zahnärztlichen Gebührenordnung Die derzeit laufende Diskusssion über die Umstellung der zahnärztlichen Gebührenordnung (GOZ 2008) wird durch die vermutete und befürchtete ‚Bematisierung’ der kieferorthopädischen Leistungspositionen vorschnell emotionalisiert. Niemand außerhalb des BMG weiß zur Zeit wie die definitve GOZ 2008 aussehen wird und vor allem wann Sie in Kraft treten wird. Der bisher vorliegende Referentenentwurf hat dabei zur Verunsicherung massiv beigetragen. Vorschnelle Fortbildungskurse, die den Inhalt des Referentenentwurfs zu Basis haben, werden nach dem definitiven GOZ – Erlass weitestgehend Makulatur sein. Das abwarten auf die definitve GOZ- Verordnung ist bei dem aktuellen Pegelstand der Angst zwar schwierig aber unvermeidlich. Bei allen Risiken durch die anstehende GOZ- Verordnung und das neue Versicherungsvertragsgesetz bin ich zuversichtlich, dass sich zukünftig erstattungsfähige Regelungen für eine angemessene Honorierung kieferorthopädischer Dienstleistung finden lassen.

Anmerkung

Weitere Informationen finden sie auf der Homepage www.kiss-orthodontics.de

 

 

Rechtstipp August 2010 Rechtliches und gebührenrechtliches Umfeld der Endobehandlung

Rechtliches und gebührenrechtliches Umfeld der Endobehandlung

Rechtliches Umfeld

01-Diagnose:
Endoproblem

ohne weitere Behandlung:
Aufklärung über Behandlungs-Notwendigkeit und Risiko
Karteivermerk über Ablehnung der Behandlung

01-Diagnose:
unvollständige Wurzelfüllung
Wunsch nach restaurativer Zahnbehandlung
alte Wurzelfüllung ohne sonstige pathologische Befunde

Nach alter Stellungnahmen der DGZK konnte Wurzelfüllung belassen werden,
wenn älter als zwei Jahre

Neue Stellungnahme:
1. Revision bei pathologischen Prozessen
2. Revision bei unvollständige Wurzelfüllung auch ohne jegliche Pathologie
3. keine Chirurgie ohne vorherige konservierende Revision
4. erhebliches Risiko, Erfolgsrate nur 60 bis 80%

01 Diagnose:
Endoproblem
Wunsch nach restaurativer Zahnbehandlung trotz klinischer/röntgenologischer Pathologie und ohne endodontische Behandlung

Risikoaufklärung, Karteivermerk:
Wunsch und Unterschrift des Patienten forensisch nutzlos. Behandlung ablehnen

Haftung:
Endo-Behandlung ist risikoreich
(Zahn- und Instrumentenfraktur, via falsa, Infektion)

Vorherige Aufklärung, Karteivermerk,
gegebenenfalls Unterschrift

Misserfolg bei lege-artis-Behandlung ist schicksalhaft, daher keine Haftung

Das frakturierte Endo-Instrument:
„Was kneifen sie auch immer ihren Wurzelkanal so zusammen? Jetzt haben wir die Bescherung!“

Die nachfolgenden Ausführungen sind keine offiziellen Stellungnahmen der Kammer oder der KZBV

der BEMA:
beschränkter Einsatz medizinischer Anwendungen, Bitte endlich mehr Abdingungen

GKV-Behandlung = richtlinien- und gesetzesorientiert
Endodontie ist Sachleistung
größter Erfolg mit geringsten Mitteln

Das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt nicht für den Zahnarzt, sondern nur für die Krankenkasse,

greift völlig unabhängig vom Behandlungsaufwand
ist verpflichtend für jeden Vertragszahnarzt

Tipp:
Nie die Kasse Ihres Patienten schlecht machen!

Systematik bei pflichtversicherten GKV-Patienten

1. Kassen-Endo mit privaten, außervertraglichen Zusatzleistungen

Elektrometrie, physikalische Maßnahmen, Laser, Cofferdam, zusätzliche Röntgenaufnahmen, dentinadhäsiver Aufbau, definitive Restauration

Vorteil:
Erhalt des Sachleistungsanspruches
Muß:
Gutes Einvernehmen mit dem Patienten
Cave:
Einspruch der KZV

Der Patient unterschreibt, dass er weiß,
dass die nachfolgenden Leistungen nicht zum Leistungsumfang seiner Kasse gehören,
dass die Kasse auf die Kosten keinen Zuschuss geben darf,
dass er den zugehörigen Heil und Kostenplan anerkennt

Kassen-Endodontie:

Es ist kritisch zu prüfen, ob ein endodontischer Erhaltungsversuch überhaupt angezeigt ist.

2. Private Endo – außerhalb der Richtlinien

Gangrän/mehrwurzlig, große apikale Läsionen, vorangegangene WSR, nicht abgeschlossenes Wurzelwachstum

Stark gekrümmte Kanäle, Apex nicht erreichbar, regulär nicht aufzubereiten, weit offener Apex

Erheblicher parodontaler Abbau,
sicheres Paro-Endo-Problem

Tiefe Karies, unsicherer Zahnerhalt,
Restauration kaum möglich, Kippung,
kein Antagonist.

Richtlinien zur Molaren-Endodontie:

Ungünstige Begleitumstände
(schlechte Erreichbarkeit, geringe Mundöffnung, starker Würger)

Nachteil:
Verlust des Sachleistungsanspruches
Muß:
Dentales Selbstbewusstsein gegenüber der GKV
Cave: gebührenrechtlich korrekt

Der pflichtversicherte Patient unterschreibt:

Dass die nachfolgenden Leistungen Behandlungen mit unsicherem Erfolg sind

Dass sie nach den Richtlinien seiner Kasse daher unwirtschaftlich sind

Dass er den zugehörigen Heil und Kostenplan anerkennt

Dass seine Kasse auf die Gesamtkosten von ……….. € keinen Zuschuss geben darf

GKV-Tipp:

Privatbehandlung außerhalb der Richtlinien ohne Kassenzuschuß (Endo, Paro, extremer Zahnerhalt)

Patient einverstanden, trotzdem Vorlage bei Krankenkasse zwecks Bezuschussung

Sachbearbeiter Unverschämtheit

Anlage: Erklärung vom Zahnarzt, von Krankenkasse unterschreiben lassen

Behandlungsfall richtliniengemäß, dennoch komplette Privatbehandlung

Nachteil: Verlust des Sachleistungsanspruches
Vorteil: Möglichkeit hervorragender, richtlinienfreier Endodontie, langfristiger Zahnerhalt
Muß: Dentales Selbstbewusstsein gegenüber GKV
Cave: gebührenrechtlich korrekt

Der Patient unterschreibt, dass er weiß:
Dass er auf die Sachleistungzu Gunsten der GOZ-Behandlung verzichtet
Dass er den zugehörigen Heil und Kostenplan anerkennt
Dass die Kasse auf die Gesamtkosten keinen Zuschuss geben darf und wird

Endodontische Revision

Alternativen bei postendodontischer Erkrankung:

Die Vertragsleistung:

chirurgische Behandlung mit WSR, sehr fraglichem Erfolg, lästig und unangenehm, wirtschaftlich obsolet, im Streitfall problematisch

Die Privatleistung:
Orthograde Revision, unblutig, schmerzfrei, bessere Prognose

Richtliniengemäße Ausnahme:
Alte, nicht randdichte oder unvollständige Wurzelfüllung ohne pathologischen Befunde

Aber nur, wenn gute Erhaltungs-Prognose, Aufbereitung bis zum Apex möglich
Molaren-Indikation vorhanden

Der Patient unterschreibt, dass er weiß:
Revision ist Risikobehandlung ohne Erfolgsgarantie (Instrumentenbruch, Infektion, via falsa, Beschädigung von Zahnersatz, eventuell Verlust des Zahnes)
Revision ist ein für die GKV unwirtschaftlicher Erhaltungsversuch
Keinerlei GKV Zuschuss auf die Kosten.

Achtung: immer gebührenrechtlich korrekte private Vereinbarungen mit Kassenpatienten

Die Alternative: GOZ-Endo oder Zange ist vertragswidrig

Jeder kann sich privat behandeln lassen (§45b, BMVT /§8, Abs. 8)

Keine Zuzahlungen zu BEMA-Leistungen

GOZ Positionen:

230 (Entfernung eines Wurzelstiftes), gegebenenfalls für Stift und Wurzelfüllung zweimal ansetzen

214 gegebenenfalls mehrfach pro Kanal, wenn medizinische Indikation vorhanden ist

240, 242 keine Begrenzung der Anzahl in der GOZ, durchaus je zweimal pro Sitzung

TEXTBAUSTEIN

Briefbogen des Zahnarztes

Betr. Patient: ________________________________ geb. __________

Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse für nicht richtlinienenkonforme Leistungen bei der Wurzelkanalbehandlung

Entsprechend den vom Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen gemäß § 92 Abs. 1 SGB V beschlossenen Richtlinien und der am 5.11.2003 beschlossenen Änderungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragzahnärztliche Leistungen sind, wie im Aufklärungsgespräch dem Patienten eingehend erläutert, folgende Maßnahmen keine bzw. nicht mehr vertragszahnärztliche Leistungen und dürfen daher nicht mehr als Sachleistungen zu Lasten der Krankenkasse abgerechnet werden:

Zahn ____________, Wurzelkanalbehandlung die den geltenden Richtlinien nicht entspricht (prognostisch unsicheres Ergebnis bzw. in geltenden Richtlinien aufgeführte Ausschlusskriterien).

Zahn _____________ Endodontische Revision (Entfernung von Wurzelfüllungen / prothetischen Aufbauten) bei pathologischem Befund.

Die Leistung ist somit unwirtschaftlich i.S. § 12 Abs. 1 SGB V.

Eine Vereinbarung entsprechend den Bestimmungen § 4 BMV-Z Abs. 5 b bzw. § 8 EKV-Z Abs. 3 wurde dem Patienten ausgehändigt und ist als Anlage beigefügt.

_____________________ , den _____________________________ (Unterschrift Zahnarzt)

Erklärung der Krankenkasse:

Wir erklären entgegen den vorgebrachten Bedenken des Vertragszahnarztes die vollumfängliche Abrechenbarkeit der aufgeführten Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse und fordern den Vertragszahnarzt auf, die aufgeführten Leistungen als Sachleistung zu erbringen und entsprechend BEMA abzurechnen.

Wird bei der Abrechnung durch Prüfgremien die Unwirtschaftlichkeit bzw. die nicht richtliniengemäße Erbringung der Maßnahme festgestellt oder bemängelt, dass die abgerechneten Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht worden sind, verzichtet die Krankenkasse auf alle Erstattungsansprüche gegenüber dem Vertragszahnarzt und erklärt darüber hinaus, die sozial- und zivilrechtliche Haftung aus allen sich aus dieser Abrechnung sich ergebenden Honorar- oder Regressansprüchen vollumfänglich zu übernehmen.

_______________________________________
Unterschrift des Geschäftsstellenleiters Stempel

Zahnärztliche Stellungnahme zur vertragszahnärztlichen Wurzelbehandlung

Gemäß Richtlinie B III 9. des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs Bema, des Wirtschaftlich-keitsgebots gemäß § 12 Sozialgesetzbuch V (SGB V) bzw. der Feststellung einer ungünstigen Prognose gehört die Wurzelbehandlung nachfolgend bezeichneten Zahnes nicht zur vertrags-zahnärztlichen Versorgung. Ein trotzdem unternommener Behandlungsversuch kann deshalb nur nach der privaten Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ, Stand 1988) berechnet werden.

Zahn/Zähne ___________

Gründe:

□ Der Backenzahn (Molar) mit akuter Erkrankung bzw. Schädigung des Zahnmarks (Pulpa) bzw. nekrotischen Zahnmarks erfüllt nicht die Ausnahmeregelungen gemäß den Richtlinien für die Therapiewürdigkeit (Richtlinien Nr. 9.):
eine geschlossene Zahnreihe zu erhalten,
eine einseitige Freiendsituation zu vermeiden
funktionstüchtigen Zahnersatz zu erhalten.

□ Keine Klassifizierung gemäß Ingle-Klasse I (Unkompliziert, gerader bis leicht gebogener Wurzelkanal, abgeschlossenes Wurzelwachstum Foramen apicale geschlossen) und
keine ausreichend gute Zugänglichkeit,
keine ausreichend gute Erreichbarkeit (Mundöffnung Überkronung etc.),
keine ausreichend gute Auffindbarkeit des Wurzelkanalsystems.
Dadurch ist die Aufbereitbarkeit des Wurzelkanals und die Möglichkeit der Wurzelfüllung bis (bzw. bis nahe) an die Wurzelspitze und damit die Prognose fraglich. (Richtlinien Nr. 9.1.a)

□ Der nekrotische Zahn weist eine röntgenologisch festgestellte apikale Parodontitis (Entzündungsherd) auf. Die kritische Prüfung ergab zum Zeitpunkt der Diagnostik eine unsichere Prognose. Es wird der Versuch einer konservativen, nicht-chirurgischen Therapie unternommen. (Richtlinien Nr. 9.4)

□ Wurzelgefüllter Zahn mit im Röntgenbild erkennbarer unvollständiger, nicht randständiger oder undichter Wurzelfüllung. Die Revision erfüllt nicht die Ausnahmeregelungen gemäß den Richtlinien für die Therapiewürdigkeit
(Richtlinien Nr. 9.4.)
eine geschlossene Zahnreihe zu erhalten,
eine einseitige Freiendsituation zu vermeiden
funktionstüchtigen Zahnersatz zu erhalten.

□ Die Gesamtprognose des Zahnes ist auf Grund des hohen Zerstörungsgrades und/oder der reduzierten parodontalen und/oder prothetischen Wertigkeit ungünstig (Richtlinien Nr. 9.5).

Die voraussichtlichen Kosten betragen etwa _____________ Euro und sind vom Patienten zu tragen. Die gesetzliche Krankenkasse leistet hierzu keinen Zuschuss.

Datum Unterschrift des Zahnarztes

Endodontische Maßnahmen: Welche Leistungen können jetzt privat abgerechnet werden?

Die medikamentöse Einlage „Med“ kann nur noch insgesamt dreimal über die gesetzliche Krankenkasse abgerechnet werden, Jede weitere „Med“ ist Privat dem Patienten in Rechnung zu stellen.

Die zusätzliche Anwendung pysikalischer Methoden die „PHYS“ ist aus dem Katalog der gesetzlichen Krankenkasse gestrichen worden. Diese Behandlung ist dem Patienten privat in Rechnung zu stellen.

Endodontie ist grundsätzlich Vetragsleistungen, aber ….

Nun stellt sich nach dem In-Kraft-Treten des neuen Bema die Frage, wann endodontische Maßnahmen noch eine Kassenleistung sind und wann sie dem Patienten privat in Rechnung zu stellen sind, weil die genannten Kriterien nicht zutreffen. Mit dieser Frage befasste sich Dr. Janusz Rat aus München.
Die neuen Richtlinien zur endodontischen Behandlung präzisieren die Wurzelbehandlungsmaßnahmen, die zur vertragszahnärztlichen Versorgung gehören. Speziell sind dies die Richtlinien des Kapitels B, III 9. Aber auch die übrigen Richtlinien haben zu den endodontischen Maßnahmen Quer- bzw. Fernwirkungen. Grundsätzlich sind endodontische Maßnahmen zwar Vertragsleistungen, aber nur dann, wenn die Prognose günstig ist, Ausnahmekriterien nicht zutreffen oder der Erhalt des Zahnes eine funktionelle Bestimmung hat. Der Zahnarzt muss zum Zeitpunkt der Diagnostik die Prognose und Wertigkeit des entsprechenden Zahnes einstufen.

Prognose sollte kritisch erfolgen
Wichtig ist in diesem Zusammenhang insbesondere der ursprüngliche Röntgenbefund, der gegebenenfalls auch Beweiszwecken zu dienen hat, falls nachträglich die prognostische Einschätzung des behandelnden Zahnarztes in Frage gestellt würde. Vor allem die Beurteilung der endodontischen Prognose von Molaren und sonstigen mehrwurzeligen bzw. mehrkanäligen Zähnen, Zähnen mit anatomischen Auffälligkeiten oder einem starken Zerstörungsgrad sollte entsprechend kritisch erfolgen. Zur prognostischen Einschätzung gehört auch die Einbeziehung der prothetischen, parodontologischen und statischen Wertigkeit des Zahnes.

1. Kombiniert endodontisch/prothetische Prognose
Ist beispielsweise die klinische Krone so weit zerstört, dass eine anschließend notwendige Überkronung des Zahnes prognostisch fraglich ist (die jedoch zu einem Erhalt des Zahnes unabdingbar ist), so scheidet damit die Wurzelbehandlung als Vertragsleistung aus. Hierzu gehört eine ausreichende biologische Breite zwischen gesunder Zahnsubstanz und dem Alveolarknochen, die zur Ausbildung eines Gingivalsaums notwendig ist.
Ist die Zerstörung der klinischen Krone so weit fortgeschritten, dass hierzu zusätzliche Maßnahmen notwendig sind, so ist ein solcher Behandlungsversuch nicht zu Lasten der Krankenkasse abrechenbar. Hierzu gehört etwa eine kieferorthopädische Extrusion (die auch noch unter die Erwachsenen-Kieferorthopädie fällt und damit keine Vertragsleistung mehr darstellt) oder ein chirurgisches zirkuläres Abtragen von Knochensubstanz (die zu einer weiteren Schwächung des Zahnes führt), um auch einen ausreichend breiten und damit dichten Kronenrand im Sinne einer Ferule anfertigen zu können.
2. Kombiniert endodontisch/parodontologische Prognose

Die Richtlinie B III 9.5 des Bema weist auf die kritische Prüfung hinsichtlich der kombinierten endodontisch/parodontologischen Prognose hin. Sobald ein Zahn mehrere pathologische Befunde aufweist, potenzieren sich die schlechten Voraussetzungen, also die ungünstige Prognose nimmt erheblich zu. Wenn beispielsweise schon ein “nur” parodontal erkrankter Zahn schwierig zu erhalten ist (etwa Knochenabbau, freiliegende Bifurkation, Lockerungsgrad, Kippung), so muss die kritische Prüfung bei einer auch noch vorliegenden periapikalen Parodontitis ergeben, dass die Behandlung wegen ungünstiger Prognose keine Vertragsleistung mehr darstellt.

3.Kombiniert endodontisch/statische Prognose

Soll ein endständiger Siebener als Brückenpfeiler erhalten werden, der jedoch einen Kippungsgrad von mehr als 30 Grad aufweist, so führt dieser Kippungsgrad zu einem Ausschluss einer Brückenversorgung aus statischen Gründen. Damit ist der endodontische Erhalt des Zahnes im Hinblick auf eine prothetische Versorgung nach den Richtlinien kritisch zu prüfen.

Endo-Maßnahmen zur Prämolarisierunq haw. Wurzelamptutation

Zur vertragszahnärztlichen Versorgung gehört die Hemisektion mit Teilextraktion bei einem Molaren und die damit verbundene endodontische Behandlung (soweit nicht oben genannte Kriterien dies ausschließen). Sowohl die Prämolarisierung eines Molaren als auch das Verfahren der Wurzelamputation gehören im Gegensatz dazu nicht zur vertragszahnärztlichen Behandlung. Daraus folgt, dass auch die damit notwendige Wurzelbehandlung solcher Molaren nicht zur vertragszahnärztlichen Versorgung gehört. Auch die an einem solchermaßen therapierten Zahn nachfolgende prothetische Versorgung (einschließlich Stiftaufbauten, Aufbaufüllungen etc.) kann nur als Privatleistung erbracht werden.

Werden Nichtvertragsleistungen bei Kassenpatienten erbracht, dann sind auch die zugehörenden Begleitleistungen (im Rahmen der Endo-Maßnahmen zum Beispiel Anästhesien, Röntgenaufnahmen, Kofferdam, besondere Maßnahmen, elektrometrische Längenbestimmung usw.) privat nach GOZ zu berechnen.

Konflikte mit Krankenkassen vermeiden

Die aufgeführten Beispiele sind nur exemplarisch und bei Weitem nicht umfassend. Erfahrungsgemäß sind Patienten jedoch am endodontischen Erhalt ihrer Zähne sehr interessiert und bereit, die entsprechenden Kosten auch selbst zu tragen. Gleichzeitig versuchen sie vielfach trotzdem, einen Zuschuss ihrer Krankenkasse zu erhalten, und landen dann in der Regel bei Kassenangestellten, die nach gewohnter Art den Patienten davor „warnen”, beim Zahnarzt irgendetwas zu unterschreiben oder gar etwas zu bezahlen, da „die Wurzelbehandlung ganz klar Kassenleistung ist”. Dies lässt darauf schließen, dass die Angestellten nicht über die Richtlinien informiert sind. Aber selbst wenn sie es wären, könnten sie einerseits mangels fachlicher Qualifikation und andererseits mangels diagnostischer Unterlagen die konkrete Einzelsituation nicht beurteilen.

Bitte beachten Sie die Richtline 9. / 9.1.a / 9.4. / und 9.5

Zu Ihrer Information die Richtlinien B. III. 9:

B. III. 9. Zähne mit Erkrankungen oder traumatischen Schädigungen der Pulpa sowie Zähne mit nekrotischem Zahnmark können in der Regel durch endodontische Maßnahmen erhalten werden.

Die Wurzelkanalbehandlung von Molaren ist in der Regel
angezeigt, wenn
damit eine geschlossene Zahnreihe erhalten werden kann,
eine einseitige Freiendsituation vermieden wird,
der Erhalt von funktionstüchtigem Zahnersatz möglich wird.

9.1 Für alle endodontischen Maßnahmen gilt insbesondere:

a) Eine Behandlung im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung ist nur dann angezeigt, wenn die Aufbereitbarkeit und Möglichkeit der Füllung des Wurzelkanals bis bzw. bis nahe an die Wurzelspitze gegeben sind.

b) Medikamentöse Einlagen sind unterstützende Maßnahmen zur Sicherung des Behandlungserfolges; sie sind auf drei Sitzungen beschränkt.

c) Es sollen biologisch verträgliche, erprobte, dauerhafte, randständige und röntgenpositive Wurzelfüllmaterialien verwendet werden.

d) Die Wurzelkanalfüllung soll das Kanalvolumen vollständig ausfüllen.

e) Begleitende Röngenuntersuchungen (diagnostische Aufnahmen, Messaufnahmen. Kontrollaufnahmen) sind unter Beachtung der Strahlenschutzbestimmungen abrechenbar.

9.2 Eine Vitalamputation (Pulpotomie) ist nur bei Kindern und Jugendlchen angezeigt. Bei Milchzähnen mit Pulpitis oder Nekrose des Pulpengewebes kann eine Pulpektomie und Wurzelkanalbehandlung angezeigt sein.

9.3 Bei einer Nekrose des Pulpengewebes muss die massive bakterielle Infektion des Wurzelkanalsystems beseitigt werden. Nach der Entfernung des infizierten Pulpagewebes sollen die Wurzelkanäle mechanisch-chemisch ausreichend aufbereitet, desinfiziert und bis zur apikalen Konstriktion gefüllt werden.

9.4 Bei pulpentoten Zähnen mit im Röntgenbild diagnostizierter pathologischer Veränderung an der Wurzelspitze ist bei der Prognose kritisch zu überprüfen, ob der Versuch der Erhaltung des Zahnes durch konservierende oder konservierend-chirurgische Behandlung unternommen wird.

Für die Therapie von Zähnen mit Wurzelkanalfüllungen und apikaler Veränderung sind primär chirurgische Maßnahmen angezeigt.

Lediglich bei im Röntgenbild erkennbaren nicht randständigen oder undichten Wurzelkanalfüllungen ist die Revision in der Regel angezeigt, wenn damit
eine geschlossene Zahnreihe erhalten werden kann
eine einseitige Freiendsituation vermieden wird,
der Erhalt von funktionstüchtigem Zahnersatz möglich wird.

9.5 Bei kombinierten parodontalen und endodontischen Läsionen ist die Erhaltung der Zähne im Hinblick auf die parodontale und endodontische Prognose kritisch zu prüfen.

10. In der Regel ist die Entfernung eines Zahnes angezeigt, wenn er nach den in diesen Richtlinien beschriebenen Kriterien nicht erhaltungsfähig ist. Ein Zahn, der nach diesen Richtlinien nicht erhaltungswürdig ist, soll entfernt werden. Eine andere Behandlung von nicht erhaltungswürdigen Zähnen ist kein Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung.

 

 

Rechtstipp Juli 2010 Berechnung von Endo-Feilen

Berechnung Endo-Feilen

Das Urteil des BGH zur Berechnung der Implantatfräsen ist auf dem Tisch.

Das Gericht argumentierte, dass das Material für eine Behandlung fast so teuer wie die Behandlung selbst ist – von daher gesehen wurde eine Regelungslücke in der GOZ erkannt.

Die Frage ist nur: Gilt das Urteil ausschließlich für Implantatfräsen oder für sämtliche Materialien, welche das Kriterium „teurer als 75% des 2,3 fachen Steigerungssatzes“ erfüllen ? Die Juristen und die Zahnärztekammern sagen „gilt für sämtliche Materialien“, die Versicherungen sagten bisher „Nein“. Dazu gibt allerdings neu bestätigende Urteile. Die Berechnung des BGH hängt nicht an dem speziell verwendeten Instrument. Ausschlaggebend ist nicht das Instrument im Einzelfall, sondern die vom BGH durchgeführte Berechnung, welche selbstverständlich allgemein gültig und auf vergleichbare Fälle übertragbar ist. Daher sollten nur einmal verwendete endodontische Instrumente zuzüglich des außerdem verbrauchten Materials (Papierspitzen, Guttapercha, Sealer, Cofferdam, Handfeilen etc.) berechnet werden, wenn die 75%-Grenze überschritten wird. Dies wurde vom Landgericht Hagen in einem Vergleich ausdrücklich bestätigt (30.10 2007, 9 O 102/06). Der Sachverständige hatte die Feilen als Einmalinstrumente qualifiziert, das Gericht schloss sich der Argumentation des BGH an. Weitere bestätigendes Entscheidungen: Amtsgericht Hamburg-Wandsbek (30.11. 2007,714 C 331/05) AG Hagen (15.2. 2006,140 C 457/04) und AG Bielefeld (22.6 2006, 5 C 898/04). Ungeachtet dessen ist die Vorab-Information an den Patienten über eine eventuelle Nicht-Erstattung durch die PKV und Beihilfe empfehlenswert. Der aufgeklärte GKV-Patient wird eher selten protestieren, da er ohnehin nichts erstattet bekommt; der PKV-Patient erwartet eine Erstattung, erst recht der Beihilfe-Patient. Sinnvoll ist vor allem die Honorarvereinbarung nach Paragraph 2 Abs. 2 GOZ, bei der das Material in das frei zu ermittelnde Honorar eingerechnet wird. Man kann den Patienten natürlich auch fragen: „Möchten Sie neue oder gebrauchte Feilen? Die gebrauchten sind umsonst, brechen aber schneller. Die neuen Feilen sind besser, müssen allerdings bezahlt werden“.

 

 

Rechtstipp März 2010 Verjährung

Wie war das nochmal mit der Verjährung ?

Um keine alten Forderungen zu verlieren, muss man “am Ball bleiben”, insbesondere zum kritischen Datum Jahreswechsel.
Hier die aktuellen Informationen zum Thema von RAin Nausikaa Argyrakis.

Wie war das nochmal mit der Verjährung ?

Wie immer wird zum Jahresende die Frage laut, ob und wann nicht bezahlte Rechnungen aus den zurück liegenden Jahren noch erfolgreich geltend gemacht werden.

Eins steht fest, je länger die Rechnung zurück liegt, desto geringer sind die Erfolgschancen, beim Patienten eine entsprechende wirtschaftlich erfolgreiche Beitreibung zu erreichen, insbesondere dann, wenn sich die finanzielle Situation des Patienten negativ verändert hat oder dieser verzogen ist. Dennoch sollte man nicht resignieren, sondern eine kritische Prüfung der eigenen Möglichkeiten anstellen.

Zunächst stellt sich die Frage, ob der Patient noch aktuell in der Praxis in Behandlung ist und sich nicht vielleicht ein persönlicher Kontakt durch Anrufe oder Aktivierung einer Recall-Maßnahme lohnen könnte. Der persönliche Weg eröffnet meistens die Zahlungsbereitschaft. In den Fällen, in denen der Patient nach Erhalt der Leistung nie wieder in der Praxis vorstellig wurde, erscheint dieser Weg natürlich wenig Erfolg versprechend. Hier ist zu prüfen, von wann Behandlung und Rechnung sind.

Zum 31.12.2009 verjähren die Honorarforderungen aus dem Jahr 2006. Mit der Schuldrechtsreform wurde die gesetzliche Verjährungsfrist um ein Jahr verlängert, statt früher zwei, gilt nunmehr eine dreijährige Verjährungsfrist. Rechnungen, die man kurz vor Ende des Jahres noch erstellen würde, kann man, um in verjährungstechnischer Hinsicht eine Verlängerung der Verjährungsfrist zu erreichen, taktisch klug in das neue Jahr verschieben. Denn bei der Berechnung der Frist gilt das Rechnungsdatum. Des Weiteren ist dafür Sorge zu tragen, dass die Rechnung auch tatsächlich dem Schuldner zugeht. Nicht selten scheitern erfolgreiche Durchsetzungen von Honorarforderungen und der Beitreibung der ebenfalls geschuldeten Zinsen daran, dass sich der Patient auf den Standpunkt stellen kann, selbst eine Rechnung nie erhalten zu haben und erstmals mit Zugang des Mahnbescheids oder der Klage eine Rechnung zur Kenntnis zu nehmen. In diesem Fall wären die vorher angefallenen Beitreibungsversuche durch Inkassounternehmen und/oder anwaltlicher Ver¬tretung und die angefallenen Zinsen mangels des so genannten Verzugseintritts nicht vom Patienten zu bezahlen.

Als vorsichtiger Zahnarzt trägt man dafür Sorge, dass die Rechnung, auch wenn sie bereits einige Zeit zurück liegt und bisher unkommentiert vom Patienten nicht bezahlt worden ist, zumindest einmal mit Zugangsnachweis dem Patienten zugeht. Dies hat den Vorteil, dass anschließend tatsächlich die Verzugsvoraussetzungen dargelegt werden können. Diese sind Nichtzahlung trotz Fälligkeit und Zugang der Rechnung, und eine weitere Zahlungsaufforderung, 30 Tage nach Zugang wenn in der Rechnung speziell auf diese Regelung hingewiesen wurde. Natürlich sollte eine Kopie der Rechnung unbedingt beigefügt sein. Man kann die Mahnung per Einwurfeinschreiben oder Einschreiben/Rückschein dem Patienten zusenden. Stellt man bei Zustellung dieser Post dann fest, dass der Brief nicht zustellbar war oder aber der Empfänger unbekannt verzogen ist, weiß man, dass eine gerichtliche Geltendmachung nur dann erfolgversprechend ist, wenn zuvor die Adresse recherchiert werden konnte. Sollte die Adresse trotz Einwohnermeldeamtsanfragen und Adressenrecherchen nicht ermittelbar sein, bleibt die Möglichkeit einer Klageerhebung mittels öffentlicher Zustellung. In diesem Fall kann man dann ein Versäumnisurteil erwirken. Zwar muss man die Kosten selber dafür aufbringen, doch man erhält einen Titel, den man 30 Jahre lang vollstrecken kann. Ist die Forderung allerdings recht klein, lohnt ein solcher Aufwand naturgemäß nicht und ist das Ausbuchen der Rechnung der wirtschaftlichere Weg.

Eine Verjährungsunterbrechung ist nur möglich, wenn die Klage vor Ablauf der Verjährungsfrist zugestellt wird oder aber alternativ ein entsprechender Mahnbescheid zugestellt wird. Im Unterschied zur Klage kann ein Mahnbescheid nicht öffentlich zugestellt werden. Die Zustellung des Mahnbescheids stellt den Regelfall dar, anschließend ist der Vollstreckungsbescheid zu beantragen.

Der Patient kann sich per Widerspruch gegen den Mahnbescheid wehren und das Verfahren so erstmal stoppen. Es muss dann binnen der nächsten 6 Monate weiterbetrieben werden, um die verjährungsunterbrechende Wirkung nicht zu verlieren. Erst wenn eine entsprechende Anspruchsbegründung rechtzeitig beim Gericht vorgelegt wurde, ist die Verjährung dauerhaft unterbrochen. Am bequemsten lässt sich der Zahnarzt hier von seiner ärztlichen Verrechnungsstelle oder aber von seinem anwaltlichen Berater unterstützen, denn die Maßnahmen zur Verhinderung des Verjährungseintritts sind durchaus tückisch.

Nausikaa Argyrakis, Rechtsanwältin

 

 

Rechtstipp Februar 2010 Erstattungsprobleme mit privaten Krankenkassen

Erstattungsprobleme mit privaten Krankenkassen

Lesenswerter Aufsatz von RA Dr. Winfried Rinke, Aachen

Erstattungsprobleme mit privaten Krankenkassen ^nach oben^ (17.07.2009/micra/811) Erstattungsprobleme mit privaten Krankenkassen Die Erstattungsprobleme mit privaten Krankenkassen beginnen bekanntlich damit, dass nach getaner Arbeit des Zahnarztes und Einreichung der Rechnung beim Krankenversicherer dieser die Rechnung nicht zahlt, schlimmer noch: oft bereits im Vorfeld dem Patienten rät, die Behandlungsrechnung – obwohl sie fällig ist – keinesfalls zu bezahlen, sondern unbezahlt zur Prüfung einzureichen. Es schließt sich dann oftmals eine monatelange, manchmal jahrelange Prüfung an, während der Zahnarzt auf sein Geld wartet. Das Verhalten der Versicherer hat natürlich Methode. Denn die Versicherung weiß, dass der Versicherte nach herrschender Auffassung zur Durchsetzung seines Erstattungsanspruchs ein teures und langwieriges Klageverfahren vor dem Zivilgericht anstrengen muss. Teilweise wird vertreten, dass die Versicherungen – obwohl sie sachkundig sein müssten – die medizinische Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen, ob es sich insbesondere um Leistungen im Rahmen einer zahnmedizinisch notwendigen Versorgung i.S.d. § 1 II GOZ handelt, unsubstantiiert bestreiten können, also für ihr Bestreiten vor Gericht überhaupt keine inhaltlichen Erwägungen vortragen müssen. Das Gericht muss dann ein Sachverständigengutachten zur Frage der medizinischen Notwendigkeit einholen, welches der Patient, da er beweisbelastet für die medizinische Notwendigkeit ist, zunächst einmal vorfinanzieren muss. Die Versicherungen wissen, dass viele Versicherte, die nicht rechtsschutzversichert sind, den Kampf nach vergeblicher Korrespondenz aufgeben und vor einer Klage aus Kostengründen zurückschrecken. In diesen Fällen hat die Versicherung also das Geld gespart. Häufig wird deshalb ganz bewusst darauf gewartet, ob der Versicherte mit einer Klage Ernst macht. Erst dann, wenn nach Klageerhebung zunächst noch keine erheblichen Kosten angefallen sind, wird der Erstattungsanspruch manchmal anerkannt oder ein Vergleichsvorschlag gemacht. In manchen Fällen unterbreiten die Krankenversicherer nach Klageeinreichung einen Vergleich, in dem sie die Hälfte der Erstattungssumme als Abfindung anbieten. Es wird mit der Langwierigkeit eines Gerichtsverfahrens und dem Aufwand einer Beweisaufnahme mit Einholung von Gutachten verwiesen. Den Versicherern kommt eine Rechtsprechung zu gute, wonach zwar bei Streit über die medizinische Notwendigkeit einer vorgesehenen Behandlung zwar eine Hauptsachenklage auf Feststellung der Leistungspflicht des Krankenversicherers aufgrund der medizinischen Notwendigkeit zulässig ist (BGH, VersR 2006, 535; LG Berlin, NVersZ 2000, 230), ein selbständiges Beweisverfahren, also ein vorgezogenen Begutachtungsverfahren vor Einreichung einer Klage über die medizinische Notwendigkeit aber unzulässig sein soll. Letzterer Grundsatz wurde in einer Entscheidung des LG Hannover (VersR 2001/1099) vertreten und wird seit dem in der Kommentarliteratur ohne inhaltliche Diskussion zitiert, so dass die Unzulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens in der Rechtsprechungspraxis und in der Beratungspraxis der Rechtsanwälte als unbestritten gilt. Dabei ist das Recht des selbständigen Beweisverfahrens durch das Rechtspflegevereinfachungsgesetz reformiert worden. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist nicht mehr nur in den Fällen zulässig, in denen ein unmittelbarer Beweisverlust droht (§ 485 I, 2. Alt. ZPO). Zulässig ist ein Sachverständigenbeweis auch dann, wenn die Benutzung dieses Beweismittels bei weiterem Abwarten erschwert würde (§ 485 I, 3. Alt. ZPO). Bei Streit über die medizinische Notwendigkeit einer vorgesehenen prothetischen Neuversorgung würde die Begutachtung der medizinischen Notwendigkeit erschwert, wenn das Gutachten erst in einem Hauptsacheverfahren nach Abschluss der prothetischen Neuversorgung erfolgt: Nicht selten wird von Krankenversicherern eingewandt, eine Neuversorgung sei nicht notwendig und widerspreche dem Erhaltungsgrundsatz. Vorhandene Kronen und Brücken seien mit geringem Aufwand reparabel. Vom Zahnarzt diagnostizierte Erkrankungen, z.B. eine fortgeschrittene Karieserkrankung, werden in Zweifel gezogen. Regelmäßig bietet sich für einen Sachverständigen vor oder während der Neuversorgung, idealerweise nach Abnahme der Kronen oder Brücken, die Möglichkeit, die Zahnsubstanz, etwaige Zahn- und Kiefererkrankungen, den Zustand der Prothetik sowie der zu seiner Herstellung erfolgten Abschleifmaßnahmen in Augenschein zu nehmen oder zu röntgen. In Fällen, in denen viel gesunde Zahnsubstanz vorhanden ist sowie in gegenteiligen Fällen, wo kaum noch Zahnsubstanz, sondern außergewöhnlich große Füllungen vorhanden sind, die möglicherweise schadhaft sind, werden sich durchaus indikationsrelevante Feststellungen treffen lassen. Auch kann sich der Gutachter ein Bild über die Indikation der gewählten Kronentype (Vollkrone, Teilkrone) bilden. Vor Inangriffnahme einer Neuversorgung wird sich der angegebene Indikationsgrund, z.B. eine behauptete fortgeschrittene Karieserkrankung, am ehesten überprüfen lassen. Nach erfolgter Neuversorgung kann dies alles nicht mehr mit gleicher Zuverlässigkeit beurteilt werden. Die neu aufgesetzten Kronen können nicht zerstörungsfrei entfernt werden. Kronen, welche Keramik oder Kunststoff enthalten, springen bei der Entfernung. Durch Abschleifmaßnahmen wird regelmäßig die Zahnsubstanz entscheidend verändert. Zusätzlich kann der Zahn- und Kieferzustand durch Unfallereignisse, Erkrankungen, natürlichen Knochenaufbau, Kieferatrophie sowie durch Maßnahmen weiterer Nachbehandler bis zu einer Begutachtung in einem Hauptsacheverfahren erheblichen Veränderungen unterliegen. In anderen Fällen, in denen kein unmittelbarer Beweismittelverlust oder eine Beweiserschwernis droht, ist der Begutachtungsantrag in vielen Fällen nach der vom Rechtspflegevereinfachungsgesetz neu geschaffenen Vorschrift des § 485 II Nr. 1 und 3 ZPO zulässig. Ist ein Rechtsstreit noch nicht anhängig, kann eine Partei die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie u.a. ein rechtliches Interesse daran hat, dass der Zustand einer Person oder der Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens oder Sachschadens festgestellt werden soll, wobei das rechtliche Interesse immer dann anzunehmen ist, wenn die Feststellung möglicherweise der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Nach anerkannter Auffassung ist die medizinische Notwendigkeit bei Eignung einer Behandlung, eine Heilung oder Linderung einer Krankheit herbeizuführen, zu bejahen. Aber auch dann, wenn nach den bisherigen medizinischen Erkenntnissen und den vorliegenden Befunden es vertretbar ist, eine Behandlung als erfolgversprechend und notwendig anzusehen, ist die medizinische Notwendigkeit im Sinne des Versicherungsvertragsgesetzes zu bejahen (BGH, VersR 2006, 535). Soweit die bei dem Versicherten erhobenen Befunde von Bedeutung sind, betrifft die Begutachtung den Zustand einer Person. Soweit der Erstattungsanspruch aufgrund der medizinischen Notwendigkeit in der Behandlung davon abhängt, ob das Behandlungsverfahren nach wissenschaftlichen Erkenntnissen und den erhobenen Befunden als erfolgversprechend und notwendig anzusehen ist, betrifft die Begutachtung den Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens und eines Sachschadens. Die Erkrankung ist Personenschaden, während die Belastung des Versicherten mit den Behandlungskosten als Sachschaden zu werten ist. Es ist also überhaupt kein Grund ersichtlich, weshalb ein selbständiges Beweisverfahren über die medizinische Notwendigkeit einer bestimmten Behandlung durch Einholung eines Gutachtens vor Erhebung einer Hauptsachenklage unzulässig sein sollte. Der Sinn der vorgezogenen Begutachtung kann in der Vermeidung eines Rechtsstreits liegen, aber auch darin, einen Rechtsstreit vorzubereiten. Im Interesse einer wirksamen Durchsetzung des Erstattungsanspruchs gegen den Krankenversicherer in Fällen, in denen es um die vom Versicherer bestrittene medizinische Notwendigkeit geht, ist es für den Versicherten gerade im Bereich der Zahnmedizin von großer Bedeutung, dass diese Frage ohne großen Zeitverlust nach den Behandlungsunterlagen aufgrund einer Untersuchung durch einen Sachverständigen geklärt werden kann. Auch sollten private Versicherungsunternehmen ein Interesse daran haben, nicht mit unnötig hohen Prozesskosten belastet zu werden – zumal sie Hauptsachenprozesse nicht selten verlieren – und ihre Kunden nicht durch völlig unnötige Prozesse zu verprellen ! Zu Unrecht wird vom Landgericht Hannover damit argumentiert, dass bei der Begutachtung ein sog. Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten sei. Der Bundesgerichtshof hat es aus gutem Grund gerade abgelehnt, in den Begriff der medizinischen Notwendigkeit ein allgemeines Wirtschaftlichkeitsgebot hineinzulesen. Bezüglich der Frage, ob eine bestimmte Behandlung dem jeweiligen Standard der medizinischen Wissenschaft entsprach und ob insbesondere zahnprothetische Leistungen indiziert waren, wurde früher in der Arzthaftungssache vom OLG Köln und anderen Gerichten ebenfalls die Meinung vertreten, dass ein selbständiges Beweisverfahren unzulässig sein soll. Diese Rechtsauffassung wurde von mir in MedR 1999, 348 und anderen Autoren im Schrifttum ablehnend besprochen, da die Vorzüge einer schnellen Begutachtung gerade bei Indikationsbewertung bei zahnprothetischen Leistungen klar auf der Hand liegen. Inzwischen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass das Beweisverfahren in Arzthaftungssachen zulässig ist. Meine Ausführungen in der Zeitschrift Medizinrecht wurden vom BGH zustimmend zitiert (vgl. Laufs/Uhlenbruck, Arztrecht, 3. Aufl., §114, Rd. 1 m.w.N.). Es ist zu hoffen, dass die Oberlandesgerichte und der Bundesgerichtshof in Zukunft auch von der Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens bei Auseinandersetzungen mit Krankenversicherern über die medizinische Notwendigkeit im Sinne des Versicherungsvertragsgesetzes überzeugt werden können. Leider muss bei dem gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung in vielen Fällen dem Versicherten der Klageweg empfohlen werden. Die Einschaltung eines Ombutsmannes der privaten Krankenversicherungen ist nach einem Rundfunkbericht des WDR vom 21.01.2008 und nach der Erfahrung von Kollegen nicht effektiv. Steht eine kostenaufwendige Behandlung noch bevor, kann – wie gesagt – nach einem Grundsatzurteil des BGH, abgedruckt in VersR 2006, S. 535, Klage auf Feststellung der Leistungspflicht des Krankenversicherers aufgrund der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlung erhoben werden. In dem konkreten Fall ging es um eine kieferorthopädische Heilbehandlung, deren medizinische Notwendigkeit durch einen Heil – und Kostenplan belegt wurde. Der Heil – und Kostenplan und die Dokumentation mit etwaigen bildgebenden Unterlagen reicht für eine Begutachtung durch einen Sachverständigen nach Erhebung der Feststellungsklage aus. Der BGH bekräftigt seine bisherige Rechtsprechung, wonach die medizinische Notwendigkeit bei Eignung einer Behandlung, eine Heilung oder Linderung einer Krankheit herbeizuführen, zu bejahen ist. Bedauerlicherweise wird es von Kölner Gerichten vertreten, dass die Vernehmung des Behandlers als sachverständiger Zeuge unzulässig sein soll, da es sich bei den Fragen der zahnmedizinischen Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen um Sachverständigenfragen handelt. Diese Auffassung ist gesetzeswidrig. Es gibt keine gesetzliche Bestimmung in der ZPO, die die Ausschaltung des Behandlers als Zeugen im Erstattungsprozess vorsieht. Sein Zeugnis ersetzt natürlich nicht ein notwendiges unabhängiges Gutachten. Da jede Dokumentation jedoch zwangsläufig eine Zusammenfassung eines umfangreichen Behandlungsprozesses ist, sind zeugenschaftliche Erläuterungen des Behandlers in vielen Erstattungsprozessen notwendig und sinnvoll. Am sinnvollsten ist es in der Regel, dass das Gericht den Arzt oder Zahnarzt im Beisein des Sachverständigen vernimmt. Zur Strategie der Versicherer gehört es weiterhin, dass sie im Vorfeld der Behandlung Versicherte, die um Rat suchen, dahingehend beraten, möglichst kostengünstige Behandlungsverfahren bei Behandlern, die sie empfehlen, in Anspruch zu nehmen. Damit wird erreicht, dass aufwendigere Behandlungsverfahren, die eine bessere Langzeitprognose oder andere Vorteile haben und die durchaus medizinisch indiziert sind, da sie dem heutigen medizinischen Standard entsprechen, erst gar nicht nachgefragt werden. Reicht der Patient der Versicherung vor Behandlungsbeginn einen Heil – und Kostenplan für bestimmte prothetische Maßnahmen ein, wird dieser nicht selten an einen anonym gehaltenen beratenden Zahnarzt weitergeleitet und dem Versicherer dann das negative Ergebnis der Prüfung mitgeteilt. Der Text des Gutachtens wird oft nicht unaufgefordert übermittelt. Der Versicherte hat nach dem Versicherungsvertragsgesetz (§ 202) zwar das Recht, sämtliche derartige Gutachten, wozu auch ärztliche Stellungnahmen im weitesten Sinne zählen, anzufordern. Manche Krankenversicherer machen aber auch hier Schwierigkeiten, so dass es Fälle gibt, in denen das entsprechende Recht eingeklagt werden muss. Für den Versicherten ist es natürlich auch hilfreich, zu wissen, wer der beratende Zahnarzt der Versicherung ist, um dessen Kompetenz mit dem Behandler erörtern zu können. In der Literatur und Rechtsprechung wird vertreten, dass der Versicherte ein Recht darauf hat, zu erfahren, wer den Heil- und Kostenplan und seine Behandlungsunterlagen begutachtet (vgl. Ratajcak, BDIZ konkret 2006, 57/60). Dies hat sich jedoch in der Praxis noch nicht allgemein durchgesetzt, da der Wortlaut des Versicherungsvertragsgesetzes – auch in der neuen Fassung – ein solches Recht nicht hergibt. Wenn sich der Versicherer weigert, den Namen eines beratenden Zahnarztes preiszugeben, sollte der Versicherte versuchen, mit seinem vom Bundesverfassungsgericht anerkannten informationellen Selbstbestimmungsrecht zu argumentieren, also sich auf den Standpunkt zu stellen, dass er selbst das Recht hat, zu entscheiden, wer seine gesundheitsbezogenen Daten in die Finger bekommt. Immerhin steht der Versicherte vor dem Problem, dass ggf. unseriöse Sachverständige seine Behandlungsunterlagen in die Finger bekommen und unbefugt an Dritte weitergibt. Auch hat der Versicherte ein erhebliches Interesse daran, dass keine Sachverständigen mit der Prüfung seines Erstattungsanspruchs befasst sind, die offensichtlich nicht kompetent sind und von der jeweiligen zahnmedizinischen Problematik keine Ahnung haben, und, da sie den Versicherten nicht selbst untersucht haben, häufig auch gar nicht haben können. Um dem Patienten bei der Durchsetzung seines Erstattungsanspruchs zu helfen und einer möglichen eigenen Haftung zu entgehen, ist es für den Zahnarzt wichtig, dass er die ihm von der Rechtsprechung auferlegte wirtschaftliche Aufklärungspflicht befolgt und außerdem die durchgeführten Maßnahmen so genau dokumentiert, dass notfalls später ein Sachverständiger im Prozess den Behandlungsverlauf rekonstruieren und die medizinische Notwendigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Behandlung rekonstruieren kann. Nach einem Urteil des Berliner Kammergerichts (VersR 2000, 89), das allgemeine Anerkennung gefunden hat, gelten diesbezüglich folgende Grundsätze: 1. Ein Arzt, der weiß, dass der Krankheitskostenversicherer seines Patienten bereits vor der Behandlung Zweifel an der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung geäußert hat, verletzt seine Vertragspflicht, wenn er seinen Patienten behandelt, ohne ihn vor Beginn der Behandlung auf die Bedenken des Versicherers und das sich daraus ergebende Kostenrisiko hinzuweisen (wirtschaftliche Aufklärungspflicht). 2. Ein Arzt, der weiß, dass der Krankheitskostenversicherer seines Patienten bereits vor Behandlung Zweifel an der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung geäußert hat, verletzt seine Vertragspflicht, wenn er die Behandlung nicht ausreichend dokumentiert, so dass sich der Nachweis ihrer medizinischen Notwendigkeit anhand der Krankenunterlagen nicht führen lässt (Dokumentationspflicht). 3. Verletzt ein Arzt die wirtschaftliche Aufklärungspflicht (bei Zweifeln bezüglich der Kostenerstattung durch den Versicherer) und die Dokumentationspflicht (fehlende Nachweismöglichkeit der medizinischen Notwendigkeit der Behandlung), so steht dem Patienten gegen den Arzt ein Schadensersatzanspruch zu, der auf Befreiung von der Honorarforderung gerichtet ist. 4. Steht einem Versicherungsnehmer gegen den Arzt ein Schadensersatzanspruch zu, der auf Befreiung von der Honorarforderung gerichtet ist, so ist der Krankheitskostenversicherer zu einem Ersatz der Honorarforderung nicht verpflichtet. Nach OLG Köln (r+s 98, 167; LG Bremen NJW 91/235) besteht ein Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Arzt, gerichtete auf Freistellung von den Behandlungskosten, falls sich herausstellt, dass die vorgenommene ärztliche Behandlung nicht geboten war, wohl aber eine andere indizierte Behandlungsmethode zur Wahl stand. Auf diese Rechtsprechung weisen die Versicherer ihre Kunden auch durchaus hin. Die sich hieraus ergebenden prozessualen Konsequenzen liegen darin, dass der Versicherungsnehmer die Arztrechnung nicht begleicht und sich verklagen lässt und diesem Rechtsstreit dem Versicherer den Streit verkündet, damit er im Unterliegensfall den Versicherer verklagen kann, ohne dass dieser noch damit gehört werden kann, der Vorprozess des Behandlers gegen den Patienten sei falsch entschieden. Derartige prozessuale Konsequenzen sind natürlich nach Möglichkeit zu vermeiden, da sie das Vertrauensverhältnis zum Behandler zerstören und den Patient, der verklagt wird, dem Arzt oder Zahnarzt verloren geht. Zur Vermeidung derartiger Konsequenzen wird überwiegend empfohlen, ausführliche Heil – und Kostenpläne zu machen, in diesen auch konservierende Maßnahmen und Eventualpositionen und möglichst realistische Laborkosten einzusetzen, damit der Patient später von der Rechnungshöhe nicht überrascht wird. Der Hinweis, dass möglicherweise nicht in vollem Umfang mit einer Erstattung durch den Kostenträger zu rechnen ist und es Schwierigkeiten geben könnte, ist immer sinnvoll. Auf jeden Fall ist es die beste Lösung, wenn der Heil- und Kostenplan rechtzeitig vor Inangriffnahme der Behandlung zur Genehmigung dem Krankenversicherer eingeschickt wird und die schriftliche Genehmigung abgewartet wird. Es gibt allerdings auch Privatzahnärzte, die von aufwändigen Heil – und Kostenplänen abraten. Nach deren Auffassung ist zu empfehlen, umfangreiche Arbeiten in mehrere Abschnitte zu zerstückeln, so dass nach den Versicherungsbedingungen nicht unbedingt Heil- und Kostenpläne eingereicht werden müssen. Die Gefahr von Heil- und Kostenplänen wird von diesen Privatzahnärzten darin gesehen, dass sich der Behandler möglicherweise vorschnell auf ein Konzept festlegt und andererseits die Versicherer häufig keine verbindliche Genehmigung für ein eingereichten Heil- und Kostenplan erteilen. Es handelt sich insoweit aber um eine Mindermeinung. Nach meiner Meinung ist es bei aufwendigen Arbeiten zu empfehlen, den Versuch zu machen, den Krankenversicherer dahin zu bringen, einen Heil- und Kostenplan schriftlich zu genehmigen. In Erstattungsprozessen gibt es natürlich auch Probleme, die immer wieder kehren. So werden von der DKV häufig Laborkosten wegen des Argumentes nicht anerkannt, es seien 90% gesetzlich versichert und daher die sog. BEL-Liste der gesetzlichen Krankenversicherung für die Erstattungsfähigkeit der Materialkosten auch bei Privatversicherten maßgeblich. Diese Argumentation ist rechtsirrig. Nach Dienstvertragsrecht ( § 612 II BGB ) ist die taxmäßige oder in Ermangelung einer Taxe übliche Vergütung als vereinbart anzusehen. Es ist auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Üblichkeit bedeutet Verkehrsgeltung bei den beteiligten Kreisen (BGH, BB 69,1413; NJW RR 1990, 349). Die gesetzlich Versicherten gehören aber nicht zu den beteiligten Kreisen der privaten Krankenversicherung. Eine Abrechnung nach BEL widerspricht auch § 9 GOZ, da eine Abrechnung zu Listenpreisen gerade keine Inrechnungstellung des tatsächlichen Aufwandes im konkreten Fall bedeutet. Dies wird mittlerweile auch von vielen Gerichten anerkannt, insbesondere auch vom OLG Düsseldorf (Urteil vom 07.05.1996 – 4 U 43/95). Eine Versicherung ist nun dazu übergegangen, die Beschränkung auf die BEL-Liste in Fußnoten in ihre Versicherungsbedingungen als Erläuterung auszunehmen. Sie argumentiert damit, dass es neueste Urteile geben soll, die diese Leistungsbeschränkung gebilligt hätten. Dazu ist folgendes zu sagen: Nach § 305 c ZPO werden Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Der Versicherungsnehmer geht natürlich davon aus, dass Leistungen eines gehobenen Standards versichert sind. Die Bedeutung der Fußnote, mit der er nicht zu rechnen braucht, erkennt er nicht. Die Fußnote wird daher nach diesseitiger Auffassung nicht Vertragsbestandteil. Wenn man anderer Auffassung ist, muss man die Bestimmungen einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterziehen. Danach sind Bestimmungen allgemeiner Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den gewohnten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist, was wegen des Widerspruchs des zahnmedizinisch gebotenen und des beschränkten Inhalts der BEL-Liste der Fall ist. Eine unangemessene Benachteiligung ist nach dem Gesetz im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung erstens mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder zweitens wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. Die genannte Versicherung schränkt ihre nach dem VVG und den sonstigen Tarifbedingungen bestehende Hauptleistungspflicht nach diesseitiger Auffassung derart ein, dass Unwirksamkeit gemäß § 307 BGB anzunehmen ist. Zu einzelnen immer wiederkehrenden rechtlichen Auseinandersetzungen mit Krankenversicherern wird aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Alexander Körber, Kölner Straße 97, 51429 Bergisch-Gladbach zitiert, der u.a. für das Amtsgericht Köln tätig ist. Eingegangen wird u.a. auf einen Einzelfall, in dem vom Gutachter begründet wurde, weshalb implantatgetragener, festsitzender Zahnersatz mittels Rieder-Technik anstatt, wie vom Krankenversicherer empfohlen, festsitzend herausnehmbarer Zahnersatz mit Teleskopen medizinisch notwendig war. Weiterhin wird aus einem Gutachten zitiert, in dem die Notwendigkeit der Laborleistungen „Schichtung nach Farbanalyse“ begründet wurde. Schließlich wird auf das Problem eingegangen, ob Kosten für Anästhetika, Nickeltitanfeilen und Kronentrenner berechenbar und erstattungsfähig sind. In diesem Zusammenhang wird auf das Urteil des BGH vom 27.05.2004 – III ZR 264/03 – eingegangen, wonach ein Zahnarzt Materialkosten nur dann abrechnen darf, wenn sich die Abrechenbarkeit entweder explizit aus der GOZ ergibt oder die Materialkosten bei Behandlung anfallen, die über § 6 I GOZ abzurechnen sind. Erreichen allerdings Materialkosten, die nach Ansicht des BGH grundsätzlich nicht gesondert abrechenbar wären, ein erhebliches Ausmaß des nach GOZ anfallenden Honorars, soll die Abrechenbarkeit trotzdem gegeben sein, wobei die Höhe dieser Materialkosten mit 70 – 75 % des 2,3-fachen Satzes beziffert wurde. Kosten für Einmalbohrer in der Implantologie sind nach Meinung des BGH nicht mit den normalen Gebühren abgegolten und gesondert erstattungsfähig (BGH, VersR 2004, 1138). Zu weiteren Abrechnungsfragen und aktuellen Urteilen wird auf die Homepage des Zahnarztes und Sachverständigen Dr. Cramer verwiesen (www.juradent.de). Artikel veröffentlicht 2009 in „Zeitschrift Versicherungsrecht“, mit freundlicher Genehmigung des Autors.

 

 

Rechtstipp Januar 2010 Die Praxisgebühr – ungeliebtes Kind

Die Praxisgebühr – ungeliebtes Kind
Eine Entscheidung des Bundessozialgerichtes zur Rechtmäßigkeit

Die Praxisgebühr ist für den Zahnarzt mehr als lästig, für den Patienten eine finanzielle

Belastung. Einer hat geklagt – und verloren.

In Kurzform: Falls Patienten meckern – keine Chance, die Gebühr muss bezahlt werden.

Der Pressetexte des Gerichtes hier:
_______________________________________________________________________________________________

BUNDESSOZIALGERICHT – Pressestelle –
Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel
Tel. (0561) 3107-1, Durchwahl -460, Fax – 474
e-mail: presse@bsg.bund.de
Internet: http://www.bundessozialgericht.de

Die vom Bundessozialgericht herausgegebenen Presseinformationen sind keine amtlichen Veröffentlichungen, sondern nur Arbeitsunterlagen für die bei diesem Gericht tätigen Journalisten.

Kassel, den 25. Juni 2009

Medieninformation Nr. 23/09

Die “Praxisgebühr” ist rechtmäßig

Das Bundessozialgericht hat heute entschieden, dass die in der Öffentlichkeit vielfach als Praxis¬gebühr (§ 28 Abs 4 iVm § 61 Satz 2 SGB V) bezeichnete vierteljährliche Zuzahlung von 10 Euro für den Arztbesuch von Versicherten nicht verfassungswidrig ist.

Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger begehrte die Rückzahlung von 30 Euro, die er als Praxisgebühr für das 1. – 3. Quartal 2005 hat entrichten müssen. Er hält die Praxisgebühr für grundsätzlich verfassungswidrig und beantragte bei der Beklagten schon Ende 2004, ihn von dieser frei zu stellen. Die Beklagte lehnte dies ab, weil die Voraussetzungen einer Befreiung gemäß § 62 SGB V nicht vorlägen und die Erhebung der Praxisgebühr nicht verfassungswidrig sei. Die Klage hier¬gegen ist in allen Instanzen erfolglos geblieben. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Praxis¬gebühr sieht der Senat nicht.

Die Praxisgebühr fügt sich nahtlos ein in das System der sonstigen Zuzahlungen, die von den Ver¬sicherten der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Inanspruchnahme von Leistungen der Krankenkassen (zB Arzneimittel, Heilmittel und Hilfsmittel) zu entrichten sind. Zur Frage der Recht¬mäßigkeit solcher Zuzahlungen haben das Bundesverfassungsgericht und das Bundessozial¬gericht schon mehrfach Stellung genommen. Die Krankenkassen sind weder nach dem SGB V noch von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wieder¬herstellung der Gesundheit verfügbar ist. Der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung darf viel¬mehr auch von finanziellen Erwägungen mitbestimmt sein.

Gerade im Gesundheitswesen hat der Kostenaspekt für gesetzgeberische Entscheidungen erhebliches Gewicht. Dem Gesetzgeber ist es im Rahmen seines Gestaltungsspielraumes grundsätzlich erlaubt, die Versicherten über den Bei¬trag hinaus zur Entlastung der Krankenkassen und zur Stärkung des Kostenbewusstseins an bestimmten Kassenleistungen in der Form von Zuzahlungen zu beteiligen, jedenfalls soweit dies dem Einzelnen finanziell zugemutet werden kann und der Versicherungsschutz durch die Höhe der Zuzahlungen nicht ausgehöhlt wird. Davon kann bei einer vierteljährlichen Zuzahlung von 10 Euro für den Praxisbesuch und einer Begrenzung der Gesamtsumme aller Zuzahlungen auf 2 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt (§ 62 SGB V) bei chronisch Kranken, die wegen derselben schwer¬wiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, auf nur 1 % nicht die Rede sein.

Az.: B 3 KR 3/08 R F. ./. BKK futur

 

 

 

Rechtstipp Dezember 2009 Das Sachverständigen(un)wesen in der Zahnmedizin

Das Sachverständigen(un)wesen in der Zahnmedizin
Aufsatz von Rechtsanwalt Michael Zach, Mönchengladbach

 

  • Der Medizinrechtler Michael Zach äußert sich umfangreich zu den Problemen mit Sachverständigen vor Gericht, zur spezifischen Qualifikation, zu Interessenkonflikten und zur wissenschaftlichen Absicherung. Eine anspruchsvolle, vielschichtige und sehr interessante Ausarbeitung,
  • Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Juradent

Wie in anderen Lebensbereichen stehen zahnärztliche Ausbilder, Behandler und Gutachter in vielfältigen Relationen zu Versicherungen, Dentalprodukteherstellern und Berufs- oder Interessenverbänden. Diese Relationen sind regelmäßig nicht transparent, ebenso regelmäßig wird seitens des berufenen Sachverständigen trotz naheliegender Interessenkonflikte eine eigene Befangenheit häufig verneint. Die Hersteller ihrerseits sind darauf bedacht, aktiv die Spuren der Zusammenarbeit mit Universitäten und Gutachtern zu verwischen. So ist es nur logisch, dass bei der Begutachtung alternativer Behandlungsansätze allenfalls eine nur geringe Methodentoleranz besteht. Die Fülle der angewandten Behandlungsverfahren bewirkt, dass der jeweils berufene Sachverständige oft nicht Anwender des zu beurteilenden Behandlungsverfahrens ist und bei seinem Votum letztlich stets nur auf das eigene Erfahrungswissen zurückgreifen kann. Diese faktisch vorhandene Begrenzung des Gutachterhorizontes auf die eigenen Erfahrungen, auf die eigenen, meist national geprägten Ausbildung- oder Forschungsinhalte wird aber nur selten eingeräumt, sondern statt dessen ein umfassender Sachverstand in Anspruch genommen.

Gutachter selbst Anwender der zu begutachtenden Methode ?

Im Bereich der Erstattungsverfahren der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung hat sich bei Begutachtungsfällen durchgesetzt, dass der Patient und auch der Behandler im gerichtlichen Verfahren keinen Anspruch darauf hat, dass sein Behandlungsfall durch einen Sachverständigen beurteilt wird, der gerade ausgewiesene Kenntnisse in Theorie und Praxis der bei ihm angewandten Behandlungsmethode hat. Dies hat insbesondere bei der Beurteilung sog. „alternativer Behandlungsansätze“ dazu geführt, dass Schulmediziner über die Erfolgsaussichten, die Heilungschancen und letztlich den Erfolg alternativer Behandlungsansätze zu entscheiden hatten, ohne dabei diese Methoden und die dabei erzielten Erfolge selbst in Augenschein genommen zu haben. Aus der Perspektive der Versicherungswirtschaft mag diese Ablehnung der sog. Binnentheorie folgerichtig sein, da die Leistungspflicht der Kostenträger gem. dem dort erstellten Bedingungswerk regelmäßig auf schulmedizinsicher Anknüpfungsgrundlage beruht, was grundsätzlich auch ein sachgerechtes Eingrenzungskriterium für eine versicherungsrechtliche Leistungspflicht darstellen kann.

Sehenden Auges wird jedoch damit eine Gutachterauswahl getroffen, die eine sachnahe und von Anwenderwissen geprägte objektive sachverständige Beurteilung einer Behandlung selbst dann ausschließt, wenn die sog. Schulmedizin einen Behandlungsansatz für die zu beurteilende Befundsituation nicht bereithält. Unerträglich ist jedoch der Verzicht auf eine Behandlungsbeurteilung durch einen Systemanwender, wenn es um zivilrechtliche oder strafrechtliche Vorwürfe gegen einen Behandler geht, da nur ein Methodenanwender die Behandlungsdoku-mentation, die Aufklärung und die Behandlungsvorgänge wird nachvollziehen können. Ein anschauliches Beispiel hierfür bietet eine Entscheidung des LG Düsseldorf, Urt. vom 23.11.2000, 3 O 448/97, bei dem der Sachverständige feststellte, dass die sofortige Implantation nach einer Sinusliftoperation das Risiko eines deutlich erhöhten Implantatverlustes berge und dass die sehr früh erfolgte feste Einzementierung ebenfalls das Risiko des Implantatverlustes erhöhten.

Diese Überlegungen stellten sich für das konkret angewendete Implantationsverfahren als glatt falsch heraus: Diese Gefährdungsprognose des Sachverständigen beruhten auf seinem Erfahrungswissen, das ausschließlich auf die Implantation sog. crestaler Implantate gestützt war. Wie der Sachverständige bestätigt hatte, waren ihm die zur Anwendung gelangten sog. basalen Zahnimplantate fremd, die sich dadurch auszeichnen, dass sie eben nicht in der Knochenspongiosa verankert werden, sondern in dem kortikalen Knochen. Zugleich beruht die Anwendung dieser Implantate auf den wissenschaftlich seit Jahrzehnten gesicherten orthopädischen Prinzipien der Knochenfrakturheilung, weshalb auch in der Gebrauchsanweisung dieser Implantate die Sofortbelastung als Methode der Wahl empfohlen wird. Es wird erkennbar, dass das sachverständige Erfahrungswissen auf die Behandlung mittels crestaler Zahnimplantatsysteme nicht übertragbar ist, so dass der Sachverständige von falschen Prämissen ausgegangen war, was letztlich zu einem unzutreffenden Sachverständigengutachten geführt hat. Fehlende eigene Erfahrung mit dem zu beurteilenden Implantatsystem kann das sachverständige Votum genauso angreifbar machen, wie in jenem Fall, in dem der Sachverständige nicht mehr die Grenzen des eigenen Fachgebietes wahrt. Beides muss der Sachverständige von sich aus dem Gericht und den Prozessbeteiligten offenbaren.

Postulat der wissenschaftlichen Absicherung durch Langzeitstudien

Im Zuge der Etablierung der zahnärztlichen Implantologie war von der Gruppe Branemark für jedes neu angewandte Verfahren der Nachweis über eine mindestens 10-jährige Langzeitstudie gefordert worden. An diesem Postulat ist bis heute festgehalten worden und zwar auch in den Fällen, in denen das jeweilige Medizinprodukt zertifiziert und die Anwendung und Verbreitung nach Maßgabe des Medizinproduktegesetzes gestattet ist. Angesichts der Innovationsfreudigkeit der Branche und des Innovationspotentials im Bereich der Zahnimplantate kann dieses Postulat schon faktisch nicht aufrecht erhalten werden, weil sonst jedwede Innovation obsolet wäre, wenn sie erst nach einer vieljährigen Studie gewissermaßen retroperspektiv zugelassen werden könnte. Dieses Postulat war mit einer Reihe von Streitfragen verbunden, so war unklar, wer das Datenmaterial zu sammeln hatte, wer es auswerten sollte und ob dies zwingend universitär zu erfolgen habe.

So hat denn jüngst auch der Marktführer im Bereich der zahnärztlichen Implantate nicht nur auf den Nachweis der Langzeiterprobung von Neuerungen verzichtet, sondern selbst von der Durchführung klinisch-wissenschaftlicher Studien abgesehen. Dennoch wird von einzelnen Gutachtern an diesem Erfordernis festgehalten: geht man der Sache nach, so handelt es sich um solche Universitätsangehörige, die vor der Einführung des Medizinprodukterechts solche Untersuchen im Auftrage der Herstellerfirmen durchgeführt hatten. Die –freiwillige– universitäre Absicherung der Markteinführung eines Produktes bedingt die zum Teil erhebliche Preisspanne zwischen den erhältlichen Implantattypen mit im wesentlich gleicher Qualität. Es versteht sich von selbst, dass namentlich die Beratungszahnärzte der Privaten Krankenversicherungen im Kosteninteresse der Gesellschaften, die -vermeintlich kostensteigerende- medizinische Innovation nicht mitzutragen bereit sind damit und die Perpetuierung des den Versicherungsnehmern zur Verfügung stehenden medizinischen Standards vornehmen.

Falsche Begriffe und Wertungen

Das Überschreiten eigener Fachgebietsgrenzen im Rahmen der Begutachtung ist genauso häufig zu beobachten, wie die Beurteilung der Rechtsfrage einer ordnungsgemäßen Behandlungsaufklärung, zu der sich zahnmedizinische Sachverständige gerne äußern. Dabei wird auf die juristische Begrifflichkeit zurückgegriffen, die gegenüber dem Patienten (insbesondere bei Gutachten im Namen der Kostenerstattungsstellen) oft mit verheerenden Folgen falsch angewendet werden. So wird die zu begutachtende Behandlung schnell in das Licht einer Körperverletzung gestellt, wenn ausgeführt wird, dass die Behandlung in keiner Weise mehr medizinisch vertretbar war. Durch eine solche Formulierung wollte der Sachverständige jedoch eigentlich zum Ausdruck bringen, dass er die Erstattungsvoraussetzungen des Regelungswerkes der Versicherungsgesellschaft nicht für erfüllt ansieht, was aber keinerlei Feststellung dazu trifft, ob etwa unter Berücksichtigung der Maßstäbe der alternativer Behandlungsansätze von einer gleichwertigen Erfolgsgeeignetheit der Methode ausgegangen werden kann.

Zuweilen wird die zu beurteilende Behandlung auch mit dem Begriff der „Außenseitermethode“ stigmatisiert. Dieser Begriff ist weder im Gesetzestext zu finden noch in der Formulierung der allgemeinen Versicherungsbedingungen. Lediglich in einer Gesetzesbegründung findet sich dieser Begriff, der dort diejenigen Behandlungsansätze bezeichnet, die nicht mehr auf methodologisch-wissenschaftlicher Grundlage basieren, mit anderen Worten keinen Anspruch auf logisch-sachliche Herleitung erheben. Lediglich der Umstand, dass ein Verfahren noch nicht allseits wissenschaftlich anerkannt ist, oder keine Langzeitstudien vorliegen, rechtfertigt jedoch keine Einordnung unter dem Begriff der „Außenseitermethode“.

Intransparentes Interessengeflecht

Vor einigen Jahren sind die Universitäten und ihre Forschungseinrichtungen wegen des Vorwurfs weitgehender Abhängigkeit von Drittmittelgebern in das Interesse der Öffentlichkeit gerückt. Unterblieben ist eine Fortsetzung dieses Gedankens im Hinblick auf die Unvoreingenommenheit der universitären Gutachter, die seitens der angerufenen Gerichte mit der Erstellung von Sachverständigengutachten beauftragt wurden. Aufgrund der personalen Verflechtungen des Gutachters mit seiner Forschungseinrichtung und seinen Forschungspublikationen erscheint es nahezu ausgeschlossen, ein wirklich unabhängiges und objektives Sachverständigen-Gutachten jemals zu erhalten.

Wenn es zutrifft, dass 96 % der Befürworter einer Therapie Geld vom Hersteller erhalten haben, ist evident, dass der Beweiswert eines Gutachtens entscheidend von den finanziellen Verflechtungen des Sachverständigen abhängen dürfte (Detsky, Süddeutsche Zeitung vom 12.03.1988, S. 24). Der Grad der Verflechtung und damit der Abhängigkeit dürfte bei einem Klinikarzt größer sein, als bei einem niedergelassenen Arzt, bei einem Ordinarius eines universitären Lehrstuhls größer als bei einem Chefarzt eines kommunalen Krankenhauses (Der Spiegel, 1997, Heft 4, S. 68 1. Spalte 1. Abs.; Lanz ZRP-Gesetzgebungs-Report 1998, Heft 9 „Zur mangelnden Neutralität vieler gerichtlicher Gutachten“). Verdächtig sind auch Sachverständige in niedergelassener Praxis, die Fortbildungstätigkeiten für einzelne Hersteller oder kombinierte Behandlungsverfahren anbieten. Gerade solche Tätigkeiten lassen sie andererseits für die Gerichte als besonders geeignet erscheinen. Noch eindeutiger ist die Situation, wenn das Forschungsengagement eines universitären Lehrstuhls im wesentlichen durch Aufträge der dentalen Industrie geleitet und begrenzt wird, so dass dort keine staatlichen Forschungsmittel mehr erforderlich sind.

Die Einflussnahme durch die Dentalindustrie auf den als Sachverständigen berufenen Universitätsprofessor erfolgt heute zumeist verdeckt und gerne unter Ausnutzung des schweizerischen Stiftungswesens: Die ITI-Stifung (International Team of Implantologists) wird maßgeblich vom Marktführer im Bereich der Zahnimplantate gestützt und gesteuert. Die „Osteology“-Stiftung wurde zur Förderung der Marktdurchsetzung von bovinen Knochenersatzmaterialen von den in diesem Segment tätigen Herstellerfirmen gegründet. Durch deren simplen Vorstandsbeschlüsse werden Mittel freigeben an einzelne Universitäten zur Verwendung von den in Auftrag gegebenen Forschungsarbeiten oder schlicht zur Einrichtung von einfachen Planstellen. Es liegt auf der Hand, dass ein Ordinarius in der mündlichen Verhandlung die von ihm aufgrund dieser finanziellen Ausstattung gewonnenen Ergebnisse verbreiten und gegen Angriffe oder alternative Behandlungsansätze wird verteidigen wollen. Von einem Wettbewerb der Universitäten um die Gunst der Drittmittelgeber kann insofern gesprochen werden, dieser Wettbewerb setzt sich fort in dem Wettbewerb der Universitäten untereinander und kristallisiert sich zuweilen in dem Diskurs der widerstreitenden Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung, wenn unterschiedliche Lehrmeinungen aufeinander treffen. Die Sachverständigenauswahl wirkt damit häufig präjudizierend.

Bemerkenswert ist die oft völlig fehlende Einsicht in die Inkompatibilität der eigenen Verflechtungen mit der Übernahme eines gerichtlichen Gutachtensauftrages: Dies soll anhand typischer Konstellationen dargestellt werden:

Während Gutachter des angesehenen Freien Verbandes bayerischer ZMK-Gutachter die Begutachtung der ihnen fremden Behandlungsmethode der basalen Implantate ablehnten, sahen sich anders verortete Zahnärzte und sogar eine Zeitschrift für zahnärztliche Implantologie in der Lage, sich hierzu sachverständig zu äußern, obwohl auch sie die Methode weder in Theorie noch Praxis kannten.

Einem in Bern beheimateten Lehrstuhlinhaber erscheint es auch nicht bedenklich, dass er die von ihm entwickelte Knochenaufbautechnik als präimplantologische Maßnahme zunächst an die beiden o.g. Stiftungen vermarktet und sich dann gutachterlich gegen alternative, einen Knochenaufbau überhaupt vermeidende Verfahren in seiner Eigenschaft als Lehrstuhlinhaber engagiert.

Der GOZ-Referent für Kieferorthopädie der ZÄK Nordrhein ist in wohl nicht mehr nur geringfügigem Maße als Gebührengutachter einer Privaten Krankenversicherung tätig, für die er Gebührengutachten schreibt. Teilweise hat er sodann eine Beratung fortgeführt, nachdem der Patient nach der Lektüre seiner gutachterlichen Stellungnahme sich zu einem Behandlerwechsel entschied, was wiederum einen Verstoß gegen die Gutachterrichtlinie der ZÄK dargestellt haben dürfte.

Zweifelhaft erscheint auch die Übernahme von Behandlungsfehlerklagen des Justitiars der ZÄK Nordrhein gegen Kammermitglieder, da regelmäßig das angerufene Gericht bei der ZÄK um Benennung eines geeigneten Sachverständigen nachsucht. Dieses Vorschlagsrecht der Kammer wird regelmäßig durch die Rechtsabteilung der Kammer ausgeübt, der ihr Justitiar vorsteht.

Fehlende Methodentoleranz

Auf den ersten Blick unverständlich ist die häufig anzutreffende Beteuerung des Sachverständigen, erstens, er sei völlig frei von sachfremden Einflussnahmen und zweitens die Hartnäckigkeit, mit der die auf dieser Grundlage erstellten sachverständigen Voten zum Teil unter Missachtung sogar der strafrechtlichen Vorgaben behauptet und aufrechterhalten werden. So hatte beispielsweise der zahnärztliche Schriftleiter der Zeitschrift für zahnärztliche Implantologie ZZI (Hrsg. vom Deutschen Ärzteverlag) zunächst eine Erklärung abgegeben, wonach er diverse in 02/04 der ZZI aufgestellte Behauptungen nicht weiter verbreiten werde. Er hat dies aber dann gegenüber einer Privaten Krankenversicherung dennoch getan, dies aber zunächst bestritten und erst als der Beratungszahnarzt dieser Privaten Versicherung benannt werden konnte, der sich der Wahrheit verpflichtet fühlte, seinen Verstoß zugegeben (LG München II, Urt. v. 19.01.06, 5 O 5590/05, Fall Schmidinger).

Ein solchermaßen hartnäckiges Verhalten eines Sachverständigen und Schriftleiters einer Fachzeitschrift kann wohl nicht mehr alleine mit dem für eine private Krankenversicherung verfolgten Kosteninteresse begründet werden, sondern dürfte in der grundsätzlichen Art und Weise der Zusammenarbeit der zahnmedizinischen Lehrstühle mit der Industrie begründet sein. Zumindest in der Vergangenheit waren die o.g. Studien zu einer Langzeiterprobung eines neuen dentalen Medizinproduktes Voraussetzung für die Anerkennung durch die implantologischen Fachge-sellschaften, deren Leitung und Führung eben in der Hand der Inhaber jener Lehrstühle liegt, die auch die genannten Studien erstellen.

RA Michael Zach
Fachanwalt für Medizinrecht
Eickener Straße 83
41061 Mönchengladbach
Tel: 02161/10244
Fax: 02161/10273
info@rechtsanwalt-zach.de
www.zahnarztrecht.net.

 

 

 

Rechtstipp November 2009 Honorarvereinbarung von Landgericht als gültig bezeichnet

Honorarvereinbarung von Landgericht als gültig bezeichnet
Versicherung hat auch bei hohen Steigerungssätzen zu erstatten

Zu Frage der Gültigkeit einer Honorarvereinbarung gibt es ein aktuelles Urteil des Landgerichts Mannheim; demnach steht die Verwendung eines Vordrucks der Individualität nicht im Wege, zudem waren differenzierte Honorarhöhen angegeben. Mitgeteilt von RA Michael Lennartz, Bonn.

Allgemeine Informationen

In seinem rechtskräftigen Urteil vom 30.01.2009 (Az: 1 S 141/05) hatte sich das Landgericht Mannheim mit der Frage zu befassen, ob ein Versicherer dem Versicherungsnehmer die Aufwendungen für eine zahnärztliche Behandlung auch dann zu ersetzen hat, wenn der 5,9-fache, der 7-fache und der 8,2-fache Steigerungssatz angesetzt wurde.

In dem konkreten Fall kam das LG Mannheim zu dem Ergebnis, dass die Krankenversicherung grundsätzlich auch solche zahnärztliche Behandlungskosten zu tragen hat, die in Folge einer Honorarvereinbarung gemäß § 2 GOZ über die Sätze des § 5 GOZ hinausgehen, wenn die dem Versicherungsverhältnis zwischen den Parteien zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen eine Beschränkung der Kostenerstattung auf die Sätze des § 5 GOZ nicht vorsehen.

Die volle Erstattungsfähigkeit der Zahnarztrechnung hinge davon ab, dass die zwischen dem Zahnarzt und dem Versicherten geschlossene Honorarvereinbarung wirksam war. Dies hänge davon ab, ob die Vergütungsvereinbarung individuell oder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffen wurde, weil in Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Ärzten enthaltene Honorarvereinbarungen nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 30.10.1991 (Az: VIII ZR 51/91) unwirksam seien.

In dem vorliegenden Fall kam das LG Mannheim dabei zu dem Ergebnis, dass die zwischen dem Versicherten und dem Zahnarzt getroffene Honorarvereinbarung eine Individualvereinbarung darstellte, wobei auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 25.10.2004 (Az: 1 BvR 1437/02) verwiesen wurde, wonach für die Annahme einer Individualvereinbarung betreffend Entgelt für ärztliche und zahnärztliche Leistungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen seien.

Der Umstand, dass in der Honorarvereinbarung die Punkte, die gemäß § 2 Abs. 2 GOZ in jeder Honorarvereinbarung enthalten sein müssten, vorgedruckt seien, stehe der Annahme einer Individualvereinbarung nicht entgegen, weil die gedruckten Passagen ohnehin nach der Regelung der GOZ bei sämtlichen Vereinbarungen gleich seien müssten und einer individuellen Vereinbarung nicht zugänglich sind.

Für eine individuelle Honorarvereinbarung verbleibe damit nur die Vereinbarung höherer Gebührensätze. Von einer individuell getroffenen Honorarvereinbarung könne danach ausgegangen werden, wenn die Honorarvereinbarung auf das konkrete Behandlungsgeschehen abgestimmt sei. Das könne sich aus einem bereits vorliegenden Heil- und Kostenplan ergeben, was aber nicht zwingend sei. Vorwiegend sei unter anderem bei der Höhe der Steigerungssätze differenziert worden.

Mitgeteilt von RA Michael Lennartz

 

 

Rechtstipp Oktober 2009 Auskünfte an Versicherungen angeblich nun doch nach GOÄ 75

Auskünfte an Versicherungen angeblich nun doch nach GOÄ 75
Versicherung zitiert Amtsgerichturteil ungenau

In jüngster Zeit wird zur Frage der Kosten für eine Auskunft an Versicherungen ein Amtsgerichturteil München zitiert, welches die Ä75 angeblich bejaht. Bei genauem Lesen stellt sich heraus – das stimmt so nicht. Hier die Einzelheiten

Allgemeine Information

Nach der Entscheidung des AG Düsseldorf sind Auskünfte nicht in jedem Fall nach GOÄ abzurechnen sind (17. November 2008, 20 C 2097/08).

Im streitigen Fall kam das Gericht nach Würdigung der Umstände zu der Überzeugung, dass die Parteien (Zahnarzt und Versicherung) in diesem konkreten Einzelfall die GOÄ als maßgebliche Taxe vereinbart hatten. Damit kam eine Vergütung nach BGB nicht zum Tragen, der Zahnarzt musste sich mit der Gebühr nach Ä 75 zufrieden geben.

Das Gericht hatte aufgrund der Vereinbarung daher nicht zu entscheiden, ob es sich bei Auskünften an Kostenerstatter um berufliche Leistungen des § 1 GOÄ handelt.

Ganz im Gegenteil – wenn Auskünfte des Zahnarztes zwangsläufig nach der GOÄ berechnet werden müssten, bestünde keine vom Amtsgericht ausdrücklich genannte Möglichkeit der Vereinbarung einer beliebigen Taxe. Die Verwendung der Pos. Ä75 ist also nicht zwingend.

Kostenerstatter verwenden dieses Urteil im Versuch, die Berechtigung der Ä 75 nachweisen zu können – wohl wider besseres Wissen.

Siehe auch Juradent-Thema Nr. 2. Der nachfolgende aktuelle Textbaustein stammt aus diesem Thema.

Textbaustein für die Korrespondenz

Honorierung von Auskünften

Auskünfte an Kostenerstatter sind medizinisch nicht notwendig, daher kommt die ärztliche Gebührenordnung GOÄ nicht zur Anwendung.

Vielmehr ergibt sich die Vergütung – in Ermangelung einer Taxe für Auskünfte an Versicherungen- nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch § 612/632 BGB Absatz 1 und 2 (die übliche Vergütung).

Die angebotene Liquidation nach GOÄ 75 ist demnach gebührenrechtlich und juristisch nicht korrekt.

Diese Auffassung haben die Amtsgerichte Saarbrücken (30.1.1998, Az.:36 C 802/94) und Flensburg (18. 4. 2007, Az.: 62 C 238/06) ausdrücklich bestätigt.

Das wird im Übrigen selbst von der assekuranzfreundlichen Kommentierung der Versicherungsbedingungen so bestätigt (Bach/Moser, Private Krankenversicherung MB/KK, 3. Auflage, 2002, § 9, 10 Rd. Ziff. 31, 38).

Das von Versicherungen neuerdings zitierte Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf (17.11.2008, 20 C 2097/08) bestätigte zwar im konkreten Fall die Berechnung der Position Ä 75, ging allerdings in seiner Urteilsbegründung davon aus, dass in diesem Fall diese Position als „Taxe“ vorab vereinbart gewesen sei; dies ist nicht automatisch der Fall.

Das geforderte Honorar orientiert sich am tatsächlichen Aufwand und vergleichbaren Auskünften (z.B. bei einem Rechtsanwalt).

In der Anlage das zugehörige Merkblatt der Zahnärztekammer Nordrhein, Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Die Bundeszahnärztekammer äußert dazu: “Das Verlangen einer kostenerstattenden Stelle, die gesamte Rechnung oder Teile in Frage zu stellen und durch den Zahnarzt erläutern zu lassen, kann nicht nach den Gebührenordnungen GOZ/GOÄ sondern nach den Bestimmungen des BGB in Rechnung gestellt werden. Die kostenerstattende Stelle sollte über die entstehenden Kosten vorab informiert werden”.

Die Berechnung der Auskunft nach BGB erfolgte daher zu Recht.