Wegen Finanznot: Krankenkassen fordern „Akuttherapie“

Die gesetzliche Krankenversicherung steckt tief in den roten Zahlen. Der GKV-Spitzenverband schlägt Alarm und verlangt unter anderem einen sofortigen Stopp des Honoraranstiegs.

Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) fordert wegen der kritischen Finanzlage der Krankenkassen Sofortmaßnahmen durch die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU). „Es braucht jetzt eine Akuttherapie, denn sonst gehen zum nächsten Jahreswechsel die Krankenkassenbeiträge durch die Decke“, warnte die GKV-Vorstandsvorsitzende Doris Pfeiffer in der „Rheinischen Post“. Allein in den vergangenen drei Monaten hätten acht Kassen ihre Zusatzbeiträge erhöht.

Kurzfristig hält Pfeiffer noch vor der Sommerpause ein Vorschaltgesetz für notwendig, mit einem Ausgabenmoratorium für sämtliche Leistungsbereiche, um die Beitragssätze stabil zu halten. „Mit anderen Worten: Keine Preis- oder Honorarerhöhungen mehr, die über die laufenden Einnahmen hinausgehen“, forderte die GKV-Vorstandschefin. Das Moratorium müsse so lange gelten, bis durch geeignete Strukturreformen Einnahmen und Ausgaben wieder in ein Gleichgewicht gebracht worden seien.

Ministerin will nicht auf Reformkommission warten

Mit Blick auf die weitere Zusammenarbeit mit der neuen Bundesregierung zeigte Pfeiffer sich optimistisch. „Die ersten Signale der Ministerin, dass sie die grundlegenden Probleme der GKV rasch und im Dialog mit der Selbstverwaltung angehen möchte, begrüßen wir sehr.“

Warken hatte in ihrer ersten Rede als Ministerin im Bundestag erklärt, wegen der kritischen Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherungen nicht nur auf vorgesehene Kommissionsvorschläge warten zu wollen. Es werde „nicht ohne kurzfristige Maßnahmen gehen“, sagte die CDU-Politikerin. Die gesetzlichen Krankenkassen hatten 2024 ein Defizit von 6,2 Milliarden Euro verbucht. Union und SPD haben vereinbart, dass eine Reformkommission zur Krankenversicherung bis 2027 Vorschläge machen soll.

Klingbeil kündigt grundlegende Reformen an

„Grundlegende und mutige Strukturreformen“ hat unterdessen Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) angekündigt. In der Pflege und bei der Rente müsse gegengesteuert werden, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Es sei der neuen Regierung klar, „dass wir hier stabilisieren müssen. Aber wir können die Probleme nicht dauerhaft einfach nur mit immer mehr Steuergeld kitten.“

Die „Fleißigen“ sollten sich auf einen starken Sozialstaat verlassen können, betonte Klingbeil. „Deshalb sollten wir ein bisschen kreativer sein, als nur zu fordern, dass die Menschen einfach länger arbeiten oder Leistungen im Gesundheitswesen gestrichen werden.“

 

Von der Zahnreinigung direkt in die Notaufnahme

Eine Frau in ihren Dreißigern ohne relevante Vorerkrankungen lässt eine Zahnreinigung durchführen. Kurz nach Beginn der Maßnahme erlebt sie einen plötzlich einsetzenden, reißenden Schmerz im Kiefer und muss in die Notaufnahme eingewiesen werden. Der Fallbericht aus der Türkei wurde im JAMA veröffentlicht.


Die Zahnreinigung zählt zu den elementaren Maßnahmen zur Vermeidung von Karies und Paradontitis. Emphyseme im Weichgewebe des Kiefers ist eine Komplikation. Selten breitet sie sich bis in den Brustkorb aus (Symbolbild).

Die Zahnreinigung wird mit einem Hochdruckstrahl aus Wasser, Luft und Reinigungspulver durchgeführt. Nach dem Schmerzereignis schwellen das gesamte Gesicht der Patientin, ihr Halsbereich und ihr Brustkorb an. Die Frau klagt zudem über ein Engegefühl in der Brust und Dyspnoe.
In der Annahme einer anaphylaktischen Reaktion verabreichen die Behandelnden sofort Pheniramin und Methylprednisolon, doch die Schwellungen sind progredient, so dass die Patientin schließlich als Notfall in eine Klinik überwiesen wird.

Bei der Aufnahme in der Notaufnahme imponieren die Schwellungen und palpable Krepitationen über dem Thorax, im Halsbereich und periorbital. Der Blutdruck liegt bei 110/70 mmHg, der Puls bei 130/min und die Atemfrequenz bei 25/min. Die Sauerstoffsättigung ist mit 92 Prozent erniedrigt.

Die Frau erhält eine ganze Reihe Medikamente:

  • Sauerstoff: 6 l/min
  • Dexamethason 8 mg i.v.
  • Paracetamol 1000 mg i.v.
  • Salbutamol (2,5 mg), Budesonide (1g) und Ipratropium bromid 0,5 mg via Vernebler

Bildgebende Untersuchungen (Röntgenaufnahme des Brustkorbs und Computertomografie) offenbaren schließlich Luftansammlungen im Unterhautgewebe von Gesicht und Hals sowie in den Weichteilschichten des Halses und im Mediastinum.

Die Behandelnden stellen die Diagnose eines Pneumomediastinums und subkutanen Emphysems.

Aufnahme in die Thoraxchirurgie

Die Patientin wird zur Beobachtung in die Thoraxchirurgie überwiesen. Unter Sauerstoffgabe (6 l/min) und NSAR (Dexketoprofen) kommt es nach und nach zu einem Rückgang der Luftansammlungen, wie man in täglichen Röntgenaufnahmen sehen kann. Am vierten Tag des Aufenthaltes kann sie schließlich nach Hause entlassen werden. Ihr wurde geraten, in Zukunft bei der Zahnreinigung auf die Verwendung von Hochdruckreinigung mit Wasser und Luft zu verzichten.

Pneumomediastinum: Selten nach Zahnreinigung

Ein Pneumomediastinum ist definiert als das Vorhandensein freier Luft im Mediastinum. Es kann spontan oder sekundär infolge von Traumata, medizinischen Eingriffen (z. B. Bronchoskopie, Endoskopie, Zahnbehandlungen), thorakalen Operationen, pulmonalen Grunderkrankungen (wie Asthma oder COPD) oder Infektionen (z. B. Keuchhusten, Tuberkulose, Mycoplasma pneumoniae, COVID-19, Influenza) auftreten.

Ein spontanes Pneumomediastinum ist häufig mit Aktivitäten verbunden, die den intrathorakalen Druck akut erhöhen, etwa durch Husten, Niesen, Erbrechen, körperliche Anstrengung oder den inhalativen Konsum von Substanzen wie Tabak, Shisha, Kokain oder Methamphetamin.

Insbesondere in der Zahnmedizin können Hochdruckgeräte wie Air-Polisher, luftgetriebene Bohrer oder Wasser-Luft-Spritzen durch mikroskopisch kleine Schleimhautläsionen Luft in subkutane oder mediastinale Gewebe einbringen und so ein Pneumomediastinum verursachen. Solche Fälle sind selten, treten jedoch vermehrt bei längeren Eingriffen mit Druckluftwerkzeugen, bei Patienten mit Bindegewebserkrankungen, chronischer Kortikosteroidtherapie oder bei operativer Entfernung von Weisheitszähnen auf. Ein zusätzliches Risiko besteht bei der direkten Einleitung von Luft in gingivale Taschen oder offene Wunden.

Die Therapie erfolgt konservativ

Die Therapie erfolgt in der Regel konservativ. Hochdosierte Sauerstoffgabe kann die Resorption der Luft beschleunigen, indem sie die alveoläre Sauerstoffkonzentration erhöht und so einen Diffusionsgradienten zur Verdrängung des Stickstoffs im Mediastinum schafft. Zusätzlich werden Analgetika, Bettruhe und die Vermeidung intrathorakaler Druckspitzen für mindestens eine Woche empfohlen. Eine tägliche Bildgebung zur Verlaufskontrolle wird angeraten.

 

Originalpublikation:
Ulas AB, Aydin Y, Egilmez MZ. A Woman With Facial, Neck, and Chest Swelling During Dental Cleaning. JAMA. Published online May 14, 2025. doi:10.1001/jama.2025.5587

Studie zu Einflussfaktoren auf die Mundgesundheit

Deswegen haben Kleinkinder in Belgien so schlecht
Keine Zeit, das Kind kooperiert nicht, Eltern sind kein Vorbild, andere kulturelle Normen, und Ärzte wie Sozialkräfte schieben die Verantwortung weg: Das sind die Ursachen für die schlechte Mundgesundheit von Kleinkindern in Belgien.

2023 lag der T-Health-Index bei fünf- bis siebenjährigen Kindern in Belgien bei 17,7 (Der T-Health-Index basiert auf dem Kariesindex DMFT, gibt jedoch den funktionellen Zustand wieder, indem gesunde Zähne höher als gefüllte oder fehlende Zähne bewertet werden). Viele Länder in Europa haben Programme zur Verringerung von Karies eingeführt, auch Belgien, doch die nach wie vor hohe Karieserfahrung bei Kindern zeigt, dass weitere Anstrengungen zur Verbesserung der Mundgesundheit vonnöten sind.

Daten der belgischen Regierung zur Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung belegen, dass 2023 fast die Hälfte der belgischen Kinder unter vier Jahren noch nie beim Zahnarzt war (47,9 Prozent), bei Kindern aus Familien mit niedrigem Einkommen waren es sogar 62 Prozent). Vor dem Hintergrund, dass die Krankenversicherung die zahnärztliche Untersuchung für diese Kinder vollständig übernimmt, wollten die Forschenden mit der vorliegenden Studie wissen, wie es zu dieser Diskrepanz kommt.

Milchzahnkaries ist nach wie vor weit verbreitet

Ziel war, im Dialog mit den Eltern die bewussten und unbewussten Mechanismen dahinter zu erforschen und möglicherweise blinde Flecken in der zahnmedizinischen Versorgung aufzudecken. Es wurden außerdem Informationen von Fachkräften eingeholt, die regelmäßig mit Kleinkindern und ihren Familien arbeiten und direkt oder indirekt an der Förderung der Mundgesundheit von Kindern beteiligt sind.

Die Studie wurde von einem interdisziplinären Team aus Forschern und Praktikern aus der Gesundheitsförderung, Zahnmedizin und Primärversorgung durchgeführt. Die Teilnehmer waren Eltern von Vorschulkindern und Fachkräfte, die mit kleinen Kindern und ihren Familien in Gent, einer Provinzstadt in Flandern, arbeiten. Einschlusskriterien waren:

  1. mindestens 18 Jahre alt,
  2. ein Kind zwischen 6 Monaten und 6 Jahren und

  3. Niederländisch- oder Englischkenntnisse.

Eltern, die im Gesundheitswesen tätig waren, wurden ausgeschlossen. Zunächst wurde eine gezielte Stichprobenziehung durchgeführt, um eine Vielfalt der Probanden hinsichtlich Alter, Geschlecht, sozioökonomischem Status, ethnischer Zugehörigkeit sowie Anzahl und Alter der Kinder sicherzustellen.

Insgesamt wurden acht Einzel- und drei Fokusgruppeninterviews mit Eltern von Kindern im Alter von sechs Monaten bis sechs Jahren durchgeführt (insgesamt 30 Elternteile). Dabei wurde darauf geachtet, auch Eltern aus Randgruppen mit einzubeziehen (19 Elternteile waren nicht in Belgien geboren). Außerdem wurden Einzelinterviews mit acht Fachkräften aus verschiedenen Gesundheits- und Sozialbereichen initiiert, die in Gent mit Kleinkindern und Familien arbeiteten. Hauptthemen der Befragungen waren das Verhalten bei der Mundhygiene, Ernährungsgewohnheiten und Zahnarztbesuche.

Alltägliche Hürden beim Zähneputzen

Die Mundgesundheit von Kleinkindern wird demnach von verschiedenen Faktoren beeinflusst, maßgeblich sind:

  • Zeitmangel: Obwohl fast alle Eltern wussten, dass sie die Zähne ihrer Kinder zweimal täglich für zwei Minuten putzen sollten, blieb dies insbesondere morgens teilweise aus, weil die Zeit drängte und der Familienalltag hektisch verlief. Der Mundhygiene wurde dann eine geringere Priorität als anderen Dingen eingeräumt.
  • unkooperatives Verhalten der Kinder: Nahezu alle Eltern beschrieben, dass ihre Kinder zuweilen unkooperativ waren, beispielsweise den Mund nicht öffneten, den Kopf wegdrehten oder gegen das Zähneputzen protestierten. Die Eltern begegneten diesem Verhalten mit Strategien, das Zähneputzen zu einem angenehmen Erlebnis oder Spiel zu machen oder das Kind abzulenken. Andere reagierten mit Zwang, Verärgerung oder Drohungen. Oder sie versuchten dem Kind zu erläutern, warum die Zahnpflege wichtig ist und übertrugen somit die Verantwortung dafür dem Kind. Nicht alle Eltern hatten die Ausdauer oder Konsequenz, das Zähneputzen durchzusetzen. Gleichzeitig berichteten Eltern, bei denen das Zähneputzen zur Routine geworden war, dass ihr Kind kooperativer war.

  • Mundhygienegewohnheiten der Eltern: Auch beim Zähneputzen sind die Eltern ein wichtiges Vorbild für ihre Kinder. Dabei „färbten“ nicht nur die Frequenz und Dauer des Zähneputzens ab, sondern auch die Art und Weise, zum Beispiel, ob eine Handzahnbürste oder ein elektrisches Modell verwendet wurde oder wie regelmäßig Kontrolluntersuchungen in der Zahnarztpraxis wahrgenommen wurden.

  • familiäre und kulturelle Normen: Die eigenen Gewohnheiten und Erfahrungen in der Kindheit prägten das Verhalten der Eltern. Einige wollten ihre Kinder etwa vor schlechten Erfahrungen bewahren, die sie selbst gemacht hatten. Zum Teil übernahm auch ein Elternteil das bessere Mundhygieneverhalten des anderen. Einige Eltern mit Migrationshintergrund berichteten, dass sie der Mundhygiene aufgrund kultureller Prägung weniger Bedeutung beimaßen und ihre Zahnarztpraxis eher bei Schmerzen als zur Vorbeugung aufsuchten. Beschwerden bei den Kindern motivierten manche Eltern dazu, die Mundhygiene ihrer Kinder zu verbessern.

  • unklare Zuständigkeiten und mangelndes Wissen bei Gesundheitsfachkräften: Familienhilfen sowie Kinder- und Hausärzte sind wichtige Ansprechpartner für Eltern, aber über das Thema Mundgesundheit zum Teil nicht ausreichend informiert. Sie gaben in den Interviews sogar vereinzelt falsche Empfehlungen. Es war die Tendenz zu erkennen, dass die Verantwortung „weitergereicht“ wurde. Gleichzeitig hatten gerade Eltern mit Migrationshintergrund mehr offene Fragen und Zweifel, die auf diese Weise möglicherweise unbeantwortet blieben.

„Im Allgemeinen wissen alle Eltern über die Mundgesundheitspflege von Kleinkindern Bescheid“, stellten die Autoren abschließend fest. Ihnen fehle allerdings vor allem die Fähigkeit, dieses Wissen bei unkooperativem Verhalten in die Praxis umzusetzen. Die aktuellen Interventionen, die auf das Wissen der Eltern über Mundgesundheit setzen, seien daher unzureichend, um das Verhalten der Eltern zu ändern. Stattdessen sollten Interventionen auch auf Erziehungskompetenzen wie Verhaltensmanagement ausgerichtet sein.

Kampagnen könnten die Situation verbessern

„Festgestellt wurde ein Bedarf an Zeit und Ressourcen, um die Mundgesundheitsvorsorge für kleine Kinder zu verbessern und an die Lebenswirklichkeiten junger Eltern anzupassen“, resümieren die Wissenschaftler. Sie halten Kampagnen für geeignet, um die Aufmerksamkeit für das Thema zu erhöhen und Eltern dazu anzuregen, das Thema Mundhygiene bei Arztbesuchen aktiv aufzugreifen und ihre Fragen zu stellen.

Goossens, J., Poppe, L., Lambert, M. et al. A qualitative study on the factors influencing oral health care for young children in Belgium. BMC Public Health 25, 1018 (2025). https://doi.org/10.1186/s12889-025-22153-0

Leitlinie des Interdisziplinären Arbeitskreises Oralpathologie und Oralmedizin mit DGMKG und DGZMK

Rezidivierende Aphthen gehören zu den häufigsten Mundschleimhaut-Erkrankungen. Ihre Ätiologie ist wahrscheinlich multifaktoriell, diskutiert werden unter anderem Genetik, Infektionen, lokales Trauma und Stress.

In etwa 85 Prozent der Fälle handelt es sich um Minor-Aphthen, in zirka 10 Prozent um Major-Aphthen. Da schwere aphthoide Veränderungen in der Regel in Fachpraxen oder -kliniken diagnostiziert und behandelt werden, fokussiert diese Kurz-Empfehlung auf das Management von Minor-Aphthen. Detaillierte Informationen enthalten der Leitlinientext und der Methodenreport [1, 2].

A. Merkmale Minor-Aphthen (Typ Mikulicz)

  • Oberflächliche Erosion oder Ulzeration, plan oder gering erhabener Randwall
  • Durchmesser: meist 2 bis 5 mm, selten bis 10 mm
  • Lokalisation: meist nicht keratinisierte Schleimhaut, ein bis vier Aphthen gleichzeitig
  • Verlauf: Rasch entstehend, Schmerz mäßig bis stark
  • Heilungsdauer: 7 bis 10 Tage, keine Narbenbildung
  • Hohe Rezidivneigung, 3- bis 6-mal pro Jahr

Beim Typus herpetiformis (Typ Cooke, Anteil zirka 5 Prozent) entstehen multiple kleine Läsionen auf der gesamten oralen Schleimhaut. Major-Aphthen (Typ Sutton) dringen in tiefere Gewebeschichten ein, verheilen narbig, sind zwei bis vier Wochen präsent, sehr schmerzhaft und mit Lymphadenopathien verbunden. Aphthenähnliche (aphthoide) Läsionen manifestieren sich auch bei einigen Syndromen und systemischen Erkrankungen. Sie lassen sich zum Teil nur schwer von Aphthen unterscheiden.

B. Diagnostische Empfehlungen

Die Diagnose wird vor allem morphologisch gestellt (vergleiche Punkt A). Hinzu kommen:

  1. Eine umfassende oral- und allgemeinmedizinische Anamnese (Malabsorptions- und Mangelzuständen, Arzneimittel-Unverträglichkeiten, systemische Erkrankungen usw.)
  2. Eine intra- und extraorale Untersuchung (Inspektion und Palpation)
  3. Bei lokal begrenzten Läsionen zunächst mögliche mechanische Ursachen abklären, zum Beispiel durch Prothesen, Restaurationen, persistierende Fadenreste oder Watterollen, chemische oder thermische Irritationen, topische Medikamente
  4. Achtung: Bei Läsionen, die nach zwei Wochen nicht abheilen, sollten Patienten zur Abklärung möglicher maligner Veränderungen unverzüglich an spezialisierte Praxen oder Kliniken überwiesen werden.

C. Therapeutische Empfehlungen

Die Therapie chronisch-rezidivierender (rekurrierender) Aphthen der Mund- und Rachenschleimhaut (oropharyngeal) ist wegen ihrer unklaren Ätiologie symptomatisch ausgerichtet. Sie zielt auf:

  • Linderung von Schmerzen und funktionellen Einschränkungen und
  • Reduzierung von Häufigkeit und Schweregrad von Rezidiven.

Lokale Maßnahmen sind wegen des niedrigen Risikos systemischer Nebenwirkungen erste Wahl:

  • Erste Therapiestufe: filmbildende Präparate, zum Beispiel AphtoFix (Hyaluronsäure, Aloe Vera, Zink) oder Sucralfat (Aluminiumhydroxid und Saccharose-octasulfat)
  • Zweite Therapiestufe: glukokortikoidhaltige Haftsalbe (Triamcinolon-acetonid 0,1%)
  • Laser (CO2, Dioden, Nd:YAG)
  • Topische Adstringenzien (zum Beispiel Myrrhe) und Antiseptika (CHX-Gele)
  • Topische Lokalanästhetika
  • Antibiotische Spüllösungen (Tetrazyklin oder Minozyklin, bei Major-Aphthen)

Bei häufiger und die Lebensqualität des Patienten deutlich einschränkender Rezidivneigung kann eine systemische Behandlung erforderlich werden, zum Beispiel mit Glukokortikoiden. Bei komplexen Aphthosen werden lokale und systemische Maßnahmen kombiniert (siehe Flow-Chart unten). Eine Tabelle mit differenzierten therapeutischen Empfehlungen und weitere Hinweise enthalten der Volltext der Leitlinie (S. 21) und der Leitlinienreport [1, 2].

Konzept und Methodik

Die für diese Kurzübersicht verwendete Leitlinie gibt den Stand des Wissens von April 2023 wieder und gilt bis April 2028 [1, 2]. Sie richtet sich an Zahnärzte sowie an Fachärzte unter anderem für MKG-Chirurgie, HNO-Heilkunde, Dermatologie, Innere Medizin und Pädiatrie. Aufgrund der begrenzten Datenlage ist die Empfehlung konsensbasiert (S2k) und wurde in einem „nominalen Gruppenprozess“ von allen beteiligten Fachgesellschaften verabschiedet. Hier geht es direkt zur Leitlinie.

Dr. Jan H. Koch, Freising

Bei Kurz-Empfehlungen in der Rubrik Oralmedizin kompakt handelt es sich nicht um offizielle Publikationen von Fachgesellschaften, sondern um Beiträge mit fachjournalistischer Auswahl von Inhalten und ohne die in Leitlinien vorgegebene methodische Stringenz.  

Literatur

[1] AKOPOM, DGMKG, DGZMK. Diagnostik und Therapieoptionen von Aphthen und aphthoiden Läsionen der Mund- und Rachenschleimhaut“, Long version, 2.0, 20230430, AWMF no. 007–101, https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/007–101.html, accessed 20250217. 2023.
[2] AKOPOM, DGMKG, DGZMK. Diagnostik und Therapieoptionen von Aphthen und aphthoiden Läsionen der Mund- und Rachenschleimhaut, S2k-Leitlinie (Leitlinienreport); AWMF-Registernummer: 007–101 Stand: April 2023; Gültig bis: April 2028. 2023.

Kassen fordern: Jetzt Mehrwertsteuer auf Arzneimittel senken

Die gesetzlichen Krankenkassen in Niedersachsen beklagen deutlich steigende Ausgaben für Arzneimittel. Im vergangenen Jahr gaben sie gut 5,2 Milliarden Euro für Präparate aus öffentlichen Apotheken aus – gut 500 Millionen Euro oder 10,75 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie der Verband der Ersatzkassen unter Berufung auf Statistiken des Deutschen Apothekerverbandes mitteilte. Bundesweit stiegen die Arzneimittelkosten 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 9,7 Prozent – enthalten sind Ausgaben für Arzneimittel, Rezepturen und Verbandstoffe, nicht aber für Impfstoffe und Hilfsmittel.

„Die Ausgabenspirale im Arzneimittelbereich dreht sich rasend schnell nach oben“, mahnte der Verbands-Landesleiter Hanno Kummer. Er forderte daher „Instrumente für faire Arzneimittelpreise“ – „vor allem für neue patentgeschützte Präparate. Hier bedarf es dringend einer Preisanpassung.“ Außerdem verlangte er, die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von derzeit 19 auf 7 Prozent zu senken. Das würde seinen Worten zufolge die Beitragszahler in Deutschland um jährlich sechs bis sieben Milliarden Euro entlasten.

ZFA ist der zweitbeliebteste Ausbildungsberuf bei Frauen

Damit entschieden sich 2024 mehr Frauen für den ZFA-Beruf als für den der MFA, geht aus einer aktuellen Erhebung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge hervor.

Laut BIBB unterzeichneten 15.597 junge Frauen einen neuen Ausbildungsvertrag zur Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA). Im Vorjahr hatte die Zahl noch bei 13.320 gelegen. Für die Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten (MFA) entschieden sich 15.432 junge Frauen (2023: 16.071).

Die meisten neuen Ausbildungsverträge bei Frauen wurden nach BIBB-Informationen im Beruf Kauffrau für Büromanagement abgeschlossen. Mit 15.720 neuen Verträgen bleibt dieser Beruf wie im Vorjahr weiter auf Platz eins der Rangliste. Hinter ZFA und MFA folgen die Berufe Verkäuferin, Industriekauffrau und Kauffrau im Einzelhandel. „Auf diese ersten sechs Berufe entfallen 40,9 Prozent aller zum 30.09.2024 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge mit Frauen“, teilte das Institut mit.

Bundesweit waren diese Jobs besonders gefragt

In der Gesamtschau liegt die Ausbildung zum/zur „Kraftfahrzeugmechatroniker/-in“ mit 25.221 abgeschlossenen Verträgen auf Platz eins des Rankings vor „Kaufmann/-frau für Büromanagement“ mit 22.245 und „Verkäufer/-in“ mit 20.742 neuen Verträgen.

Insgesamt wurden nach Angaben des BIBB 486.711 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge erfasst. Knapp zwei Drittel (63,6 Prozent) wurden demnach mit männlichen Auszubildenden, etwas mehr als ein Drittel (36,3 Prozent) mit weiblichen Auszubildenden abgeschlossen.

Aktuelle Studie zur Zahngesundheit

Immer mehr Deutsche sind kariesfrei

Die Jungen haben seltener Karies, die Älteren behalten länger ihre Zähne: In Bezug auf die Zahngesundheit haben Menschen in Deutschland gut lachen. Doch es gibt auch eine besorgniserregende Entwicklung.
Die meisten Deutschen behalten länger ihre Zähne und haben dank Vorsorgemaßnahmen zunehmend kariesfreie Gebisse. Zu dem Ergebnis kommt die sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie. Bei den Zwölfjährigen sind mit 78 Prozent mittlerweile mehr als drei Viertel kariesfrei. Problematisch bleiben schwere Parodontalerkrankungen, von denen rund 14 Millionen Menschen in Deutschland betroffen sind.

Immer weniger Zahnlose in Deutschland

Für die Studie – die mittlerweile sechste seit dem Jahr 1989 – wurden von 2021 bis 2023 an bundesweit 90 Standorten rund 3400 Menschen befragt und zahnmedizinisch untersucht. Dabei zeigte sich, dass nicht nur der Großteil der älteren Kinder kariesfrei ist. Auch bei den jüngeren Erwachsenen zwischen 35 und 44 Jahren halbierte sich demnach die Zahl der von Karies betroffenen Zähne binnen 35 Jahren auf im Schnitt rund acht.Gleichzeitig können immer mehr Zähne erhalten werden. Bis zur Mitte ihres Lebens haben Menschen in Deutschland heute praktisch noch ein vollständiges Gebiss. Nur fünf Prozent der 65- bis 74-Jährigen sind komplett zahnlos, was einen Rückgang um 80 Prozent seit 1989 bedeutet, wie Rainer Jordan vom Institut der Deutschen Zahnärzte erklärte.

Allerdings hängt die Zahngesundheit auch vom Bildungsgrad ab. Jüngere Senioren mit niedrigem Bildungshintergrund sind demnach häufiger komplett zahnlos (8,8 Prozent) als jene mit hohem Bildungsabschluss (1,9 Prozent). Auch bei Karies zeigt sich ein Bildungsgefälle – je niedriger etwa der Bildungshintergrund der Familien, desto häufiger sind Kinder von Karies betroffen.

Gewalt in Arztpraxen: Viel Zuspruch für Reinhardts Meldesystem-Vorschlag – aber auch Skepsis

Angriffe durch Patienten sollten Niedergelassene und ihre Praxisteams künftig schnell und unkompliziert über extra dafür eingerichtete Online-Plattformen melden können, fordert die Bundesärztekammer. Eine große Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte findet diese Idee gut, zeigt eine aktuelle Umfrage des Ärztenachrichtendienstes. Viele sind aber skeptisch, ob das in der Realität so nutzenbringend umgesetzt werden kann. In Sachen Schutzvorkehrungen in der eigenen Praxis kommt die Umfrage zu einem überraschenden Ergebnis.

Bund und Länder müssten im Internet zentrale Meldesysteme bereitstellen, über die niedergelassene Ärztinnen und Ärzte „unkompliziert mit wenigen Klicks“ Vorfälle mit pöbelnden und gewalttätigen Patienten und Patientinnen anzeigen könnten, schlug Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt kürzlich vor. Polizei und Justiz sollten diesen Fällen dann grundsätzlich unmittelbar nachgehen. Reinhardt reagierte damit auf einen Gewalt-Vorfall in einer Arztpraxis im nordrhein-westfälischen Spenge, der sich Ende Januar ereignet hatte. Ein Patient hatte dort einen Hausarzt angegriffen und bewusstlos geschlagen. Der Arzt wurde dabei so schwer verletzt, dass er im Krankenhaus behandelt werden musste.

BÄK-Präsident Reinhard erklärte wenige Tage nach dem Angriff, dieser sei keineswegs ein Einzelfall. „Gereiztheit ist weit verbreitet und die Schwelle, an der sie übergeht in Aggression, ist definitiv gesunken.“ In den Praxen komme es immer häufiger zu gewaltsamen Übergriffen.

Könnten die von der BÄK vorgeschlagenen Online-Melderegister womöglich dabei helfen, die Angriffe auf Niedergelassene und ihre Praxisteams besser zu verfolgen und somit auf lange Sicht einzudämmen? Wir haben die änd-Leserinnen und -Leser gefragt, was sie von Reinhardts Vorstoß halten. 34 Prozent sagten, die Idee sei gut und sie könne dazu führen, dass derartige Vorfälle dann schneller verfolgt und bestraft würden. Weitere 47 Prozent gaben ebenfalls an, dass der Vorschlag zwar nicht schlecht, aber dennoch zu befürchten sei, dass sich Polizei und Justiz dann trotzdem nicht rascher um solche Vorfälle kümmern würden. Immerhin knapp ein Fünftel hält den Vorstoß für „Unsinn“ – er trage nichts zur Problemlösung bei.

Bei der aktuellen Umfrage handelt es sich bereits um die zweite, die der änd zum Thema Gewalt in der Arztpraxis durchgeführt hat. 2017 hatte die Redaktion die Leserinnen und Leser schon einmal nach ihren Erfahrungen mit entsprechenden Vorfällen gefragt. Damals hatten 43 Prozent der Ärztinnen und Ärzte geantwortet, dass sich ihre Medizinischen Fachangestellten (MFA) mindestens einmal pro Woche mit Patienten beziehungsweise Patientinnen auseinandersetzen müssten, die verbal aggressiv aufträten. Diese Zahl ist bei der aktuellen Umfrage mit 41 Prozent in etwa gleichgeblieben.

Auch bei der Frage nach Erfahrungen mit körperlicher Gewalt zeigt sich kaum eine Entwicklung nach oben oder nach unten: Während bei der ersten Umfrage 25 Prozent der Befragten mitgeteilt hatten, in der eigenen Praxis bereits mit körperlich gewalttätigen Patienten und Patientinnen konfrontiert gewesen zu sein, waren es bei der jetzigen Umfrage 23 Prozent. Alarmierend: Von denjenigen, die laut der aktuellen Umfrage bereits Gewalterfahrungen gemacht haben, berichteten insgesamt 26 Prozent davon, dass sie dabei schon einmal oder mehrfach leicht (23 Prozent) oder sogar schwer (3 Prozent) verletzt worden seien.

Ein Viertel hat schon einmal die Polizei gerufen – damals wie heute

Nach eigenen Verletzungen hatte die änd-Redaktion die Niedergelassenen bei der Umfrage im Jahr 2017 nicht gefragt, wohl aber nach Verletzungen des Praxispersonals. Damals hatten 16 Prozent der Ärztinnen und Ärzte mit Gewalterfahrungen in der eigenen Praxis angegeben, dass schon einmal eine oder mehrere ihrer Mitarbeiterinnen durch gewalttätige Patienten verletzt worden seien. Bei der gleichlautenden Frage in der aktuellen Umfrage ist diese Zahl mit 17 Prozent fast identisch.

Ebenfalls kaum etwas geändert hat sich bei den Antworten auf die Frage, ob man aufgrund aggressiver Patienten beziehungsweise Patientinnen schon einmal die Polizei rufen musste: Aktuell sagten 25 Prozent, das sei mindestens schon einmal vorgekommen. Damals (2017) hatten dies in etwa gleich viele Befragte (24 Prozent) angegeben.

Ein kleiner Unterschied lässt sich hingegen bei den Antworten auf die Frage erkennen, mit welchen Konsequenzen Patienten und Patientinnen zu rechnen haben, die sich in der Praxis danebenbenehmen. Mittlerweile scheinen die Niedergelassenen in diesem Fall weniger nachsichtig zu sein als noch vor acht Jahren, denn bei der aktuellen Befragung gaben 40 Prozent an, dass sie in solchen Fällen sofort ein Praxisverbot aussprächen. Damals hatten mit 31 Prozent etwas weniger Ärztinnen und Ärzte diese Option ausgewählt. Das „klärende Gespräch“ war bei der ersten Umfrage mit 64 Prozent die mit Abstand am häufigsten genannte Antwort gewesen. Aktuell sagten hingegen nur 49 Prozent der Befragten, sie würden mit pöbelnden Patienten und Patientinnen zunächst ins Gespräch gehen, da jeder eine zweite Chance verdient habe. 2 Prozent (aktuell) beziehungsweise 6 Prozent (2017) ziehen hingegen nach eigenen Angaben gar keine Konsequenzen.

Mehr Befragte als damals bezeichnen Anti-Gewalt-Trainings für Praxispersonal als „Unsinn“

Dass das Thema „Gewalt in der Arztpraxis“ mittlerweile etwas mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erfährt, davon sind jetzt offenbar mehr Ärztinnen und Ärzte überzeugt als noch vor einigen Jahren. Zwar gaben bei der aktuellen Befragung immer noch 56 Prozent an, sie hätten den Eindruck, dass kaum jemand wisse, was in den Praxen in dieser Hinsicht so abgehe. Im Jahr 2017 war diese Zahl mit 87 Prozent jedoch deutlich höher. 38 Prozent der Befragten sind heute der Auffassung, dass das Problem zwar immer mehr, aber immer noch zu wenig wahrgenommen wird.

Eine interessante Entwicklung lässt sich bei der Frage nach Schulungen und Kursen für Praxispersonal zum Umgang mit gewalttätigen Patienten und Patientinnen beobachten: Bei der ersten Umfrage hatten 18 Prozent der Ärztinnen und Ärzte solche Angebote als „Unsinn“ bezeichnet. Diese Auffassung ist mittlerweile wohl noch stärker verbreitet, denn bei der aktuellen Befragung gaben nun 27 Prozent an, dass solche Schulungen „Unsinn“ und somit nutzlos seien. Immerhin 58 Prozent sagten aber, so etwas sei eine gute Idee und man wolle das demnächst in der eigenen Praxis umsetzen. Und 15 Prozent berichteten, dass die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereits entsprechende Kurse besucht hätten. Im Jahr 2017 hatten 64 Prozent geantwortet, derartige Angebote seien eine gute Idee und 18 Prozent hatten diese auch tatsächlich schon umgesetzt.

Schutzvorkehrungen bei den meisten Fehlanzeige

Der änd wollte dieses Mal auch von den Niedergelassenen wissen, ob und welche Schutzvorkehrungen sie in ihrer Praxis getroffen oder eingerichtet haben, um bei Angriffen schnell reagieren zu können. Das Ergebnis ist bemerkenswert: Obwohl aggressive und pöbelnde Patienten und Patientinnen längst keine Seltenheit mehr sind und man auch bei gewalttätigen Übergriffen in Arztpraxen nicht mehr von Einzelfällen sprechen kann, hat eine Mehrheit der Befragten (65 Prozent) nach eigener Aussage keine Schutzmaßnahmen in der eigenen Praxis installiert. Nur 8 Prozent gaben an, eine Alarmanlage zu haben, die sich im Notfall schnell auslösen lasse und deren Lärm dann abschreckend wirke. 16 Prozent der Befragten berichteten, sie hätten in ihrer Praxis Waffen zur Selbstverteidigung wie Pfefferspray oder Taser griffbereit liegen. Und lediglich 4 Prozent der Ärztinnen und Ärzte haben nach eigenen Angaben in ihrer Praxis eine Überfall-Meldeanlage mit versteckten Alarmknöpfen eingerichtet, mit der sich ein Sicherheitsdienst oder die Polizei rufen lassen.

An der aktuellen Online-Umfrage zum Thema „Gewalt in der Praxis und Schutzvorkehrungen“ beteiligten sich vom 20. Februar bis zum 3. März insgesamt 667 niedergelassene Haus- und Fachärztinnen und -ärzte.

Veröffentlichung im Bundesanzeiger: So üppige Vorstandsgehälter werden bei den gesetzlichen Krankenkassen gezahlt

Steigende Beitragssätze und trotzdem zu wenig Geld: Die gesetzlichen Krankenkassen klagen immer lauter über ihre schlechte Finanzlage.

Geld genug für üppige Vorstandsgehälter ist allerdings dennoch da, zeigen die aktuellen Veröffentlichungen im Bundesanzeiger.

Topverdiener bleibt der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas. 392.700 Euro beträgt sein Grundgehalt, inklusive sonstiger Vergütungsbestandteile kommt er auf 400.057 Euro Jahresgehalt, dazu kommen Rückstellungen für die private Altersversorgung in Höhe von 51.349 Euro.

Bei der Barmer bekommt der Vorstandsvorsitzende 358.957 Gesamtvergütung, bei der DAK sind es 348.084 Euro. Der Vorstand der KKH bekommt eine Gesamtvergütung von 313.148 Euro. Die hkk, die bundesweit einen der geringsten Zusatzbeiträge erhebt, zahlt ihrem Vorstand  314.679 Euro. Deutlich geringer fällt die Gesamtvergütung der vdek-Chefin Ulrike Elsner aus: Sie liegt bei 264.179 Euro.

AOK-Bundesverbands-Chefin Carola Reimann hingegen geht mit 398.444 Euro nach Hause. Auch die Vorstände der einzelnen AOKen verdienen gut: Kaum einer geht mit weniger als 300.000 Euro im Jahr nach Hause.

Bei den Innungskrankenkassen sieht das anders aus: Dort kommt nur der Chef der IKK classic über die 300.000 Euro. Er bekommt eine Gesamtvergütung von 342.015 Euro im Jahr.

Auch bei den im Vergleich kleineren BKKen liegen die Vorstandsvergütungen meist niedriger. Ausnahme: Der Vorstandsvorsitzende der Audi BKK: Seine Gesamtvergütung wird mit 308.928 Euro angegeben. Und: Die relativ kleine BKK Viacticv, die immer wieder mit Regressen gegen Ärzte aufgefallen ist, gönnt ihrem Vorstandsvorsitzenden 286.813 Euro Gesamtvergütung.

Notaufnahme an Karneval: Betrunken und aggressiv?

Rund um Rosenmontag sind die Notaufnahmen mit alkoholisierten Patienten überlaufen – da ist eine Eskalation oft nicht weit. Wie bewegen sich Ärzte sicher auf dem schmalen Grat zwischen Selbstschutz und Straftat?

Karneval, Fasching, Fastnacht – egal wie man es nennt, die „fünfte Jahreszeit“ bringt neben ausgelassener Feierstimmung auch eine alljährliche Herausforderung für die Notaufnahmen mit sich. Während draußen Konfetti fliegt und Schunkellieder erklingen, herrscht drinnen Hochbetrieb: SturzverletzungenAlkoholvergiftungen und eskalierende Auseinandersetzungen sorgen oft für einen unruhigen Dienst für alle Beteiligten.

Besonders herausfordernd sind dabei die vielen alkoholisierten Patienten – sei es der freundliche, aber komplett desorientierte Karnevalist im Clownskostüm oder der aggressive Partygast, der sich mit der Security angelegt hat. Im Umgang mit diesen Patienten drängen sich neben der medizinischen Behandlung immer wieder Fragen auf: Was tun, wenn der Patient aggressiv wird? Darf ich ihn festhalten? Wenn ja, wie lange? Die Notaufnahme ist voll, kann ich den Betrunkenen nicht einfach wieder vor die Tür setzen?

Zwischen Fürsorge und Frustration

Ein betrunkener Patient kann von tiefenentspannt bis hochaggressiv jede Facette menschlichen Verhaltens zeigen. Wer in der Notaufnahme arbeitet, weiß: Geduld, Deeskalation und eine ruhige, klare Kommunikation sind essenziell. Damit die Situation möglichst erst gar nicht aus den Fugen gerät, lohnt es sich, selbst einmal durchzuatmen und sich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Auch wenn nach 16 behandelten Alkoholvergiftungen die siebzehnte nerven kann: Für den Patienten ist es trotzdem ein Notfall. Also gilt es, ruhig und empathisch zu bleiben – Zen-Modus an!

Alkoholisierte Menschen haben meist eine begrenzte Aufnahmefähigkeit. Es empfiehlt sich daher, mit kurzen, klaren Sätzen zu kommunizieren, um Missverständnisse zu vermeiden. Zudem ist es sinnvoll, hektische Bewegungen und laute Geräusche zu vermeiden. Zu viele Reize können nämlich ein aggressives Verhalten fördern. Ein Unterfangen, das sich in der vollen Notaufnahme jedoch leider nicht immer umsetzen lässt.

Vorbeugung ist schön, wirkt aber nicht immer

Egal, wie viel Mühe man sich gibt, manchmal lässt sich auch mit dem besten Willen eine Eskalation nicht vermeiden – oder ein Patient kommt bereits aggressiv in der Notaufnahme an. Was dann? Zuerst einmal gilt: Sicherheit für das Personal hat oberste Priorität. Wenn möglich, sollte man zunächst körperliche Distanz wahren, Fluchtwege offenhalten und Kollegen und Security hinzuziehen. Sobald genügend Personal im Raum ist, kann es mit einer strukturierten und koordinierten Deeskalation losgehen.

Am besten übernimmt eine Person die verbale Führung, während die anderen unterstützend agieren. Weiterhin gilt, dass der Patient möglichst mit ruhiger, aber bestimmter Stimme angesprochen werden sollte. Ebenso sollte man auf eine offene, nicht-bedrohliche Körperhaltung achten. Wenn eine verbale Deeskalation keine ausreichende Wirkung zeigt und vom Patienten eine akute Selbst- oder Fremdgefährdung ausgeht, können jedoch eine kurzfristige körperliche Fixierung und beruhigende Medikation notwendig sein.

Mit einem Bein im Gefängnis?

Für die körperliche Fixierung und die medikamentöse Sedierung von Patienten gelten zu Recht strenge Regeln. Diese führen jedoch auch häufig zu Unsicherheiten aufseiten des medizinischen Personals; es kann das Gefühl aufkommen, mit einem Bein im Gefängnis zu stehen. Hier hilft ein Blick auf die – zugegebenermaßen trockene – Gesetzeslage.

Da es sich auch beim kurzen Festhalten bereits um eine Freiheitsberaubung gemäß § 239 StGB handelt, muss die Fixierung gut gerechtfertigt sein, um nicht strafrechtlich relevant zu werden. Das bedeutet konkret, dass der Patient entweder einwilligen oder die Fixierung medizinisch notwendig sein muss. Dies ist z. B. bei Selbst- oder Fremdgefährdung durch akute Erregtheit gegeben. Die Fixierung darf zudem nur so lange aufrechterhalten werden, wie die Gefährdungslage besteht. Ist eine längerfristige Fixierung notwendig (mehr als 30 Minuten), muss nach § 1831 BGB eine richterliche Genehmigung eingeholt werden.

Notwendigkeit ist Auslegungssache

Auch bei einer Dauer unter 30 Minuten darf die Fixierung nur nach ärztlicher Anordnung durchgeführt werden. Ist zu Beginn der eskalierten Situation kein Arzt anwesend, so darf das Pflege- oder Sicherheitspersonal den Patienten trotzdem festhalten, wenn ein sogenannter „rechtfertigender Notstand“ nach § 34 StGB vorliegt. Es ist jedoch Aufgabe des Arztes, schnellstmöglich die Verantwortung für die Maßnahme durch deren Anordnung zu übernehmen.

Ähnliches gilt für den Einsatz sedierender Medikamente: Diese dürfen nur in Ausnahmefällen und niemals ohne medizinische Indikation gegeben werden, ein Einsatz zur alleinigen „Ruhigstellung“ eines Patienten aus Bequemlichkeit ist nicht zulässig. Es muss zudem beachtet werden, dass bei alkoholisierten oder auch mischintoxikierten Patienten eine erhöhte Gefahr für eine Atemdepression besteht und ein Monitoring notwendig ist.

Behandlung ablehnen?

„Am liebsten würde ich den Patienten einfach wieder vor die Tür setzen“ – Diesen Gedanken kennen die meisten Ärzte, auch wenn sie ihn lieber nicht aussprechen. Aber dürfte man das vielleicht sogar? Tatsächlich besteht für Ärzte in Deutschland keine allgemeine Behandlungspflicht. Sowohl der Arzt als auch der Patient müssen einer Behandlung zustimmen, damit ein Behandlungsvertrag zustande kommt. Dazu reicht eine mündliche Zustimmung.

Demgegenüber steht jedoch die Strafbarkeit von unterlassener Hilfeleistung nach § 323c StGB. Diese Regelung ist für Ärzte und anderweitig medizinisch geschultes Personal strenger als für Laien. Zudem dürfen Ärzte eine Behandlung grundsätzlich nur dann ablehnen, wenn kein Notfall bzw. keine besonderen rechtlichen Verpflichtungen bestehen (§ 7 MBO-Ä). Prinzipiell darf auch ein bestehender Behandlungsvertrag beendet werden, z. B. bei Beschimpfungen oder körperlichen Übergriffen – allerdings nur, wenn diese nicht Ausdruck der zugrundeliegenden Erkrankung, wie z. B. einer akuten Alkoholintoxikation, sind.

Eine Alkoholintoxikation ist als Notfall zu werten, auch wenn es sich dabei oft um eine selbstverschuldete Notlage handelt. Da der Patient dringende Hilfe benötigt, muss diese auch geleistet werden.

Andersherum ist es auch möglich, dass der Patient die Behandlung ablehnt, was ihm grundsätzlich freisteht, sofern er über eine ausreichende Urteils- und Einsichtsfähigkeit verfügt. Diese kann jedoch bei starkem Alkoholkonsum eingeschränkt sein. In diesem Fall gilt der mutmaßliche, wirkliche Wille des Patienten als Handlungsgrundlage. Eine Behandlung kann in dem Fall durchgeführt werden, sofern Gefahr im Verzug ist.