Wegen Finanznot: Krankenkassen fordern „Akuttherapie“

Die gesetzliche Krankenversicherung steckt tief in den roten Zahlen. Der GKV-Spitzenverband schlägt Alarm und verlangt unter anderem einen sofortigen Stopp des Honoraranstiegs.

Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) fordert wegen der kritischen Finanzlage der Krankenkassen Sofortmaßnahmen durch die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU). „Es braucht jetzt eine Akuttherapie, denn sonst gehen zum nächsten Jahreswechsel die Krankenkassenbeiträge durch die Decke“, warnte die GKV-Vorstandsvorsitzende Doris Pfeiffer in der „Rheinischen Post“. Allein in den vergangenen drei Monaten hätten acht Kassen ihre Zusatzbeiträge erhöht.

Kurzfristig hält Pfeiffer noch vor der Sommerpause ein Vorschaltgesetz für notwendig, mit einem Ausgabenmoratorium für sämtliche Leistungsbereiche, um die Beitragssätze stabil zu halten. „Mit anderen Worten: Keine Preis- oder Honorarerhöhungen mehr, die über die laufenden Einnahmen hinausgehen“, forderte die GKV-Vorstandschefin. Das Moratorium müsse so lange gelten, bis durch geeignete Strukturreformen Einnahmen und Ausgaben wieder in ein Gleichgewicht gebracht worden seien.

Ministerin will nicht auf Reformkommission warten

Mit Blick auf die weitere Zusammenarbeit mit der neuen Bundesregierung zeigte Pfeiffer sich optimistisch. „Die ersten Signale der Ministerin, dass sie die grundlegenden Probleme der GKV rasch und im Dialog mit der Selbstverwaltung angehen möchte, begrüßen wir sehr.“

Warken hatte in ihrer ersten Rede als Ministerin im Bundestag erklärt, wegen der kritischen Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherungen nicht nur auf vorgesehene Kommissionsvorschläge warten zu wollen. Es werde „nicht ohne kurzfristige Maßnahmen gehen“, sagte die CDU-Politikerin. Die gesetzlichen Krankenkassen hatten 2024 ein Defizit von 6,2 Milliarden Euro verbucht. Union und SPD haben vereinbart, dass eine Reformkommission zur Krankenversicherung bis 2027 Vorschläge machen soll.

Klingbeil kündigt grundlegende Reformen an

„Grundlegende und mutige Strukturreformen“ hat unterdessen Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) angekündigt. In der Pflege und bei der Rente müsse gegengesteuert werden, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Es sei der neuen Regierung klar, „dass wir hier stabilisieren müssen. Aber wir können die Probleme nicht dauerhaft einfach nur mit immer mehr Steuergeld kitten.“

Die „Fleißigen“ sollten sich auf einen starken Sozialstaat verlassen können, betonte Klingbeil. „Deshalb sollten wir ein bisschen kreativer sein, als nur zu fordern, dass die Menschen einfach länger arbeiten oder Leistungen im Gesundheitswesen gestrichen werden.“

 

Von der Zahnreinigung direkt in die Notaufnahme

Eine Frau in ihren Dreißigern ohne relevante Vorerkrankungen lässt eine Zahnreinigung durchführen. Kurz nach Beginn der Maßnahme erlebt sie einen plötzlich einsetzenden, reißenden Schmerz im Kiefer und muss in die Notaufnahme eingewiesen werden. Der Fallbericht aus der Türkei wurde im JAMA veröffentlicht.


Die Zahnreinigung zählt zu den elementaren Maßnahmen zur Vermeidung von Karies und Paradontitis. Emphyseme im Weichgewebe des Kiefers ist eine Komplikation. Selten breitet sie sich bis in den Brustkorb aus (Symbolbild).

Die Zahnreinigung wird mit einem Hochdruckstrahl aus Wasser, Luft und Reinigungspulver durchgeführt. Nach dem Schmerzereignis schwellen das gesamte Gesicht der Patientin, ihr Halsbereich und ihr Brustkorb an. Die Frau klagt zudem über ein Engegefühl in der Brust und Dyspnoe.
In der Annahme einer anaphylaktischen Reaktion verabreichen die Behandelnden sofort Pheniramin und Methylprednisolon, doch die Schwellungen sind progredient, so dass die Patientin schließlich als Notfall in eine Klinik überwiesen wird.

Bei der Aufnahme in der Notaufnahme imponieren die Schwellungen und palpable Krepitationen über dem Thorax, im Halsbereich und periorbital. Der Blutdruck liegt bei 110/70 mmHg, der Puls bei 130/min und die Atemfrequenz bei 25/min. Die Sauerstoffsättigung ist mit 92 Prozent erniedrigt.

Die Frau erhält eine ganze Reihe Medikamente:

  • Sauerstoff: 6 l/min
  • Dexamethason 8 mg i.v.
  • Paracetamol 1000 mg i.v.
  • Salbutamol (2,5 mg), Budesonide (1g) und Ipratropium bromid 0,5 mg via Vernebler

Bildgebende Untersuchungen (Röntgenaufnahme des Brustkorbs und Computertomografie) offenbaren schließlich Luftansammlungen im Unterhautgewebe von Gesicht und Hals sowie in den Weichteilschichten des Halses und im Mediastinum.

Die Behandelnden stellen die Diagnose eines Pneumomediastinums und subkutanen Emphysems.

Aufnahme in die Thoraxchirurgie

Die Patientin wird zur Beobachtung in die Thoraxchirurgie überwiesen. Unter Sauerstoffgabe (6 l/min) und NSAR (Dexketoprofen) kommt es nach und nach zu einem Rückgang der Luftansammlungen, wie man in täglichen Röntgenaufnahmen sehen kann. Am vierten Tag des Aufenthaltes kann sie schließlich nach Hause entlassen werden. Ihr wurde geraten, in Zukunft bei der Zahnreinigung auf die Verwendung von Hochdruckreinigung mit Wasser und Luft zu verzichten.

Pneumomediastinum: Selten nach Zahnreinigung

Ein Pneumomediastinum ist definiert als das Vorhandensein freier Luft im Mediastinum. Es kann spontan oder sekundär infolge von Traumata, medizinischen Eingriffen (z. B. Bronchoskopie, Endoskopie, Zahnbehandlungen), thorakalen Operationen, pulmonalen Grunderkrankungen (wie Asthma oder COPD) oder Infektionen (z. B. Keuchhusten, Tuberkulose, Mycoplasma pneumoniae, COVID-19, Influenza) auftreten.

Ein spontanes Pneumomediastinum ist häufig mit Aktivitäten verbunden, die den intrathorakalen Druck akut erhöhen, etwa durch Husten, Niesen, Erbrechen, körperliche Anstrengung oder den inhalativen Konsum von Substanzen wie Tabak, Shisha, Kokain oder Methamphetamin.

Insbesondere in der Zahnmedizin können Hochdruckgeräte wie Air-Polisher, luftgetriebene Bohrer oder Wasser-Luft-Spritzen durch mikroskopisch kleine Schleimhautläsionen Luft in subkutane oder mediastinale Gewebe einbringen und so ein Pneumomediastinum verursachen. Solche Fälle sind selten, treten jedoch vermehrt bei längeren Eingriffen mit Druckluftwerkzeugen, bei Patienten mit Bindegewebserkrankungen, chronischer Kortikosteroidtherapie oder bei operativer Entfernung von Weisheitszähnen auf. Ein zusätzliches Risiko besteht bei der direkten Einleitung von Luft in gingivale Taschen oder offene Wunden.

Die Therapie erfolgt konservativ

Die Therapie erfolgt in der Regel konservativ. Hochdosierte Sauerstoffgabe kann die Resorption der Luft beschleunigen, indem sie die alveoläre Sauerstoffkonzentration erhöht und so einen Diffusionsgradienten zur Verdrängung des Stickstoffs im Mediastinum schafft. Zusätzlich werden Analgetika, Bettruhe und die Vermeidung intrathorakaler Druckspitzen für mindestens eine Woche empfohlen. Eine tägliche Bildgebung zur Verlaufskontrolle wird angeraten.

 

Originalpublikation:
Ulas AB, Aydin Y, Egilmez MZ. A Woman With Facial, Neck, and Chest Swelling During Dental Cleaning. JAMA. Published online May 14, 2025. doi:10.1001/jama.2025.5587

Resistente Bakterien

Neues Antibiotikum löst Suizidprogamm bei Gonokokken aus

Forschende der Universitäten Konstanz und Wien haben eine Klasse von Antibiotika entdeckt, die speziell gegen den Erreger der Gonorrhö, Neisseria gonorrhoeae, wirksam ist. Auch multiresistente Stämme dieses Bakteriums werden durch den neuartigen Wirkstoff abgetötet. Die Ergebnisse der Forschung wurden im Fachjournal Nature Microbiology veröffentlicht.

Die Gonorrhö war vor Entdeckung der Antibiotika die häufigste Ursache für Blindheit bei Kindern. Problematisch ist die zunehmende Resistenzentwicklung der Bakterien (Symbolbild).

Mit über 80 Millionen Fällen ist die Gonorrhö die weltweit häufigste sexuell übertragbare Erkrankung.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt seit Jahren vor der wachsenden Bedrohung durch antibiotikaresistente Keime und hat im vergangenen Jahr eine Liste besonders problematischer Infektionserreger veröffentlicht. Besonders problematisch sind multiresistente Bakterien, welche die Behandlung von Infektionen erschweren und die moderne Medizin vor enorme Herausforderungen stellen. Neisseria gonorrhoeae gehört laut der WHO zu den hochproblematischen Erregern, da er sich rasch an neue Antibiotika anpassen kann, so die Studienleiter.

Superbugs sammeln Resistenzgene ein

„Gonokokken haben traurige Berühmtheit erlangt, weil sie in der Lage sind, sehr schnell gegen Antibiotika resistent zu werden“, erklärt Prof. Thomas Böttcher von der Universität Wien. Dies geschehe vor allem dadurch, dass sie Resistenzgene aufnehmen können. „Nicht zuletzt deshalb sind in den letzten Jahren Gonokokken-Stämme aufgetaucht, die gegen alle bislang verwendeten Antibiotika resistent sind – solche superbugs sind mit Antibiotika nicht mehr zu behandeln“, führt Böttcher seine Ausführungen fort.

Die Bakterien besiedeln die Schleimhäute des Genitaltrakts und werden hauptsächlich durch ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen. Zudem können sie bei Neugeborenen eine Infektion der Augen verursachen, die unbehandelt zur Erblindung führen kann.

Alkyl-Quinolone als neuer Wirkstoff

Das Forschungsteam unter der Leitung von Christof Hauck (Universität Konstanz) und Thomas Böttcher (Universität Wien) hat eine neue Klasse von Wirkstoffen identifiziert, die zur Gruppe der Alkyl-Quinolone (AQs) gehören. AQs werden eigentlich von einigen Bakterien genutzt, um sich gegen Konkurrenten durchzusetzen.

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben diese Naturstoffe synthetisch hergestellt und modifiziert, wodurch sich eine überraschende Wirkung einstellte: „Tatsächlich zeigte sich bei einem dieser neuen AQ-Moleküle eine bislang einzigartige Wirkung: Diese chemische Verbindung war in der Lage, Gonokokken abzutöten, aber hatte keinerlei negativen Einfluss auf andere Bakterien oder menschliche Zellen“, erklärt der Zellbiologe Hauck.

Aktivierung eines Selbstzerstörungsprogramms

Die AQs aktivieren ein Selbsttötungsprogramm bei den Gonokokken. Die Erstautorin der Studie, Ann-Kathrin Mix, sagt dazu: „Solche suicide-Programme, die auf sogenannten Toxin-Antitoxin-Systemen beruhen, kennt man zwar auch von anderen Mikroorganismen, aber mit unserem AQ-Wirkstoff haben wir genau die Achillesferse der Gonokokken getroffen.“

Der neuartige Wirkstoff greift ein spezifisches Toxin-Antitoxin-System in den Bakterien an: Das Antibiotikum baut das schützende Antitoxin ab, so kann das Toxin seine zerstörerische Wirkung entfalten.

Zukunftsperspektiven: Wirkung auch bei anderen Bakterien vorstellbar

Da ähnliche Toxin-Antitoxin-Systeme auch in anderen problematischen Bakterien vorhanden sind, könnte dieser Wirkmechanismus in Zukunft in modifizierter Form womöglich auch zur Bekämpfung weiterer Erreger genutzt werden.

 

Originalpublikation:
Mix, AK., Nguyen, T.H.N., Schuhmacher, T. et al. A quinolone N-oxide antibiotic selectively targets Neisseria gonorrhoeae via its toxin–antitoxin system. Nat Microbiol 10, 939–957 (2025).
https://doi.org/10.1038/s41564-025-01968-y

Studie zu Einflussfaktoren auf die Mundgesundheit

Deswegen haben Kleinkinder in Belgien so schlecht
Keine Zeit, das Kind kooperiert nicht, Eltern sind kein Vorbild, andere kulturelle Normen, und Ärzte wie Sozialkräfte schieben die Verantwortung weg: Das sind die Ursachen für die schlechte Mundgesundheit von Kleinkindern in Belgien.

2023 lag der T-Health-Index bei fünf- bis siebenjährigen Kindern in Belgien bei 17,7 (Der T-Health-Index basiert auf dem Kariesindex DMFT, gibt jedoch den funktionellen Zustand wieder, indem gesunde Zähne höher als gefüllte oder fehlende Zähne bewertet werden). Viele Länder in Europa haben Programme zur Verringerung von Karies eingeführt, auch Belgien, doch die nach wie vor hohe Karieserfahrung bei Kindern zeigt, dass weitere Anstrengungen zur Verbesserung der Mundgesundheit vonnöten sind.

Daten der belgischen Regierung zur Inanspruchnahme der Gesundheitsversorgung belegen, dass 2023 fast die Hälfte der belgischen Kinder unter vier Jahren noch nie beim Zahnarzt war (47,9 Prozent), bei Kindern aus Familien mit niedrigem Einkommen waren es sogar 62 Prozent). Vor dem Hintergrund, dass die Krankenversicherung die zahnärztliche Untersuchung für diese Kinder vollständig übernimmt, wollten die Forschenden mit der vorliegenden Studie wissen, wie es zu dieser Diskrepanz kommt.

Milchzahnkaries ist nach wie vor weit verbreitet

Ziel war, im Dialog mit den Eltern die bewussten und unbewussten Mechanismen dahinter zu erforschen und möglicherweise blinde Flecken in der zahnmedizinischen Versorgung aufzudecken. Es wurden außerdem Informationen von Fachkräften eingeholt, die regelmäßig mit Kleinkindern und ihren Familien arbeiten und direkt oder indirekt an der Förderung der Mundgesundheit von Kindern beteiligt sind.

Die Studie wurde von einem interdisziplinären Team aus Forschern und Praktikern aus der Gesundheitsförderung, Zahnmedizin und Primärversorgung durchgeführt. Die Teilnehmer waren Eltern von Vorschulkindern und Fachkräfte, die mit kleinen Kindern und ihren Familien in Gent, einer Provinzstadt in Flandern, arbeiten. Einschlusskriterien waren:

  1. mindestens 18 Jahre alt,
  2. ein Kind zwischen 6 Monaten und 6 Jahren und

  3. Niederländisch- oder Englischkenntnisse.

Eltern, die im Gesundheitswesen tätig waren, wurden ausgeschlossen. Zunächst wurde eine gezielte Stichprobenziehung durchgeführt, um eine Vielfalt der Probanden hinsichtlich Alter, Geschlecht, sozioökonomischem Status, ethnischer Zugehörigkeit sowie Anzahl und Alter der Kinder sicherzustellen.

Insgesamt wurden acht Einzel- und drei Fokusgruppeninterviews mit Eltern von Kindern im Alter von sechs Monaten bis sechs Jahren durchgeführt (insgesamt 30 Elternteile). Dabei wurde darauf geachtet, auch Eltern aus Randgruppen mit einzubeziehen (19 Elternteile waren nicht in Belgien geboren). Außerdem wurden Einzelinterviews mit acht Fachkräften aus verschiedenen Gesundheits- und Sozialbereichen initiiert, die in Gent mit Kleinkindern und Familien arbeiteten. Hauptthemen der Befragungen waren das Verhalten bei der Mundhygiene, Ernährungsgewohnheiten und Zahnarztbesuche.

Alltägliche Hürden beim Zähneputzen

Die Mundgesundheit von Kleinkindern wird demnach von verschiedenen Faktoren beeinflusst, maßgeblich sind:

  • Zeitmangel: Obwohl fast alle Eltern wussten, dass sie die Zähne ihrer Kinder zweimal täglich für zwei Minuten putzen sollten, blieb dies insbesondere morgens teilweise aus, weil die Zeit drängte und der Familienalltag hektisch verlief. Der Mundhygiene wurde dann eine geringere Priorität als anderen Dingen eingeräumt.
  • unkooperatives Verhalten der Kinder: Nahezu alle Eltern beschrieben, dass ihre Kinder zuweilen unkooperativ waren, beispielsweise den Mund nicht öffneten, den Kopf wegdrehten oder gegen das Zähneputzen protestierten. Die Eltern begegneten diesem Verhalten mit Strategien, das Zähneputzen zu einem angenehmen Erlebnis oder Spiel zu machen oder das Kind abzulenken. Andere reagierten mit Zwang, Verärgerung oder Drohungen. Oder sie versuchten dem Kind zu erläutern, warum die Zahnpflege wichtig ist und übertrugen somit die Verantwortung dafür dem Kind. Nicht alle Eltern hatten die Ausdauer oder Konsequenz, das Zähneputzen durchzusetzen. Gleichzeitig berichteten Eltern, bei denen das Zähneputzen zur Routine geworden war, dass ihr Kind kooperativer war.

  • Mundhygienegewohnheiten der Eltern: Auch beim Zähneputzen sind die Eltern ein wichtiges Vorbild für ihre Kinder. Dabei „färbten“ nicht nur die Frequenz und Dauer des Zähneputzens ab, sondern auch die Art und Weise, zum Beispiel, ob eine Handzahnbürste oder ein elektrisches Modell verwendet wurde oder wie regelmäßig Kontrolluntersuchungen in der Zahnarztpraxis wahrgenommen wurden.

  • familiäre und kulturelle Normen: Die eigenen Gewohnheiten und Erfahrungen in der Kindheit prägten das Verhalten der Eltern. Einige wollten ihre Kinder etwa vor schlechten Erfahrungen bewahren, die sie selbst gemacht hatten. Zum Teil übernahm auch ein Elternteil das bessere Mundhygieneverhalten des anderen. Einige Eltern mit Migrationshintergrund berichteten, dass sie der Mundhygiene aufgrund kultureller Prägung weniger Bedeutung beimaßen und ihre Zahnarztpraxis eher bei Schmerzen als zur Vorbeugung aufsuchten. Beschwerden bei den Kindern motivierten manche Eltern dazu, die Mundhygiene ihrer Kinder zu verbessern.

  • unklare Zuständigkeiten und mangelndes Wissen bei Gesundheitsfachkräften: Familienhilfen sowie Kinder- und Hausärzte sind wichtige Ansprechpartner für Eltern, aber über das Thema Mundgesundheit zum Teil nicht ausreichend informiert. Sie gaben in den Interviews sogar vereinzelt falsche Empfehlungen. Es war die Tendenz zu erkennen, dass die Verantwortung „weitergereicht“ wurde. Gleichzeitig hatten gerade Eltern mit Migrationshintergrund mehr offene Fragen und Zweifel, die auf diese Weise möglicherweise unbeantwortet blieben.

„Im Allgemeinen wissen alle Eltern über die Mundgesundheitspflege von Kleinkindern Bescheid“, stellten die Autoren abschließend fest. Ihnen fehle allerdings vor allem die Fähigkeit, dieses Wissen bei unkooperativem Verhalten in die Praxis umzusetzen. Die aktuellen Interventionen, die auf das Wissen der Eltern über Mundgesundheit setzen, seien daher unzureichend, um das Verhalten der Eltern zu ändern. Stattdessen sollten Interventionen auch auf Erziehungskompetenzen wie Verhaltensmanagement ausgerichtet sein.

Kampagnen könnten die Situation verbessern

„Festgestellt wurde ein Bedarf an Zeit und Ressourcen, um die Mundgesundheitsvorsorge für kleine Kinder zu verbessern und an die Lebenswirklichkeiten junger Eltern anzupassen“, resümieren die Wissenschaftler. Sie halten Kampagnen für geeignet, um die Aufmerksamkeit für das Thema zu erhöhen und Eltern dazu anzuregen, das Thema Mundhygiene bei Arztbesuchen aktiv aufzugreifen und ihre Fragen zu stellen.

Goossens, J., Poppe, L., Lambert, M. et al. A qualitative study on the factors influencing oral health care for young children in Belgium. BMC Public Health 25, 1018 (2025). https://doi.org/10.1186/s12889-025-22153-0

Pathoblocker: Neue Waffe im Kampf gegen Salmonellen

Ein gemeinsames Team der Universität Tübingen und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung entdeckte unlängst einen Stoff, der Signalketten der Salmonellen bei der Zellinvasion hemmt – ein neuer Ansatz für deren Bekämpfung?


Pathoblocker wirken nicht, indem sie Bakterien abtöteten, sondern indem sie deren Pathogenitätsmechanismen stören.

Salmonellen zählen zu den gefährlichsten bakteriellen Krankheitserregern im Magen-Darm-Trakt. Um sich im Körper zu verbreiten, injizieren sie sogenannte Effektorproteine in die Zellen des Darmgewebes – ein Mechanismus, der nun ins Visier der Forschung gerät, wie die Forschenden in Science Advances schreiben.

Früher Eingriff in den Infektionsprozess

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Professor Samuel Wagner vom Exzellenzcluster „Kontrolle von Mikroorganismen zur Bekämpfung von Infektionen“ (CMFI) an der Universität Tübingen und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) hat eine Substanz entdeckt, die den Infektionsprozess frühzeitig unterbrechen könne. Der künstlich erzeugte Stoff mit dem Kürzel C26 verhindert die Injektion der Effektorproteine – und könnte so die Ausbreitung der Bakterien im Körper stoppen.

Alternative zu Antibiotika: Pathoblocker

Da Salmonellen zunehmend Resistenzen gegen herkömmliche Antibiotika entwickelten, bestehe ein wachsender Bedarf an neuen Therapieansätzen. Pathoblocker wie C26 bieten hier eine gezielte Alternative. Sie wirkten nicht, indem sie Bakterien abtöteten, sondern indem sie deren Pathogenitätsmechanismen störten – in diesem Fall bevor die Erreger überhaupt in das Gewebe eindringen.

„Diese gezielte Wirkung verringert auch das Risiko, dass Resistenzen von anderen Bakterien übernommen werden“, erklärt Wagner.

Molekulare Zielstruktur: Der Regulator HilD

Im Zentrum der neuen Entdeckung stehe der Transkriptionsregulator HilD, ein Schlüsselprotein für die Aktivierung der Infektionsmechanismen bei Salmonellen. „Wir haben bei HilD eine spezifische Bindungsstelle gefunden, die sich hervorragend für Wirkstoffe eignet“, sagt Dr. Abdelhakim Boudrioua, Erstautor der Studie und Forscher am CMFI.

Die Wirkweise sei raffiniert: Der Wirkstoff C26 passe wie ein passgenauer Schlüssel in die molekulare „Tasche“ von HilD und blockiere so dessen Funktion – mit dem Effekt: die Infektionskaskade wird gestoppt.

Wirkstoff mit viel Potenzial

Um die Substanz zu identifizieren, durchsuchte das Team umfangreiche Substanzdatenbanken. C26 erwies sich als besonders vielversprechend. Anschließend wurden Strukturanalysen und Tests durchgeführt, unter anderem in Makrophagen – Immunzellen, in denen sich Salmonellen verstecken können. Dabei zeigte sich: C26 blockiert gezielt den Infektionsprozess, ohne das menschliche Mikrobiom zu beeinträchtigen.

„Wir haben damit einen idealen Ausgangsstoff zur Entwicklung eines Medikaments gegen Salmonelleninfektionen“, resümiert Wagner.

Ein bedeutender Fortschritt aus der Grundlagenforschung, aber …

Trotz des vielversprechenden Ansatzes liege noch ein weiter Weg zur marktreifen Therapie vor den Forschenden. Doch das Potenzial sei groß – nicht nur für den Einsatz beim Menschen, sondern auch in der Tiermedizin, insbesondere in der Geflügelzucht. Anders als klassische Antibiotika dürfte ein gezielter Pathoblocker wie C26 das körpereigene Mikrobiom nicht angreifen – ein entscheidender Vorteil für die Gesundheit von Mensch und Tier, so die Forschenden abschließend.

 

Originalpublikation: Boudrioua A et al., Discovery of synthetic small molecules targeting the central regulator of Salmonella pathogenicity. Science Advances 2025. https://doi.org/10.1126/sciadv.adr5235

Leitlinie des Interdisziplinären Arbeitskreises Oralpathologie und Oralmedizin mit DGMKG und DGZMK

Rezidivierende Aphthen gehören zu den häufigsten Mundschleimhaut-Erkrankungen. Ihre Ätiologie ist wahrscheinlich multifaktoriell, diskutiert werden unter anderem Genetik, Infektionen, lokales Trauma und Stress.

In etwa 85 Prozent der Fälle handelt es sich um Minor-Aphthen, in zirka 10 Prozent um Major-Aphthen. Da schwere aphthoide Veränderungen in der Regel in Fachpraxen oder -kliniken diagnostiziert und behandelt werden, fokussiert diese Kurz-Empfehlung auf das Management von Minor-Aphthen. Detaillierte Informationen enthalten der Leitlinientext und der Methodenreport [1, 2].

A. Merkmale Minor-Aphthen (Typ Mikulicz)

  • Oberflächliche Erosion oder Ulzeration, plan oder gering erhabener Randwall
  • Durchmesser: meist 2 bis 5 mm, selten bis 10 mm
  • Lokalisation: meist nicht keratinisierte Schleimhaut, ein bis vier Aphthen gleichzeitig
  • Verlauf: Rasch entstehend, Schmerz mäßig bis stark
  • Heilungsdauer: 7 bis 10 Tage, keine Narbenbildung
  • Hohe Rezidivneigung, 3- bis 6-mal pro Jahr

Beim Typus herpetiformis (Typ Cooke, Anteil zirka 5 Prozent) entstehen multiple kleine Läsionen auf der gesamten oralen Schleimhaut. Major-Aphthen (Typ Sutton) dringen in tiefere Gewebeschichten ein, verheilen narbig, sind zwei bis vier Wochen präsent, sehr schmerzhaft und mit Lymphadenopathien verbunden. Aphthenähnliche (aphthoide) Läsionen manifestieren sich auch bei einigen Syndromen und systemischen Erkrankungen. Sie lassen sich zum Teil nur schwer von Aphthen unterscheiden.

B. Diagnostische Empfehlungen

Die Diagnose wird vor allem morphologisch gestellt (vergleiche Punkt A). Hinzu kommen:

  1. Eine umfassende oral- und allgemeinmedizinische Anamnese (Malabsorptions- und Mangelzuständen, Arzneimittel-Unverträglichkeiten, systemische Erkrankungen usw.)
  2. Eine intra- und extraorale Untersuchung (Inspektion und Palpation)
  3. Bei lokal begrenzten Läsionen zunächst mögliche mechanische Ursachen abklären, zum Beispiel durch Prothesen, Restaurationen, persistierende Fadenreste oder Watterollen, chemische oder thermische Irritationen, topische Medikamente
  4. Achtung: Bei Läsionen, die nach zwei Wochen nicht abheilen, sollten Patienten zur Abklärung möglicher maligner Veränderungen unverzüglich an spezialisierte Praxen oder Kliniken überwiesen werden.

C. Therapeutische Empfehlungen

Die Therapie chronisch-rezidivierender (rekurrierender) Aphthen der Mund- und Rachenschleimhaut (oropharyngeal) ist wegen ihrer unklaren Ätiologie symptomatisch ausgerichtet. Sie zielt auf:

  • Linderung von Schmerzen und funktionellen Einschränkungen und
  • Reduzierung von Häufigkeit und Schweregrad von Rezidiven.

Lokale Maßnahmen sind wegen des niedrigen Risikos systemischer Nebenwirkungen erste Wahl:

  • Erste Therapiestufe: filmbildende Präparate, zum Beispiel AphtoFix (Hyaluronsäure, Aloe Vera, Zink) oder Sucralfat (Aluminiumhydroxid und Saccharose-octasulfat)
  • Zweite Therapiestufe: glukokortikoidhaltige Haftsalbe (Triamcinolon-acetonid 0,1%)
  • Laser (CO2, Dioden, Nd:YAG)
  • Topische Adstringenzien (zum Beispiel Myrrhe) und Antiseptika (CHX-Gele)
  • Topische Lokalanästhetika
  • Antibiotische Spüllösungen (Tetrazyklin oder Minozyklin, bei Major-Aphthen)

Bei häufiger und die Lebensqualität des Patienten deutlich einschränkender Rezidivneigung kann eine systemische Behandlung erforderlich werden, zum Beispiel mit Glukokortikoiden. Bei komplexen Aphthosen werden lokale und systemische Maßnahmen kombiniert (siehe Flow-Chart unten). Eine Tabelle mit differenzierten therapeutischen Empfehlungen und weitere Hinweise enthalten der Volltext der Leitlinie (S. 21) und der Leitlinienreport [1, 2].

Konzept und Methodik

Die für diese Kurzübersicht verwendete Leitlinie gibt den Stand des Wissens von April 2023 wieder und gilt bis April 2028 [1, 2]. Sie richtet sich an Zahnärzte sowie an Fachärzte unter anderem für MKG-Chirurgie, HNO-Heilkunde, Dermatologie, Innere Medizin und Pädiatrie. Aufgrund der begrenzten Datenlage ist die Empfehlung konsensbasiert (S2k) und wurde in einem „nominalen Gruppenprozess“ von allen beteiligten Fachgesellschaften verabschiedet. Hier geht es direkt zur Leitlinie.

Dr. Jan H. Koch, Freising

Bei Kurz-Empfehlungen in der Rubrik Oralmedizin kompakt handelt es sich nicht um offizielle Publikationen von Fachgesellschaften, sondern um Beiträge mit fachjournalistischer Auswahl von Inhalten und ohne die in Leitlinien vorgegebene methodische Stringenz.  

Literatur

[1] AKOPOM, DGMKG, DGZMK. Diagnostik und Therapieoptionen von Aphthen und aphthoiden Läsionen der Mund- und Rachenschleimhaut“, Long version, 2.0, 20230430, AWMF no. 007–101, https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/007–101.html, accessed 20250217. 2023.
[2] AKOPOM, DGMKG, DGZMK. Diagnostik und Therapieoptionen von Aphthen und aphthoiden Läsionen der Mund- und Rachenschleimhaut, S2k-Leitlinie (Leitlinienreport); AWMF-Registernummer: 007–101 Stand: April 2023; Gültig bis: April 2028. 2023.

Kassen fordern: Jetzt Mehrwertsteuer auf Arzneimittel senken

Die gesetzlichen Krankenkassen in Niedersachsen beklagen deutlich steigende Ausgaben für Arzneimittel. Im vergangenen Jahr gaben sie gut 5,2 Milliarden Euro für Präparate aus öffentlichen Apotheken aus – gut 500 Millionen Euro oder 10,75 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie der Verband der Ersatzkassen unter Berufung auf Statistiken des Deutschen Apothekerverbandes mitteilte. Bundesweit stiegen die Arzneimittelkosten 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 9,7 Prozent – enthalten sind Ausgaben für Arzneimittel, Rezepturen und Verbandstoffe, nicht aber für Impfstoffe und Hilfsmittel.

„Die Ausgabenspirale im Arzneimittelbereich dreht sich rasend schnell nach oben“, mahnte der Verbands-Landesleiter Hanno Kummer. Er forderte daher „Instrumente für faire Arzneimittelpreise“ – „vor allem für neue patentgeschützte Präparate. Hier bedarf es dringend einer Preisanpassung.“ Außerdem verlangte er, die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von derzeit 19 auf 7 Prozent zu senken. Das würde seinen Worten zufolge die Beitragszahler in Deutschland um jährlich sechs bis sieben Milliarden Euro entlasten.

ZFA ist der zweitbeliebteste Ausbildungsberuf bei Frauen

Damit entschieden sich 2024 mehr Frauen für den ZFA-Beruf als für den der MFA, geht aus einer aktuellen Erhebung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge hervor.

Laut BIBB unterzeichneten 15.597 junge Frauen einen neuen Ausbildungsvertrag zur Zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA). Im Vorjahr hatte die Zahl noch bei 13.320 gelegen. Für die Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten (MFA) entschieden sich 15.432 junge Frauen (2023: 16.071).

Die meisten neuen Ausbildungsverträge bei Frauen wurden nach BIBB-Informationen im Beruf Kauffrau für Büromanagement abgeschlossen. Mit 15.720 neuen Verträgen bleibt dieser Beruf wie im Vorjahr weiter auf Platz eins der Rangliste. Hinter ZFA und MFA folgen die Berufe Verkäuferin, Industriekauffrau und Kauffrau im Einzelhandel. „Auf diese ersten sechs Berufe entfallen 40,9 Prozent aller zum 30.09.2024 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge mit Frauen“, teilte das Institut mit.

Bundesweit waren diese Jobs besonders gefragt

In der Gesamtschau liegt die Ausbildung zum/zur „Kraftfahrzeugmechatroniker/-in“ mit 25.221 abgeschlossenen Verträgen auf Platz eins des Rankings vor „Kaufmann/-frau für Büromanagement“ mit 22.245 und „Verkäufer/-in“ mit 20.742 neuen Verträgen.

Insgesamt wurden nach Angaben des BIBB 486.711 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge erfasst. Knapp zwei Drittel (63,6 Prozent) wurden demnach mit männlichen Auszubildenden, etwas mehr als ein Drittel (36,3 Prozent) mit weiblichen Auszubildenden abgeschlossen.

Herpes und Alzheimer: Die geheime Affäre

Herpes und andere Viren stehen im Verdacht, Alzheimer auszulösen. Wie es zu dieser versteckten Liebelei kommt und was das für zukünftige Therapien bedeuten kann.

Bei Morbus Alzheimer kommt es zu einer Ansammlung von Amyloid-Beta (Aβ) und von Tau-Protein im Gehirn. Plaques bei Alzheimer bestehen hauptsächlich aus Amyloid-Beta, die sich zwischen Nervenzellen im Gehirn bilden. Neurofibrilläre Tangles, sprich Ablagerungen innerhalb der Nervenzellen, enthalten phosphoryliertes Tau.

Kausale, effektive Therapien gegen Alzheimer gibt es bislang nicht. Doch Wissenschaftler haben eine neue, heiße Spur: Zunehmend rücken virale Infektionen, vor allem durch das Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1) und das Varizella-Zoster-Virus (VZV), in den Fokus. HSV-1 hat eine Seroprävalenz von über 80 % in der Bevölkerung, beim (VZV) sind es sogar über 95 %. Beide Viren können die Blut-Hirn-Schwanke passieren.

Das Tau-Protein zwischen Gut und Böse

Forscher analysierten Gehirnproben von Alzheimer-Patienten mit besonders empfindlichen Methoden. Sie fanden, dass die Expression eines HSV-1-Proteins namens ICP27 mit dem Fortschreiten der Erkrankung zunahm. Besonders auffällig: ICP27 war eng mit phosphoryliertem Tau (p-Tau), aber nicht mit Aβ, assoziiert. In Bereichen mit neurofibrillären Degenerationen und Amyloid-Ablagerung stieg die Expression von ICP27. Diese Ko-Lokalisation war besonders in fortgeschrittenen Krankheitsstadien ausgeprägt.

Experimente an 2D- und 3D-Zellkulturen zeigten, dass eine HSV-1-Infektion die Phosphorylierung von Tau verstärkt. Diese Aktivierung schien eine kurzfristig wünschenswerte Schutzfunktion zu übernehmen. Sie bremste die virale Proteinexpression und verhinderte den Untergang von Neuronen. In Organoid-Modellen sank die Apoptose-Rate von 64 % auf 7 %.

Im Gehirn wird laut Studie HSV-1 über den cGAS-STING-Signalweg erkannt, einem Mechanismus der angeborenen Immunantwort. Er löst eine Entzündungsreaktion aus, die wiederum zur Tau-Phosphorylierung führt. Eine Blockade des Enzyms TBK1(TANK-binding kinase-1) in diesem Signalweg konnte den Schritt verhindern.

Das Fazit der Autoren: Kurzfristig scheint p-Tau vor viralen Infektionen zu schützen – langfristig könnte der Signalweg die Bildung neurofibrillärer Tangles fördern.

Mechanische Erschütterung als möglicher Auslöser

Doch damit nicht genug: Eine weitere Studielegt nahe, dass leichte traumatische Hirnverletzungen das latent im Gehirn vorhandene HSV-1 reaktivieren und so zur Neurodegeneration beitragen könnten. Das Forscherteam hat zunächst ein 3D-Gehirnmodell aus Seidenprotein und Kollagen entwickelt, das mit neuronalen Stammzellen besiedelt wurde. Diese Zellen reiften zu Neuronen heran, kommunizierten miteinander und bildeten ein Netzwerk, das die Bedingungen im menschlichen Gehirn nachahmt.

Um zu prüfen, ob mechanische Stimuli eine ähnliche Reaktion hervorrufen können, unterzogen die Forscher ihr Gehirnmodell wiederholten, kontrollierten Stößen. In HSV-1-infiziertem Gewebe reaktivierte der Reiz das Virus, führte zu einer verstärkten Produktion von Aβ und p-Tau und löste Gliosen aus – Faktoren, die mit Alzheimer und anderen neurodegenerativen Erkrankungen in Verbindung stehen. Diese Effekte verstärkten sich mit weiteren Verletzungen, traten jedoch in virusfreiem Gewebe nicht auf.

Zusammenfassung für Eilige:

  • Typisch für Morbus Alzheimer sind Ansammlungen von Amyloid-Beta (Aβ) und vom Tau-Protein im Gehirn.
  • Infektionen mit dem Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1) verstärken in einem Modell die Phosphorylierung des Tau-Proteins. Dieser Mechanismus scheint Neuronen kurzfristig zu schützen, könnte aber langfristig die Bildung neurofibrillärer Tangles begünstigen.
  • In einem Gehirnmodell gelang es Forschern, durch leichte Traumata HSV-1 zu reaktivieren. Es kam zur stärkeren Bildung von Aβ und p-Tau.
  • Eine Datenbank-Recherche zeigt, dass u. a. antivirale und antiinflammatorische Wirkstoffe mit einem niedrigeren Alzheimer-Risiko assoziiert sind.
Quellen

Hyde et al: Anti-herpetic tau preserves neurons via the cGAS-STING-TBK1 pathway in Alzheimer’s disease. Cell Rep, 2025. doi: 10.1016/j.celrep.2024.115109

Cairns et al: Repetitive injury induces phenotypes associated with Alzheimer’s disease by reactivating HSV-1 in a human brain tissue model. Sci Signal, 2025. doi: 10.1126/scisignal.ado6430

Underwood et al: Data-driven discovery of associations between prescribed drugs and dementia risk: A systematic review. Alzheimers Dement, 2025. doi: 10.1002/trc2.70037

Aktuelle Studie zur Zahngesundheit

Immer mehr Deutsche sind kariesfrei

Die Jungen haben seltener Karies, die Älteren behalten länger ihre Zähne: In Bezug auf die Zahngesundheit haben Menschen in Deutschland gut lachen. Doch es gibt auch eine besorgniserregende Entwicklung.
Die meisten Deutschen behalten länger ihre Zähne und haben dank Vorsorgemaßnahmen zunehmend kariesfreie Gebisse. Zu dem Ergebnis kommt die sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie. Bei den Zwölfjährigen sind mit 78 Prozent mittlerweile mehr als drei Viertel kariesfrei. Problematisch bleiben schwere Parodontalerkrankungen, von denen rund 14 Millionen Menschen in Deutschland betroffen sind.

Immer weniger Zahnlose in Deutschland

Für die Studie – die mittlerweile sechste seit dem Jahr 1989 – wurden von 2021 bis 2023 an bundesweit 90 Standorten rund 3400 Menschen befragt und zahnmedizinisch untersucht. Dabei zeigte sich, dass nicht nur der Großteil der älteren Kinder kariesfrei ist. Auch bei den jüngeren Erwachsenen zwischen 35 und 44 Jahren halbierte sich demnach die Zahl der von Karies betroffenen Zähne binnen 35 Jahren auf im Schnitt rund acht.Gleichzeitig können immer mehr Zähne erhalten werden. Bis zur Mitte ihres Lebens haben Menschen in Deutschland heute praktisch noch ein vollständiges Gebiss. Nur fünf Prozent der 65- bis 74-Jährigen sind komplett zahnlos, was einen Rückgang um 80 Prozent seit 1989 bedeutet, wie Rainer Jordan vom Institut der Deutschen Zahnärzte erklärte.

Allerdings hängt die Zahngesundheit auch vom Bildungsgrad ab. Jüngere Senioren mit niedrigem Bildungshintergrund sind demnach häufiger komplett zahnlos (8,8 Prozent) als jene mit hohem Bildungsabschluss (1,9 Prozent). Auch bei Karies zeigt sich ein Bildungsgefälle – je niedriger etwa der Bildungshintergrund der Familien, desto häufiger sind Kinder von Karies betroffen.