Bestimmte Zahnerkrankungen steigern das KHK-Risiko beträchtlich

Kranke Zähne, krankes Herz? Die Zusammenhänge zwischen bestimmten Zahnerkrankungen und einem damit verbundenen erhöhten Herz-Kreislauf-Risiko beschäftigen die Forschung seit längerer Zeit – mitsamt inzwischen vorliegenden Ergebnissen und ersten Hinweisen auf eine vorliegende Assoziation. Den aktuellen Forschungsstand dazu haben die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) und die Deutsche Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie (DGET) nun in Form von Kompaktempfehlungen  zusammengefasst und veröffentlicht. Darüber sprach der änd mit dem DGET-Präsidenten Prof. Edgar Schäfer, Leiter der Zentralen Interdisziplinären Ambulanz am Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde des Universitätsklinikums Münster.

 

Herr Prof. Schäfer, welche Zahnerkrankungen können die Herz-Kreislauf-Gesundheit gefährden?

Die sind vor allem die sogenannten endodontischen Erkrankungen und alle Zahnerkrankungen, die mit Entzündungen in der Mundhöhle einhergehen. Relevant ist dabei die apikale Parodontitis, eine Entzündung des Zahnhalteapparats im Bereich der Zahnwurzelspitzen. Diese entsteht, wenn das Gewebe im Inneren eines Zahns, die Zahnpulpa, sich beispielsweise durch Karies oder undichte Füllungen entzündet und dieses Gewebe dadurch nekrotisiert. Dort hineingeratene Mikroorganismen wie Bakterien, Viren oder Pilze produzieren dann Toxine, die eine Entzündung im umgebenden Gewebe hervorrufen: eine apikale Parodontitis.

Wie relevant sind derartige Zahnerkrankungen bei uns?

Weit relevanter, als man wohl erst einmal vermuten würde! Eine Metaanalyse (bitte verlinken mit: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33378579/) ergab, dass weltweit bei jedem zweiten Erwachsenen eine apikale Parodontitis vorliegt. Und eine Studie (bitte verlinken mit: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31312970/) aus Münster aus dem Jahr 2020 mit 500 Zahnpatienten ermittelte bei etwas mehr als 60 Prozent der Teilnehmenden mindestens einen von dieser Erkrankung betroffenen Zahn.

In entwickelten Ländern zeigen sich hier kaum regionale und geschlechterspezifische Unterschiede, in Entwicklungsländern liegt das Risiko für eine apikale Parodontitis etwa zwei Prozent höher.

Welche Risikofaktoren begünstigen diese Zahnerkrankungen?

Ganz generell steigt das Erkrankungsrisiko mit zunehmendem Alter. Die weiteren Risikofaktoren ähneln denen für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, speziell für eine koronare Herzkrankheit (KHK). Fettreiche Ernährung spielt dabei ganz offensichtlich eine große Rolle, aber auch das Rauchen. Nikotinkonsumenten haben ein 2,78-fach erhöhtes Risiko für die Ausprägung einer apikalen Parodontitis. Außerdem gibt es Hinweise, dass Alkohol einen negativen Einfluss auf die Krankheitsentstehung nimmt.

Hinzu kommen verschiedene Allgemeinerkrankungen, die mit dieser Zahnerkrankung assoziiert sind. Osteoporose steigert das Risiko dafür um den Faktor 3,36, eine dialysepflichtige Niereninsuffizienz um den Faktor 2,6. Die Odds Ratio bei Hypertonie beträgt 2,32 und bei Typ-1-Diabetes 1,42.

Liegt hier dann auch eine mögliche Erklärung dafür, dass solche Zahnerkrankungen offenbar im Zusammenhang mit einem erhöhten KHK-Risiko in Verbindung stehen?

Ein umfassendes Review (bitte verlinken mit: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34240297/) mit insgesamt 23 Studien zu Assoziationen zwischen KHK und apikaler Parodontitis ist genau dieser Fragestellung nachgegangen. Ergebnis: 18 Studien ergaben Zusammenhänge, 5 jedoch nicht.

Unterm Strich zeigte die Auswertung ein um 1,4- bis 5-fach erhöhtes Risiko bei diagnostizierter apikaler Parodontitis für eine koronare Herzerkrankung. Wobei es sich – ganz wichtig – hierbei um Assoziationen handelte, nicht um Korrelationen! Denn noch fehlt ein eindeutiger Beleg von Kausalzusammenhängen, auch wenn die ermittelten Daten darauf hindeuten, wie wichtig eine endodontische Behandlung nicht nur für die orale, sondern auch für die systemische Gesundheit ist.

Und das lässt sich auch gut nachvollziehen. Denn eine apikale Parodontitis geht mit erhöhten Entzündungsmarkern im Blutplasma einher – speziell hochsensitives CRP, IL6, ADMA, IgE, IgM und der Komplementfaktor C3 steigen an. Auch der oxidative Stress schnellt in die Höhe. All dies sind Faktoren, die arteriosklerotische Gefäßveränderungen begünstigen können – unter anderem auch in den Herzgefäßen, was dann wiederum die KHK-Gefahr steigert.

Umso wichtiger ist es, Infektionen im Mundraum so gut es geht zu eliminieren, was auch meistens erfolgreich gelingt. Denn nach einer vollständig durchgeführten Wurzelkanalbehandlung befinden sich die eben genannten erhöhten Werte üblicherweise wieder im Normbereich und stellen dann kein systemisches Gesundheitsrisiko mehr dar.

Gibt es auch dazu Daten?

Ja, durchaus; beispielsweise eine Studie aus Finnland (bitte verlinken mit: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28332718/). Diese verglich Patient:innen mit abgeschlossenen, also beseitigten, Wurzelkanalbehandlungen und nicht abgeschlossenen Wurzelkanalbehandlungen – also mit persitierenden endodontischen Infektionen –, im Zusammenhang mit kardiovaskulären Erkrankungen. Die Ergebnisse sind durchaus beeindruckend und untermauern noch einmal mehr den Einfluss der Zahngesundheit auf den gesamten Organismus.

Denn die erfolgreich wurzelkanalbehandelten Studienteilnehmenden besaßen ein um bis zu 84 Prozent geringeres KHK-Risiko im Vergleich zu jenen mit nicht abgeschlossenen Wurzelkanalbehandlungen. Auch KHK-bedingte Klinikaufenthalte kamen bei den vollständig Behandelten deutlich weniger vor. Zusätzlich sank auch das KHK-Sterberisiko bei behandelten endodontischen Infektionen um bis zu 49 Prozent.

Was bedeuten diese Ergebnisse/Zusammenhänge für den zahnärztlichen Alltag?

Eine apikale Parodontitis verläuft nicht selten chronisch und damit schmerz- und symptomlos, was auch die in den eingangs erwähnten Untersuchungen hohen ermittelten Fallzahlen erklärt. Gut diagnostizierbar ist diese Erkrankung über Kälte-Sensibilitätstests. Also eine einfache, aber zeitaufwändige Maßnahme, die in der zahnärztlichen Praxis nicht immer standardmäßig stattfindet.

Wenn Patientinnen oder Patienten an einem getesteten Zahn keinen Kältereiz spüren, deutet dies auf eine nekröse Zahnpulpa und möglicherweise eine endodontische Erkrankung hin, die sich dann eindeutig per Röntgenbild bestätigen lässt.

Im Prinzip wäre es sinnvoll, einmal jährlich solche Sensibilitätsprüfungen vorzunehmen, aber das wird bislang kaum gemacht – auch aus abrechnungstechnischen Gründen. Dabei wäre es so wichtig, speziell Patient:innen mit Herz-Kreislauf-Risiken auch dahingehend regelmäßig und sorgfältig zu screenen!

Solch ein Vorgehen funktioniert auch umgekehrt. Denn je älter wir werden, desto häufiger bilden sich im Zahn sogenannte Dentikel (Pulpasteine) – also Hartsubstanzbildungen in oder am Rand der Zahnpulpa. Zeigen sich diese Veränderungen an mehreren Zähnen, geht damit ein um mehr als dreifach erhöhtes KHK-Risiko einher, das dann baldmöglichst internistisch-kardiologisch abgeklärt werden sollte. Hier sind Zahnärztinnen unbedingt gefragt, dies dann an ihre Patientinnen und Patienten zu vermitteln und zu einer baldigen weiterführenden Diagnostik zu raten.

Und inwieweit sollten diese Ergebnisse von anderen ärztlichen Fachgruppen berücksichtigt werden?

Die Entzündungsfreiheit ist das gemeinsame Ziel, speziell für all jene mit KHK-Risiken aber auch zur KHK-Prophylaxe. Und dafür müssen wir fachübergreifend zusammenarbeiten und intensiv kooperieren, beispielsweise in Form gegenseitiger Zuweisungen.

So wäre es beispielsweise durchaus wünschenswert und sinnvoll, KHK-Risiko-Patienten und erst recht all jene mit bereits diagnostizierter KHK zu fragen, wann die letzte zahnärztliche Kontrolle stattgefunden hat. Und auch darauf hinzuweisen, dass regelmäßige Zahn-Checks nicht nur für die ausschließliche Zahngesundheit wichtig sind und ihre Herzerkrankung beim nächsten Besuch einer zahnärztlichen Praxis erwähnt werden sollte im Hinblick auf eine dann möglicherweise erforderliche/ratsame entsprechende endodontische Diagnostik.

Als derzeitiger DGET-Präsident ist es mir daher ein großes Anliegen, die Schnittstelle Allgemeinmedizin/Endodontie mehr in den Vordergrund zu stellen und Kooperationen mit anderen Fachgesellschaften zu etablieren. Mit bereits einer Fachgesellschaft – der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik – läuft solch eine Kooperation bereits und wir befinden uns auch schon im Gespräch mit weiteren Fachgesellschaften.

Parallel haben wir eine Kampagne gestartet mit Praxisbriefen, Kompaktempfehlungen und Social-Media-Aktivitäten, um auf die Zusammenhänge von Zahngesundheit und systemischen Erkrankungen aufmerksam zu machen.

26.02.2025, 09:53, Autor/-in: Jutta Heinze

War alles so toll bei den Wikingern? Zahnschmerzen als Dauerzustand !

Gesundheitsprobleme der Wikinger

Sie galten als der Schrecken der Meere und als recht übellaunige Zeitgenossen: die Wikinger. Befunde an Schädeln deuten nun darauf hin, dass nicht wenige von ihnen unter chronischen Entzündungen und Schmerzen litten


Zahnprobleme waren unter Wikingern weit verbreitet – sogar abgebrochene Zähne und Kieferentzündungen kamen vor.

Moderne Medizin und Archäologie gingen in der nun vorgestellten Studie ganz neue Wege: Die Forschenden untersuchten die Schädel von 15 Wikingern mittels Computertomographie (CT). Das Ergebnis? Unsere nordischen Vorfahren hatten nicht nur mit rauen Seereisen zu kämpfen, sondern auch ein ebensolches Gemüt und erhebliche Gesundheitsprobleme.

Zahnschmerzen als Dauerzustand

Die CT-Scans offenbarten, dass Zahnprobleme unter Wikingern sehr weit verbreitet waren. Karies, schwere Zahnfleischentzündungen, Zysten (Originalabbildung) und sogar komplett zahnlose Kiefer wurden bei den Untersuchungen entdeckt. In 80 Prozent der Fälle fanden die Forschenden zudem Hinweise auf periapikale Entzündungen – Infektionen, die ohne moderne Zahnmedizin schmerzhaft und lebensbedrohlich sein können und es damals sicher auch waren. Manche Wikingerschädel zeigten überdies deutliche Spuren von abgebrochenen Zähnen und entzündeten Kieferknochen.

Sinusitis und Ohrinfektionen – ein Wikingerleiden?

Neben Zahnproblemen wiesen die Wikinger erstaunlich häufig Anzeichen von chronischer Sinusitis auf. In 20 Prozent der untersuchten Fälle fanden sich Veränderungen in den Nasennebenhöhlen  – ein Zeichen für anhaltende Infektionen. Auch Mastoiditis, eine Entzündung des Warzenfortsatzes hinter dem Ohr, stellten die Forschenden fest. Diese konnte im Mittelalter ohne Antibiotika tödlich verlaufen.

Nordmänner mit Biss

Die Forschenden entdeckten aber auch in mehr als der Hälfte der Fälle Veränderungen am Kiefergelenk. Osteophytenbildungen, degenerative Gelenkerkrankungen und knöcherne Abnutzungserscheinungen lassen darauf schließen, dass das Kauen harter Nahrung oder vielleicht auch das Zerkauen von Leder und Seilen zu erheblichen Belastungen der Kiefergelenke führte.

CT als Fenster in die Geschichte

„Unsere Studie zeigt eindrucksvoll, wie moderne radiologische Verfahren helfen können, das Leben vergangener Generationen besser zu verstehen. Die Computertomographie ermöglichte es, verborgene Infektionen und Knochenveränderungen zu entdecken, die mit bloßem Auge nicht sichtbar wären. Diese Methode könnte in Zukunft eine noch größere Rolle in der Paläopathologie spielen“, schätzen die Autoren abschließend ein.

Fazit: Ein Wikinger kennt keinen Schmerz

Die Untersuchung der Wikingerschädel offenbare, dass unsere skandinavischen Vorfahren mit erheblichen Gesundheitsproblemen zu kämpfen hatten. Doch trotz Karies, Infektionen und Kieferproblemen segelten sie mutig über die Meere und prägten dabei längst nicht nur die europäische Geschichte.

 

Originalpublikation: Bertilsson C et al., Findings from computed tomography examinations of Viking age skulls. BDJ Open 2025; 11: 18

Hörgeräte senken nicht per se das Demenzrisiko

Studien legen nahe, dass Hörverlust ein wesentlicher Risikofaktor ist und möglicherweise bis zu acht Prozent der Demenzfälle beeinflussen könnte, heißt es in einer aktuellen Studie aus Frankreich. Doch sind Hörgeräte tatsächlich ein verlässlicher Weg, um dieses Risiko zu senken?

 

Bisherige Untersuchungen waren oft begrenzt: Sie stützten sich häufig auf subjektive Hörmessungen, beschränkten sich auf eine Altersgruppe oder betrachteten nur eine Dimension der Kognition. Die vorliegende Studie von Grenier et al. setzt nun an, diese Lücken zu schließen und untersuchte, wie sich objektiv gemessener Hörverlust und der Gebrauch von Hörgeräten auf mehrere kognitive Dimensionen bei Erwachsenen im mittleren Alter auswirkten.

Studiendesign

Die Analyse basiere auf Daten der CONSTANCES-Kohorte, einer repräsentativen Stichprobe französischer Erwachsener im Alter zwischen 45 bis 69 Jahren, die zwischen 2012 und 2020 erhoben wurden, erklären die Autoren eingangs. Die Teilnehmenden absolvierten vorab umfassende Hörtests und kognitive Assessments in insgesamt 21 Gesundheitszentren in Frankreich.

Als Hauptkriterium für den Hörverlust zogen die Forschenden den durchschnittlichen Hörschwellenwert (Pure Tone Average) heran, wobei sie den Hörverlust als mild (über 20 dB) oder schwer (über 35 dB) klassifizierten. Zusätzlich erfasste die Studie den Gebrauch von Hörgeräten, wobei die Teilnehmenden danach eingeteilt wurden, ob sie Hörgeräte nutzten oder nicht. Die kognitiven Leistungen evaluierten die Forschenden anhand standardisierter Tests, die verschiedene Bereiche wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Exekutivfunktionen abdeckten, heißt es weiter.

Zusammenhang zwischen Hörverlust und kognitiver Beeinträchtigung

Von den insgesamt 62.072 Teilnehmern litten etwa 38 Prozent an mildem und 10 Prozent an schwerem Hörverlust. Die weitere Analyse ergab zudem, dass Personen mit mildem Hörverlust ein um 10 Prozent höheres Risiko für kognitive Beeinträchtigungen hatten, während das Risiko bei schwerem Hörverlust um bis zu 24 Prozent höher war. Das Risiko kognitiver Beeinträchtigungen stieg demnach proportional mit dem Grad der Höreinschränkungen. Die betroffenen Teilnehmenden hatten oft auch andere Risikofaktoren wie ein höheres Lebensalter, ein geringeres Bildungsniveau und eine niedrigere soziale Stellung, berichten die Autoren.

Hörgeräte und deren Einfluss auf die Kognition

Ein zentrales Ziel der Studie war die Untersuchung zum Nutzen von Hörgeräten auf den Erhalt der kognitiven Fähigkeiten. „Hier zeigte sich jedoch, dass die Nutzung von Hörgeräten das Risiko einer kognitiven Beeinträchtigung nicht signifikant verringerte. Teilnehmende mit Hörgeräten wiesen nach unseren Ergebnissen zu urteilen ähnliche Raten an kognitiven Beeinträchtigungen auf wie Personen mit schwerem Hörverlust, die keine Hörgeräte verwendeten“, fassen die Studienautoren kurz zusammen.

Eine Ausnahme bildeten diejenigen Teilnehmenden mit Depressionen: Bei ihnen fanden die Forschenden einen leicht positiven Effekt, denn das Risiko kognitiver Beeinträchtigungen wurde durch das Tragen eines Hörgerätes um etwa 38 Prozent verringert. Dies könnte darauf hindeuten, dass Hörgeräte bei depressiven Menschen, die möglicherweise anfälliger für soziale Isolation und kognitive Beeinträchtigungen sind, eine unterstützende Rolle spielen, beurteilen die Autoren.

Empfehlungen für die Praxis

Die Studie zeige deutlich, dass Menschen mit Hörverlust ein erhöhtes Risiko für kognitive Beeinträchtigungen haben. Daher könnte es aus Sicht der Autoren nach gegenwärtigem Kenntnisstand sinnvoll sein, die kognitiven Funktionen von betroffenen Personen regelmäßig zu überwachen, insbesondere dann, wenn weitere Risikofaktoren wie Depressionen vorliegen.

Es werde jedoch überdies betont, dass Hörgeräte bislang keinen nachweislichen Effekt auf das kognitive Demenzrisiko hätten und ihre Verschreibung daher primär auf die Verbesserung der Lebensqualität und der sozialen Integration abziele, heißt es zum Abschluss.

 

Originalpublikation: Grenier B et al., Hearing Loss, Hearing Aids, and Cognition. JAMA Netw Open 2024; 7(10): e2436723

Cannabis fördert Karies und Parodontitis – Studie aus den USA

Cannabisrauchen korreliert mit vermehrter Karies und Zahnverlust. Das hat jetzt eine Arbeitsgruppe der Universität Buffalo in einer Studie festgestellt, die im Journal of the American Dental Association erschienen ist.

Mit der Legalisierung von Cannabis in einzelnen Bundesstaaten der USA stieg auch der Konsum der Droge an. Einer Studie des National Institute on Drug Abuse aus dem Jahr 2023 zufolge erreichte der Prozentsatz junger Erwachsener (19 bis 30 Jahre), die im vergangenen Jahr (teils täglich) Marihuana konsumierten konsumierten, den höchsten Stand aller Zeiten.

Marihuanakonsum auf höchstem Stand aller Zeiten

Ausgehend von vorausgegangenen klinischen Beobachtungen hat ein Forscherteam um Ellyce Clonan, DDS, an der School of Dental Medicine der University at Buffalo, eine Umfragestudie zu den Auswirkungen von Cannabis aufgelegt.

In dieser Querschnittsstudie wurden Daten von 5.656 Teilnehmern im Alter von 18 bis 59 Jahren analysiert, die von 2015 bis 2018 an der National Health and Nutrition Examination Survey teilgenommen hatten. Der Cannabiskonsum wurde definiert als selbstberichteter Konsum von Marihuana oder Haschisch mindestens einmal pro Monat in den letzten zwölf Monaten.

Vor und nach der Kontrolle soziodemografischer und verhaltensbezogener Faktoren wurden Regressionsanalysen durchgeführt, um den Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und unbehandelter Karies, speziell auch Wurzelkaries und Zahnverlust zu untersuchen.

Mehr Karies und Zahnverlust bei Cannabisrauchern

Im Vergleich zu Nicht-Cannabis-Nutzern hatten Teilnehmer, die Cannabiskonsum angaben, eine um 17 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit für eine Kronenkaries (95 Prozent KI 1,02 bis 1,35), eine um 55 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit für eine Wurzelkaries (95 Prozent KI 1,21 bis 1,99) und eine um 41 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit für einen Zahnverlust (95 Prozent KI 1,00 bis 1,99), nach Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Rasse oder Ethnizität, Geburtsort, Bildung, Familieneinkommen im Verhältnis zur Armut und Alkoholkonsum.

Die Ergebnisse spiegeln Ellyce Clonan, Erstautorin der Studie, zufolge einen nationalen Trend wider. Der Cannabiskonsum habe zugenommen und damit rücken auch die Konsequenzen für die Mundgesundheit in den Fokus. Im Hinblick auf die durchgeführte Studie sind Verzerrungen bei der Häufigkeit des Cannabiskonsums wahrscheinlich.

Da alle Informationen auf Selbstauskunft beruhen, vermutet Clonan, dass die Cannabis-Nutzung höher ist als aus den Umfragen hervorgeht: „Jemand in New York ist möglicherweise offener als jemand in Alabama, der sich vielleicht Sorgen darüber macht, wer sich die Umfrage ansieht.“

Ellyce Clonan et al, Frequent recreational cannabis use and its association with caries and severe tooth loss, The Journal of the American Dental Association (2024). DOI: 10.1016/j.adaj.2024.10.005

Endodontie kann Risiken für Herzerkrankungen senken

Wurzelkanalbehandlungen senken systemische Risikofaktoren

Die Verbindung zwischen endodontischen Erkrankungen und koronaren Herzerkrankungen (KHK) rückt zunehmend in den Fokus der Forschung. Studien zeigen, dass Patienten mit apikaler Parodontitis ein 1,4- bis 5-fach erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen aufweisen. Obwohl ein direkter Kausalzusammenhang bislang nicht belegt ist, verdeutlichen die Daten die Bedeutung einer erfolgreichen endodontischen Therapie – nicht nur für die orale, sondern auch für die systemische Gesundheit.

Die Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) hat zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Endodontologie und zahnärztliche Traumatologie (DGET) den aktuellen Forschungsstand zum Thema im Format der „Kompaktempfehlung“ kurzgefasst veröffentlicht.

Eine apikale Parodontitis ist mit erhöhten Konzentrationen von Entzündungsmarkern im Blutplasma und gesteigertem oxidativem Stress verbunden. Diese Faktoren tragen zur Entwicklung von arteriosklerotischen Gefäßveränderungen bei, die letztlich eine KHK begünstigen können. Erfolgreiche Wurzelkanalbehandlungen oder Revisionen, die die endodontische Infektion eliminieren, führen nachweislich zu einer:

  • Normalisierung systemischer Entzündungsmarker und Rückgang des oxidativen Stresses.
  • Reduzierung des KHK-Risikos um bis zu 84 Prozent im Vergleich zu unbehandelten endodontischen Infektionen.
  • Verminderung des Sterberisikos aufgrund einer KHK um bis zu 49 Prozent im Vergleich zu unbehandelten endodontischen Infektionen.

Der Präsident der DGET Prof. Dr. Edgar Schäfer aus Münster betont in diesem Zusammenhang: „Es ist bekannt, dass durch eine erfolgreiche Wurzelkanalbehandlung die erhöhten Serumkonzentrationen wieder auf die Normwerte reduziert werden können.“

Eine KHK und eine apikale Parodontitis teilen viele Risikofaktoren, darunter ungesunde Lebensgewohnheiten wie Alkohol- und Nikotinkonsum, fettreiche Ernährung sowie systemische Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 1 oder Hypertonie. Patientinnen und Patienten sollten als wichtiger Beitrag zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen routinemäßig über diese Zusammenhänge aufgeklärt werden.

Kompaktempfehlungen der DGZMK

Die Kompaktempfehlungen der DGZMK und ihrer wissenschaftlichen zahnmedizinischen Fachgesellschaften sind ein praxisnahes Format, das Zahnärzten evidenz- und konsensbasierte Entscheidungshilfen bietet. Sie wurden entwickelt, um bei einzelnen Fragestellungen schnell und unkompliziert Orientierung im „Kitteltaschenformat“ zu geben, ohne den zeitaufwendigen Leitlinienprozess durchlaufen zu müssen.

Die Empfehlungen basieren auf der bestverfügbaren Evidenz und werden vor der Veröffentlichung von der DGZMK und der beteiligten Fachgesellschaft geprüft und verabschiedet. Sie sind nicht rechtlich bindend und sollten immer individuell im jeweiligen Patientenfall abgewogen werden. Auf der Website der DGZMK gibt es weitere Kompaktempfehlungen.

Schlechte Mundgesundheit fördert Atemwegsrisiken

Eine Übersichtsarbeit warnt: Parodontitis ist mit mehreren schwerwiegenden, nicht übertragbaren
Erkrankungen verbunden! Dazu zählen z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, chronisch
obstruktive Lungenerkrankung (COPD), obstruktive Schlafapnoe, aber auch Komplikationen nach
Covid-19.

Die Verbindung zwischen Parodontal- und Atemwegserkrankungen rücke derzeit weiter in den Fokus. Studien
hätten gezeigt, dass das Bakterienmilieu im Mundraum bei Patientinnen und Patienten mit Parodontitis auch zu
einer Verschlechterung der Lungenfunktion führen könne, heißt es einleitend in einer neuen
internationalen Übersichtsarbeit.
„Insbesondere bei COPD-Patienten kann sich der Verlauf der Krankheit verschärfen, wenn die
Parodontalerkrankung unbehandelt bleibt“, warnen die Autoren. Auch bei obstruktiver Schlafapnoe kann
Parodontitis eine Rolle spielen, da Entzündungsprozesse im Mundraum die Atemwege zusätzlich belasten und
die Symptome verschärfen können.
Früherkennung und Prävention
Eine frühzeitige Diagnose von Parodontitis durch Fachärztinnen und Fachärzte für Allgemeinmedizin und/oder
Innere Medizin könnte einen entscheidenden Einfluss auf die Prävention und Behandlung von
Atemwegserkrankungen haben. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht fordere hier eine stärkere Zusammenarbeit
zwischen diesen Disziplinen und der Zahnmedizin. Dabei solle das Erkennen von Parodontalerkrankungen in
primärmedizinischen Versorgungseinrichtungen und die Untersuchung auf Atemwegserkrankungen in
Zahnarztpraxen wechselseitig vorangetrieben werden. Die frühzeitige Diagnose beider Krankheitsbilder könne
am Ende dabei helfen, Komplikationen zu vermeiden und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu
verbessern.
Zahnmedizinische Behandlung als Unterstützung bei der Atemwegsbehandlung
„Die Behandlung von Parodontitis könnte auch positive Auswirkungen auf die Lungengesundheit haben“,
erklären die Autoren. Studien belegten beispielsweise, dass eine Parodontitis die Symptome einer COPD
verstärken und die allgemeine Atemfunktion um annähernd 5 Prozent reduzieren könne.
Patientinnen und Patienten, welche sowohl ihre Parodontalerkrankung als auch ihre Atemwegserkrankung
behandeln ließen, könnten dadurch womöglich eine deutlich bessere Kontrolle über ihre Symptome erfahren.
Forderung nach intensiver Zusammenarbeit
„Die enge Kooperation zwischen Zahnmedizinern und internistisch tätigen Hausärzten bzw. Fachärzten für
Innere Medizin könnte dazu beitragen, Atemwegserkrankungen und Parodontalerkrankungen frühzeitiger zu
erkennen und gezielt zu behandeln“, fassen die Autoren abschließend zusammen. Sie fordern, dass gezielte
Präventionsprogramme entwickelt werden sollten, die sowohl auf die Mundgesundheit als auch auf die
Lungenfunktion ausgerichtet seien.
So könnten am Ende nicht nur die Auswirkungen einer Parodontitis auf die Atemwege verringert, sondern auch
das Risiko für schwerwiegende Komplikationen, wie etwa die Verschlechterung einer COPD oder Schlafapnoe,
gesenkt werden.
Originalpublikation: Herrera D et al.,
Periodontal diseases and cardiovascular diseases, diabetes, and
respiratory diseases: Summary of the consensus report by the European Federation of Periodontology and
WONCA Europe. Eur J Gen Pract 2024; 30(1): 2320120
10.02.2025 12:48, Autor: , © änd Ärztenachrichtendienst Verlags-AG
Quelle: https://www.aend.de/article/233303

Das Fluorid-Dilemma: Intelligenz oder Karies?

Fluoride sind der Goldstandard im Kampf gegen Karies – doch gerade bei Neugeborenen besteht Sorge, dass sie sich auf die Intelligenz auswirken könnten. Eine neue Metaanalyse hat das nun untersucht.

Nach der Geburt eines Kindes zählt in Deutschland und vielen weiteren Ländern die prophylaktische Gabe von Fluorid in Form einer täglichen Tablette oder über die Zahnpasta 2x täglich zum Goldstandard. Fluorid soll dabei vor allem die ersten Zähnchen schützen und eine frühe und dann meist chronische Infektion mit Kariesbakterien vermeiden. Da Fluoride, die Salze der Fluorwasserstoffsäure, aber nicht nur auf dem Zahnschmelz, sondern auch auf der Mundschleimhaut, im Magen-Darm-Trakt und schließlich im ganzen Körper landen, stellt sich unweigerlich die Frage nach potenziellen Nebenwirkungen.

Schmilzt der Goldstandard?

Kyla Taylor und ihr Team wollten an dieser Stelle Wissenslücken schließen und konzentrierten sich im Rahmen ihrer Metaanalyse vor allem auf mögliche Assoziationen zwischen einer verhältnismäßig hohen Fluorid-Exposition und den Intelligenzquotienten (IQ) exponierter Kinder. Auf Grundlage einer systematischen Literaturrecherche identifizierten sie insgesamt 74 Querschnitts- und prospektive Kohortenstudien.

Die wichtigsten Einschlusskriterien umfassten die Untersuchung von Assoziationen zwischen Fluorid-Exposition und kindlichem IQ, Details zum Ausmaß der Exposition, sowie den Bericht von Effektgrößen. Des Weiteren orientierte sich das Forscherteam an den gängigen Leitlinien zur Verfassung systematischer Reviews und Metaanalysen und griff u. a. auf ein Risk-of-Bias-Tool zur Beurteilung der Studienqualitäten zurück.

Mit einer Anzahl von 64 handelte es sich bei den meisten Untersuchungen um Querschnittsstudien, 45 Publikationen stammten aus China und 52 Arbeiten hatten ein auffällig hohes Bias-Risiko. Trotz dieser und weiterer möglicher methodischer Einschränkungen zeigte sich ein dosisabhängiger inverser Zusammenhang zwischen einer hohen Fluorid-Exposition und dem IQ. Die Exposition wurde dabei entweder als Konzentration von Fluoriden im Trinkwasser oder in Urinproben gemessen.

 

Im erstgenannten Fall ließ sich die umgekehrte Assoziation beispielsweise bei Konzentrationen von 4 mg/l und auch noch bei 2 mg/l nachweisen. Und auch unter Berücksichtigung der Urinkonzentrationen blieb der beunruhigende Zusammenhang bis zu einer Konzentration von 1,5 mg/l bestehen. Je nachdem, ob die Forschergruppe Studien mit hohem oder niedrigem Bias-Risiko betrachtete, führte die Exposition zu einer relativen Verringerung des IQs von 1,63 oder 1,14 Punkten.

Karies als Alternative zur IQ-Abnahme?

Sollten sich Eltern deshalb nun Sorgen um die Intelligenz ihrer Kinder machen oder sogar ganz auf diese Art der frühen Kariesprophylaxe verzichten? Ein kritischer Blick auf diese Metaanalyse ist sicher angebracht. Denn schließlich gibt es eine große Heterogenität und ein nicht unerhebliches Bias-Risiko bei den überwiegend in China durchgeführten Studien.

Darüber hinaus wurden überwiegend hohe Konzentrationen untersucht, die wahrscheinlich nicht mit den Dosen durch beispielsweise unsere „deutsche“ Prophylaxe nach Empfehlungen der Zahnärzte erreicht werden können. Und was ist die Alternative? Karies bei Babys im Alter von 10 Monaten?

Arbeiten dieser Art sind immer wichtig, um gängige Vorgehensweisen überprüfen, hinterfragen und bei Bedarf optimieren zu können. Dennoch empfehlen sich weitere prospektive Studien mit guter methodischer Qualität und einer vergleichbaren Operationalisierung von Exposition und IQ-Messung. Bis dahin könnt ihr besorgte Eltern beruhigen – denn vermutlich ist ein IQ-Punkt weniger doch deutlich harmloser als ständige schmerzhafte Zahnarztbehandlungen.

Quellen: 
Taylor, Kyla W. et al. Fluorid Exposure and Childrens IQ Scores, JAMA, 2025. doi: 
10.1001/jamapediatrics.2024.5542

Hederson, Jennifer. High Fluoride Exposure Linked to Lower IQ-Levels in KidsMedpagetoday, 2025.

Hinweis der Bundeszahnärztekammer: https://www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/b16/Hinweise_fuer_Eltern_ecc.pdf

Demenz ade dank grünem Tee?

Gegen Demenz ist bisher noch kein Kraut gewachsen – oder doch? Welche positiven Effekte das Trinken von Kaffee und Tee auf das alternde Gehirn hat, haben Forscher jetzt genauer untersucht.

Etwa 1,7 Millionen Deutsche im Alter über 65 leben mit Demenz. Das ist nicht nur für Betroffene und Angehörige eine Belastung, sondern auch für Ärzte und Krankenkassen. Zwar gibt es Therapieoptionen, diese können das Fortschreiten einer Demenz jedoch lediglich verlangsamen und nicht stoppen. Eine gute Prävention ist daher umso wichtiger. Doch wie sieht diese aus?

Eine gesunde Ernährung

Es ist die alte Leier: Eine ausgewogene Ernährung und viel Bewegung können das Risiko für die Entstehung von (füge hier beliebige Krankheit ein) reduzieren. Dazu gehören der regelmäßige Sport, gesunde Öle, viel Gemüse – alles andere in Maßen, nicht in Massen. Doch geht es nicht ein wenig konkreter?

Eine aktuelle Studie hat sich jetzt unsere liebsten Heißgetränke vorgeknöpft: Kaffee und Tee. Diese enthalten nämlich Inhaltsstoffe, die gesundheitsfördernde Wirkungen haben können. Kaffee enthält etwa das Antioxidans Chlorogensäure, grüner Tee hingegen Epigallocathechingallat, das eine mögliche neuroprotektive Wirkung hat. Die Wissenschaftler wollten jetzt herausfinden, ob diese Eigenschaften auch den Alterungsprozess des Gehirns positiv beeinflussen können. Das Altern ist nämlich einer der größten Feinde unseres Gehirns: Es begünstigt das Entstehen von Läsionen in der weißen Substanz sowie von Atrophien, die beide mit Demenz assoziiert werden.

Kaffee oder Tee, das ist hier die Frage

Um den Einfluss der Heißgetränke auf das Altern des Gehirns zu untersuchen, fokussierten sich die Forscher auf das Volumen des Hippocampus, des gesamten Gehirns sowie von Läsionen in der weißen Substanz. Dazu untersuchten sie MRT-Bilder von fast 9.000 Tee- oder Kaffeetrinkern über 65.
Kaffee schloss in Sachen Demenz-Prävention eher schlecht ab: Wie wenig oder viel Kaffee die Studienteilnehmer in ihrem Alltag konsumierten, hatte keinen nachweisbaren Einfluss auf das Volumen des Gehirns oder der Läsionen.

Ganz anders sieht es jedoch beim grünen Tee aus: Die Wissenschaftler fanden eine signifikante Korrelation zwischen konsumiertem grünen Tee und dem Volumen von Läsionen in der weißen Substanz. Je mehr grünen Tee die Teilnehmer in ihrem Alltag tranken, desto weniger Läsionen wiesen diese auf. Doch wie könnte Tee die weiße Substanz schützen?

Guter Ruf aus gutem Grund

Bereits in der Vergangenheit konnten positive Effekte von grünem Tee auf den Blutdruck belegt werden. Die Autoren der aktuellen Studie argumentieren, dass dies eine mögliche Ursache sein könnte, da Hypertonie eine häufige Ursache für Läsionen ist. Weiter nennen sie auch die antiinflammatorischen und antioxidativen Wirkungen von Catechinen in grünem Tee als mögliche Einflussfaktoren sowie eine mögliche neuroprotektive Wirkung von Epigallocathechingallat.

 

Die positiven Effekte waren jedoch nur bei Teilnehmern zu verzeichnen, die keine Träger des ApoE ε4 Allels waren oder unter Depressionen litten. Die Autoren argumentieren, dass beides starke Risikofaktoren für das Auftreten von Demenz sind und grüner Tee daher in diesen Fällen keine effektive Prävention darstelle.

Wie effektiv die Prävention sein kann, bestimmen auch andere Faktoren: Die Konzentration pflanzlicher Wirk- und Inhaltsstoffe kann nämlich sowohl je nach Tee-Qualität als auch abhängig vom Brüh-Prozess variieren. Insgesamt belegen allerdings bereits viele Studien die positiven Effekte von grünem Tee. Ein Tässchen pro Tag kann euch und euren Patienten also ohnehin nicht schaden – ob es nun vor Demenz schützt oder doch „nur“ den Blutdruck reguliert.

Quellen:

Die Häufigkeit von Demenzerkrankungen. Deutsche Alzheimer Gesellschaft, 2023. 

Shibata, S. et al. Green tea consumption and cerebral white matter lesions in community-dwelling older adults without dementia. Npj Science Of Food, 2025. doi: 10.1038/s41538-024-00364-w

Darmkrebs: Mut zur Milch?

Das Risiko für Darmkrebs lässt sich mit gesunder Ernährung reduzieren. Welche Rolle Milchprodukte und insbesondere Kalzium hierbei spielen, hat eine Studie untersucht. Sollten Ärzte zum Glas Milch raten – oder ist das alles Quark?

 

Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung. 

Schon lange ist bekannt, dass eine gesunde Ernährung vor Darmkrebs schützt. In einer aktuellen Studie ging der Konsum von Milch und Milchprodukten mit einer besonders guten Schutzwirkung einher. Vermutlich liegt es am Kalzium. Wie sind die Studienergebnisse einzuordnen?

 

Platz 3 der Krebsarten

Darmkrebs, auch als kolorektales Karzinom bezeichnet, ist die dritthäufigste Krebserkrankung weltweit. Mehr als 1,9 Millionen Menschen erkrankten 2022 daran. Die höchsten Inzidenzraten findet man in Europa, Nordamerika, Australien, Neuseeland und Japan. Bemerkenswert ist, dass sich die Darmkrebsraten von Migranten aus Entwicklungs- und Schwellenländern in nur etwas mehr als einem Jahrzehnt an die Raten des Gastlandes anpassen.

Dieser Umstand deutet darauf hin, dass Ernährung und Lebensstil eine maßgebliche Rolle bei der Entstehung von Darmkrebs spielen. Die International Agency for Research on Cancer (IARC) klassifizierte bereits vor Jahren alkoholische Getränke und stark verarbeitetes Fleisch (z.B. Bockwurst, Kochschinken, Corned Beef, Fleischwurst, Salami etc.) als krebserregend (Gruppe 1), sowie Fleisch vom Rind-, Schwein-, Lamm-, Ziege und Wild – so genanntes rotes Fleisch – als wahrscheinlich krebserregend (Gruppe 2A).

Wissenschaftliches Großprojekt

Basierend auf den Daten der Million Women Studie (MWS) untersuchte ein Team von Wissenschaftlern den Einfluss von 97 Nahrungsmitteln bzw. Nährstoffen auf das Darmkrebsrisiko. An der MWS nahmen zwischen 1996 und 2001 ca. 1,3 Millionen Frauen im Alter von 50 bis 64 Jahren teil, das waren 53 % aller Frauen dieser Altersgruppe. Vollständige Datensätze lagen von 542.778 Teilnehmerinnen vor. In der mittleren Nachbeobachtungszeit von 16,6 (± 4,8) Jahren traten insgesamt 12.251 neue Fälle von Darmkrebs in dem Teilkollektiv der MWS auf (2,26 %). Die Forscher hatten die wöchentlichen Verzehrmengen in Quintile aufgeteilt; das unterste Segment diente als Referenzwert.

Von den 97 untersuchten Ernährungsfaktoren waren 15 mit einem verminder-ten und zwei mit einem erhöhten Darmkrebsrisiko assoziiert (False Discovery Rate < 0,009). Für die übrigen Nahrungsfaktoren wurden keine Zusammenhänge mit dem Darmkrebsrisiko gefunden. Die Studie wurde Anfang Januar 2025 in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

Kalzium-Power entscheidend

Der stärkste protektive Effekt zeigte sich für eine hohe Kalziumzufuhr. Das relative Risiko (RR), eine Darmkrebserkrankung zu entwickeln, verminderte sich um 17 % pro 300 mg Kalziumaufnahme am Tag (RR = 0,83; 95 % KI 0,77 – 0,89; p < 0,0000001). Teilnehmer im untersten Quintil hatten 828 mg Kalzium konsumiert, in dieser Gruppe gab es 2.533 Darmkrebsneuerkrankungen. Im obersten Quintil waren es 1.126 mg und 2.394 Neuerkrankungen. Der zusätzliche Nutzen von einer noch höheren Kalziumzufuhr pro Tag blieb in der aktuellen Arbeit unklar.

Einen ebenfalls schützenden Effekt hatte der Konsum von Trinkmilch (minus 14 % pro 200 ml am Tag), der Verzehr von Joghurt (minus 8 % pro 50 g am Tag) sowie von vier weiteren milchbezogenen Faktoren wie Riboflavin (minus 17 % pro 1 mg am Tag), Magnesium (minus 16 % pro 100 mg am Tag), Kalium (minus 11% pro 1.000 mg am Tag) und Phosphor (minus 16 % pro 300 mg am Tag). Alle beobachteten Effekte waren signifikant mit der Kalziumzufuhr assoziiert und zeigten eine dosisabhängige Wirkung.

Im Gegensatz zu früheren Studien war die schützende Wirkung von Milch und Kalzium in der MWS deutlich stärker ausgeprägt. Wurde der Effekt von Kalzium statistisch herausgerechnet, war die protektive Wirkung der Milch sowie der Milchprodukte deutlich geringer. Dies galt auch für die Milchbestandteile Vitamin B2 (Riboflavin), Magnesium, Kalium und Phosphor. Die Autoren kommen deshalb zu dem Schluss, dass die Schutzfunktion von Milch, Joghurt sowie der Milchinhaltsstoffe größtenteils, wenn nicht sogar vollständig, auf Kalzium zurückzuführen ist.

Komplexer Wirkmechanismus

Für den protektiven Effekt von Kalzium bzw. Milch und Joghurt auf das Darmkrebsrisiko gibt es zahlreiche Erklärungsansätze: So gehen die Wissenschaftler davon aus, dass Kalzium sowohl Gallensäuren als auch freie Fettsäuren im Dickdarm bindet und so deren krebsförderndes Potenzial verringert. In tierexperimentellen Studien konnte überdies gezeigt werden, dass hohe Kalziumkonzentrationen die Durchlässigkeit der Mukosa vermindern und dadurch die Epithelzellen vor dem Kontakt mit krebsfördernden Substanzen schützen. Darüber hinaus gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Kalzium die Apoptose geschädigter Epithelzellen beschleunigt, den Austausch krankhafter Darmepithelzellen fördert und oxidative DNA-Schäden in den Epithelzellen reduziert.

Des Weiteren zeigen Laboruntersuchungen, dass Kalzium vermutlich auch das Auftreten von KRAS-Mutationen in den Darmepithelzellen vermindert und dadurch einem unkontrollierten Zellwachstum vorbeugt. In Tiermodellen konnte schließlich gezeigt werden, dass weitere Inhaltstoffe der Milch wie z.B. konjugierte Linolsäure (CLA), Buttersäure und Sphingomyelin eine chemisch induzierte Karzinogenese abschwächen können.

Rolle von Kalzium-Supplementen unklar

Widersprüchliche Ergebnisse liegen allerdings für die Wirkung von Kalzium-Supplementen auf das Darmkrebsrisiko vor. Während eine Metaanalyse auf der Basis von sechs Kohortenstudien aus dem Jahr 2014 ein um 9 % verringertes Darmkrebsrisiko je 300 mg Kalziumaufnahme pro Tag fand, zeigte eine randomisierte Vergleichsstudie bei 36.282 postmenopausalen Frauen aus dem Jahr aus 2006 keinen protektiven Effekt bei täglicher Einnahme von 1.000 mg Kalzium in Verbindung mit 40 μg Vitamin D3 über einen Beobachtungszeitraum von sieben Jahren.

Ballaststoff-Bodygards

Die Schutzwirkung der übrigen untersuchten diätetischen Faktoren war deutlich schwächer ausgeprägt als die von Kalzium und Trinkmilch. Hervorzuheben sind die protektiven Effekte von Vollkornprodukten (RR = 0,90), Frühstückscerealien (RR = 0,93), komplexen Kohlenhydraten wie z.B. Kartoffeln, Hülsenfrüchten und Wurzelgemüse (RR = 0,89) sowie Obst (RR = 0,90), die nach Ansicht der Autoren in erster Linie auf den hohen Ballaststoffgehalt dieser Lebensmittel zurückzuführen sind.

 

Nach Auffassung der Wissenschaftler führt der hohe Anteil an quellfähigen Pflanzenfasern zu einer Vergrößerung des Stuhlvolumens sowie zu einer Verringerung der Verweildauer des Nahrungsbreis im Verdauungstrakt. Durch die Verkürzung der Transitzeit reduziert sich auch die Expositionsdauer von krebsfördernden und krebsauslösenden Substanzen im Dickdarm. Darüber hinaus sind Ballaststoffe in der Lage, Schadstoffe zu binden und in ihrer Wirkung zu neutralisieren.

Nicht zuletzt weisen die Forscher darauf hin, dass zahlreiche Ballaststoffe durch die intestinale Mikrobiota zu kurzkettigen Fettsäuren fermentiert werden, die den pH-Wert im Dickdarm herabsetzen. Das verhindert die Umwandlung von primären zu sekundären Gallensäuren, die ihrerseits die Zellproliferation fördern können.

Dilemma an der Fleischtheke

Der Verzehr von rotem und verarbeitetem Fleisch ist hingegen mit einem erhöhten Darmkrebsrisiko verbunden. Für rotes und verarbeitetes Fleisch stieg das relative Risiko um 8 % pro 30 g am Tag (RR = 1.08; 95 % KI 1,03 – 1,12; p< 0,01). Diese Ergebnisse stehen in Einklang mit dem vom World Cancer Research Fund (WCRF) im Jahr 2018 veröffentlichten Review, wenngleich die relative Risikoerhöhung mit 12 % (WCRF) vs. 29 % (MWS) pro 100 g verzehrtem Fleisch am Tag etwas weniger als halb so groß ist. Beiden Studien gemeinsam ist auch der stärker ausgeprägte Zusammenhang zwischen dem Verzehr von verarbeitetem Fleisch und der Entwicklung von Darmkrebs im Vergleich zum Verzehr von rotem Fleisch.

Vielfältige Wirkungen

Für den krebsfördernden Effekt von rotem und verarbeitetem Fleisch führen die Forscher folgende Erklärungen an: So wird vermutet, dass Häm-Eisen die Bildung von N-Nitroso-Verbindungen (Nitrosamine) katalysiert, die für ihre karzinogene Wirkung bekannt sind. Nitrosamine entstehen, wenn Nitrite – die z. B. als Konservierungsstoffe in gepökeltem Fleisch verwendet werden – mit Aminen aus Schweinesteaks und Rinderfilets reagieren.

Darüber hinaus kann das Braten von Fleisch bei hohen Temperaturen (wie z. B. beim Grillen oder Frittieren) sowie das Räuchern die Bildung von Nitrosaminen und das Entstehen von Acrylamid, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen und heterozyklischen Aminen begünstigen.

Nüchterne Fakten zum Alkoholkonsum

Neben Fleisch und Wurstwaren erhöhte auch der Konsum von Alkohol das Darmkrebsrisiko. Für Alkohol betrug die relative Risikoerhöhung pro 20 g am Tag plus 15 % (RR = 1.15; 95 % KI 1,09 – 1,20; p<0,0000001). Verglichen wurden Teilnehmer, die zwischen 1,4 und 25,3 g Alkohol wöchentlich zu sich genommen hatten.

Keine signifikante Risikoerhöhung ergab sich für einen geringen bis moderaten Alkoholkonsum von bis zu 13,7 g/d. Für einen Konsum von bis zu 6 g/d lässt sich tendenziell sogar ein erniedrigtes Darmkrebsrisiko berechnen. Wissenschaftler vermuten, dass die schädliche Wirkung von Alkohol mit der Produktion von Acetaldehyd zusammenhängt. In hoher Konzentration fördert dieser Metabolit Zellmutationen und erhöht die Bildung krebserregender reaktiver Sauerstoffspezies.

 

Highlights und Hürden der Studie

Die Ergebnisse der MWS sind aufgrund der großen Studienpopulation, der langen Nachbeobachtungszeit sowie der konsistenten Dosis-Wirkungs-Beziehungen beeindruckend. Vergleichbare Resultate liegen auch aus einem Review des WCRF, der EPIC-Studie, der Nurses Health-Studie sowie einer UK-Biobank-Analyse vor.

Zu einem gegensätzlichen Ergebnis kam jedoch eine Analyse der China Kadoorie Biobank mit insgesamt 510.146 Studienteilnehmern: Hier zeigte sich bei einem um 75 % geringeren Milchkonsum der Studienteilnehmer im Vergleich zur MWS ein um 8 % höheres Darmkrebsrisiko pro 50 g konsumierter Milch am Tag.

In diesem Kontext sollte nicht unerwähnt bleiben, dass eine neue Form infektiöser Erreger, Bovine Meat and Milk Factors (BMMF), die vor wenigen Jahren in Milch, Milchprodukten und Rindfleisch der Rinderrasse Bos Taurus gefunden wurden, ebenfalls in Verdacht stehen, das Darmkrebsrisiko zu erhöhen. Wissenschaftler um Nobelpreisträger Harald zur Hausen konnten die Erreger bei Darmkrebspatienten in unmittelbarer Nähe der Tumoren nachweisen.

Restunsicherheit bleibt

Wie bei allen Beobachtungsstudien kann eine Verzerrung der Ergebnisse durch Störfaktoren nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. So unterschieden sich die Teilnehmerinnen der Kontrollgruppe (Gesunde) hinsichtlich zahlreicher Charakteristika von denen der Fälle (Erkrankte). Die Erkrankten waren älter, wiesen eine höhere familiäre Vorbelastung für Darmkrebs auf, hatten einen größeren Raucheranteil und wurden häufiger mit einer Hormonersatztherapie behandelt. Grund- bzw. Begleiterkrankungen der Teilnehmerinnen wurden nicht dokumentiert.

Informationen zur Ernährung wurden nur alle drei bis fünf Jahre erhoben, umfassten lediglich eine Woche und basierten auf nicht überprüfbaren Selbst-auskünften der Probandinnen. Schließlich enthält die Analyse keine Angaben zu den Darmkrebsrisiken wichtiger Milchprodukte wie z. B. Butter, Quark, Käse und Milcheis sowie zu Trinkmilch unterschiedlicher Fettgehaltstufen. Auch fehlen Informationen zum Vitamin-D-Status, der einen maßgeblichen Einfluss auf die Kalziumaufnahme hat.

Männer mussten leider draußen bleiben

Hinzu kommt, dass überwiegend weiße Frauen einer bestimmten Altersgruppe (59,7 ± 4,9 Jahre) aus einem einzigen Land (Großbritannien) in die Analyse einbezogen wurden. Damit scheidet eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf jüngere Frauen, Frauen anderer Länder und Ethnien sowie Männer jeglichen Alters aus. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass ein erhöhter Milchkonsum das Risiko für Prostatakrebs erhöhen kann (hier und hier).

Methodische Zwickmühle

Die größte Einschränkung der Studie liegt jedoch in ihrem nicht-interventionellen Charakter. Ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Konsum von Milch und der Entwicklung des Darmkrebsrisikos kann mit diesem Studiendesign nicht belegt werden. Daran ändert auch die zusätzlich durchgeführte Mendelsche Randomisierungsstudie nichts. Fehlende Angaben zu den absoluten Risikoverminderungen erschweren darüber hinaus die Einschätzung der tatsächlichen Effektstärke.

Wie geht es weiter?

Wenngleich die Ergebnisse der MWS vielversprechend sind, reichen sie für eine uneingeschränkte Empfehlung zur Erhöhung des Milchkonsums zur Vorbeugung gegen Darmkrebs jedoch nicht aus. Dazu bedürfte es randomisierter kontrollierter Vergleichsstudien (RCT) von Trinkmilch z. B. gegen ein stark kalziumhaltiges Mineralwasser (400 – 650 mg/L) oder ein Kalzium-Supplement.

So bleibt vorerst nur der Rat, weiterhin konsequent auf Vorsorge zu setzen. Früh entdeckter Darmkrebs gilt heute als gut behandel- bzw. heilbar. Goldstandard der Diagnostik ist die Koloskopie. Ab April 2025 haben Männer und Frauen ab 50 Anspruch auf zwei Darmspiegelungen im Abstand von zehn Jahren. Alternativ dazu kann alle zwei Jahre ein Stuhltest auf okkultes Blut gemacht werden. Bei auffälligen Stuhltests besteht außerdem immer ein Anspruch auf eine Darmspiegelung zur weiteren Abklärung.

Zusammenfassung für Eilige:

  • Ernährungsfaktoren und Schutz vor Darmkrebs: Eine aktuelle Studie zeigt, dass eine hohe Kalziumzufuhr, insbesondere durch Milch und Milchprodukte, das Risiko für Darmkrebs signifikant senken kann. Auch Ballaststoffe aus Vollkornprodukten und Obst wirken protektiv, während rotes und verarbeitetes Fleisch sowie Alkohol das Risiko erhöhen.
  • Studienergebnisse und Einschränkungen: Die Ergebnisse basieren auf der „Million Women Studie“, die große Zusammenhänge zwischen Ernährung und Darmkrebsrisiko zeigt. Allerdings gibt es methodische Einschränkungen, wie fehlende Randomisierung, Selbstangaben der Teilnehmerinnen und eine eingeschränkte Übertragbarkeit auf andere Bevölkerungsgruppen.
  • Zukünftige Empfehlungen: Trotz der vielversprechenden Hinweise reichen die Ergebnisse nicht für klare Empfehlungen zur Erhöhung des Milchkonsums aus. Weitere randomisierte Studien sind notwendig, während Vorsorgemaßnahmen wie Darmspiegelungen weiterhin essenziell bleiben.

Quellen:

Papier K et al. Diet-wide analyses for risk of colorectal cancer: prospective study of 12,251 incident cases among 542,778 women in the UK. Nature Communications, 2025. doi: 10.1038/s41467-024-55219-5

Bunda T et al. Analysis of chronic in-flammatory lesions of the colon for BMMF-Rep antigen expression. PNAS, 2021. doi: 10.1073/pnas.2025830118

Kowalski C et al. Are People Consuming the Diets They Say They Are? J Acad Nutr Diet, 2025. doi: 10.1016/j.jand.2024.07.006

Sargsyan A et al. Milk Consumption and Prostate Cancer: A Systematic Review. World J Mens Health, 2021. doi: 10.5534/wjmh.200051

Melnik BC, Schmitz G, John SM. Gesundheitsrisiken durch Milchkonsum. Eine kritische Bewertung aus ärztlicher Sicht. MMW-Fortschritte der Medizin 2021. doi: 10.1007/s15006-021-9652-x

Xerostomie als Hinweisgeber für Stoffwechselstörungen

Diabetes und Vitamin-D-Mangel bleiben oft länger unerkannt, da Betroffene nicht immer spezifische Symptome bei sich wahrnehmen.

Xerostomie bedingte Symptome wie eine brennende Zunge und Geschmacksveränderungen sollten Ärztinnen und Ärzte jedoch auf die richtige Fährte führen.

Ein aktueller Fallbericht aus Indonesien beleuchtet die Zusammenhänge zwischen Diabetes, Vitamin-D-Mangel und Xerostomie bedingten Symptomen wie brennende Zunge und Geschmacksveränderungen.

Geschmacksverlust und Mundtrockenheit als einzige Symptome

Der Bericht beschreibt den Fall einer 44-jährigen Patientin, die seit einer Woche über eine brennende Zunge und Geschmacksverlust klagt. Routinemäßige Bluttests sowie psychologische und zahnärztliche Gesundheitsbewertungen zeigen zunächst normale Ergebnisse. Die Frau gibt an, zwei Liter Mineralwasser am Tag zu trinken, regelmäßig die Zähne zu putzen und auch viel Obst und Gemüse zu konsumieren. Rauchen oder übermäßigen Alkoholgenuss verneint sie. Familiär bestünden keine ähnlich gearteten Vorbelastungen.

Als erste Behandlung erhält die Patientin eine patentierte Mundspülung mit Chlorindioxid und Zink, dazu Multivitamine, Vaseline sowie Anweisungen zur Mundhygiene. Während die Beschwerden bis zum Kontrollbesuch deutlich abgeklungen waren, bleibt jedoch der Geschmacksverlust bestehen. Die Patientin berichtete überdies von einer ausgeprägten Mundtrockenheit (Xerostomie).

Erneute Labortests geben Hinweise auf die Ursachen

Ergänzende Tests, darunter die indonesische Version des Summated Xerostomia Inventory (SXI-ID) und das Clinical Oral Dryness Scoring System (CODS), bestätigen eine milde Xerostomie mit reduzierter Speichelflussrate.

Zur weiteren Abklärung werden Bluttests für Hämoglobin A1c (HbA1c) und Vitamin D 25 (OH) angeordnet. Die zweite Therapiephase umfasst daraufhin ein Ethyl-p-Hydroxybenzoat-Gel, neurotrope Vitamine und erweiterte diagnostische Maßnahmen.

Beim dritten Kontrollbesuch sind die Beschwerden der Patientin weitgehend verschwunden, wie die Autoren berichten: Der Speichelfluss ist normal, und die Geschmackswahrnehmung hatte sich deutlich verbessert. Die abschließende Diagnose basiert dann auch auf den Blutwerten, die einen HbA1c-Wert von elf Prozent (Normwert < 5,7 Prozent) und einen Vitamin-D-Spiegel von nur 12,5 ng/ml (Normwert > 30 ng/ml) ausweisen – die Patientin leidet demzufolge unter einem Diabetes mellitus Typ 2 und einem schweren Vitamin-D-Mangel.

Fazit für die Praxis

Xerostomie und damit verbundene Beschwerden können durchaus auch auf systemische Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2 oder einen Vitamin-D-Mangel hindeuten. Dieser Fall verdeutliche die Rolle umfassender Diagnosen, um solche zugrundeliegenden – aber nicht immer augenscheinlichen – Ursachen zu identifizieren und eine gezielte Therapie einzuleiten.

Frühzeitig erkannt und therapiert, könnten nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen verbessert, sondern auch schwerwiegendere Komplikationen verhindert werden, fassen die Autoren abschließend zusammen.

 

Originalpublikation: Rahmadhini EN & Nur’aeny N. Burning Tongue and Taste Alteration in Xerostomic Undiagnosed Diabetic Patients with Vitamin D Deficiency. Diabetes, Metabolic Syndrome and Obesity 2024; 17: https://doi.org/10.2147/DMSO.S492359