Mundgesundheit ist „signifikanter“ Demenz-Risikofaktor!

024 hatte die Lancet-Kommission für Demenz ihre neuesten Erkenntnisse zu der Erkrankung veröffentlicht. US-Forschende rügen nun, dass der Bericht die große Rolle der Mundgesundheit für das Demenzrisiko übersieht.

Im vergangenen Jahr hatten mehr als zwei Dutzend Wissenschaftler aus aller Welt einen hohen Cholesterinspiegel und Sehkraftverlust als neue Risikofaktoren für Demenz ausgemacht. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten sie im August in der Fachzeitschrift „The Lancet“, um ihren Schlussfolgerungen Nachdruck zu verleihen. Der Bericht machte international Schlagzeilen.

Der Faktor Mundgesundheit wird übersehen

Bei Wu, Professorin für globale Gesundheit und stellvertretende Forschungsdekanin am Rory Meyers College of Nursing der New York University, leitet seit Anfang der 2000er Jahre staatlich finanzierte Forschungen, die den Abbau kognitiver Fähigkeiten, darunter Demenz, mit der Mundgesundheit in Zusammenhang bringen. Sie fordert, die Mundgesundheit als Risikofaktor mit einzubeziehen.

„Obwohl der Bericht wertvolle Erkenntnisse bietet, glauben wir, dass er die wesentliche Rolle der Mundgesundheit bei dem Demenzrisiko übersieht“, schrieb Wu in einem am 20. Februar in The Lancet veröffentlichten Brief.

Enger Fokus und eingeschränkte Auswahl

Der enge Fokus der Kommission auf Zahnerkrankungen als potenziellen Risikofaktor werde der Komplexität von Mundgesundheitsproblemen nicht gerecht. „Obwohl die Autoren behaupten, die beste Evidenz anhand der neuesten Literatur zusammenzufassen, zitierten sie bei ihrer Diskussion über Mundgesundheit nur zwei Studien. Diese eingeschränkte Auswahl spiegelt nicht die Fülle der neuen Belege wider“, stellte sie in ihrem Schreiben fest.

Zahlreiche Längsschnittkohorten aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, darunter aus den USA, Japan, Großbritannien, Schweden und China, belegten den Zusammenhang zwischen Mundgesundheit und kognitiven Beeinträchtigungen oder Demenz.

„Unsere Metaanalyse von 14 Längsschnittstudien (34.074 Erwachsene im Alter von 60 Jahren und älter) ergab eine Dosis-Wirkungs-Beziehung: Jeder zusätzliche fehlende Zahn war mit einem 1,4 Prozent erhöhten Risiko für kognitive Beeinträchtigungen und einem 1,1 Prozent erhöhten Risiko einer Demenzdiagnose verbunden“, führte sie aus. „Darüber hinaus vereinfacht die ausschließliche Kategorisierung von Zahnerkrankungen unter Infektionen und systemischen Entzündungen die komplexen Mechanismen, die die Mundgesundheit mit dem Demenzrisiko verbinden.“

Schlechte Mundgesundheit verdreifacht das Demenzrisiko

„Wir haben festgestellt, dass eine schlechte Mundgesundheit das Demenzrisiko im Vergleich zu Diabetes oder Bluthochdruck fast verdreifacht“, sagte Xiang Qi, PhD, RN, Assistenzprofessor am NYU Rory Meyers College of Nursing. Qi, der den Brief gemeinsam mit Wu verfasst hat.

Obwohl die Verfasser die Notwendigkeit weiterer langfristiger, qualitativ hochwertiger, randomisierter, kontrollierter Studien anerkennen, sind sie der Ansicht, dass die vorhandenen Beweise in künftigen Berichten einer gründlicheren Überprüfung bedürfen.

„Wir ermutigen die Kommission, eine umfassende Untersuchung der Beziehung zwischen Mundgesundheitsproblemen und Demenzrisiko in Betracht zu ziehen und dies möglicherweise als vielversprechenden Bereich für die Forschung zur Demenzprävention, -intervention und -pflege hervorzuheben“, fordern sie abschließend.

Schon 2002 hatte Wu in ihrer Arbeit gezeigt, dass kognitiver Abbau mit der Mundgesundheit zusammenhängt, obwohl es zu früh war, um eine eindeutige Verbindung zu Demenz herzustellen. In der Dezemberausgabe des American Journal of Public Health von 2007 veröffentlichte sie bereits den Beitrag „Cognitive Function and Dental Care Utilization Among Community-Dwelling Older Adults“. „Das Thema war damals so neu“, erinnert sie sich heute.

14 Risikofaktoren für Demenz

Der Bericht von 2024 identifizierte Hörverlust, Bluthochdruck, Fettleibigkeit, übermäßigen Alkoholkonsum, Rauchen, Depression, körperliche Inaktivität, Diabetes, soziale Isolation, Luftverschmutzung, traumatische Hirnverletzungen, hohen Cholesterinspiegel und Sehverlust als Demenzrisikofaktoren, wobei einige Risikofaktoren jedoch schwerwiegender sind als andere. Nimmt man orale Erkrankungen hinzu, kommt man auf 14 Risikofaktoren.

Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird sich die Zahl der Demenzkranken aufgrund der alternden Weltbevölkerung bis 2050 verdreifachen: von 50 Millionen auf 152 Millionen.

1. Dementia prevention, intervention, and care: 2024 report of the Lancet standing CommissionLivingston, Gill et al.The Lancet, Volume 404, Issue 10452, 572 – 628
2. Reflections on The Lancet’s Commission on dementia prevention, intervention, and careQi, Xiang et al.The Lancet, Volume 405, Issue 10479, 625

Cholesterin und Demenz: Riskantes Auf und Ab

Gutes Cholesterin, schlechtes Cholesterin – so einfach ist es nicht. Für das Demenzrisiko scheinen Schwankungen wichtiger zu sein als die absoluten Werte. Was das für die Statintherapie bedeuten könnte.

Zu den vielen bekannten Risikofaktoren für Demenz kommen ständig neue hinzu. Forscher haben jetzt einen überraschenden Faktor entdeckt, der das Demenzrisiko deutlich erhöhen kann. Für viele Faktoren ist bereits gut erforscht, wie sie zur Entstehung einer Demenz beitragen können. Glücklicherweise sind viele dieser Faktoren durch unser Verhalten beeinflussbar, sodass wir unser Schicksal zumindest teilweise selbst in die Hand nehmen können. Große mediale Aufmerksamkeit erregte die Veröffentlichung der Lancet Commission on Dementia, die zu dem Schluss kam, dass fast die Hälfte aller Demenzerkrankungen verhindert werden könnte, wenn man 14 Risikofaktoren in den Griff bekäme. Auch wenn der Wert von fast 50 % vielleicht etwas hoch gegriffen erscheint, so steht doch fest, dass jeder Einzelne sein individuelles Risiko beeinflussen kann.

Die Sache mit dem Cholesterin

Zu den beeinflussbaren Risikofaktoren gehört beispielsweise ein erhöhter LDL-Cholesterinspiegel im mittleren Lebensalter. Wer im Alter von 50 Jahren einen hohen LDL-Cholesterinwert aufweist, hat im Alter von 80 Jahren ein erhöhtes Risiko, an Demenz zu erkranken. Dabei spielt das Alter, in dem ein erhöhter Cholesterinspiegel gemessen wird, eine entscheidende Rolle. Während der Zusammenhang im mittleren Lebensalter (40–60 Jahre) eindeutig belegt ist, ist die Datenlage für ältere Menschen uneinheitlich. Hier konnte in den meisten Studien kein Zusammenhang zwischen einem erhöhten LDL-Cholesterin und einem erhöhten Demenzrisiko nachgewiesen werden. Eine etwas ältere Studie konnte sogar zeigen, dass ein hohes Gesamtcholesterin bei älteren Menschen im Hinblick auf das Demenzrisiko von Vorteil ist. Diese und andere Studien führten zu einer Abkehr vom damals vorherrschenden Schwarz-Weiß-Denken in Sachen Cholesterin. Die Wahrheit war wieder einmal komplexer als der einfache Zusammenhang „Cholesterin ist schlecht“.

Cholesterin schwankt hin und her

Während bisherige Studien die Cholesterinwerte zu einem bestimmten Zeitpunkt betrachteten, stellten amerikanische Forscher die Hypothese auf, dass weniger der absolute Wert als vielmehr die Schwankungen der Werte im Laufe der Zeit von Bedeutung sein könnten. Hintergrund ist die Beobachtung, dass die Cholesterinwerte mit zunehmendem Alter dynamischer werden und mal höher und mal niedriger ausfallen. Die Messung zu einem bestimmten Zeitpunkt könnte daher nicht ausreichen, um ein Gesamtbild des Cholesterinstoffwechsels zu erhalten.

Statineinnahme verboten

Um ihre Hypothese zu testen, untersuchten die Wissenschaftler eine bereits bestehende Studienkohorte. Knapp 10.000 Studienteilnehmer wurden in die Analyse einbezogen. Ausgeschlossen wurden Studienteilnehmer, die im Untersuchungszeitraum eine Therapie mit lipidsenkenden Medikamenten (meist Statine) begonnen oder beendet hatten. Damit sollte eine Verzerrung der Ergebnisse durch die Medikamenteneinnahme vermieden werden. Dennoch sind die Ergebnisse nicht völlig frei von Statineinflüssen, da sowohl Teilnehmer eingeschlossen wurden, die über den gesamten Zeitraum Statine einnahmen, als auch solche, bei denen die Dosis im Verlauf geändert wurde, da keine Daten über die Dosierung der Medikamente vorlagen.

Gefährliches Schwanken

Bei den Studienteilnehmern wurden über einen Zeitraum von mindestens drei Jahren jährliche Cholesterinmessungen durchgeführt. In der Nachbeobachtungszeit wurde dann der Zusammenhang zwischen der Variabilität der einzelnen Messwerte und dem Auftreten von kognitiven Einschränkungen oder Demenz untersucht. Dazu wurden die Teilnehmer entsprechend ihrer Cholesterinvariabilität in vier Gruppen eingeteilt. In der Gruppe mit der größten Variabilität der Messwerte war auch das Risiko, später an Demenz zu erkranken, signifikant erhöht. In der Gruppe mit der höchsten Schwankung des Gesamtcholesterins erkrankten 11,3 Personen pro 1.000 beobachteten Personenjahren, in der Gruppe mit der niedrigsten Schwankung nur 7,1. Dies entspricht einem um 60 % erhöhten Risiko bei hoher Schwankung des Gesamtcholesterins. Bei einer hohen Schwankung des LDL-Cholesterins war das Risiko um 48 % höher als bei einer geringen Schwankung. Für HDL-Cholesterin und Triglyceride war dieser Zusammenhang nicht gegeben, hier hatte die Schwankungsbreite keinen Einfluss.

Zeitverlauf schlägt punktuelle Messung

Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass die Variabilität des Gesamtcholesterins und des LDL-Cholesterins ein neuer Risikofaktor sein könnte, der das Demenzrisiko besser vorhersagt als die einmalige Messung. Das bedeutet für die Praxis: Statt nur auf absolute Werte zu achten, sollte auch der zeitliche Verlauf stärker berücksichtigt werden. In anderen Bereichen der Medizin ist dieser Ansatz längst etabliert. Eine Hyponatriämie ist viel gefährlicher, wenn das Natrium rasch fällt, als wenn sich über lange Zeit ein Gleichgewicht eingestellt hat. Auch beim Körpergewicht gibt eine rasche Gewichtsabnahme mehr Anlass zur Sorge, als wenn ein Mensch sehr schlank veranlagt ist und dauerhaft ein unterdurchschnittliches Körpergewicht hat.

Erklärung gesucht

Eine mögliche Erklärung für diesen Zusammenhang ist, dass Schwankungen der Cholesterinwerte auf eine Entgleisung des Stoffwechsels hinweisen. Verschiedene Erkrankungen im Alter können zu einem gestörten (Fett-)Stoffwechsel führen, der wiederum das Demenzrisiko erhöhen kann. Die schwankenden Cholesterinwerte wären dann ein Hinweis darauf, dass es dem Körper zunehmend schwerfällt, die metabolischen Auf- und Abbauprozesse im Gleichgewicht zu halten. Eine andere mögliche Erklärung ist, dass die schwankenden Cholesterinwerte die Blutgefäße des Gehirns direkt schädigen. In den Blutgefäßen bilden sich häufig Plaques. Wenn sie stabil sind, verursachen diese Plaques kaum Probleme. Mit steigendem oder sinkendem Cholesterinspiegel kann sich jedoch die Zusammensetzung der Plaques verändern, die Plaques verlieren ihre Stabilität und die Gefahr von Rissen und Gefäßverschlüssen steigt.

Implikationen für Statintherapie?

Wenn schwankende Cholesterinwerte an sich gefährlich sind und zu Schäden an den Blutgefäßen führen, wäre dies vielleicht auch ein Argument, mit einer zu aggressiven medikamentösen Cholesterinsenkung im Alter zurückhaltend zu sein. Da der Einfluss von Medikamenten aber in der Studie nicht untersucht wurde, lassen sich auch keine belastbaren Rückschlüsse auf den Nutzen oder Schaden einer bestimmten Therapie ziehen. Wie so oft sind weitere Untersuchungen nötig, um den komplexen Zusammenhang zwischen Cholesterinwerten und Demenzrisiko weiter zu entschlüsseln.

Quellen:
Livingston et al. Dementia prevention, intervention, and care: 2024 report of the Lancet standing Commission. Lancet, 2024. doi: 10.1016/S0140-6736(24)01296-0

Mielke et al. High total cholesterol levels in late life associated with a reduced risk of dementia. Neurology, 2005. doi: 10.1212/01.WNL.0000161870.78572.A5

Zhou et al. Association of Year-to-Year Lipid Variability With Risk of Cognitive Decline and Dementia in Community-Dwelling Older Adults. Neurology, 2025. doi: 10.1212/WNL.0000000000210247

 

Rauchen schadet auch der Mundgesundheit

BZÄK und DKFZ: Infoflyer informiert über die Risiken des Rauchens und bietet hilfreiche Informationen für Rauchstopp

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) und die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) informieren mit einem neuen Flyer gemeinsam zum Thema „Rauchen und Mundgesundheit“. Der Flyer zeigt Rauchern die Risiken für ihre Mundgesundheit und die Vorteile des Nichtrauchens auf. Außerdem enthält er hilfreiche Informationen zu einem Rauchstopp.

Negativer Einfluss 
auf die orale Gesundheit

Die Mundhöhle ist ein Tor zum Körper. Der Rauch jeder einzelnen Zigarette – und damit auch die gesundheitsschädlichen Inhaltsstoffe – passiert dieses Tor, lagert sich auf Zähnen, Zunge und Mundschleimhaut ab und hat dadurch großen Einfluss auf die Mundgesundheit.

Viele Erkrankungen im Mundraum treten bei Rauchern häufiger auf und zahnärztliche Behandlungen sind deutlich weniger erfolgreich. „Raucherinnen und Raucher haben ein bis zu sechsfach erhöhtes Erkrankungsrisiko für Krebs im Mundraum und sie leiden wesentlich häufiger unter entzündlichen Veränderungen des Zahnhalteapparats, an sogenannten Parodontal-Erkrankungen“, erklärt Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer. „Kurz gesagt: Rauchen schadet der Mundgesundheit!“

Rauchstopp lohnt sich, egal wann

Nach einem Rauchstopp gehen Zahnverfärbungen deutlich zurück. Geschmacks- und Geruchssinn verbessern sich und bestehender Mundgeruch nimmt ab. Das Risiko für Karies, Parodontitis und Zahnverlust sinkt deutlich. Rauchfrei heilen Wunden im Mund besser und Implantate heilen erfolgreicher in den Kiefer ein.

„Wer mit dem Rauchen aufhört, senkt das Risiko, an Mundkrebs zu erkranken“, sagt Prof. Dr. Ute Mons, Leiterin der Abteilung Primäre Krebsprävention des Deutschen Krebsforschungszentrums. „Nach fünf rauchfreien Jahren hat es sich halbiert.“ Rauchstopp lohnt sich!

Tabakerhitzer und E-Zigaretten ebenfalls problematisch

E-Zigaretten, so genannte Vapes, und Geräte, die Tabak erhitzen, statt ihn zu verbrennen, werden fälschlicherweise häufig als gesündere Alternative zum Tabakkonsum gutgeheißen. Ihr Gebrauch ist jedoch nicht unproblematisch. Beispiel E-Zigarette: Mit jedem Zug an einer E-Zigarette inhaliert der Konsument eine Mixtur aus diversen Chemikalien und/oder Glyzerin, Aromen und zumeist Nikotin. Das Gemisch aus Aerosolen einiger untersuchter E-Zigaretten enthält krebserregende Stoffe. Und auch ein negativer Einfluss auf Zähne und Zahnfleisch wurde 2016 erstmals in einer wissenschaftlichen Studie nachgewiesen.

Aus diesem Grund schließt sich die Bundeszahnärztekammer der Forderung des DKFZ und des Aktionsbündnisses Nichtrauchen e. V. nach einem Verbraucher- und Jugendschutz und entsprechenden Gesetzesänderungen zur Regulierung von E-Zigaretten an.

Mit dem Rauchen aufzuhören, verbessert nicht nur die Mundgesundheit, sondern erhöht die Lebensqualität und senkt das Risiko für verschiedene Krebsarten, vor allem Lungenkrebs, Herz-Kreislauferkrankungen und eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD). Exraucher fühlen sich körperlich insgesamt wohler und leistungsfähiger.

Raucher können den Flyer online beim DKFZ und der BZÄK ­abrufen.

Kratzen oder nicht kratzen, das ist hier die Frage

Wenn es so richtig juckt, möchte man gerne auch so richtig kratzen. Die meisten Ärzte raten davon ab – doch jetzt hat eine Studie positive Effekte auf das Immunsystem gefunden. Ist Kratzen doch nicht so schlecht wie sein Ruf?

Wenn jemand Juckreiz empfindet, ist Kratzen eine natürliche, instinktive Reaktion. Es spielt bei zahlreichen Erkrankungen und Verletzungen der Haut eine Rolle, bei denen anhaltender Juckreiz zu starkem Unwohlsein führt – etwa bei Insektenstichen oder bei atopischer Dermatitis (Neurodermitis). Kratzen kann jedoch das Jucken verstärken, Entzündungen fördern und zu Hautverletzungen führen oder diese verstärken. Auf diese Weise kann es zu einem Teufelskreis aus Jucken und Kratzen kommen. Auf der anderen Seite kann Kratzen den Juckreiz vorübergehend lindern und wird – anders als zum Beispiel Schmerzen – häufig als angenehm empfunden. Das legt nahe, dass Kratzen aus evolutionsbiologischer Sicht auch einen Nutzen hat. Allerdings ist bisher wenig darüber bekannt, wie Kratzen zu Entzündungen der Haut beiträgt und ob der Kratzreflex bei Jucken dem Betroffenen irgendwelche Vorteile bringt.

 

In einer aktuellen Studie hat ein Forscherteam um Erstautor Andrew W. Liu und Letztautor Daniel H. Kaplan vom Department of Dermatology und dem Department of Immunology der University of Pittsburgh (USA) in einem neuartigen Ansatz mit genetisch veränderten Mäusen untersucht, wie das Ausschalten bestimmter Nervenzellen, die bei Jucken aktiv sind – sogenannte nichtpeptiderge 2-Neuronen (NP2-Neuronen) – den Zusammenhang zwischen Jucken, Kratzen und Entzündungsprozessen beeinflusst. Die Ergebnisse sind jetzt in der Fachzeitschrift Science erschienen.

Entzündungsprozesse verstärkt

Die Wissenschaftler stellten fest, dass Kratzen Schmerz-Neuronen aktiviert, die dann den Neurotransmitter Substanz P ausschütten. Dieser stimuliert Mastzellen dazu, Entzündungsprozesse zu verstärken – hauptsächlich dadurch, dass neutrophile Granulozyten angelockt werden. Kratzen könnte daher dazu beitragen, eine Immunreaktion auszulösen, die schädliche Bakterien wie etwa Staphylococcus aureus bekämpfen und reduzieren könnte.

Weiterhin beobachteten die Forscher um Liu und Kaplan, dass Kratzen das Mikrobiom der Haut an der verletzten Stelle beeinflusst und so möglicherweise ein Ungleichgewicht der Hautflora verhindert. Allerdings könnten die Zusammenhänge bei chronischen Hauterkrankungen wie atopischer Dermatitis anders und komplizierter sein.

 

Zuckersüße Getränke erhöhen das Risiko für Mundhöhlenkrebs

Frauen, die zuckergesüßte Erfrischungsgetränke genießen, laufen Gefahr, häufiger an oropharyngealen Tumoren zu erkranken, erklären Forschende aus den USA in ihrer aktuellen Arbeit.

Der Konsum von zuckergesüßten Getränken (sugar-sweetened beverages, SSBs) stehe in Zusammenhang mit einem deutlich erhöhten Risiko für Mundhöhlenkrebs bei Frauen, heißt es in der Kohortenstudie, die auf Daten der Nurses‘ Health Study (NHS) basiere. Demnach hätten Frauen, die täglich mindestens ein SSB konsumierten, ein 4,87-fach höheres Risiko, an oropharyngealen Karzinomen zu erkranken, als Frauen, die weniger als ein SSB pro Monat zu sich nehmen. Dies entspreche einem Anstieg der Erkrankungsrate um drei zusätzliche Fälle pro 100.000 Personen, schreiben die Autoren.

Studiendesign

Die Forschenden analysierten die Daten von 162.602 Teilnehmerinnen über einen Zeitraum von bis zu 30 Jahren. Mithilfe von Cox-Proportional-Hazard-Modellen wurden Alter und weitere Einflussfaktoren berücksichtigt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Inzidenzrate bei Frauen, die seltener als einmal pro Monat SSBs konsumierten, bei zwei Fällen pro 100.000 lag, während sie bei täglichen Konsumentinnen auf fünf Fälle pro 100.000 anstieg.

Erhöhtes Risiko auch ohne klassische Risikofaktoren

Besonders bemerkenswert sei zudem, dass das Risiko auch für Nichtraucherinnen sowie leichte Raucherinnen und Gelegenheits-Trinkerinnen signifikant erhöht war. In diesen Gruppen war das Erkrankungsrisiko bei täglichem SSB-Konsum sogar 5,46-mal höher als bei seltenem Konsum.

Mundhöhlenkrebs trete häufig bei Personen mit klassischen Risikofaktoren wie Rauchen und starkem Alkoholkonsum auf, schreiben die Autoren weiter. Die Studie lege jedoch nahe, dass SSBs eine unabhängige Rolle in der Entstehung von Mundhöhlenkrebs spielen könnten, insbesondere bei Frauen mit sonst niedrigem Basisrisiko.

Bedeutung für die Präventionsmedizin

Die Studienautoren betonen im Ergebnis ihrer Arbeit, dass weitere Untersuchungen erforderlich seien, um die zugrundeliegenden Mechanismen sowie die Relevanz für männliche Bevölkerungsgruppen zu überprüfen. Angesichts des weltweit steigenden Konsums von SSBs und der zunehmenden Fallzahlen bei oropharyngealen Tumoren bei jüngeren, nicht klassisch gefährdeten Personen könnte dies einen relevanten ätiopathologischen Zusammenhang darstellen, heißt es.

Die Ergebnisse werfen aber auch weitere Fragen hinsichtlich ernährungsbedingter Krebsrisiken auf und könnten daher in der Präventionsmedizin eine wichtige Rolle spielen. Besonders für Frauen, die keine klassischen Risikofaktoren aufweisen, könnte der Verzicht auf zuckergesüßte Getränke eine mögliche Strategie zur Senkung ihres jeweiligen Karzinomrisikos sein, erklären die Forschenden zum Abschluss.

 

Originalpublikation: Gomez-Castillo L et al., High Sugar-Sweetened Beverage Intake and Oral Cavity Cancer in Smoking and Nonsmoking Women. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg 2025. doi:10.1001/jamaoto.2024.5252

Herpes und Alzheimer: Die geheime Affäre

Herpes und andere Viren stehen im Verdacht, Alzheimer auszulösen. Wie es zu dieser versteckten Liebelei kommt und was das für zukünftige Therapien bedeuten kann.

Bei Morbus Alzheimer kommt es zu einer Ansammlung von Amyloid-Beta (Aβ) und von Tau-Protein im Gehirn. Plaques bei Alzheimer bestehen hauptsächlich aus Amyloid-Beta, die sich zwischen Nervenzellen im Gehirn bilden. Neurofibrilläre Tangles, sprich Ablagerungen innerhalb der Nervenzellen, enthalten phosphoryliertes Tau.

Kausale, effektive Therapien gegen Alzheimer gibt es bislang nicht. Doch Wissenschaftler haben eine neue, heiße Spur: Zunehmend rücken virale Infektionen, vor allem durch das Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1) und das Varizella-Zoster-Virus (VZV), in den Fokus. HSV-1 hat eine Seroprävalenz von über 80 % in der Bevölkerung, beim (VZV) sind es sogar über 95 %. Beide Viren können die Blut-Hirn-Schwanke passieren.

Das Tau-Protein zwischen Gut und Böse

Forscher analysierten Gehirnproben von Alzheimer-Patienten mit besonders empfindlichen Methoden. Sie fanden, dass die Expression eines HSV-1-Proteins namens ICP27 mit dem Fortschreiten der Erkrankung zunahm. Besonders auffällig: ICP27 war eng mit phosphoryliertem Tau (p-Tau), aber nicht mit Aβ, assoziiert. In Bereichen mit neurofibrillären Degenerationen und Amyloid-Ablagerung stieg die Expression von ICP27. Diese Ko-Lokalisation war besonders in fortgeschrittenen Krankheitsstadien ausgeprägt.

Experimente an 2D- und 3D-Zellkulturen zeigten, dass eine HSV-1-Infektion die Phosphorylierung von Tau verstärkt. Diese Aktivierung schien eine kurzfristig wünschenswerte Schutzfunktion zu übernehmen. Sie bremste die virale Proteinexpression und verhinderte den Untergang von Neuronen. In Organoid-Modellen sank die Apoptose-Rate von 64 % auf 7 %.

Im Gehirn wird laut Studie HSV-1 über den cGAS-STING-Signalweg erkannt, einem Mechanismus der angeborenen Immunantwort. Er löst eine Entzündungsreaktion aus, die wiederum zur Tau-Phosphorylierung führt. Eine Blockade des Enzyms TBK1(TANK-binding kinase-1) in diesem Signalweg konnte den Schritt verhindern.

Das Fazit der Autoren: Kurzfristig scheint p-Tau vor viralen Infektionen zu schützen – langfristig könnte der Signalweg die Bildung neurofibrillärer Tangles fördern.

Mechanische Erschütterung als möglicher Auslöser

Doch damit nicht genug: Eine weitere Studielegt nahe, dass leichte traumatische Hirnverletzungen das latent im Gehirn vorhandene HSV-1 reaktivieren und so zur Neurodegeneration beitragen könnten. Das Forscherteam hat zunächst ein 3D-Gehirnmodell aus Seidenprotein und Kollagen entwickelt, das mit neuronalen Stammzellen besiedelt wurde. Diese Zellen reiften zu Neuronen heran, kommunizierten miteinander und bildeten ein Netzwerk, das die Bedingungen im menschlichen Gehirn nachahmt.

Um zu prüfen, ob mechanische Stimuli eine ähnliche Reaktion hervorrufen können, unterzogen die Forscher ihr Gehirnmodell wiederholten, kontrollierten Stößen. In HSV-1-infiziertem Gewebe reaktivierte der Reiz das Virus, führte zu einer verstärkten Produktion von Aβ und p-Tau und löste Gliosen aus – Faktoren, die mit Alzheimer und anderen neurodegenerativen Erkrankungen in Verbindung stehen. Diese Effekte verstärkten sich mit weiteren Verletzungen, traten jedoch in virusfreiem Gewebe nicht auf.

Zusammenfassung für Eilige:

  • Typisch für Morbus Alzheimer sind Ansammlungen von Amyloid-Beta (Aβ) und vom Tau-Protein im Gehirn.
  • Infektionen mit dem Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1) verstärken in einem Modell die Phosphorylierung des Tau-Proteins. Dieser Mechanismus scheint Neuronen kurzfristig zu schützen, könnte aber langfristig die Bildung neurofibrillärer Tangles begünstigen.
  • In einem Gehirnmodell gelang es Forschern, durch leichte Traumata HSV-1 zu reaktivieren. Es kam zur stärkeren Bildung von Aβ und p-Tau.
  • Eine Datenbank-Recherche zeigt, dass u. a. antivirale und antiinflammatorische Wirkstoffe mit einem niedrigeren Alzheimer-Risiko assoziiert sind.
Quellen

Hyde et al: Anti-herpetic tau preserves neurons via the cGAS-STING-TBK1 pathway in Alzheimer’s disease. Cell Rep, 2025. doi: 10.1016/j.celrep.2024.115109

Cairns et al: Repetitive injury induces phenotypes associated with Alzheimer’s disease by reactivating HSV-1 in a human brain tissue model. Sci Signal, 2025. doi: 10.1126/scisignal.ado6430

Underwood et al: Data-driven discovery of associations between prescribed drugs and dementia risk: A systematic review. Alzheimers Dement, 2025. doi: 10.1002/trc2.70037

Metaanalyse mit Daten für acht Länder: Höhere COVID-19-Antikörperraten bei Zahnärzten als bisher angenommen

Forschende der Medizinische Universität Wien haben die erste Metaanalyse durchgeführt die die Seroprävalenz von SARS-CoV-2-Antikörpern unter ungeimpften zahnmedizinischen Gesundheitskräften schätzt.

Ihre systematische Übersichtsarbeit stützt sich auf Daten aus zehn Beobachtungsstudien mit 6.083 Zahnärzten in sieben europäischen Ländern (Italien, Vereinigtes Königreich, Russland, Spanien, Polen, Deutschland, Schweden) und Brasilien.

Die zehn eingeschlossenen Studien lieferten umfassende Daten zur Seroprävalenz von Zahnärzten, Zahnarzthelferinnen und Verwaltungspersonal.

Die meisten Studien wurden zwischen Mai und November 2020 durchgeführt. Je eine Studie aus Brasilien und Deutschland erfolgte von Januar bis März 2021. Die niedrigste Stichprobengröße betrug 50, die höchste 2.784. Alle einbezogenen Studien untersuchten die Seroprävalenz von IgG-Antikörpern gegen SARS-CoV-2.

Die COVID-19-Rate lag bei 13,49 Prozent

Die Überprüfung zeigt, dass die COVID-19-Rate unter Mitarbeitern im Bereich der Mundgesundheitspflege im Vergleich zur Gesamtbevölkerung bei 13,49 Prozent liegt.

Dies deutet auf eine höhere Exposition als in der Allgemeinbevölkerung hin, die in früheren Studien auf etwa 8 bis 9,3 Prozent geschätzt wurde.

„Die Daten deuten auf ein etwas erhöhtes berufsspezifisches Risiko für COVID-19 hin“, bilanzieren die Autoren der Studie. Sie fügen jedoch hinzu, dass „weitere Studien erforderlich sind, insbesondere im späteren Verlauf der Pandemie und nach der Impfung“.

Santigli E, Lindner M, Kessler HH, Jakse N, Fakheran O. Seroprevalence of SARS-CoV-2 antibodies among oral health care workers with natural seroconversion: a systematic review and meta-analysis. Sci Rep. 2025 Mar 6;15(1):7848. doi: 10.1038/s41598-025-91529-4. PMID: 40050642; PMCID: PMC11885579.

Vorsicht bei Saftkuren!

Entzündender Saft: Kuren mit Zerstörungspotenzial

Ob Apfel, Orange oder Maracuja – Saftkuren sind besonders im Frühjahr hoch im Kurs und sollen dem Körper beim „Entschlacken“ helfen. Warum sich das Mikrobiom aber so gar nicht über die Zusatzliter freut.

Jedes Frühjahr dieselbe Situation: Kunden betreten die Apotheke mit der festen Überzeugung, ihrem Körper mit einer Saftkur etwas Gutes zu tun. „Ich mache wieder meine Entgiftungskur!“, heißt es dann. „Ich brauche 100 Gramm Glaubersalz zur Darmreinigung.“ Der Vorsatz ist löblich – aber ist eine solche Kur tatsächlich gesund? Und welchen Einfluss hat der einseitige Konsum von Frucht- und Gemüsesäften auf den Organismus? Eine aktuelle Studie aus dem Fachjournal Nutrients untersucht, wie sich eine Saftkur auf das Darm- und Mundmikrobiom auswirkt. Das Ergebnis ist sehr interessant und zeigt neben den Vorteilen auch die Risiken einer solchen Frühjahrskur auf, die vielen Saftkuren-Anhängern vielleicht gar nicht bewusst sind.

Wie funktioniert eine klassische Saftkur?

Bei einer typischen Saftkur verzichten Menschen für mehrere Tage – teilweise sogar für wenige Wochen – auf feste Nahrung. Stattdessen konsumieren sie ausschließlich frisch gepresste Obst- und Gemüsesäfte. Die Annahme dahinter: Der Körper könne durch die flüssige Ernährung „entgiften“, sich von „Schlacken“ befreien und regenerieren. Während wissenschaftlich gesehen keine Belege für die Existenz von „Schlacken“ existieren, zeigen sich viele Saftkur-Anhänger dennoch überzeugt von den positiven Effekten: Sie berichten von gesteigertem Wohlbefinden, besserer Verdauung und mehr Energie. Doch sind diese Effekte wirklich nachhaltig – oder hat eine solche Kur auch Schattenseiten?

 

Der Einfluss auf das Mikrobiom

Die Studie untersuchte die Auswirkungen einer mehrtägigen Saftkur auf das Darm- und Mundmikrobiom. Das Mikrobiom ist in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der medizinischen Forschung gerückt, da es eine entscheidende Rolle für die allgemeine Gesundheit spielt – von der Immunabwehr über die Verdauung bis hin zur psychischen Verfassung.

Das Studiendesign umfasste eine kontrollierte Intervention mit insgesamt 14 Teilnehmern:

  • Teilnehmer: 14 gesunde Erwachsene im Alter von 18 bis 35 Jahren, die aus einer Gruppe von 143 Teilnehmern mit einem BMI zwischen 18,5 und 30 kg/m2 ausgesucht wurden.
  • Intervention: Die Probanden wurden in drei Gruppen aufgeteilt: Eine Gruppe konsumierte ausschließlich Säfte, eine weitere Gruppe kombinierte Säfte mit fester Nahrung, und die dritte Gruppe ernährte sich ausschließlich pflanzenbasiert. Vor der Intervention durchliefen alle Gruppen eine Eliminationsdiät.
  • Methodik: Mikrobiotaproben (Stuhl-, Speichel- und Wangenabstriche) wurden zu mehreren Zeitpunkten entnommen: vor der Intervention, nach einer Eliminationsdiät, direkt nach der Saftkur und 14 Tage danach.
  • Analysemethoden: Die Forscher nutzten eine 16S-rRNA-Sequenzierung, um die Veränderungen in der Bakterienzusammensetzung im Darm- und Mundmikrobiom zu erfassen.

Die Ergebnisse zeigten, dass sich insbesondere das Speichelmikrobiom als Reaktion auf die Eliminationsdiät signifikant veränderte. Es wurde eine deutliche Reduktion von Firmicutes und eine Zunahme von Proteobakterien festgestellt. Auch nach der Saftkur waren im Mundraum Veränderungen erkennbar, besonders in der relativen Häufigkeit entzündungsfördernder Bakterienfamilien.

Im Gegensatz dazu zeigte das Darmmikrobiom insgesamt keine signifikanten Verschiebungen in der Zusammensetzung. Allerdings nahmen bakterielle Taxa, die mit Darmpermeabilität, Entzündungen und kognitivem Verfall assoziiert sind, in der relativen Häufigkeit zu. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass kurzfristiger Saftkonsum potenziell vor allem negative Auswirkungen auf die Mikrobiota haben kann.

Fluch oder Segen für die Gesundheit?

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass eine kurzfristige Saftkur keinen langfristig positiven Effekt auf das Mikrobiom hat und stattdessen sogar eher das Potenzial für negative Auswirkungen birgt:

  • Veränderungen in der Mundflora: Durch den hohen Zuckergehalt und die Säure der Säfte wurden entzündungsfördernde Bakterien begünstigt, während schützende Bakterienstämme reduziert wurden.
  • Keine nachhaltige Verbesserung der Darmflora: Während eine pflanzenbasierte Ernährung positive Effekte auf die Mikrobiota zeigte, führte der Saftkonsum nicht zu einer langfristigen Erhöhung der bakteriellen Vielfalt.
  • Erhöhte Entzündungsmarker: Bestimmte Bakterienfamilien, die mit Entzündungsprozessen in Verbindung stehen, nahmen nach der reinen Saftkur zu, was auf eine potenzielle Beeinträchtigung der Darmgesundheit hinweisen könnte.

Die Rolle der Apotheke: Beratung statt Hype

Saftkuren sind ein – vor allem saisonal – wiederkehrendes Thema in der Apothekenberatung. Viele Kunden suchen gezielt nach Produkten zur Unterstützung ihrer Kur – seien es Abführmittel, Darmbakterienpräparate, Elektrolyte oder weitere Nahrungsergänzungsmittel. Hier haben Apothekenmitarbeiter die Möglichkeit, fundierte Aufklärung zu betreiben:

  • Individuelle Eignung prüfen: Nicht jeder Mensch profitiert von einer Saftkur. Bei Diabetikern, älteren Menschen oder Patienten mit Verdauungsproblemen ist besondere Vorsicht geboten.
  • Mikronährstoffmangel vorbeugen: Wer über mehrere Tage nur Säfte zu sich nimmt, sollte auf eine ausreichende Zufuhr essenzieller Nährstoffe achten. Eiweißreiche Ergänzungen oder gezielt eingesetzte Nahrungsergänzungsmittel können helfen.
  • Ballaststoffe integrieren: Ein Smoothie statt eines Saftes kann eine bessere Alternative sein, da hierbei die Ballaststoffe erhalten bleiben.
  • Mundhygiene nicht vernachlässigen: Kunden sollten darauf hingewiesen werden, dass der Säuregehalt von Säften den Zahnschmelz angreifen kann. Ein einfaches Mittel: Nach dem Trinken mit Wasser nachspülen, um die Säurekonzentration zu reduzieren.

Kritische Betrachtung der Studie

Obwohl die Ergebnisse dieser Studie interessante Erkenntnisse liefern, gibt es einige Kritikpunkte, die berücksichtigt werden sollten. So basiert die Untersuchung auf nur 14 Teilnehmern, was ihre statistische Aussagekraft begrenzt. Eine größere Stichprobe wäre notwendig, um fundiertere Schlussfolgerungen zu ermöglichen. Zudem wurde die Studiendauer auf wenige Tage beschränkt, sodass langfristige Effekte einer Saftkur, insbesondere auf die Darmflora, nicht untersucht wurden. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die individuelle Variabilität des Mikrobioms. Da jedes Mikrobiom einzigartig ist, könnten Unterschiede durch vorbestehende Ernährungsgewohnheiten oder genetische Faktoren eine Rolle spielen, die in der Studie nicht detailliert berücksichtigt wurden.

Zudem fokussiert sich die Untersuchung ausschließlich auf mikrobiologische Veränderungen, ohne subjektiv wahrgenommene Effekte wie gesteigerte Energie oder verbessertes Wohlbefinden zu erfassen. Kritiker könnten auch anmerken, dass die getestete Saftkur nicht repräsentativ für alle Detox-Konzepte ist, da viele Programme zusätzliche Maßnahmen wie Darmreinigungen oder Nahrungsergänzung beinhalten, die möglicherweise andere Ergebnisse liefern könnten. Schließlich bleibt unklar, ob regelmäßige Saftkuren langfristig positive oder negative Auswirkungen auf das Mikrobiom haben, da nach 14 Tagen eine Rückkehr zur Ausgangszusammensetzung festgestellt wurde.

Saftkur: Ja oder Nein?

Die aktuelle Forschung legt nahe, dass eine kurzfristige Umstellung auf eine rein flüssige Ernährung keine nachhaltigen positiven Effekte auf das Mikrobiom hat. Während eine pflanzenbasierte Ernährung durchaus vorteilhaft sein kann, birgt eine reine Saftkur das Risiko von Blutzuckerschwankungen, Zahnproblemen und Veränderungen im Mikrobiom, die mit Entzündungsprozessen in Verbindung stehen könnten. Wer sich dennoch für eine Saftkur entscheidet, sollte gesund sein, dies bewusst tun und sich über potenzielle Risiken im Klaren sein.

Allergische Kontaktstomatitis gegen Zahnfüllungen

Allergische Reaktionen auf Dentalmaterialien sind selten, doch die Ergebnisse einer aktuellen Studie betonen, wie wichtig es ist, neben Metallen wie Nickel und Palladium auch Kunststoffe und natürliche Substanzen in Patch-Tests einzubeziehen.

Ziel der Studie war es, aktuelle Muster von Sensibilisierungen zu identifizieren und deren klinische Relevanz zu bewerten.

Die Untersuchung umfasste Daten von 2.730 Patientinnen und Patienten, die zwischen 2005 und 2019 getestet wurden. Diese Personen wiesen Symptome im Bereich des Mundes, der Lippen oder der perioralen Haut auf. Alle Probanden wurden mit verschiedenen Testreihen, darunter der deutschen Basistestserie sowie spezifischen Reihen für Metalle und Dentaltechniker, gepatcht.

Die Mehrheit der getesteten Teilnehmenden war weiblich (81,2 Prozent) und älter als 40 Jahre (92,8 Prozent).

Kontaktstomatitis selten, aber sehr breites Ursachenspektrum

Eine Allergische Kontaktstomatitis wurde im Allgemeinen eher selten diagnostiziert, war jedoch bei Frauen deutlich häufiger als bei Männern zu finden. Die höchsten Sensibilisierungsraten bei Frauen wurden für Nickel (28,6 Prozent), Palladium (21,4 Prozent) und Amalgam (10,9 Prozent) festgestellt. Auch natürliche Substanzen wie Propolis (6,8 Prozent) und „Peru-Balsam“ (11,4 Prozent) zeigten relevante Werte.

Unter den Acrylaten erwiesen sich insbesondere 2-Hydroxyethylmethacrylat (HEMA, 4,8 Prozent), 2-Hydroxypropylmethacrylat und andere Monomere als stark sensibilisierend.

Bei Männern waren die Sensibilisierungsraten am höchsten für Propolis (14,9 Prozent) und Amalgam (13,6 Prozent).

Bedeutung für die Praxis

Allergische Reaktionen auf Dentalmaterialien seien insgesamt selten, doch die Ergebnisse der vorliegenden Studie betonten die Notwendigkeit, neben Metallen wie Nickel und Palladium auch Acrylate und natürliche Substanzen wie Propolis in die Allergie-Patch-Tests einzubeziehen. „Unsere Analyse trägt dazu bei, potenzielle Risikofaktoren für Kontaktallergien besser zu verstehen und die Auswahl geeigneter Materialien für Patienten mit Allergierisiken zu optimieren“, erklären die Autoren zum Abschluss.

Die Ergebnisse unterstreichen einmal mehr, dass Fortschritte bei der Materialentwicklung und auch der zurückgehende Einsatz von Amalgam möglicherweise zu veränderten Sensibilisierungsprofilen führen könnten. [Anm. d. Red.: Mit dem EU-weiten Verbot von Amalgamfüllungen ab 1.1.2025 könnte dies wohl schon bald auch in der Praxis spürbar werden.]

 

Originalpublikation: Forkel S et al., Contact allergies to dental materials in patients. British Journal of Dermatology 2024; 190(6): 895–903. https://doi.org/10.1093/bjd/ljad525

Blutspenden verändert Ihre Gene

jüngste Forschungen des Francis Crick Institute haben faszinierende genetische Anpassungen in den Blutstammzellen von regelmäßigen Blutspendern aufgedeckt, die die Produktion neuer, nicht-krebsartiger Zellen unterstützen, ohne das Krebsrisiko zu erhöhen, wie in der Zeitschrift Blood berichtet.

Klonahemapoese bei Spendern

Die Studie untersuchte Blutproben von über 200 regelmäßigen Spendern, definiert als Personen, die dreimal im Jahr über 40 Jahre hinweg Blut gespendet hatten, was insgesamt mehr als 120 Spenden ergibt. Diese Proben wurden mit denen von sporadischen Spendern verglichen, die weniger als fünfmal gespendet hatten1. Während beide Gruppen ähnliche Niveaus klonaler Diversität aufwiesen, unterschied sich die Zusammensetzung der Blutzellpopulationen signifikant zwischen regelmäßigen und sporadischen Spendern2. Diese Forschung liefert wertvolle Einblicke, wie sich der menschliche Körper an regelmäßige Blutspenden anpasst, und könnte Wissenschaftlern helfen, die Unterschiede zwischen vorteilhaften genetischen Veränderungen und solchen, die zu Blutkrebs führen könnten, besser zu verstehen.

Wichtige Erkenntnisse zu genetischen Anpassungen

Die Studie zeigte keinen signifikanten Unterschied in der Gesamtinzidenz der klonalen Hämatopoese (CH) zwischen häufigen und sporadischen Blutspendern1. Allerdings wurden unterschiedliche Mutationsmuster in DNMT3A, dem am häufigsten betroffenen Gen bei CH, beobachtet1. Bemerkenswerterweise zeigten die genetischen Varianten, die bei häufigen Spendern angereichert waren, ein konkurrenzfähiges Wachstumspotenzial, wenn sie mit Erythropoetin (EPO) stimuliert wurden, einem Hormon, das als Reaktion auf Blutverlust ansteigt1. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass häufiges Blutspenden genetische Varianten selektieren könnte, die besonders effizient auf den Stress regelmäßigen Blutverlusts reagieren, indem sie die Produktion roter Blutkörperchen steigern, ohne das Krebsrisiko zu erhöhen.

Rolle von DNMT3A-Mutationen

DNMT3A-Mutationen spielen eine entscheidende Rolle bei der genetischen Anpassung von Blutstammzellen bei häufigen Blutspendern. Diese Mutationen, die insbesondere im DNMT3A-Gen häufig vorkommen, ermöglichen es den Zellen, besser auf den Stress durch regelmäßigen Blutverlust zu reagieren1. Im Gegensatz zu anderen DNMT3A-Mutationen, die mit einem Leukämierisiko verbunden sind, fördern die bei häufigen Spendern gefundenen Varianten eine gesunde Regeneration der Blutzellen, ohne das Krebsrisiko zu erhöhen.

  • DNMT3A ist an der epigenetischen Programmierung beteiligt und beeinflusst die Genaktivität, um Zellen bei der Anpassung an sich ändernde Bedingungen zu unterstützen.

  • Zellen mit diesen spezifischen DNMT3A-Mutationen haben einen Vorteil bei der schnellen Ersetzung verlorener Blutzellen nach einer Spende.

  • Unter dem Einfluss von Erythropoetin (EPO), das nach Blutverlust ansteigt, setzen sich diese mutierten Zellen gegenüber anderen Stammzellen durch.

  • Die Mutationen scheinen die EPO-gesteuerte Bluterneuerung zu verbessern, ohne die normale Blutbildung zu stören oder das Leukämierisiko zu erhöhen.

Diese genetische Anpassung zeigt die bemerkenswerte Fähigkeit des Körpers, seine Reaktion auf die regelmäßige Herausforderung der Blutspende zu optimieren, was möglicherweise erklärt, wie häufige Spender trotz wiederholter Spenden gesunde Blutwerte aufrechterhalten können.

Funktionale Vorteile bei Spendern

Regelmäßiges Blutspenden wird mit mehreren funktionalen Vorteilen für Spender in Verbindung gebracht, die über die genetischen Anpassungen in Blutstammzellen hinausgehen. Diese Vorteile umfassen kardiovaskuläre Verbesserungen und potenzielle metabolische Effekte:

  • Niedrigerer Blutdruck und ein reduziertes Risiko für Herzinfarkte wurden mit regelmäßigem Blutspenden in Verbindung gebracht.

  • Blutspenden kann helfen, den Eisenspiegel im Körper auszugleichen, was besonders für Personen mit hohen Eisenspeichern von Vorteil ist.

  • Einige Studien legen nahe, dass häufiges Spenden die Glukosetoleranz und Insulinsensitivität verbessern könnte, was potenziell schützende Effekte gegen Typ-2-Diabetes bietet.

Darüber hinaus kann der Akt des Blutspendens positive psychologische Auswirkungen haben. Spender berichten oft von reduziertem Stress, verbessertem emotionalen Wohlbefinden und einem Gefühl der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft. Obwohl diese Vorteile ermutigend sind, ist es wichtig zu beachten, dass weitere Forschung erforderlich ist, um die langfristigen Auswirkungen von häufigem Blutspenden auf die allgemeine Gesundheit vollständig zu verstehen.