Erhebliche Mängel an zahnproth. Brücke

Fristlose Kündigung Behandlungsvertrag: Zahnarzt muss die Neuanfertigung einer zahnprothetischen Brücke bei erheblichen Mängeln anbieten

Mit Urteil vom 05.09.2014 (Az.: 26 U 21/13 ) hat das OLG Hamm entschieden, dass  ein Zahnarzt dem Patienten die Neuanfertigung einer zahnprothetischen Brücke anbieten muss, wenn diese so erhebliche Mängel aufweist, so dass es ihrer Erneuerung bedarf. Unterlässt er ein derartiges Angebot, so kann der Patient den Behandlungsvertrag nicht nur fristlos kündigen. Er schuldet dem Zahnarzt auch kein Honorar und kann seinerseits Schmerzensgeld beanspruchen.

Der beklagte Patient ließ sich von 2006 bis Mai 2011 vom klagenden Zahnarzt zahnärztlich behandeln. Der Kläger führte eine zahnprothetische Behandlung durch und gliederte dem Beklagten Brücken ein.

Dafür liquidierte er Behandlungskosten in Höhe von ca. 8.600 Euro, welche der Patient jedoch nicht beglich, da die Brücken nach seiner Auffassung – auch nach Nachbesserungsversuchen von Seiten des Zahnarztes – gravierende Mängel aufwiesen. Der Zahnarzt teilte dem beklagten Patient daraufhin mit, dass er zu weiteren zahnärztlichen Leistungen ohne Vergütung nicht mehr gewillt sei. Der Patient lehnte sodann weitere Behandlungen durch diesen ab.

Das OLG Hamm gab dem Patienten im Ergebnis Recht und wies die Klage des Zahnarztes auf Zahlung der Behandlungskosten ab. Zudem sprach es dem Patienten ein Schmerzensgeld in Höhe von von 2.500 Euro zu.

Nach der Anhörung eines zahnmedizinischen Sachverständigen stand für das Gericht fest, dass der Beklagte den Behandlungsvertrag habe fristlos kündigen dürfen und dem Kläger auch kein zahnärztliches Honorar für bereits erbrachte Leistungen schulde. Dem Zahnarzt seien insoweit erhebliche Behandlungsfehler vorzuwerfen, welche beim Beklagten zu Gesundheitsbeeinträchtigungen geführt haben.

Konkret führt das Gericht u.a aus:

„ Die Brückenkonstruktion des Klägers ist mit zahlreichen Mängeln behaftet. (…) Vor allem hat der Sachverständige aber darauf hingewiesen, dass die Brückenkonstruktionen erhebliche Einschleifspuren aufweisen, die die prothetische Versorgung insgesamt nutzlos machen. (…) Eine Neuanfertigung sei zwingend notwendig geworden, so dass aus Sicht des Sachverständigen die in der Kündigung liegende Reaktion des Beklagten nachvollziehbar gewesen sei. (…) Wenn aber nach der vom Sachverständigen im Senatstermin erklärten Einschätzung eine Neuanfertigung der Konstruktion zwingend notwendig war, brauchte der Beklagte dem Kläger auch nicht die Möglichkeit der Nachbesserung seiner Arbeit einzuräumen. Hierzu war der Beklagte als Patient auch unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht verpflichtet (BGH, NJW 2011, 1674). Eine solche Verpflichtung besteht für einen Patienten nur dann, wenn der Zahnarzt ihm eine Neuanfertigung anbietet. Gerade daran aber fehlt es hier.“

Von Sandra Linnemann, erstellt am 14.11.2014, zuletzt aktualisiert am 14.11.2014

Juradent-ID: 3317

Was sollten wir aus diesem Urteil lernen?

Ergänzung ZIBS (KHL)

Wie aus diesem Urteil ersichtlich wird, kann eine nicht den Vorstellungen des Patienten entsprechende zahnprothetische Behandlung für den ausführenden Zahnarzt recht unangenehm und außerdem recht teuer werden.

Daher seien an dieser Stelle für unsere Mitglieder ein paar grundlegende Handlungs-empfehlungen gestattet:

Der behandelnde Zahnarzt ist für die lege artis-Ausführung der GESAMTEN Behandlungs-maßnahme verantwortlich. Er hat somit auch zu entscheiden, ob das von einem Labor beigestellte Werkstück geeignet ist, die Behandlung weiter durchzuführen und erfolgreich abschließen zu können.

Sollte der Behandler an diesem Werkstück Mängel feststellen ist dringend anzuraten, das Werkstück beim Hersteller zu reklamieren und keinesfalls beim Patienten einzugliedern.

Setzt ein Behandler ein erkennbar mängelbehaftetes Werkstück ein, muß ihm die dringende Empfehlung gegeben werden, einen Augenarzt zur Behebung seiner doch offensichtlich vorhandenen Sehschwäche aufzusuchen. Sollte die optische Wahrnehmung nicht gestört sein und er gliedert die mängelbehaftete Arbeit dennoch ein, könnten ihm u.U. eine vorsätzliche Fahrlässigkeit oder sogar vorsätzliche Körperverletzung/ Betrugsversuch/Kunstfehler o.ä. zur Last gelegt werden.

Das hängt dann von der Grundeinstellung des dann wohl zwangläufig kennen zu lernenden Richters und dem Einfallsreichtum des gegnerischen Anwaltes ab. Auch ist die Frage zu stellen, ob die Behandlerhaftpflicht in solchen Fällen leistungspflichtig werden muss.

Wenn Sie nach gewissenhafter Überprüfung der felsenfesten Meinung sind, die Arbeit sei von Ihnen und dem beteiligten Labor gemäß den Regeln der zahnärztlichen Kunst und den allgemeinen Behandlungsrichtlinien ausgeführt worden und es trotzdem Einreden von Patientenseite gibt, empfielt es sich, KEINERLEI sofortige und umfangreiche und irgendwie geartete Nachbesserungsmaßnahmen durchzuführen. Denn das beweist dem Patienten sofort, dass die Arbeit doch nicht so toll ausgefallen ist, wie Sie es ihm vorher versprochen haben.

Führen Sie den Behandlungsfall einer gutachterlichen Überprüfung zu, hier erhalten die Beteiligten im allgemeinen ein unabhängiges und üblicherweise emotional recht ungefärbtes Urteil.

In gewissen Fällen oder bei besonderer Dringlichkeit kann, auch aus forensischen Gründen, eine sog. semipermanete Eingliederung zur expektativen Diagnostik wie z.B. Eingewöhnung, Akzeptanz der probatorischen Bißlagenveränderung/-erhöhung usw. in Erwägung gezogen werden. Hierbei ist der Patient zumindest provisorisch versorgt und die Möglichkeiten zur Nahrungsaufnahme sind wieder gegeben. Engmaschige Nachkontoll-Intervalle sind dringend anzuraten.

Sie sollten in einen solchen Ausnahmefall den Patienten ausführlich aufklären, dass mit einer solchen semipermanenten Eingliederung die Behandlung NICHT als beendet bezeichnet werden kann.

 

 

Rechtstipp Dezember 2014: Ist ein Ferrari als Betriebsausgabe absetzbar?

In einem ganz aktuellen Urteil hat der Bundesfinanzhof in München am 29.4.2014 (Az. VIII R 20/12) Stellung genommen, inwieweit die Kosten eines betrieblich genutzten Ferraris eines Arztes (im Streitfall handelte es sich um einen Tierarzt) als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.

Im Ergebnis hat der BFH festgestellt, dass nach dem Maßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Unternehmers zu prüfen ist, ob ein unangemessener betrieblicher Repräsentationsaufwand im Sinne des Einkommensteuergesetzes (§4 Abs.5 Satz1 Nr. 7 EStG) vorliegt. Denn diese gesetzliche Vorschrift besagt, dass Kosten, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen berühren und diese nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind, insoweit den steuerpflichtigen Gewinn nicht mindern dürfen.

Allerdings begründet der BFH dann sehr ausführlich, was unter dieser gesetzlichen Formulierung konkret zu verstehen ist, sicherlich auch mit der Absicht, der Finanzverwaltung nicht Tür und Tor zu öffnen, um pauschal alles unter die Begrifflichkeit der „Unangemessenheit nach allgemeiner Verkehrsauffassung” zu subsummieren. Um die konkrete Darlegung des BFH hierzu nachvollziehen zu können, muss man den konkreten Sachverhalt, über den das höchste deutsche Finanzgericht zu entscheiden hatte, kennen. Der betroffene Arzt begehrte für drei strittige Veranlagungsjahre bei Umsätzen von rund 800.000 EUR jährlich und Gewinnen von rund 350.000 EUR (2005), 209.000 EUR (2006) bzw. 318.000 EUR (2007) einen Betriebsausgabenabzug für den Ferrari von rund 28.000 EUR (2005), 36.000 EUR (2006) bzw. 34.000 EUR (2007). Die betrieblichen Fahrten konnte er durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachweisen. Allerdings, und das war für den BFH erkennbar ein wesentlicher Knackpunkt, fuhr der Arzt in den drei Jahren insgesamt nur 20 Mal mit dem Fahrzeug und insgesamt auch nur ca. 6.700 km. Die betrieblichen Fahrten beschränkten sich ausschließlich auf den Besuch von Fortbildungen, von Kollegen sowie auf Werkstattbesuche zur Instandhaltung des Fahrzeuges. Typische betriebliche Fahrten eines Tierarztes wurden mit dem Fahrzeug gar nicht durchgeführt.

Der BFH erläutert vor diesem Hintergrund sehr ausführlich, dass bei der notwendigen Angemessenheitsprüfung alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Dazu gehören die Größe des Unternehmens ebenso wie die Höhe des längerfristigen Umsatzes und des Gewinns sowie die Bedeutung des Repräsentationsaufwandes für den Geschäftserfolg nach der Art der ausgeübten Tätigkeit und seine Üblichkeit in vergleichbaren Betrieben. Schließlich, so der BFH, ist auch zu beachten, inwieweit die private Lebenssphäre des Steuerpflichtigen berührt wird. Explizit hält der BFH fest, dass die Anschaffung eines teuren und schnellen Wagens nicht bereits stets „unangemessen” im Sinne der oben genannten Vorschrift des Einkommensteuergesetzes ist, wenn die Benutzung eines repräsentativen Wagens für den Geschäftserfolg keine Bedeutung hat. Denn dieses Kriterium ist nur eines von mehreren, die im konkreten Einzelfall zu würdigen und gegeneinander abzuwägen sind.

Im konkreten Fall liegt eine solche Unangemessenheit wegen des absolut geringen betrieblichen Nutzungsumfangs (nur 20 Tage in drei Jahren) sowie wegen der Beschränkung der wenigen Fahrten auf Reisen zu Fortbildungsveranstaltungen bzw. Kollegenbesuchen aber vor. Es fehlt vollständig am Einsatz des Fahrzeuges für die berufstypische Tätigkeit. Die sich ergebenden sehr hohen Kosten pro tatsächlich gefahrenen Kilometern von rund 14,60 EUR stellen somit, bis auf einen angemessenen betrieblichen Anteil von 2,00 EUR pro Kilometer, nach allgemeiner Verkehrsauffassung unangemessene Kosten im Sinne der oben genannten Vorschrift des Einkommensteuergesetzes dar. Im Ergebnis ist dieses ganz aktuelle Urteil auf der bisherigen Linie der Rechtsprechung des BFH. Es ist sicherlich auch vor dem hier dargestellten Sachverhalt inhaltlich nachvollziehbar. Denn die konkret aufgezeigten Voraussetzungen für die Abzugsfähigkeit der Kosten eines sehr hochwertigen Fahrzeuges als Betriebsausgaben dürfen durch eine solche extreme Fallgestaltung nicht überreizt werden. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass bei entsprechender Berücksichtigung der vorgenannten Kriterien und einer realen Einzelfallgestaltung das Finanzamt den Betriebsausgabenabzug nicht bereits deshalb versagen kann, weil es sich um ein teures Luxusfahrzeug handelt.

Dieser Artikel wurde verfasst von:
Dipl.-Wi.-Ing. Eyk Nowak

 

 

Rechtstipp November 2014: Sturz auf Tagung mit knapp zwei Promille ist Arbeitsunfall

Ein nächtlicher Sturz auf einer beruflichen Tagung ist als Arbeitsunfall anzuerkennen. Damit genießt der Betroffene den Schutz der Berufsgenossenschaft. Das gilt auch, obwohl der Betroffene zum Unfallzeitpunkt knapp zwei Promille Alkohol im Blut hatte. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Sozialgerichts Heilbronn (Az.: S 6 U 1404/13).

Der Fall: Ein Mitglied des Betriebsrats eines internationalen Konzerns nahm an einer dreitägigen Betriebsräteversammlung in einem Hotel teil. Sie dauerte am ersten Abend bis etwa 19.30 Uhr. Mit einem Blutalkoholspiegel von 1,99 Promille stürzte der Mann in der Nacht im Treppenhaus des Tagungshotels. Dort wurde er später verletzt und bewusstlos aufgefunden und ins Krankenhaus gebracht. Anschließend war er längere Zeit arbeitsunfähig. Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, da er betrunken gewesen sei. Der Mann hielt dagegen, dass es auf Tagungen üblich sei, beim geselligen Zusammensein unter Kollegen über betriebliche Belange zu sprechen.

Das Urteil: Das Sozialgericht verpflichtete die Berufsgenossenschaft, den Sturz auf der Tagung als Arbeitsunfall anzuerkennen. Beim geselligen Beisammensein habe der Mann auch Dienstliches besprochen, so das Gericht. Im Übrigen habe sich der Arbeitsunfall auf dem Rückweg zum Hotelzimmer ereignet. Dieser Weg wäre selbst dann unfallversichert, wenn der Mann im Hotel nach Ende des offiziellen Teils nur private Gespräche geführt hätte. Denn bei beruflichen Tagungen sei in der Regel eine klare Trennung zwischen privaten und betrieblichen Belangen nicht möglich.

Quelle: dpa

 

 

Rechtstipp Oktober 2014 – Zahnarzt-Werbung mit pauschal rabattierten Sonderpreisen ist unzulässig

LG Oldenburg ändert Rechtsprechung – RA Tim Oehler zum Thema Abmahnungen gegen unlautere Werbung

Ärztliche und zahnärztliche Kammern legen das Vorgehen gegen unlautere Werbung von Ärzten und Zahnärzten zunehmend in die Hände von Einrichtungen, die sich die Überwachung des Wettbewerbs zur Selbstaufgabe gemacht haben. Zu diesem eigenen Aufgabenkreis zählen die Einrichtungen zur Überwachung des Wettbewerbs im Gesundheitswesen. Exemplarisch und nicht abschlie­ßend zu nennen sind zum Beispiel die Wettbewerbszentrale und der Verband sozialer Wettbewerb. Diese sprechen zahlreiche Abmahnungen gegenüber Ärzten und Zahnärzten aus.

Wird der Abmahnung nicht nachgekommen, ziehen die Verbände vor Gericht. Dort wird versucht, ein Präzedenzurteil zu erwirken. Gelingt dies, wird darauf aufbauend gegen weitere Ärzte und Zahnärzte vorgegangen, die sich in derselben Art und Weise wettbewerbswidrig (zum Beispiel durch unzulässige Werbung) verhalten.

Partnergutschein für PZR-Behandlung

Das Landgericht (LG) Oldenburg hatte in einem Urteil vom 8. Januar 2014 (Az.: 5 O 1233/13) über die Klage eines Verbands zur Förderung gewerblicher Interessen gegen einen Zahnarzt zu entscheiden. Der Verband sah einen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in einer Werbeaktion. Gegenstand dieser Werbeaktion war, dass ein Partnergutschein beworben, verteilt beziehungsweise eingelöst wurde, bei dessen Vorlage zwei Personen eine Professionelle Zahnreinigung (PZR) zum Preis von 69,90 Euro erhalten und/oder ein Zahnbleaching für 250 Euro statt 350 Euro pro Person.

Nach Ansicht der Richter verstieß die Werbung gegen ärztliches Preis- und Werberecht. Die PZR ist unter der Nummer 1040 in der Gebührenordnung für Zahn­ärzte (GOZ) enthalten. Das Zahnbleaching stellt unter Heranziehung eines Gutachtens der Bundeszahnärztekammer eine zahn­ärztliche Leistung dar.

Zahnärztliche Leistungen sind nach der Gebührenordnung (GOZ) abzurechnen. Das Landgericht Oldenburg folgte nunmehr ausdrücklich vergleichbaren Entscheidungen des Oberlandesgerichts (OLG) Köln und des Landgerichts Berlin. Das OLG Köln hatte ausdrücklich begründet, dass im ärztlichen Bereich Rabatte nach der ärztlichen Gebührenordnung unzulässig sind. Auch das Landgericht Berlin vertritt den Standpunkt, dass Rabatte für zahnärztliche Leistungen sowie Festpreise gegen die Berufsordnung verstoßen und damit wettbewerbswidrig sind.

Das Gericht wies zwar darauf hin, dass zahnärztliche Werbung eine Meinungsäußerung darstellt, die grundgesetzlich geschützt sei. Darüber hinaus wurde in die Abwägung eingestellt, dass ein Zahnarzt als Angehöriger eines freien Berufs den Schutz der grundgesetzlich geschützten Berufsfreiheit genießt. Dem stellten die Richter dennoch gegenüber, dass die Gesundheit der Bevölkerung und eine verlässliche ärztliche Versorgung einen sensiblen Bereich betreffen. Nicht ohne Grund sollen sich die Patienten darauf verlassen können, dass zahnärztliche Leistungen der Gesundheit zu dienen haben. Die Tätigkeiten müssen indiziert sein und eine freie Entscheidung ermöglichen, ohne dass Patienten dem Lockeffekt von „Sonderangeboten” erliegen.

Keine Vergleichbarkeit mit Entscheid des Bundesverfassungsgerichts

Insoweit unterscheidet sich nach Ansicht der Richter dieser Sachverhalt von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (1. Juni 2011, Az.: 1 BvR 233/10). Dort sei zum einen lediglich ausgeführt worden, dass eine Verlosung als solche nicht per se wettbewerbswidrig ist, und zum anderen sei gerade für das Zahnbleaching eingeschränkt worden, dass gesundheitliche Risiken bedacht werden müssen.

Es überzeugte die Richter nicht der Einwand, dass die Sätze der GOZ durch Individualvereinbarung unterschritten werden können, weil dadurch nicht der Werbe­effekt mit pauschalen rabattierten Sonderpreisen ausgeräumt werde. Auch eine zeitliche Befristung änderte daran nichts. Es gehe nämlich nicht nur um den Wettbewerb unter Zahnärzten und einen ruinösen Preiskampf, sondern das UWG sei in jüngerer Zeit verbraucherorientiert geworden. Hier ginge es um den Schutz der Patienten, die nicht durch Preisverlockungen zu zahnärztlichen Leistungen und damit zur Heilbe­handlung verleitet werden sollen.

Ausdrückliche Aufgabe der Rechtsprechung

Bemerkenswert ist, dass das Gericht ausdrücklich darauf hinwies, dass es in seinem Urteil vom 2. Juni 2010 (Az.: 5 O 1974/ 09) eine vergleichbare Werbung noch für zulässig gehalten hat, jedoch diese Rechtsprechung nunmehr ausdrücklich aufge­ge­ben hat. Es hält an dieser Entscheidung nicht mehr fest. Damals war das Gericht noch davon ausgegangen, dass die PZR eine rein kosmetische Maßnahme darstellt. Nicht festlegen wollte sich das Landgericht dagegen bei der Frage, ob die Angabe eines Festpreises für sich genommen zulässig ist. Aus diesen Gründen ist also Vorsicht geboten.

Patientenorientierung des Wettbewerbsrechts

Das Wettbewerbsrecht ist trotz der bisherigen Liberalisierungs­tendenzen keine „Einbahnstraße” in Richtung grenzenloser Werbung. Eine bisher zulässige Werbung kann sich – wie dieses Urteil eindrücklich zeigt – in das Gegen­teil verkehren. Unter Hinweis auf die Verbraucher- und somit Patien­tenorientierung hat das Gericht sein Urteil begründet. Aus einem derartigen Grundsatz-Programm können sich durchaus zukünftig strengere Vorgaben für zahnärztliche Werbung ergeben. Denn bisher wurde „lediglich” auf den rui­nö­sen Preiskampf zwischen Zahn­ärzten abgestellt. Diese Konkurrenz zwischen Zahnärzten führt auch zu Abmahnungen zwischen „Kollegen”.

Wer von einer derartigen Abmahnung betroffen ist, sollte diese gründlich durchsehen beziehungsweise durchsehen lassen. Nicht selten finden sich überzo­ge­ne Anforderungen in einer vor­ge­fertigten Unterlassungserklä­rung. Wird eine derartig umfangreiche Unterlassungserklärung einmal abgegeben, bindet sie den Zahnarzt auch dann, wenn eine re­duzierte Unterlassungserklärung eben­so rechtlich ausreichend gewesen wäre.

Rechtsanwalt Tim Oehler, Osnabrück

 

 

Rechtstipp September 2014 – Private Krankenversicherung darf Patienten über „wucherisches Zahnarzthonorar“ informieren

Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf würdigt allerdings wichtige Punkte aus Sicht des Zahnarztes nicht

Patienten füttern auf Zahnarzt-Bewertungsportalen das gern bediente Wucher-Image von Zahnärzten, wenn sie sich über eine Rechnung ärgern. Dem Frust machen die Patienten Luft, indem sie die Rechnung als extrem überhöht beschreiben und sich mit diesen „letzten” Worten von ihrem Zahnarzt verabschieden. Als Überbleibsel der bis dahin harmonischen Zahnarzt-Patienten-Beziehung bleibt der wenig schmeichelhafte lebenslange Eintrag im Bewertungsportal. Dass dies nicht immer zulässig ist und rechtlich angegriffen werden kann, spielt für die wenigsten Patienten eine Rolle.

Inwiefern ein Zahnarzt sich mit dem Vorwurf florierenden Wuchers durch eine private Krankenversicherung abfinden muss, hatte nunmehr das OLG Düsseldorf in einem aktuellen Urteil (OLG Düsseldorf, Urteil vom 28. Mai 2014, Az.: I-15 U 45/14) zu entscheiden. Viel Brisanz erhielt dieser Fall dadurch, dass der Patient anscheinend das Schreiben der privaten Krankenversicherung zum Anlass genommen hatte, sich nicht weiter von dem Zahnarzt behandeln zu lassen. Es dürfte zahlreichen Zahnärzten durchaus bekannt vorkommen, dass sich Patienten nach einem Schreiben einer privaten Krankenversicherung abwenden und einem neuen Behandler zuwenden.

Ablehnungsschreiben mit Wucher-Vorwurf

Zu beurteilen war der Fall eines Zahnarztes, bei dem die private Krankenversicherung mit folgendem, hier auszugsweise präsentierten Schreiben reagierte: „Außerdem verstößt die Vereinbarung wegen des sehr hohen Steigerungssatzes gegen Paragraf 138 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und ist daher unwirksam. Gemäß Paragraf 138 Absatz 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zur Leistung stehen. Bei Prüfung des Begriffs ‚auffällig’ ist stets eine umfassende Würdigung des Einzelfalls vorzunehmen. Bei Zinsen und bei anderen marktgängigen Leistungen ist auf das Verhältnis des vereinbarten Preises und des Marktpreises abzustellen. Die Wuchergrenze liegt dort in der Regel mindestens beim Zweifachen. Bei der Vereinbarung des über 8,0-fachen Gebührensatzes kann man unseres Erachtens Wucher annehmen […]. Unabhängig hiervon empfehlen wir Ihnen, sofern Sie die Behandlung bei Herrn Dr. G fortsetzen, uns seinen Heil- und Kostenplan zur Vorabprüfung einzureichen.”

„Honorarkürzung”-Entscheid als Vorbild

Nach Ansicht des OLG Düsseldorf war der Fall in Parallele zu dem Urteil „Honorarkürzung” des Bundesgerichtshofs (BGH) zu beurteilen (BGH, Urteil vom 19. Juli 2012. Az.: I ZR 105/11). In dem BGH-Entscheid sollte auf einen Haftpflichtversicherer eingewirkt werden, um ihn daran zu hindern, im Rahmen der außergerichtlichen Schadensregulierung Sachverständigenhonorare ohne auf den Einzelfall bezogene Prüfung und Begründung allein unter Hinweis auf pauschale Vergütungssätze zu kürzen, die nach der Höhe des Unfallschadens gestaffelt sind.
Der BGH ging von der Erwägung aus, dass auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen werden und seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden soll, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geklärt werden. Einer Klage auf Unterlassung oder Beseitigung von Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren dienen, fehle daher das Rechtsschutzbedürfnis. Ausnahmsweise bleibt die Möglichkeit der Durchsetzung entsprechender Unterlassungs- beziehungsweise auf Widerruf gerichteter Begehren in einer gesonderten Klage in solchen Fällen, in denen es an einem Bezug der den Dritten betreffenden Äußerungen zum Ausgangsverfahren mangelt, die Äußerungen evident falsch sind oder eine unzulässige Schmähung darstellen, bei der nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Dritten im Vordergrund steht.

Fall der privaten Krankenversicherung vergleichbar

Es existieren nach Ansicht der Düsseldorfer Richter keine relevanten Unterschiede zwischen den Versicherungssparten „Kfz-Haftpflicht” und „private Krankenversicherung”, die einer Übertragung entgegenstehen. Eine spätere rechtliche Auseinandersetzung zwischen Krankenversicherer und Versicherungsnehmer droht, die in einen Versicherungsprozess münden kann, wenn der private Krankenversicherer und der Versicherungsnehmer die Frage der Berechtigung eines (zahn)ärztlichen Honorars und die korrespondierende Frage der Verpflichtung zur Erstattung entsprechender Aufwendungen kontrovers diskutieren. Erfahrungsgemäß verhalte es sich so, dass die Ablehnung eines ärztlichen Heil- und Kostenplans oder (vor allem) die Ablehnung der Erstattung des an einen Arzt gezahlten Honorarbetrags den Versicherungsnehmer veranlasst, einen Rechtsstreit gegen seine private Krankenversicherung anzustrengen.

Privileg der privaten Krankenversicherung

Auch vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung bemühte Begründungen einer privaten Krankenversicherung für die Ablehnung einer Honorarerstattung seien daher privilegiert. Es verbiete sich eine Aufspaltung in Äußerungen inner- und außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens vor dem Hintergrund des Verbots von der Anspruchsabwehr dienenden Äußerungen. Der privaten Krankenversicherung darf kein bestimmtes Regulierungsverhalten vorgeschrieben werden, und zwar grundsätzlich auch nicht in Bezug auf den Inhalt der Begründung von anspruchsablehnenden Schreiben.
Irrelevant ist dabei, ob ein Rechtsstreit zwischen der Versicherung und dem Versicherungsnehmer anhängig ist oder bevorsteht. Zu berücksichtigen ist, dass die Kürzung eines aus einer privaten Krankenversicherung resultierenden Erstattungsanspruchs daher regelmäßig zugleich der konkreten Vorbereitung einer unter Umständen gerichtlichen Auseinandersetzung dient.

Unkorrekte Ablehnung war vorherzusehen

Nach Ansicht der Richter war die Äußerung der Versicherung nicht etwa auf der Hand liegend falsch. Denn das Doppelte des üblichen Honorars wird als kritische Grenze gesehen. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang weiter, dass die Versicherung im Zeitpunkt des Absendens des Schreibens aufgrund von anderweitigen, ihr Regulierungsverhalten betreffenden Gerichtsentscheidungen wusste beziehungsweise wissen musste, dass ein Missverhältnis nicht isoliert aus der Höhe der Vergütung abzuleiten ist, sondern vom Wert der ärztlichen Leistung im Einzelfall abhängt. Es ist einer Versicherung nicht verwehrt, an ihrer rechtlichen Argumentation festzuhalten und gegebenenfalls eine weitere Niederlage in einem Versicherungsrechtsstreit zu riskieren.

Keine Zahnarzt-Schmähung

Ob eine unzulässige Schmähkritik vorliegt, kann nicht ohne den Kontext, in dem die Äußerung steht, und die Art der Öffentlichkeit, an welche sie sich wendet, beurteilt werden. Nach Ansicht des Gerichts ging es nicht darum, den Zahnarzt „unabhängig von der konkreten Rechnungsprüfung ohne Not, sozusagen auf Vorrat” als Wucherer zu bezeichnen. Vielmehr stand die Frage nach der angemessenen Honorarhöhe im Vordergrund und nicht die Diffamierung des Zahnarztes. Daran konnten nach Ansicht der Richter die Worte beziehungsweise Passagen „Verbot des Wuchers”, „Gebot der angemessenen Honorargestaltung”, „sachlich nicht begründbare willkürliche Honorarfestlegung” nichts ändern. Genauso konnte die Formulierung „unabhängig hiervon empfehlen wir Ihnen, sofern Sie die Behandlung bei Herrn Dr. G. fortsetzen, uns seinen Heil- und Kostenplan zur Vorabprüfung einzureichen” nicht als Anhaltspunkt für eine Diffamierung herhalten. Es konnte nicht daraus abgeleitet werden, der Zweck des Schreibens bestehe allein in der Verächtlichmachung, Herabwürdigung und Kreditgefährdung des Zahnarztes. In diesem Zusammenhang sei nämlich auch zu beachten, dass eine private Krankenversicherung sich – und zwar auch im Interesse des Patienten – eine Rechtsauffassung zur Erstattungsfähigkeit (zahn)ärztlicher Leistungen bilden muss.

Universitäres Behandlungsniveau steht Privileg nicht entgegen

Der Zahnarzt hatte Rechtsprechung (wohl von ihm erstrittene Urteile) sowie eine gutachterliche Stellungnahme der Zahnärztekammer Nordrhein aus dem Jahr 2014 und ein Sachverständigengutachten aus einem anderen Prozess vorgelegt. Sämtliche Unterlagen bescheinigten dem Zahnarzt, besonders akribisch beziehungsweise auf Universitätsniveau zu arbeiten, weshalb die sehr hohen Steigerungsraten angemessen seien. Das Gericht erkannte den eingereichten Unterlagen ihre Berechtigung zu – und trotz dieser Fakten stünde dies der Privilegierung der Versicherung nicht entgegen.

Zusammenfassung

Der Zahnarzt kann die private Krankenversicherung nicht dazu zwingen, bezogen auf eine konkrete Position einer ihr zur Erstattung eingereichten Arztrechnung im Einzelnen gegenüber ihrem Versicherungsnehmer darzulegen, warum der Gebührenansatz nach dem Schwierigkeitsgrad der abgerechneten Leistung und dem dafür üblicherweise einzusetzenden Zeitaufwand unangemessen hoch und daher wucherisch sei. Dies gilt zumindest dann, solange die private Krankenversicherung im Rahmen einer allgemein gehaltenen, anlassbezogenen Begründung nicht die Grenze zur unerlaubten Schmähkritik beziehungsweise Formalbeleidigung überschreitet.

Das Urteil ist meines Erachtens nicht nachvollziehbar. In der Entscheidung „Honorarkürzung” des Bundesgerichtshofs ging es um deutlich zurückhaltendere Formulierungen. Obwohl der privaten Krankenversicherung in diesem Fall wohl doch bekannt war, dass die Gebührensätze des Zahnarztes eine „wuchtige” Untermauerung mit dem Gutachten der Zahnärztekammer, eines Sachverständigen und anderen Urteilen besitzen, wählte sie trotzdem bewusst Formulierungen und Inhalte, die den Zahnarzt der Gefahr eines Strafverfahrens und Disziplinarverfahrens aussetzen. Dieses Wissen muss Folgen haben.

Es zeugt nicht von einer umfassenden Würdigung durch das Gericht, wenn diese Gesichtspunkte außen vor gelassen werden. Festgehalten werden muss, dass sich ein Zahnarzt derartige Vorwürfe, die auf strafrechtliche und berufsrechtliche Verfehlungen abzielen, nicht vorhalten lassen muss. Inwiefern der Zahnarzt an dieser Stelle selbst mit dem scharfen „Schwert des Strafrechts” gegen die private Krankenversicherung vorgehen kann, bedarf einer Einzelfallprüfung. Dass sich die Äußerungen einer privaten Krankenversicherung an dem Strafrecht messen lassen müssen, kann auch durch dieses Urteil des OLG Düsseldorf nicht verhindert werden.

Rechtsanwalt Tim Oehler, Osnabrück

 

 

Rechtstipp August 2014 – OLG Köln: Eine nicht gegen Veränderungen geschützte elektronische Dokumentation hat im Zweifel keinen Beweiswert

Nach dem neuen § 630 f ist ein Behandler verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Im Falle von Berichtigungen und Änderungen in der Patientenakte muss zum einen der ursprüngliche Inhalt sowie zum anderen erkennbar bleiben, wann die Berichtigungen bzw. Änderungen vorgenommen worden sind.

Das Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 25.11.2013; Az.: 5 U 164/12) macht deutlich, dass eine elektronisch geführte Karteikarte, die nicht den Vorgaben des Patientenrechtegesetzes entspricht, in ihrer Beweiswert deutlich reduziert ist und ihr gegebenenfalls kein Glaube geschenkt werden kann.

Gegenstand des Prozesses war eine Verletzung des Nervus alveolaris inferior, auf den eine Gefühlsstörung und -minderung im Bereich der linken unteren Gesichtshälfte, einschließlich Kinn und Lippe in einem Streifen einer Breite von 25mm, zurückzuführen war.

Der Fall:

Der beklagte Zahnarzt hatte für eine geplante Implantation der Klägerin Knochenmaterial aus dem linken Unterkiefer zum Aufbau des Knochens im Oberkiefer entnommen. Die zuvor von der Patientin unterzeichnete „OP-Einwilligungsklärung” enthielt keinen Hinweis auf eine Aufklärung über das Risiko einer Nervverletzung. Dort war bei den in Betracht kommenden Risiken der Operation lediglich „Entzündung der Wundregion, Nachblutung, Wundheilungsstörungen, Schwellung, Hämatom” angekreuzt. Die ebenfalls formularmäßig erwähnten Risiken „Nervverletzung” und „Gefühlsstörung (Taubheit)” war nicht angekreuzt.

In der elektronischen Karteikarte war indes unter dem gleichen Datum eine Aufklärung über das Risiko einer Nervverletzung vermerkt (im Wortlaut):

„Es wurde noch mal ausführlich über die Indikation, die Alternativen der vorgesehenen Maßnahme gesprochen, Hinweis, dass der transpantierte Knochen bei einer Infektion nicht einheilen kann und abgestoßen werden kann, wodurch die Maßnahme wiederholt werden müsste. Die Entnahme des Knochen kann mit einer Infektion und durch den dort langlaufenden N. alv. inf. zu Gefühlsstörungen führen. Die Entnahme findet oberhalb des Nerven statt, daher besteht ein theoretisches aber nicht hohes Risiko einer Nervbeeinträchtigung.”

Die Richter hatten erhebliche Zweifel, ob der Vermerk die tatsächlich erfolgte Aufklärung wiedergibt. Aufgrund der außergewöhnlich detaillierten Beschreibung des Aufklärungsinhaltes, der nach Ansicht der Richter nicht zur ansonsten recht knapp gehaltenen Dokumentation passte, bestehe vielmehr der Verdacht, dass die betreffende Dokumentation der Risikoaufklärung erst im Nachhinein an die klägerseits erhobenen Vorwürfe angepasst worden ist.

Da das EDV-Programm es ermöglichte, in der Karteikarte nachträgliche Ergänzungen vorzu-nehmen, ohne dass hierbei kenntlich gemacht wurde, wann diese Ergänzungen erfolgt sind, wurde der Zahnarzt zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 4.000 Euro und zur Tragung aller Folgeschäden verurteilt.

Hinweis:

Wenn man die Behandlungsdokumentation nur digital erstellt, sollte belegbar sein, dass diese nicht nachträglich verändert werden kann. Technisch ist das derzeit in verlässlicher Weise nur mit einer qualifizierten elektronischen Signatur möglich, welche eine Signaturkarte wie den elektronischen Arztausweis voraussetzt.
Von Angelika Enderle, erstellt am 18.09.2014, zuletzt aktualisiert am 18.09.2014
Juradent-ID: 3293

 

 

Rechtstipp Juli 2014: Kein Anspruch auf kieferorthopädische Wunschbehandlung für Hartz IV Empfänger

Kein Anspruch auf kieferorthopädische Wunschbehandlung für Hartz IV Empfänger

Das LSG Halle (Saale) hat entschieden, dass die kieferorthopädische Behandlung mit besonders komfortablen Miniaturbrakets eine über die gesetzliche Krankenversicherung hinausgehende Leistungen darstellt, auf die Leistungsberechtigte nach dem SGB II (Hartz IV) keinen Anspruch haben (LSG Halle, Beschluss vom 11.07.2013, L 5 AS 472/11).

Eine jugendliche Hartz IV-Empfängerin war der Ansicht die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung entspreche nicht dem Stand der ärztlichen Wissenschaft, weshalb die ARGE ihr die zusätzlichen Kosten für eine Wunschbehandlung mit Miniaturbrakets zu erstatten habe. Dies überzeugte das LSG offenbar nicht, denn es wies die Klage ab und lehnte auch für das Berufungsverfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Nach Ansicht der Richter aus Halle bestehe kein Anspruch auf über die gesetzliche Krankenversicherung hinausgehende Leistungen. Eine Gefährdung des Grundrechts auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit sei nicht erkennbar. Die begehrten Mehrkosten seien auch zur Deckung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht zwingend erforderlich.

Dr. Robert Kazemi

 

 

Rechtstipp Juni 2014: Ist die Dienstkleidung vorgeschrieben, sind Umkleidezeiten meist Arbeitszeit

Ist die Dienstkleidung vorgeschrieben, sind Umkleidezeiten meist Arbeitszeit

Entscheidend ist, ob das Umziehen „fremdnützig” ist und vorgeschriebene Arbeitskleidung auch zu Hause oder ohne Aufsehen auf dem Weg zur Arbeit getragen werden kann
Das Arbeitszeitgesetz definiert die Arbeitszeit als den Zeitraum von Beginn bis Ende der Arbeit, ohne Ruhepausen. Nur: Was gilt alles als Arbeit? Umstritten ist oft, ob sogenannte Rüstzeiten sowie Umkleidezeiten der Arbeitnehmer zur bezahlten Arbeitszeit gehören. Rüstzeiten sind Zeiten, die der Arbeitsvorbereitung dienen – etwa das Ausrüsten einer Maschine für den Produktionsprozess oder das Ausrüsten eines Fahrzeugs für einen Montageeinsatz.

In verschiedenen Branchen wie im Gesundheitswesen ist jedoch auch eine bestimmte Arbeits­kleidung zu tragen – etwa weil Schutzkleidung vorgeschrieben ist oder der Arbeitgeber eine bestimmte Dienstkleidung wünscht. Wann das Umziehen als Arbeitszeit gilt, ist je nach Branche unter­schiedlich. Regelungen können in Arbeits- und Tarifverträgen getroffen werden. Die D.A.S. Rechtsschutzversicherung hat dazu Urteile zum Thema „Rüst- und Umkleidezeiten” vorgestellt (weitere Informationen auf www.das.de/ rechtsportal).

Krankenschwester: Umkleidezeit bei vorgeschriebener Arbeitskleidung
Eine Münchner Krankenschwes­ter war im OP-Dienst tätig. Sie musste jeden Tag bei Arbeitsbeginn zunächst in einem speziellen Umkleideraum im Tiefparterre des Krankenhauses die vorgeschriebene Dienstkleidung anlegen. Danach musste sie sich in den OP-Bereich begeben, dort sogenannte Bereichskleidung anziehen und sich die Hände desinfizieren. Weder Dienst- noch Bereichskleidung durften mit nach Hause genommen werden. Als Arbeitszeit galt nur die Zeit der eigentlichen Tätigkeit im OP.

Die Krankenschwester klagte nun auf Bezahlung von zweimal 15 Minuten Umkleide- und innerbetriebliche Wegezeit pro Arbeitstag und berief sich dabei auf eine schon länger zurückliegende betriebliche Praxis. Der Tarifvertrag enthielt keine Regelung für die Umkleidezeiten.

Das Bundesarbeitsgericht hielt fest, dass Arbeit jede Tätigkeit sei, die der Erfüllung eines fremden Bedürfnisses diene. Dazu gehöre auch das Umkleiden, wenn der Arbeitgeber eine bestimmte Berufskleidung vorschreibe und das Umkleiden im Betrieb stattfinden müsse. Dazu komme hier noch, dass das Umkleiden in erster Linie der Hygiene im OP diene und damit dem Interesse des Arbeitgebers. Die Wegezeit zwischen Umkleideraum und Arbeitsstelle sei ebenfalls Arbeitszeit. Die Klägerin habe Anspruch auf Entlohnung für die Umkleide- und Wegezeiten.

Die Pauschalierung dieser Zeiten auf zweimal 15 Minuten sei jedoch vom Arbeitgeber erfolgreich angegriffen worden, so das Bundesarbeitsgericht. Hier müsse die Vorinstanz – gegebenenfalls mithilfe eines Sachverständigen – feststellen, wie viel Ar­beits­zeit tatsächlich zusätzlich anfalle (Bundesarbeitsgericht, Ur­teil vom 19. September 2012, Az.: 5 AZR 678/11).

Einheitliche Firmenkleidung
Wie sieht das aus, wenn der Arbeitgeber eine einheitliche Firmenkleidung vorgibt? In einer Kette von Einrichtungshäusern exis­tierte eine „Staff-Clothing-Order”, nach der für das Personal mit Kundenkontakt Kleidung in bestimmten Farben und mit einem bestimmten Schnitt vorgeschrieben war. Dies war durch eine Betriebsvereinbarung abgesichert. Die Arbeitnehmer konnten sich sowohl zu Hause als auch in Um­klei­deräumen im Betrieb umziehen.

Als die Arbeitgeberin erfuhr, dass einige Arbeitnehmer sich nach Arbeitsende erst nach dem Umkleiden am Zeiterfassungssys­tem abmeldeten, wurden diese entsprechend ermahnt. Der Betriebsrat leitete daraufhin ein gerichtliches Feststellungsverfahren ein, um festzuhalten, dass das An- und Ausziehen der Berufsklei­dung zur Arbeitszeit gehöre. Auch stehe dem Betriebsrat hier ein Mitbestimmungsrecht zu – der Arbeitgeber könne nicht eigenmächtig Beginn und Ende der Arbeitszeit ändern.

Das Bundesarbeitsgericht erklärte, dass Umkleidezeiten dann zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gehörten, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürf­nis diene und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfülle. Das Anziehen vorgeschriebener Dienstkleidung sei dann keine Arbeitszeit, wenn sie auch zu Hause ange­zogen und – ohne besonders aufzufallen – auch auf dem Weg zur Arbeit getragen werden könne.

Die Firmenkleidung sei hier blau und hellgelb und weise große Firmenlogos an verschiedenen Stellen auf. Von unauffälliger Kleidung könne somit keine Rede sein. Das Tragen sowie das An- und Ausziehen der Kleidung sei rein fremdnützig. Das Umkleiden im Betrieb zähle zur Arbeitszeit. Mit der Anweisung, sich außerhalb der regis­trierten Anwesenheitszeit umzuziehen, habe der Arbeitgeber eigenmächtig Beginn und Ende der Arbeitszeit geändert. Eine solche Änderung sei mitbestimmungspflichtig (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 10. November 2009, Az.: 1 ABR 54/08).

 

 

Rechtstipp Mai 2014: Heimpatienten sind Praxisbesonderheiten

Heimpatienten sind Praxisbesonderheiten

Bundessozialgericht bestätigt Besonderheit bei erhöhtem Behandlungsbedarf
Das Bundessozialgericht (BSG) hat die Anforderungen an die Geltendmachung von Praxisbesonderheiten im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen am Beispiel der Besonderheit „Heimpatienten” nochmals herausgearbeitet. Das BSG bestätigt insoweit, dass die Betreuung von Pflegeheimbewohnern durchaus eine Praxisbesonderheit darstellen kann, wenn hierdurch nachweisbar ein erhöhter Behandlungsbedarf besteht.

Ein solcher ergibt sich aber nicht per se aus dem Umstand, dass ein Patient in einem Pflegeheim wohnt. Weder die Pflegebedürftigkeit noch die spezielle Wohnsituation lassen danach ohne Weiteres auf erhöhte Behand­lungskosten schließen. Der pauschale Hinweis auf die Betreuung von Versicherten in Pflegeheimen reicht zur ausreichenden Darlegung von Praxisbesonderheiten somit nicht aus. Praxisbesonderheiten sind anzuerkennen, wenn ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf des Patientenklientels und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden (BSG, Urteil vom 5. Juni 2013, Az.: B 6 KA 40/12 R)

 

Kein Honoraranspruch bei unbrauchbaren Leistungen
Das OLG München hat den Honoraranspruch eines Zahnarztes verneint, da die in Erfüllung des zahnärztlichen Behandlungsvertrags erbrachten Leistungen für die Patientin aufgrund der festgestellten zahnärztlichen Kunstfehler gänzlich unbrauchbar waren. In einem solchen Fall besteht auch kein Honoraranspruch (OLG München, Urteil vom 14. August 2013, Az.: 3 U 1474/13).

 

Beschränkung der Beihilfefähigkeit implantologischer Zahnarztleistungen rechtmäßig
Eine Regelung in der Bayerischen Beihilfeverordnung, wonach mit Ausnahme bestimmter Indikationen „Aufwendungen für mehr als zwei Implantate pro Kieferhälfte, einschließlich vorhandener Implantate, zu deren Aufwendungen Beihilfen oder vergleichbare Leistungen aus öffent­lichen Kassen gewährt wurden, von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen” sind, begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken; sie verstößt weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz noch gegen die verfassungsrechtlich ge­währ­leistete Fürsorgepflicht des Dienst­herrn. Für die zahlenmäßige Begrenzung der Implantate auf zwei pro Kieferhälfte besteht ein sachlicher Grund. Sowohl die Implantatversorgung als auch die „herkömmliche” Versorgung von Zahnlücken, insbesondere durch Brücken, sind als medizinisch ausreichende Maßnahmen zu qualifizieren und stellen daher im Regelfall eine ausreichende medizinische Versorgung sicher (Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 16. Juli 2013, Az.: AN 1 K 12. 02249).

 

Keine Kostenerstattung bei bereits begonnener Privatbehandlung
Soweit sich ein gesetzlich krankenversicherter Patient durch einen nicht zur vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung zugelasse­nen (Zahn-)Arzt behandeln lässt, kommt eine Erstattung der Behandlungskosten durch die Krankenkasse nach Paragraf 13 Absatz 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) V wegen von der Krankenkenkasse „zu Unrecht abgelehnter” Leis­tungen nicht mehr in Betracht, wenn die Krankenkasse während der laufenden Behandlung und vor deren Abschluss informiert wird. Soweit bereits mit der Behandlung begonnen wurde, ist es unerheblich, dass die Behandlung zum Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung der Krankenkasse noch nicht abgeschlossen war. Eine kieferorthopädische Behandlung nach dem HKP ist als zusam­menhängender Komplex zu sehen, sodass der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen Ablehnung der Kasse und den entstandenen Kosten auch für die nach der ablehnenden Entscheidung erbrachten Leistungen zu verneinen ist (Sozialgericht [SG] Aachen, Urteil von 8. Oktober 2013, Az.: S 13 KR 32/13).

 

Kein Anspruch auf Auszahlung des gesamten Honorars
Kassenzahnärztliche Vereinigun­gen (KZVen) sind berechtigt, Ho­no­rare für Leistungen, deren Recht­mäßigkeit angezweifelt wird, bis zu einer Klärung der Abrechenbar­keit zurückzuhalten. Das SG Marburg hatte über ein Verwaltungshan­deln der KZV zu befinden, das abgerechnete Leistungen einer weitergehenden Prüfung unterziehen wollte. Das auf diese Leis­tungen entfallende Honorar wurde dem betroffenen Zahnarzt vorerst nicht ausgezahlt und sein Honoraranspruch in dieser Höhe zumindest vorübergehend vorenthalten.

 

Der KZV obliegt insoweit die Pflicht, die abgerechneten Behandlungsfälle gemäß Paragraf 106a Absatz 1 SGB V auf Rechtmä­ßigkeit und Plausibilität zu prüfen. Solche sachlich-rechnerischen Richtigstellungen können zugleich mit der Honorargewährung erfolgen – in der Weise, dass das Honorar von vornherein nur in geminderter Höhe bewilligt wird (sogenannte quartalsgleiche Richtigstellung), oder das Honorar wird zunächst in der vom Arzt angeforderten Höhe bewilligt und ausbezahlt, und erst nachträglich wird die sachlich-rechnerische Prüfung und gegebenenfalls eine sachlich-rechnerische Richtigstellung vorgenommen (sogenannte nachgehende Richtigstellung).

 

Der KZV steht nach der Entscheidung aber auch das Recht zu, die Abrechnung eines Zahnarztes zurückzustellen, um genügend Zeit für eine quartalsgleiche Richtigstellung zu erhalten. Die KZV ist nicht verpflichtet, zu­nächst das Honorar festzusetzen und erst nachträglich eine Richtigstellung vorzunehmen. Dem be­troffenen Vertragszahnarzt wer­den dadurch Honorarbestandteile vorenthalten, obwohl eine fehlerhafte Abrechnung noch gar nicht festgestellt wurde.

 

Eine zeitliche Vorgabe, bis wann das Honorar abzurechnen ist, ergibt sich nach Auffassung des Gerichts weder aus dem SGB V, den Bundesmantelverträgen, dem Honorarverteilungsmaßstab noch aus der Satzung der KZV. Im Hinblick auf den Gleichbehandlungs­grundsatz gilt aber, dass die Abrechnung eines Vertragszahnarztes nicht ohne wichtigen Grund gegenüber der Abrechnung der übrigen Vertragszahnärzte zurückgestellt werden kann. Dies gilt auch für einzelne Behandlungsfälle. Wichtige Gründe, um von diesem Grundsatz abzuweichen, können sich aber aus begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der Abrechnung ergeben (SG Marburg, Beschluss vom 8. Juli 2013, Az.: S 12 KA 383/13 ER, nicht rechtskräftig).

 

RA Christian Hess, Köln

 

 

Rechtstipp April 2014: Häufig stehen Inhaber eines Auslandskontos unter Generalverdacht

Häufig stehen Inhaber eines Auslandskontos unter Generalverdacht

Auf Fragen von Zollbeamten die entsprechenden Antworten parat haben
Wer heute ein Bankkonto bei einer ausländischen Bank unterhält, steht in gewisser Hinsicht bereits unter Generalverdacht. Bereits bei der Einkommenssteuererklä­rung ist die Frage „Unterhalten Sie nachhaltige Geschäftsbeziehun­gen zu Finanzinstituten im Aus­land?” zu beantworten, und die Abgabenordnung regelt klar, dass der Steuerpflichtige eine erhöhte Mitwirkungspflicht hat, wenn es sich um Auslandssachverhalte handelt, zu denen natürlich auch das ausländische Bankkonto gehört.

Unter diesen Generalverdacht, so der Wormser Fachanwalt für Strafrecht, Jürgen Möthrath, Präsident des VdSRV, Verband deutscher StrafrechtsAnwälte und Straf­verteidiger e. V. mit Sitz in Worms, fällt auch der persönliche Kontakt zu seiner ausländischen Bank, der oftmals an der Grenze zu einer peinlichen Befragung führt. Hier, so Möthrath, sollte sich jeder Betroffene der weitreichenden Befugnisse der Zollbeamten im Klaren sein.

Unabhängig von dem Verdacht, Bargeld bei sich zu führen, dürfen Zollbeamte bei der zollamtlichen Überwachung bis zu 30 Kilometer im Inland Personen kontrollieren und Beförderungsmittel anhalten und auch durchsuchen.

Dem Durchsuchungsrecht unterliegen insoweit auch die Gepäck­stücke oder die Ladung. Hierbei stellt Paragraf 10 Absatz 5 des Zollverwaltungsgesetzes klar, dass die Grundrechte der Freiheit, das Brief- und Postgeheimnis und auch die Unversehrtheit der Wohnung eingeschränkt werden können. Der Zollbeamte darf also auch mitgeführte Dokumente kontrollieren.

Häufig führt damit die Kontrolle von Dokumenten dazu, dass die Visitenkarte des Bankmitarbeiters, der Notizzettel mit dessen Rufnummer oder auch die im Navi eingegebene Bankadresse entsprechende Verdachtsmomente erzeugen, dass der Grenzübertritt eben nicht nur dem Vergnügen dient, sondern als Bankbesuch genutzt wird.

Von besonderer Bedeutung ist hierbei auch die Frage, ob der Betroffene Bargeld mit sich führt. Wer hierbei in das Gebiet der Europäischen Gemeinschaft ein- oder ausreist, muss zuvor eine schriftliche Anmeldung vornehmen, sofern der Betrag 10.000 Euro überschreitet. Auf die Nachfrage des Zollbeamten zu warten, ist hier nicht zulässig.

Anders bei der Einreise, Ausreise oder Durchreise aus einem EU-Staat in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland – hier besteht die Meldepflicht nur auf Verlangen des Zollbeamten.
Aber auch hier sollte man sich bewusst sein, dass dem Zollbeamten auf sein Verlangen hin umfangreiche Angaben zu machen sind. So ist nicht nur die Art der Barmittel anzugeben, sondern auch die Anzahl und der Wert der Barmittel mitzuteilen, was in der Regel durch ein entsprechendes Vorzeigen erledigt werden kann. Weiterhin sind auch die Herkunft und der Verwendungszweck bekanntzugeben und außerdem anzugeben, wer wirtschaftlich Berechtigter des Bargelds ist.

Ergibt sich für den Zollbeamten der Geldwäscheverdacht, so kann dieser die Sicherstellung anordnen und das Geld bis zu drei Werktage in amtliche Verwahrung nehmen, die auf richterlichen Beschluss sogar auf bis zu einem Monat ausgedehnt werden kann.

Aber auch dann, wenn der Zollbeamte scheinbar keinerlei Verdacht hegt, schließt dies nicht aus, dass er nach Feststellung der Personalien von der Möglichkeit Gebrauch macht, wegen des Verdachts einer Steuerstraftat die zuständigen Finanzbehörden von seinen Feststellungen zu informieren.

Versteuertes Geld kann aus viel­fältigen Gründen auf einem Auslandskonto gut angelegt sein. Zur Vermeidung unnötigen Ärgers und eines gegen sich gerichteten Verdachts sollte man auf die Fragen des Zollbeamten auch die entsprechenden Antworten parat haben.

Wer auf seinem Auslandskonto allerdings unversteuerte Gelder vorhält, sollte sich im Klaren sein, dass der Weg, dieses in bar nach Deutschland zu bringen, dieses Geld weder von seinem Makel befreit noch ein risikofreies Unterfangen darstellt, da das kleinste Indiz, das auf ein Auslandskonto hindeutet, das in der heimischen Steuererklärung keinen Niederschlag gefunden hat, zu einer Kontrollmeldung führen kann.

Äußert der Zollbeamte in solchen Fällen einen Verdacht, ist zudem Eile geboten, um die Frage zu klären, ob eine Selbstanzeige erforderlich ist, da ansonsten die Entdeckung der Steuerhinterziehung durch die Behörde die Straffreiheit ausschließt.

Sobald hier ein entsprechender Eindruck entsteht, sollte man einen in Steuerstrafsachen versierten Rechtsanwalt oder Steuerberater aufsuchen, wobei Möth­rath dabei unter anderem auch auf die Anwälte und Anwältinnen in dem VdSRV, Verband deutscher StrafrechtsAnwälte und Strafverteidiger e. V. (www.strafrechtsverband.de), verwies.