Rechtstipp Mai 2014: Heimpatienten sind Praxisbesonderheiten

Heimpatienten sind Praxisbesonderheiten

Bundessozialgericht bestätigt Besonderheit bei erhöhtem Behandlungsbedarf
Das Bundessozialgericht (BSG) hat die Anforderungen an die Geltendmachung von Praxisbesonderheiten im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen am Beispiel der Besonderheit „Heimpatienten“ nochmals herausgearbeitet. Das BSG bestätigt insoweit, dass die Betreuung von Pflegeheimbewohnern durchaus eine Praxisbesonderheit darstellen kann, wenn hierdurch nachweisbar ein erhöhter Behandlungsbedarf besteht.

Ein solcher ergibt sich aber nicht per se aus dem Umstand, dass ein Patient in einem Pflegeheim wohnt. Weder die Pflegebedürftigkeit noch die spezielle Wohnsituation lassen danach ohne Weiteres auf erhöhte Behand­lungskosten schließen. Der pauschale Hinweis auf die Betreuung von Versicherten in Pflegeheimen reicht zur ausreichenden Darlegung von Praxisbesonderheiten somit nicht aus. Praxisbesonderheiten sind anzuerkennen, wenn ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf des Patientenklientels und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden (BSG, Urteil vom 5. Juni 2013, Az.: B 6 KA 40/12 R)

 

Kein Honoraranspruch bei unbrauchbaren Leistungen
Das OLG München hat den Honoraranspruch eines Zahnarztes verneint, da die in Erfüllung des zahnärztlichen Behandlungsvertrags erbrachten Leistungen für die Patientin aufgrund der festgestellten zahnärztlichen Kunstfehler gänzlich unbrauchbar waren. In einem solchen Fall besteht auch kein Honoraranspruch (OLG München, Urteil vom 14. August 2013, Az.: 3 U 1474/13).

 

Beschränkung der Beihilfefähigkeit implantologischer Zahnarztleistungen rechtmäßig
Eine Regelung in der Bayerischen Beihilfeverordnung, wonach mit Ausnahme bestimmter Indikationen „Aufwendungen für mehr als zwei Implantate pro Kieferhälfte, einschließlich vorhandener Implantate, zu deren Aufwendungen Beihilfen oder vergleichbare Leistungen aus öffent­lichen Kassen gewährt wurden, von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen“ sind, begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken; sie verstößt weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz noch gegen die verfassungsrechtlich ge­währ­leistete Fürsorgepflicht des Dienst­herrn. Für die zahlenmäßige Begrenzung der Implantate auf zwei pro Kieferhälfte besteht ein sachlicher Grund. Sowohl die Implantatversorgung als auch die „herkömmliche“ Versorgung von Zahnlücken, insbesondere durch Brücken, sind als medizinisch ausreichende Maßnahmen zu qualifizieren und stellen daher im Regelfall eine ausreichende medizinische Versorgung sicher (Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 16. Juli 2013, Az.: AN 1 K 12. 02249).

 

Keine Kostenerstattung bei bereits begonnener Privatbehandlung
Soweit sich ein gesetzlich krankenversicherter Patient durch einen nicht zur vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung zugelasse­nen (Zahn-)Arzt behandeln lässt, kommt eine Erstattung der Behandlungskosten durch die Krankenkasse nach Paragraf 13 Absatz 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) V wegen von der Krankenkenkasse „zu Unrecht abgelehnter“ Leis­tungen nicht mehr in Betracht, wenn die Krankenkasse während der laufenden Behandlung und vor deren Abschluss informiert wird. Soweit bereits mit der Behandlung begonnen wurde, ist es unerheblich, dass die Behandlung zum Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung der Krankenkasse noch nicht abgeschlossen war. Eine kieferorthopädische Behandlung nach dem HKP ist als zusam­menhängender Komplex zu sehen, sodass der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen Ablehnung der Kasse und den entstandenen Kosten auch für die nach der ablehnenden Entscheidung erbrachten Leistungen zu verneinen ist (Sozialgericht [SG] Aachen, Urteil von 8. Oktober 2013, Az.: S 13 KR 32/13).

 

Kein Anspruch auf Auszahlung des gesamten Honorars
Kassenzahnärztliche Vereinigun­gen (KZVen) sind berechtigt, Ho­no­rare für Leistungen, deren Recht­mäßigkeit angezweifelt wird, bis zu einer Klärung der Abrechenbar­keit zurückzuhalten. Das SG Marburg hatte über ein Verwaltungshan­deln der KZV zu befinden, das abgerechnete Leistungen einer weitergehenden Prüfung unterziehen wollte. Das auf diese Leis­tungen entfallende Honorar wurde dem betroffenen Zahnarzt vorerst nicht ausgezahlt und sein Honoraranspruch in dieser Höhe zumindest vorübergehend vorenthalten.

 

Der KZV obliegt insoweit die Pflicht, die abgerechneten Behandlungsfälle gemäß Paragraf 106a Absatz 1 SGB V auf Rechtmä­ßigkeit und Plausibilität zu prüfen. Solche sachlich-rechnerischen Richtigstellungen können zugleich mit der Honorargewährung erfolgen – in der Weise, dass das Honorar von vornherein nur in geminderter Höhe bewilligt wird (sogenannte quartalsgleiche Richtigstellung), oder das Honorar wird zunächst in der vom Arzt angeforderten Höhe bewilligt und ausbezahlt, und erst nachträglich wird die sachlich-rechnerische Prüfung und gegebenenfalls eine sachlich-rechnerische Richtigstellung vorgenommen (sogenannte nachgehende Richtigstellung).

 

Der KZV steht nach der Entscheidung aber auch das Recht zu, die Abrechnung eines Zahnarztes zurückzustellen, um genügend Zeit für eine quartalsgleiche Richtigstellung zu erhalten. Die KZV ist nicht verpflichtet, zu­nächst das Honorar festzusetzen und erst nachträglich eine Richtigstellung vorzunehmen. Dem be­troffenen Vertragszahnarzt wer­den dadurch Honorarbestandteile vorenthalten, obwohl eine fehlerhafte Abrechnung noch gar nicht festgestellt wurde.

 

Eine zeitliche Vorgabe, bis wann das Honorar abzurechnen ist, ergibt sich nach Auffassung des Gerichts weder aus dem SGB V, den Bundesmantelverträgen, dem Honorarverteilungsmaßstab noch aus der Satzung der KZV. Im Hinblick auf den Gleichbehandlungs­grundsatz gilt aber, dass die Abrechnung eines Vertragszahnarztes nicht ohne wichtigen Grund gegenüber der Abrechnung der übrigen Vertragszahnärzte zurückgestellt werden kann. Dies gilt auch für einzelne Behandlungsfälle. Wichtige Gründe, um von diesem Grundsatz abzuweichen, können sich aber aus begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der Abrechnung ergeben (SG Marburg, Beschluss vom 8. Juli 2013, Az.: S 12 KA 383/13 ER, nicht rechtskräftig).

 

RA Christian Hess, Köln

 

 

Rechtstipp April 2014: Häufig stehen Inhaber eines Auslandskontos unter Generalverdacht

Häufig stehen Inhaber eines Auslandskontos unter Generalverdacht

Auf Fragen von Zollbeamten die entsprechenden Antworten parat haben
Wer heute ein Bankkonto bei einer ausländischen Bank unterhält, steht in gewisser Hinsicht bereits unter Generalverdacht. Bereits bei der Einkommenssteuererklä­rung ist die Frage „Unterhalten Sie nachhaltige Geschäftsbeziehun­gen zu Finanzinstituten im Aus­land?“ zu beantworten, und die Abgabenordnung regelt klar, dass der Steuerpflichtige eine erhöhte Mitwirkungspflicht hat, wenn es sich um Auslandssachverhalte handelt, zu denen natürlich auch das ausländische Bankkonto gehört.

Unter diesen Generalverdacht, so der Wormser Fachanwalt für Strafrecht, Jürgen Möthrath, Präsident des VdSRV, Verband deutscher StrafrechtsAnwälte und Straf­verteidiger e. V. mit Sitz in Worms, fällt auch der persönliche Kontakt zu seiner ausländischen Bank, der oftmals an der Grenze zu einer peinlichen Befragung führt. Hier, so Möthrath, sollte sich jeder Betroffene der weitreichenden Befugnisse der Zollbeamten im Klaren sein.

Unabhängig von dem Verdacht, Bargeld bei sich zu führen, dürfen Zollbeamte bei der zollamtlichen Überwachung bis zu 30 Kilometer im Inland Personen kontrollieren und Beförderungsmittel anhalten und auch durchsuchen.

Dem Durchsuchungsrecht unterliegen insoweit auch die Gepäck­stücke oder die Ladung. Hierbei stellt Paragraf 10 Absatz 5 des Zollverwaltungsgesetzes klar, dass die Grundrechte der Freiheit, das Brief- und Postgeheimnis und auch die Unversehrtheit der Wohnung eingeschränkt werden können. Der Zollbeamte darf also auch mitgeführte Dokumente kontrollieren.

Häufig führt damit die Kontrolle von Dokumenten dazu, dass die Visitenkarte des Bankmitarbeiters, der Notizzettel mit dessen Rufnummer oder auch die im Navi eingegebene Bankadresse entsprechende Verdachtsmomente erzeugen, dass der Grenzübertritt eben nicht nur dem Vergnügen dient, sondern als Bankbesuch genutzt wird.

Von besonderer Bedeutung ist hierbei auch die Frage, ob der Betroffene Bargeld mit sich führt. Wer hierbei in das Gebiet der Europäischen Gemeinschaft ein- oder ausreist, muss zuvor eine schriftliche Anmeldung vornehmen, sofern der Betrag 10.000 Euro überschreitet. Auf die Nachfrage des Zollbeamten zu warten, ist hier nicht zulässig.

Anders bei der Einreise, Ausreise oder Durchreise aus einem EU-Staat in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland – hier besteht die Meldepflicht nur auf Verlangen des Zollbeamten.
Aber auch hier sollte man sich bewusst sein, dass dem Zollbeamten auf sein Verlangen hin umfangreiche Angaben zu machen sind. So ist nicht nur die Art der Barmittel anzugeben, sondern auch die Anzahl und der Wert der Barmittel mitzuteilen, was in der Regel durch ein entsprechendes Vorzeigen erledigt werden kann. Weiterhin sind auch die Herkunft und der Verwendungszweck bekanntzugeben und außerdem anzugeben, wer wirtschaftlich Berechtigter des Bargelds ist.

Ergibt sich für den Zollbeamten der Geldwäscheverdacht, so kann dieser die Sicherstellung anordnen und das Geld bis zu drei Werktage in amtliche Verwahrung nehmen, die auf richterlichen Beschluss sogar auf bis zu einem Monat ausgedehnt werden kann.

Aber auch dann, wenn der Zollbeamte scheinbar keinerlei Verdacht hegt, schließt dies nicht aus, dass er nach Feststellung der Personalien von der Möglichkeit Gebrauch macht, wegen des Verdachts einer Steuerstraftat die zuständigen Finanzbehörden von seinen Feststellungen zu informieren.

Versteuertes Geld kann aus viel­fältigen Gründen auf einem Auslandskonto gut angelegt sein. Zur Vermeidung unnötigen Ärgers und eines gegen sich gerichteten Verdachts sollte man auf die Fragen des Zollbeamten auch die entsprechenden Antworten parat haben.

Wer auf seinem Auslandskonto allerdings unversteuerte Gelder vorhält, sollte sich im Klaren sein, dass der Weg, dieses in bar nach Deutschland zu bringen, dieses Geld weder von seinem Makel befreit noch ein risikofreies Unterfangen darstellt, da das kleinste Indiz, das auf ein Auslandskonto hindeutet, das in der heimischen Steuererklärung keinen Niederschlag gefunden hat, zu einer Kontrollmeldung führen kann.

Äußert der Zollbeamte in solchen Fällen einen Verdacht, ist zudem Eile geboten, um die Frage zu klären, ob eine Selbstanzeige erforderlich ist, da ansonsten die Entdeckung der Steuerhinterziehung durch die Behörde die Straffreiheit ausschließt.

Sobald hier ein entsprechender Eindruck entsteht, sollte man einen in Steuerstrafsachen versierten Rechtsanwalt oder Steuerberater aufsuchen, wobei Möth­rath dabei unter anderem auch auf die Anwälte und Anwältinnen in dem VdSRV, Verband deutscher StrafrechtsAnwälte und Strafverteidiger e. V. (www.strafrechtsverband.de), verwies.

 

 

Rechtstipp März 2014: Arzt-Bewertungsportale und der Datenschutz

Arzt-Bewertungsportale und der Datenschutz

Zwei aktuelle Urteile aus München stärken Betreiber- und Bewerterrechte
Bewertungsportale existieren mittlerweile fast für jede Branche, nicht immer zur Freude der Bewerteten. Dies gilt für Lehrer, Rechtsanwälte und Professoren ebenso wie für Ärzte und Zahnärzte. Auch hier haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Bewertungsportale am Markt etabliert, auf denen Patienten – auch anonym – eine Bewertung ihres Behandlers abgeben können.

Die Bewertungsportale waren dabei schon oft Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen, sei es, weil sich der Bewertete grundsätzlich gegen die Aufnahme seines Namens und Unternehmens in eine Bewertungsdatenbank oder „nur“ gegen aus seiner Sicht unzutreffende Bewertungen gewandt hat. Zwei aktuelle Urteile aus München verdeutlichen jedoch, dass derartige Ansinnen nur unter besonderen Bedingungen Erfolg versprechen dürften.

Recht zur Aufnahme des Arztes in die Bewertungsdatenbank
Bereits eine Lehrerin hatte (vergeblich) versucht, ihre Aufnahme in eine Bewertungsdatenbank gänzlich – und zwar mit Blick auf die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes – zu verhindern (Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 23. Juni 2009, Az.: VI ZR 196/08, „spickmich.de“).

Nach Paragraf 4 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sind die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten sind nur zulässig, soweit das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Paragraf 3 Absatz 1 BDSG), hierzu zählen jedenfalls Name, Titel, Fachbereichsbezeichnung, Praxisanschrift und Telefonnummer, aber auch Einzelbewertungen, sowie die Gesamtbewertung durch Notengebung. Korrespondierend hierzu normiert Paragraf 35 BDSG einen Löschungsanspruch des Betroffenen, wenn personenbezogene Daten – ohne Erlaubnis – gespeichert worden sind. Zugegebenermaßen wissen viele Ärzte gar nichts über ihre Aufnahme in eine Bewertungsdatenbank und werden selbiger daher in den seltensten Fällen zugestimmt haben. Der Ansatz, die Aufnahme in die Bewertungsdatenbank über datenschutzrechtliche Bestimmungen zu verhindern, erscheint daher auf den ersten Blick nicht ganz so abwegig. Gleichwohl greift der Ansatz im Ergebnis zu kurz, denn Paragraf 4 BDSG sieht auch die Möglichkeit der „einwilligungslosen“ Speicherung vor – und zwar dann, wenn eine gesetzliche Bestimmung die Speicherung gestattet.

Bezogen auf Bewertungsdatenbanken hatte der BGH in seiner Spickmich-Entscheidung bereits im Jahr 2009 zur Rechtfertigung der Datenverarbeitung der arztbezogenen Daten auf die Bestimmung des Paragrafen 29 BDSG abgestellt. Gemäß ist das geschäftsmäßige Erheben, Speichern, Verändern oder Nutzen personenbezogener Daten zum Zweck der Übermittlung, insbesondere, wenn dies der Werbung, der Tätigkeit von Auskunfteien oder dem Adresshandel dient, zulässig, wenn kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung hat, die Daten aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können oder die verantwortliche Stelle sie veröffentlichen durfte, es sei denn, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung offensichtlich überwiegt.

Ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung personenbezogener Daten durch den Arzt wäre indes nur gegeben, wenn das sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG das Recht des Bewertungsportalbetreibers auf Kommunikationsfreiheit nach Artikel 5 Absatz 1 GG überwiegen würde.

Die erforderliche Interessenabwägung streitet im Zweifelsfall für den Plattformbetreiber. Dies hat das Amtsgericht (AG) München in einem aktuell veröffentlichtem Urteil (AG München, Urteil vom 12. Oktober 2012, Az.: 158 C 13912/12) nunmehr bestätigt. Denn Arztbewertungsportale begründen die Grundlage einer fundierten Entscheidung hinsichtlich der Wahl des Arztes. Denn es komme der Entscheidung, ob beziehungsweise wann sich der Einzelne von welchem Arzt behandeln lassen will, zugute, wenn diese Entscheidung auf eine möglichst fundierte und breite Entscheidungsgrundlage gestellt werden kann. Nach Ansicht des AG München bieten Bewertungsportale – neben anderen Faktoren – bei der Arztwahl aufgrund des abgebildeten breiten Meinungsbilds eine sinnvolle Entscheidungsgrundlage. Deshalb besteht ein öffentliches Informationsinteresse an der Veröffentlichung solcher Daten. Das Gericht macht jedoch deutlich, dass dies nur dann der Fall ist, wenn der Betreiber des Portals die jeweilige E-Mail-Adresse eines Bewerters kennt und damit eine Nachverfolgung im Falle beleidigender oder rufschädigender Äußerungen möglich ist. Die Bewertung an sich kann also anonym erfolgen, gleichwohl muss dem Portalbetreiber eine Kontaktaufnahme mit dem Bewerter möglich sein.

Recht des Arztes auf Löschung falscher und/oder beleidigender Bewertungen

Gleichwohl muss der Arzt nicht jede Bewertung in einem Bewertungsportal akzeptieren. Vielmehr ist er – wie im „normalen“ Leben auch –effektiv dagegen zu schützen, dass über Bewertungsportale falsche Behauptungen über ihn und/oder seine Praxis oder gar diffamierenden Herabsetzungen verbreitet werden. Hier gewähren die Paragrafen 823, 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausreichenden Rechtsschutz, und Tatsachenbehauptungen dürfen nur dann verbreitet werden, wenn diese wahr sind. Auch Meinungsäußerungen sind nicht uneingeschränkt zulässig, sondern finden ihre Grenze in der sogenannten Schmähkritik und/oder der Beleidigung. Wann eine solche vorliegt, ist indes eine Frage des Einzelfalls. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Rechtsprechung die Grenzen zulässiger Meinungsäußerungen in den vergangenen Jahren im Licht des Artikel 5 GG sehr weit gezogen hat und auch überspitzte Äußerungen oftmals dem Schutz der Meinungsfreiheit unterfallen ließ. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Artikel 5 Absatz 1 GG schützt vielmehr jede Art der Meinungsäußerungen mit wertendem, meinungsbildendem Inhalt (vergleiche BGH, Zeitschrift Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht [GRUR] 2012, 74 – Coaching-Newsletter Tz. 27 m. w. N.).

Die Freiheit der Meinungsäußerung ist eine der wesentlichen Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hat die öffentliche Meinungsäußerung über die Presse mit „ihrer unverzichtbaren Rolle als ‚Wachhund‘ besondere Bedeutung“. Ein gewisses Maß an Übertreibung oder sogar Provokation gehört zur journalistischen Freiheit. Einschränkungen der Freiheit der Meinungsäußerung sind eng auszulegen; ihre Notwendigkeit muss überzeugend nachgewiesen werden (vergleiche Artikel 10 Europäische Menschenrechtskonvention [EMRK]; hierzu: EGMR, Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 2004, 2653; NJW 2007, 1799). Ihre Grenze findet die freie Meinungsäußerung daher erst dort, wo sie die Grenze zur Formalbeleidigung oder Schmähkritik überschreitet. Eine solche Kritik kann unter Beachtung der Ausstrahlungswirkung des Grundrechts der Meinungsfreiheit nur angenommen werden, wenn sie im Wesentlichen auf sachfremde Diffamierung und persönliche Herabsetzung noch jenseits polemischer und überspitzter Angriffe abzielt (Bundesverfassungsgericht [BVerfGE] 82, 272 [283f.] = NJW 1991, 95; BVerfGE 93, 266 [294] = NJW 1995, 3303). Meinungsäußerungen sind damit in Deutschland nicht so einfach zu unterbinden. Wer sich hier „beleidigt“ oder „herabgesetzt“ fühlt, sollte daher in jedem Fall zuvor anwaltlichen Rat einholen. Hinzu kommt, dass die Löschung derartiger Bewertungen nicht direkt auf gerichtlichem Wege verlangt werden kann. Nach der Rechtsprechung des BGH trifft den Plattformbetreiber nämlich keine generelle Überwachungs- und Prüfungspflicht, sodass er über vermeintlich falsche oder diffamierende Bewertungen zunächst (kostenfrei) zu informieren und ihm eine angemessen Prüfungsfrist einzuräumen ist.

Unmittelbare Haftung des Bewertungsportals wegen beleidigender Äußerungen auf Grund europäischer Vorgaben?
Fraglich ist indes, ob die Rechtsprechung des BGH zur sogenannten Störerhaftung des Plattformbetreibers weiterhin so aufrecht erhalten werden kann oder ob sich hier – auf europäischer Ebene – nicht gerade eine Neuerung abzeichnet. So bestätigte der EGMR nunmehr die Verurteilung des Betreibers einer Nachrichtenseite im Internet zu Schadenersatzzahlungen wegen beleidigender Kommentare ihrer Nutzer (EGMR, Urteil vom 10. Oktober 2013, Az.: 64569/09). Ein aus Estland stammendes Nachrichtenportal hatte 2006 einen Artikel über das Vorhaben eines Fährunternehmens veröffentlicht, neue Routen zu einigen Inseln einzurichten. Die dabei zum Einsatz gebrachten Eisbrecher beeinträchtigten offenbar die Stabilität von Straßen, die über das Eis zu den Inseln angelegt werden sollten. In der Folge verfassten mehrere Nutzer des Portals beleidigende und drohende Kommentare, die sich gegen das Fährunternehmen richteten. Daraufhin erstritt das Unternehmen gegen das Internetportal Schadensersatz von 5.000 estnischen Kronen.

Der EGMR bestätigte nun die Verurteilung und stellte fest, dass die Verurteilung des Nachrichtensenders zwar einen Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung darstelle, dieser jedoch deshalb gerechtfertigt sei, weil der Nachrichtensender nicht genug getan habe, um beleidigende Kommentare schnell zu entfernen. Die Bewertung des EGMR setzt sich in Widerspruch zu den von den deutschen Gerichten gefundenen Wertungen in Bezug auf Bewertungsplattformen. Zwar sind Entscheidungen des EGMR für die deutsche Gerichtsbarkeit nicht bindend, gleichwohl könnte sich hier eine Umkehr hin zu mehr Überwachungspflichten der Portalbetreiber abzeichnen. Dies wird weiter zu beobachten sein.

Auskunftsrecht über den Nutzer der Bewertungsplattform
Was jedoch, wenn sich der Arzt nicht damit begnügen möchte, allein die falsche Tatsachenbehauptung oder die diffamierende Meinungsäußerung aus einem Portal entfernen zu lassen, sondern darüberhinaus auch Ansprüche gegen den Verfasser des Textes geltend machen will? Ebenso wie gegenüber dem Plattformbetreiber bestehen derartige Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche nämlich zuerst gegenüber dem eigentlichen Verfasser. Dieser ist in den meisten Fällen jedoch (leider) anonym. Besteht also ein Auskunftsanspruch des Arztes gegen den Plattformanbieter dahingehend, die Identität des Bewerters zu erfahren? Das Landgericht (LG) München I, sagt hierzu deutlich nein! (LG München I, Urteil vom 3. Juli 2013, Az.: 25 O 23782/12).
Eine Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin begehrte von einem Bewertungsportal Auskunft über die Kontaktdaten des Verfassers einer Bewertung. Diese war von einem „Kassenpatient, unter 30″ mit der Überschrift „Nicht zu empfehlen“ und einer Gesamtnote von 5,2 mit folgendem Text abgegeben worden:
„War mit meinem Kleinen öfter bei ihr und muss leider sagen, dass ich absolut unzufrieden bin. Bei Untersuchungen war sie innerhalb kürzester Zeit fertig, ohne auf die Entwicklung einzugehen. Also wirklich kurz, es dauerte keine fünf Minuten, und dabei hat sie sich mit meiner Schwester mehr beschäftigt als mit meinem Sohn. Nimmt ihm die Rassel weg, legt sie daneben und behauptet, er würde nur in eine Richtung schauen, naja wundert’s jemanden, wenn auf der Seite sein Spielzeug liegt? Auch lässt sie die Eltern vor anderen Patienten runterlaufen und wird sehr pampig, wenn Eltern sich entscheiden, Impfungen getrennt vorzunehmen, dann haben sie einen Grund und sollten nicht lächerlich gemacht werden. Sie sollte sich entscheiden, ob sie wirklich vor dem Praxisalltag noch in der Klinik tätig ist. Sie ist immer sehr gestresst, selbst wenn nichts los ist. Einige ihrer Entscheidungen sind auch sehr fragwürdig. Selbst dem behandelnden Klinikpersonal. Auf Fragen geht sie überhaupt nicht oder nur sporadisch ein. Auf die Frage, was mit der Niere nicht in Ordnung ist, antwortete sie, die Niere ist für die Urinproduktion zuständig! Das ist ja klar, aber was hat das mit der Frage zu tun? Auch wollte sie meinen Sohn auf Diät setzen, er ist nicht der schlankeste, aber ein Baby auf Diät setzen ist doch grausam. Erklären Sie mal ihrem Baby, warum es nichts zu essen bekommt, obwohl es Hunger hat und voll gestillt wird. Nun war ich bei einer anderen Kinderärztin, und sie war voll zufrieden mit dem Kleinen. Auch sein Gewicht sei für ein Stillkind absolut in Ordnung. Fazit: Wem wirklich das Wohl seines Kindes am Herzen liegt und richtig informiert werden möchte ist hier absolut falsch.“

Die in der Bewertung enthaltenen Tatsachenbehauptungen waren unzutreffend. Das Bewertungsportal hat die entsprechende Bewertung auch gelöscht. Gleichwohl war dies der Ärztin nicht genug; sie wollte auch gegen den vermeintlichen Patienten vorgehen. Das Bewertungsportal verweigerte hingegen die diesbezügliche Auskunftserteilung über die Kontaktdaten ihres Nutzers.
Das Landgericht gab dem Plattformbetreiber nun Recht und stützt sich zur Begründung seines Urteils wiederum auf eine datenschutzrechtliche Bestimmung, nämlich die der Paragrafen 12, 13, 14 Telemediengesetz (TMG). Paragraf 13 Absatz IV TMG verpflichtet jeden Betreiber eines Internetdiensts, die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Eine derartige anonyme Nutzung wäre indes faktisch ausgeschlossen, wenn der Plattformbetreiber dem Auskunftsverlangen des Arztes stattgeben müsste. In den Urteilsgründen heißt es hierzu: „Da eine Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugeordnet werden können, mit Artikel Absatz 1 Satz 1 GG nicht vereinbar ist (vergleiche BGH, Urteil vom 23. Juni 2009, Az.: VI ZR 196/08) und Paragraf 13 TMG eine anonyme Nutzung ausdrücklich vorsieht, ist die Handhabung der Beklagten rechtlich zulässig und kann einem sich aus Paragraf 242 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB] ergebenden Auskunftsanspruch entgegen gehalten werden. Im Übrigen handelt es sich bei Paragraf 242 BGB gerade nicht um eine Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, sodass sie wegen Paragraf 12 II TMG als Rechtsgrundlage für die Verwendung erhobener personenbezogener Daten ohnehin nicht herangezogen werden kann. Darüber hinaus ist die Regelung in Paragraf 14 II TMG lex specialis zu dem allgemeinen Anspruch, sodass ein Rückgriff auf den aus Treu und Glauben abgeleiteten Auskunftsanspruch auch aus diesem Grund ausscheidet.

In Paragraf 14 II TMG ist ein Auskunftsanspruch Dritter ausdrücklich geregelt. Nach dieser Vorschrift darf der Diensteanbieter auf Anordnung der zuständigen Stellen im Einzelfall Auskunft über Bestandsdaten erteilen, soweit dies für Zwecke der Strafverfolgung, zur Gefahrenabwehr durch die Polizeibehörden der Länder, zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendiensts oder des Militärischen Abschirmdiensts oder des Bundeskriminalamts im Rahmen seiner Aufgabe zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus oder zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erforderlich ist. Die Voraussetzungen dieses Auskunftsanspruchs sind schon deshalb nicht gegeben, da das Begehren der Klägerin keinem der genannten Zwecke dient. Ein Anspruch der Klägerin nach Paragraf 14 II TMG besteht daher nicht.“

Soweit sich ein Arzt durch eine Bewertung verleumdet sieht, bleibt ihm daher nur die Möglichkeit, sich staatsanwaltlicher Hilfe zu bedienen und gegebenenfalls im Wege der Akteneinsicht die gewünschten Kenntnisse über den Nutzer zu erlangen. Ein direkter Auskunftsanspruch gegenüber dem Plattformbetreiber besteht – jedenfalls nach Ansicht des LG München I – hingegen nicht.

RA Dr. Robert Kazemi, Bonn

 

 

Rechtstipp Februar 2014: Wohlverhalten soll nicht mehr berücksichtigt werden

Wohlverhalten soll nicht mehr berücksichtigt werden

Extrem wichtige Entscheidung des Bundessozialgerichts zum Zulassungsentzug
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Urteil vom 17. Oktober 2012 (Az.: B 6 KA 49/11 R) die Rechtsprechung zum sogenannten Wohlverhalten ausdrücklich geändert. Danach soll ein Wohlverhalten des Vertragszahnarztes während des laufenden Gerichtsverfahrens in Zukunft nicht mehr berücksichtigt werden.

Worum es geht: Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist – jedenfalls bei einer noch nicht vollzogenen Zulassungsentziehung – zu prüfen, ob sich die Sachlage während des Prozesses durch ein Wohlverhalten des Zahnarztes in einer Weise zu seinen Gunsten geändert hat, dass eine Grundlage für eine erneute Vertrauensbasis zwischen dem Betroffenen und den vertragsärztlichen Institutionen wieder aufgebaut worden ist und damit eine Entziehung der Zulassung nicht mehr als angemessen erscheint. Einfacher formuliert: Es wurde also erst nach Jahren, am Tag der letzten mündlichen Verhandlung, beurteilt, ob der – einmal eingetretene – Vertrauensbruch zwischenzeitlich „durch Wohlverhalten geheilt“ worden ist.

In vielen Fällen konnte dies bejaht werden, nachdem der Zahnarzt nach dem ausgesprochenen, aber nicht vollzogenen Zulassungsentzug an der Aufklärung des Sachverhalts mitgewirkt und den angerichteten Schaden wieder gut gemacht und daneben keinerlei Veranlassung zu Beanstandungen gegeben hat.

Diese Rechtsprechung hat das BSG für sogenannte Neufälle aufgegeben. In Zukunft wird nur noch überprüft, ob im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdeausschusses die Voraussetzungen für einen Zulassungsentzug vorlagen. Auf ein sich anschließendes Wohlverhalten kommt es danach nicht mehr an.

Das Bundessozialgericht erklärt auch, ab wann diese wichtige Neuerung in der Rechtsprechung gilt: Der Senat wendet die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Wohlverhalten auf Entscheidung der Berufungsausschüsse, die nach Veröffentlichung dieses Urteils ergehen, nicht mehr an. Allerdings – und dies dürfte für viele Zahnärzte relevant sein – bleibt es bei der bisherigen Rechtsprechung, soweit Zahnärzte bei lange laufenden Gerichtsverfahren davon abgesehen haben, sich nach (mutmaßlich) eingetretener Bewährung um eine neue Zulassung zu bewerben. Das allerdings kommt auch nur dann in Frage, wenn die grundsätzlich vom Bundessozialgericht für ein Wohlverhalten vorausgesetzte „Bewährungszeit“ von fünf Jahren seit der Entscheidung des Berufungsausschusses bereits verstrichen ist.

Daraus ergibt sich wiederum, dass Zahnärzte, die sich momentan in einem Zulassungsentzugsverfahren befinden, das nicht bis zur Veröffentlichung der Entscheidung des Bundessozialgerichts mit einer Entscheidung des Berufungsausschusses abgeschlossen worden ist, ihre Überlegungen grundlegend ändern sollten. Es ist jetzt – allerdings nur nach gründlicher und sorgfältiger Beratung – zu erwägen, bei eindeutiger Sachlage die Entscheidung nicht anzufechten beziehungsweise vorher auf die Zulassung selbst zu verzichten. Diesen Zahnärzten bleibt natürlich ebenfalls die Möglichkeit eröffnet, nach einer bestimmten Bewährungszeit eine neue Zulassung zu beantragen. Allerdings nehmen sie bis dahin grundsätzlich nicht an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil.

Es dürfte also klar sein, dass Zahnärzte, die in der misslichen Situation eines solchen Verfahrens stehen, jetzt besonders hohes Augenmerk auf ihre wirksame Vertretung legen müssen. Dabei hat sich bewährt, die Vertretung in solchen Verfahren nicht nur einer Person, sondern einem Kompetenzteam zu überlassen. Idealerweise sollten sich dabei ein Fachmann für vertragszahnärztliche Fragen, ein weiterer Fachmann für strafrechtliche Zusammenhänge und schließlich ein Fachmann für rein abrechnungstechnische Fragen befinden. Dabei ist von dem Gedanken auszugehen, dass die Sozialgerichte oft nicht die ausreichende Kompetenz für reine Abrechnungsfragen haben und auch die von Gerichten beauftragten Gutachter nicht ausnahmslos richtigliegen. Alle Menschen machen Fehler, so auch die Zuständigen bei den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen. Hier gilt es, etwaige Fehlvorstellungen von Abrechnungsfragen konsequent herauszufiltern, zu bezeichnen und notfalls vor Gericht zu eliminieren.

Letztlich können die Gründe für den Entzug einer vertragszahnärztlichen Zulassung vielfältig sein. Nach dem Gesetz kommt es auf eine gröbliche Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten an. Das Bundessozialgericht geht so weit, neben Verstößen gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung als – weitere – relevante Pflichtverstöße alle Gesetzesverstöße (zum Beispiel Straftaten, berufsrechtliche Vergehen, wettbewerbsrechtliche Verstöße) anzusehen, die im Zusammenhang mit der vertragszahnärztlichen Tätigkeitsausübung begangen werden (sogenannte weite Auslegung). Damit ist es letztlich eine Pflicht des Vertragszahnarztes, bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit keinerlei Gesetzesverstöße zu begehen.

Diese Auffassung hat natürlich in Zeiten, in denen die Berichterstattung über Steuerhinterziehungen und Straftaten im Zusammenhang mit politisch/weltanschaulichen Verhaltensweisen an der Tagesordnung ist, besondere Bedeutung.

Dr. Frank Ihde, Hannover

 

 

Rechtstipp Januar 2014:: Behandlung minderjähriger Patienten erfordert zwingend Einwilligung beider Eltern

Behandlung minderjähriger Patienten erfordert zwingend Einwilligung beider Elternteile!!!

Der Alltag in Zahnarztpraxen sieht doch so aus, dass minderjährige beziehungsweise jugendliche Patienten, ob nun Kassen- oder Privatpatienten, ohne ihre Eltern zur Behandlung erscheinen. Gerade Jugendliche gehen häufig alleine zu ihrem Erstbesuch in die Zahnarztpraxis. Bereits hier können Fehlerquellen entstehen, die im weiteren Verlauf der Behandlung unbeachtet bleiben und rechtliche als auch wirtschaftliche Folgen für den Zahnarzt nach sich ziehen können. Diese gilt es zu vermeiden.

Gerade Mädchen sehen häufig älter aus als sie eigentlich sind. Beim Ausfüllen des Anamnesebogens beziehungsweise Abschluss des Behandlungsvertrags wird daher häufig gar nicht da­rauf geachtet, wie alt der Patient beziehungsweise die Patientin eigentlich ist. Dabei gilt das Gleiche wie beim Alkoholverbot: zwingende Kontrolle durch das Praxispersonal und letztlich auch den Zahnarzt. Denn nicht nur im Hinblick auf eine ordnungsge­mäße Aufklärung sondern auch hinsichtlich des Honoraranspruchs lauern Gefahren für den Zahnarzt.

• Aufklärung: Bei minderjährigen Patienten gelten Besonderheiten im Hinblick auf die Aufklärung. Bei Kindern unter 14 Jahren ist immer zwingend die Einwilligung der Eltern in eine Behandlung einzuholen, und zwar grundsätzlich die beider Eltern! Kinder können nicht selbst in die Behandlung einwilligen. Daher sind mit Ausnahme von Eil- und Notfällen auch die Eltern über die Behandlung und deren Risiken vollständig aufzuklären. Dies ist auch bei zahn­ärztlichen Behandlungen relevant. Beispielsweise bei der Aufklärung über Risiken einer Leitungsan­ästhesie. Der Jugendliche wird bei Schmerzen während der Behandlung sicherlich eine Leitungs­anästhesie haben wollen. Es reicht dabei aber nicht nur, den Jugend­lichen über die möglichen Folgen aufzuklären.

Der Wille von Patienten, die jünger als 18 Jahre sind, muss mitberücksichtigt werden, wenn sie ein­willigungsfähig sind. Dies ist dann der Fall, wenn er nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung und die Tragweite des Eingriffs und der damit verbundenen Risiken erkennt und beurteilen kann. Hier zeigt sich wieder die Unpraktikabilität derartig schwammiger juristischer Formulierungen. Wie das in der Praxis beurteilt werden soll, sagt na­türlich niemand. Als Faustformel hat die Rechtsprechung auf das 14. Lebensjahr abgestellt und hier zum Teil die Einwilligungsfähigkeit angenommen. Für den Praxis­inhaber bedeutet dies, in jedem Einzelfall nach Schwere des Eingriffs und dem Alter des Patienten abzuwägen. Klare Vorgaben an denen man sich orientieren kann, gibt es leider nicht.

Dieser Aspekt betrifft zunächst nur die Einwilligungsfähigkeit des Patienten in die Behandlung. Diese ist für jede zahnärztliche Behandlung zwingend erforderlich. Denn grundsätzlich stellt jeder (zahnärztliche) Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten eine Körperverletzung dar und kann nur durch eine wirksame Einwilligung des Patienten beziehungsweise der gesetzlichen Vertreter gerechtfertigt werden. An die Frage der Einwilligung schließt sich dann folgerichtig die Frage an, was mit dem Honorar­anspruch für die erbrachte Leis­tung passiert, wenn keine Einwilligung durch den Patienten bezie­hungsweise die gesetzlichen Vertreter vorliegt.

Mit Urteil vom 5. September 2013 hat das Landgericht (LG) Wiesbaden (Az. 9 S 14/13) entschieden, dass ein mit einer minderjährigen Patientin (17 Jahre) geschlossener privatärztlicher Behandlungsvertrag mangels Genehmigung der gesetzlichen Vertreter und nachträglicher Genehmigung durch die Patientin, die mittlerweile 18 Jahre alt war, schwebend unwirksam ist und hieraus kein Honoraranspruch besteht. Die seinerzeit gesetzlich krankenversicherte und minderjährige Beklagte begab sich in privatärztliche Behandlung. Die schriftliche Genehmigung der gesetzlichen Vertreter oder der später volljährigen Patientin wurde nicht eingeholt.

Das Gericht entschied: Der zunächst vorläufig unwirksame Behandlungsvertrag sei weder von den gesetzlichen Vertretern noch nach Erlangung der Volljährigkeit von der Patientin selbst genehmigt worden. Zwar könne eine Genehmigung grundsätzlich auch konkludent erfolgen. Allein durch das Erscheinen der Patientin in der Praxis und die Inanspruchnahme der ärztlichen Leis­tung nach Erlangung der Volljährigkeit könne man jedoch nicht darauf schließen, dass diese von der schwebenden Unwirksamkeit wusste und durch ihre weiteren Besuche ihrem Willen Ausdruck verleihen wollte, den Behandlungsvertrag nunmehr mit allen für sie verbundenen Folgen verbindlich werden zu lassen.

Bei der Behandlung von Minderjährigen bedarf es einer besonderen Sorgfalt, die letztlich nicht nur dem Schutz des Patienten, sondern auch dem Zahnarzt selbst dient. Neben bestehenden Haftungsrisiken wegen Aufklärungsfehlern ist oftmals auch der Honoraranspruch des Zahnarztes aufgrund unwirksamer Einwilligungen in die Behandlung gefährdet. Daher ist es für den Zahnarzt unerlässlich, bereits bei Aufnahme des Patienten beziehungsweise spätestens bei Unterzeichnung des Behandlungsvertrags mit einem jungen Patienten auf vermeintliche „Kleinigkeiten“ wie das Alter zu achten und sich insbesondere zu vergewissern, dass erforderliche Einwilligungen der Eltern vorliegen.

Alexandra Eppelsheim, Frankfurt (Main)

 

 

Rechtstipp Dezember 2013; OLG Köln: Anspruch auf kostenlosen Branchenbucheintrag gegenüber der Telekom auch unter Phantasiebezeichnung

Vor allem die Streitereien um die sog. Gewerbeauskunfts-Zentrale, die zahlreiche Gewerbetreibende in den vergangenen Jahren in eine kostspielige Vertragsfalle gelockt hat, steht im Fokus, wenn es um Branchenbucheinträge geht.

Wie einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln zu entnehmen ist, bedarf es jedoch derartiger kostspieliger Einträge in der Regel nicht, denn die Telekom ist in der Regel zum kostenfreien Brancheneintrag verpflichtet (OLG Köln, Urt. v. 13.02.2013, 11 U 136/11).        Der Betreiber eines selbstständigen Kundendienstbüro einer Versicherungsgruppe, tritt unter der Bezeichnung „I Kundendienstbüro I2″ am Markt auf. Seinen Telefonanschluss für seine Büros hatte er bei der Telekom angemeldet. Diese nahm den Betreiber im Kommunikationsverzeichnis jedoch mit der Namensbezeichung: „I2 Versicherungen“ auf. Zu Unrecht, wie das OLG Köln nunmehr bestätigt.

Nach § 45 m Abs. 1 TKG kann der Teilnehmer von dem Anbieter eines öffentlichen Telefondienstes jederzeit verlangen, mit seiner Rufnummer, seinem Namen, seinem Vornamen und der Anschrift in ein allgemein zugängliches, nicht notwendig anbietereigenes Teilnehmerverzeichnis unentgeltlich eingetragen zu werden. Diese Vorschrift ist im Zusammenhang mit §§ 47 und § 104 TKG zu sehen. § 47 TKG betrifft das Verhältnis der Anbieter untereinander. Jeder Anbieter hat seine Teilnehmerdaten jedem anderen Anbieter zum Zwecke der Bereitstellung von Auskunftsdiensten und Teilnehmerverzeichnissen zur Verfügung zu stellen; Teilnehmerdaten nach § 47 Abs. 2 TKG sind die nach Maßgabe des § 104 TKG veröffentlichten Daten, wobei § 104 TKG zwischen dem Namen und Anschrift und zusätzlichen Angaben wie Beruf, Branche und Art des Anschlusses unterscheidet. § 104 TKG ist die datenschutzrechtliche Grundlage für die Veröffentlichung der Daten, § 47 TKG die Grundlage für die Erstellung der Verzeichnisse.

Der in den Vorschriften des TKG verwendete Begriff des Namens ist im Sinne des § 12 BGB zu verstehen, so dass der Kunde einen Anspruch auf Eintragung seines im Verkehr verwandten (Phantasie-)Namens hat, der in der Regel auch namensrechtlich geschützt ist, gleiches gilt für die Eintragung der Firma und Kennzeichnungen von Betriebsteilen und Unternehmenskennzeichen im Sinne des § 5 Markengesetz, soweit sie namensmäßige Unterscheidungskraft haben.

Dr. Robert Kazemi

 

Rechtstipp November 2013 BGH: Heimliche Personenüberwachung mittels GPS-System am Auto strafbar

BGH: Heimliche Personenüberwachung mittels GPS-System am Auto strafbar

Als ich vor einigen Wochen nachts aus dem Büro heimkam und den Fernseher einschaltet, um ein wenig zu „snappen“, blieb ich bei der Wiederholung einer nachmittäglichen „Reality-Detektiv-Serie“ stehen und war als Datenschutzrechtler mehr als überrascht, was mir da geboten wurde.

Zugegeben, auch mir ist bekannt, dass sich derartige Sendungsformate in aller Regel nicht durch eine besonders saubere juristische Recherche auszeichnen, gleichwohl orientieren sie sich doch zumindest partiell offenbar an der Wirklichkeit. In der Serie ging es um einen Geschäftsmann, der eine Geschäftsreise dazu nutzen wollte, herauszufinden, ob seine Frau ihn betrügt. Einen entsprechenden Verdacht hatte er, bediente sich jedoch zur Absicherung einer Detektei. Diese sollte die Ehefrau beschatten und herausfinden, ob diese neben der ehelichen vielleicht noch eine weitere Beziehung führte. Die Detektive begaben sich also daran, die ahnungslose Gattin zu observieren, ihr hinterherzufahren und sie auf „frischer Tat“ zu ertappen. Blöd nur, dass die Gattin, die ja von ihren Verfolgern nichts wusste, nicht darauf geachtet hatte, dass die Verfolger auch hinterherkamen. Schwupp, schon war sie ihren Verfolgern entkommen. Doch was wäre eine nachmittägliche Belustigungs-Serie ohne gewiefte Detektive mag sich der Autor des Story-Books gedacht haben und gestand seinen Akteuren eine gewisse Voraussicht zu. Diese hatten das KFZ der Gattin nämlich bereits Tage zuvor, unbemerkt und verständlicher Weise ohne Kenntnis und Einwilligung der Gattin mit einem GPS Peilsender versehen, der es ihnen nunmehr ermöglichen sollte, das Fahrzeug wiederzufinden. Dies hatte auch Erfolg, die Dame wurde in einem Park mit dem Liebhaber ertappt und gefilmt. Detektiv und Geschäftsmann waren glücklich. Ich hingegen musste die ganze Zeit darüber nachdenken, ob der Einsatz des GPS-Empfängers nicht ein bisschen zu weit ging und ob hier nicht ggf. gegen Bestimmungen zum Datenschutzrecht verstoßen wurde. Ich verwarf diesen Gedanken jedoch wieder, weil ich zugegebenermaßen dachte, derartige Räuberpistolen entspringen lediglich der Phantasie eines Autors, nicht jedoch der Realität. Weit gefehlt, wie eine aktuelle Entscheidung des BGH vom 04.06.2013 (Az. 1 StR 32/13) belegt.

In der Pressemitteilung des BGH heißt es:

„Das Landgericht Mannheim hat den Betreiber einer Detektei sowie einen seiner Mitarbeiter wegen gemeinschaftlichen vorsätzlichen unbefugten Erhebens von Daten gegen Entgelt in mehreren Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen unterschiedlicher Höhe verurteilt […] Die Angeklagten hatten verdeckt für verschiedene Auftraggeber (Privatpersonen) Überwachungsaufträge ausgeführt, die zu Erkenntnissen über das Berufs- und/oder das Privatleben von Personen (Zielpersonen) führen sollten.  […] Zur Erfüllung ihres Auftrags bedienten sich die Angeklagten in großem Umfang der GPS-Technik (Global Positioning System), indem sie einen GPS-Empfänger unbemerkt an den Fahrzeugen der Zielpersonen anbrachten. Dadurch konnten sie feststellen, wann und wo sich das jeweilige Fahrzeug aufhielt. Auf diese Weise erstellten sie Bewegungsprofile der Zielpersonen. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Landgericht die Angeklagten wegen einer Reihe strafbarer Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz (§§ 44* iVm. 43 Abs. 2 Nr. 1 ** BDSG) verurteilt. Nach Auffassung des Landgerichts waren die Angeklagten nicht im Sinne von §§ 28 Abs. 1 Nr. 2*** oder 29 Abs. 1 Nr. 1**** BDSG befugt, die GPS-Empfänger einzusetzen. Differenzierungen zwischen den einzelnen Fällen hat es nicht vorgenommen […].

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die heimliche Überwachung der „Zielpersonen“ mittels eines GPS-Empfängers grundsätzlich strafbar ist. Zwar ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall erforderlich. Jedoch kann lediglich bei Vorliegen eines starken berechtigten Interesses an dieser Datenerhebung die Abwägung ausnahmsweise (etwa in notwehrähnlichen Situationen) ergeben, dass das Merkmal des unbefugten Handelns bei diesen Einsätzen von GPS-Empfängern zu verneinen ist. […]

Bewertung:

Die Entscheidung des BGH ist folgerichtig und im Interesse eines wirksamen Datenschutzes geboten. Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten, zu denen zweifelsohne auch Standortdaten gehören, ist gemäß § 4 BDSG grundsätzlich nur zulässig, soweit das BDSG oder andere Rechtsvorschriften dies erlauben oder der Betroffene in die vorbeschriebenen Vorgänge eingewilligt hat. Eine Einwilligung lag hier sicherlich nicht vor, so dass allenfalls auf die gesetzlichen Erlaubnistatbestände des BDSG zurückgegriffen werden konnte.

In Betracht kommen hier §§ 28 und 29 BDSG, je nachdem ob es sich bei der Datenerhebung um eine solche für eigene oder eine solche für fremde (geschäftliche) Zwecke handelt. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 BDSG ist „das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäfts-zwecke“ unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. So einfach, wie die Vorschrift auf den ersten Blick auch erscheinen mag, sie ist es in der Realität und vor allem nach den umfassenden Neuregelungen durch die BDSG-Novelle II nicht. § 28 BDSG ist vielmehr ein „Sammelsurium“ von Ausnahmebestimmungen, Einschränkungen, Erweiterungen, Verweisen etc., deren Verständnis immer wieder den Blick in die gesetzlichen Regelungen sowie die hierzu veröffentlichte Kommentarliteratur und Rechtsprechung erfordert. Normadressat ist die verantwortliche (nicht-öffentliche) Stelle.  Die Erlaubnisnorm unter-scheidet danach, ob die Datenverwendung für eigene Geschäftszwecke oder zum Zweck der Übermittlung an Dritte erfolgt. Zentraler Begriff des § 28 Abs. 1 Satz 1 BDSG und damit Ausgangspunkt für die Frage, ob überhaupt eine „einwilligungslose“ Datenerhebung nach dieser Vorschrift in Betracht kommt, ist demnach das Vorliegen einer Datenerhebung für „eigene Geschäftszwecke“. Solche liegen dann vor, wenn Datenverarbeitung nicht selbst der Unternehmenszweck ist, sondern mit der Verarbeitung lediglich die eigentliche Tätigkeit der datenerhebenden Stelle unterstützt werden soll. Für die Anwendung des § 28 BDSG ist es daher entscheidend, dass die verantwortliche Stelle an den Daten ein eigenes Interesse hat, um mit dem Betroffenen in Kontakt zu treten bzw. in Kontakt zu bleiben.  Taeger  beschreibt dies zutreffend in der Form, dass die Datenerhebung und -verarbeitung einen „akzessorischen Charakter für die Geschäftsziele des Unternehmens“ trägt. Dies scheint mir im Falle der Detektei nicht ganz abwegig.

§ 28 Abs. 1 Satz 1 BDSG beschreibt insgesamt drei Zulässigkeitsalternativen. Die Datenerhebung im Rahmen rechtsgeschäftlicher oder rechtsgeschäftsähnlicher Schuldverhältnisse, die Datenerhebung im Rahmen berechtigter Interessen der datenerhebenden Stelle und die Datenerhebung aus öffentlich zugänglichen Datenquellen. Die erste Alternative scheidet aus, denn zwischen dem Betroffenen (der Gattin) und der Detektei besteht gerade kein Schuldverhältnis. Fraglich bliebt also, ob die Datenerhebung hier berechtigten Interessen der datenerhebenden Stelle folgt.

Wann ein berechtigtes Interesse der datenerhebenden Stelle vorliegt, definiert das BDSG selbst nicht. Allgemein anerkannt ist jedoch, dass dieses nicht rechtlicher, sondern auch ideeller oder wirtschaftlicher Natur sein kann, solange es sich um ein von der Rechtsordnung gebilligtes Interesse handelt.  Da auch die Datenerhebung im berechtigten Interesse dem Zweckbestimmungsgrundsatz unterliegt, ist bei der Beurteilung des Vorliegens eines berechtigten Interesses auch die grundsätzliche Wertung und Zweckrichtung des BDSG zu berücksichtigen. Weiterhin gilt, dass § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG eng auszulegen ist, damit er nicht zum Auffangtatbestand für beliebige Datenverarbeitungen umfunktioniert wird.  Dennoch ist es verfehlt, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG als „Ausnahme zum Regelfall“  zu bezeichnen und den Anwendungsbereich der Vorschrift gleichsam durch § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG verdrängt zu sehen. Ein solches Verständnis lässt sich weder dem Gesetzestext noch der Systematik des § 28 Abs. 1 BDSG an sich entnehmen. Es ist vielmehr so, dass § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG selbstständig neben der Ausnahmeregelung des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG Anwendung findet. Selbst wenn die Verarbeitung eines personenbezogenen Datums gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG wegen Erreichung des Vertragszwecks unzulässig werden sollte, kann sich eine Rechtfertigung zur weiteren Datenverarbeitung daher aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG ergeben.  Auch in § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG findet jedoch das bereits aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG bekannte „Erforderlichkeitskriterium“ Anwendung. Auf die Ausführungen zu Inhalt und Reichweite kann zur Vermeidung von Wiederholungen daher grundsätzlich verwiesen werden. Was im datenschutzrechtlichen Sinne erforderlich ist, ist daher auch im Rahmen der Prüfung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG eine (Wertungs-)Frage des Einzelfalles. Die Zweckbestimmung des „berechtigten Interesses“ begrenzt die durch sie legitimierte Datenverarbeitung. Nur was zur Erreichung eines anerkannten „berechtigten Interesses“ der datenerhebenden Stelle gespeichert werden muss, kann überhaupt Gegenstand einer einwilligungslosen Datenerhebung auf Basis des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG sein. Das „Müssen“ in vorgenanntem Sinne darf nach h.M. jedoch nicht in einem Sinne verstanden werden, dass die Datenverarbeitung aus technischen, wirtschaftlichen, organisatorischen oder sonstigen Gründen „schlechterdings unverzichtbar wäre“;  es reicht, wenn nach den Gesamtumständen die Wahl einer anderen Informationsmöglichkeit oder der Verzicht hierauf nicht sinnvoll wäre.  Dies mag man also noch begründen können, obgleich sich bereits hier die Frage stellt, ob auch ein „einfaches“ Hinterherfahren nicht bereits weniger einschneidend wäre.

Doch selbst wenn man (noch) ein berechtigtes Interesse der Detektei annehmen wollte, muss beachtet werden, dass das Vorliegen berechtigter Interessen für die Beurteilung der einwilligungslosen Datenverarbeitung im Lichte des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG nicht allein ausschlaggebend ist. Vielmehr sind hier auch die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen im Rahmen einer Interessenabwägung zu berücksichtigen. Betrachtet man in diesem Zusammenhang den Grundsatz der Datensparsamkeit sowie den für die Datenspeicherung stets zu beachtenden Erforderlichkeitsgrundsatz, bestehen jedoch erhebliche Zweifel an der Rechtfertigung der Datenerhebung mittels GPS-Überwachung. Verständlicherweise will der Betroffene eine solche ja gerade nicht und ist eine hierdurch ermöglichte Dauer- und Totalüberwachung besonders einschneidend. Zu Recht geht der BGH also davon aus, dass derartige Maßnahmen (ohne Einwilligung) des Betroffenen in der Regel unzulässig sind.

Dass das Datenschutzrecht kein „zahnloser Tiger“ ist, zeigen die verhangenen Freiheitsstrafen. Diese sind auf §§ 43, 44 BDSG zurückzuführen.

Dr. Robert Kazemi

 

 

Rechtstipp Oktober 2013 Neuer Auskunftsanspruch des Versicherten zur Kostenübernahme einer Heilbehandlung

Neuer Auskunftsanspruch des Versicherten zur Kostenübernahme einer Heilbehandlung

Mit dem Gesetz zur Änderung versicherungsrechtlicher Vorschriften vom 24. April 2013 (BGBl. I 2013, S. 932 ff.), welches mit Wirkung zum 01.05.2013 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber einige Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) zugunsten der Versicherungsnehmer bei einer privaten Krankenversicherung novelliert.

So gibt es nun für privat Versicherte die Möglichkeit, vor der Behandlung eine verbindliche Aussage zur Kostenübernahme einzuholen. Rechtsgrundlage ist dabei der in § 192 VVG neu eingefügte Absatz 8: (8) Der Versicherungsnehmer kann vor Beginn einer Heilbehandlung, deren Kosten voraussichtlich 2.000 Euro überschreiten werden, in Textform vom Versicherer Auskunft über den Umfang des Versicherungsschutzes für die beabsichtigte Heilbehandlung verlangen. Ist die Durchführung der Heilbehandlung dringlich, hat der Versicherer eine mit Gründen versehene Auskunft unverzüglich, spätestens nach zwei Wochen, zu erteilen, ansonsten nach vier Wochen; auf einen vom Versicherungsnehmer vorgelegten Kostenvoranschlag und andere Unterlagen ist dabei einzugehen. Die Frist beginnt mit Eingang des Auskunftsverlangens beim Versicherer. Ist die Auskunft innerhalb der Frist nicht erteilt, wird bis zum Beweis des Gegenteils durch den Versicherer vermutet, dass die beabsichtigte medizinische Heilbehandlung notwendig ist. Somit wurde ausdrücklich in das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ein neuartiger Auskunftsanspruch über den Versicherungsschutz aufgenommen, damit der Patient vor Behandlungsbeginn darüber informiert ist, ob die Kosten der geplanten Behandlung übernommen werden. Der Auskunftsanspruch greift allerdings nur in den Fällen, in denen die voraussichtlichen Behandlungskosten 2.000 Euro überschreiten und ein Kostenvoranschlag eingereicht wird. Versicherungen müssen innerhalb von vier Wochen nach Eingang der Unterlagen eine begründete schriftliche Auskunft erteilen, in Notfällen innerhalb von zwei Wochen. Die Frist beginnt mit Eingang des Auskunftsverlangens beim Versicherer. Verstreicht diese Frist, ohne dass die Versicherung reagiert hat, gilt die beabsichtigte Behandlung als medizinisch notwendig und der Versicherer muss die Kosten übernehmen, wenn er nicht das Gegenteil beweisen kann. Kritische Anmerkung: Es bleibt abzuwarten, wie Versicherungen mit dieser neuen Bestimmung umgehen werden, da hier unklar bleibt, was der Versicherer für die Auskunft prüfen soll. Die derzeitige Praxis belegt, dass die Entscheidung über die Leistungspflicht des Versicherers auf der Grundlage eines Heil- und Kostenplans häufig die Anforderung weiterer Behandlungsunterlagen wie etwa detaillierte Befundberichte, Modelle, Röntgenbilder etc. erfordert. Es erscheint zumindest fraglich, ob vor diesem Hintergrund eine Prüfung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung innerhalb der vorgesehenen zwei Wochen zu leisten ist. Hinzu kommt, dass eine abschließende gebührenrechtliche Wertung eines zahnärztlichen Heil- und Kostenplans erst nach Durchführung der Behandlung möglich ist, zumal die Material- und Laborkosten vom Behandler vorab nur geschätzt werden können. Es bleibt insoweit zu befürchten, dass die neue Regelung nicht zu der vom Gesetz angestrebten Rechtssicherheit zugunsten des Versicherten führt und an der Stelle neue Streitpunkte eröffnet werden.

 

 

Rechtstipp September 2013 BAG: Volle Vergütung für wenig Arbeit?

BAG: Volle Vergütung für wenig Arbeit?

Einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG)  vom 15.05.2013 (10 AZR 325/12) liegt ein durchaus kurioser Sachverhalt zugrunde.  Nach einem Arbeitsvertrag musste eine Arbeitnehmerin „auch außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit tätig … werden“,

wobei der Vertrag keine ausdrücklichen Regelungen zur Arbeitszeit enthielt. Hieraus folgerte die Arbeitnehmerin, die ein Jahresgehalt von ca. 95.000,00 Euro brutto bezog, dass sie vertraglich nicht verpflichtet sei, betriebsüblich 38 Stunden pro Woche zu arbeiten. Sie müsse vielmehr überhaupt nicht an bestimmten Tagen und zu bestimmten Zeiten im Betrieb sein, wobei Ihre Arbeit nicht in Zeiteinheiten zu messen sei.

Angesichts dieser paradiesischen Vorstellungen und zwischenzeitlich  700 Minusstunden beschritt der Arbeitgeber den Rechtsweg und obsiegte auch von den Erfurter Richtern. Nach Auffassung des BAG gilt die betriebsübliche Arbeitszeit als vereinbart, wenn in einem Arbeitsvertrag die Dauer der Arbeitszeit nicht ausdrücklich geregelt ist. Der Arbeitsvertrag setze als Maß der zu leistenden Arbeit die betriebsübliche Arbeitszeit voraus. Anhaltspunkte für die Vereinbarung einer dem Zeitmaß enthobenen Arbeitspflicht bestünden nicht. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, Vergütung für Zeiten zu leisten, in denen die Arbeitnehmerin nicht gearbeitet habe.

RA Michael Lennartz

 

 

Rechtstipp August 2013 Arbeitsgericht Berlin: Diskriminierung wegen Kopftuch

Arbeitsgericht Berlin: Diskriminierung wegen Kopftuch

Mit Urteil vom  28.03.2012 (55 Ca 2426/12) hat das Arbeitsgericht Berlin entschieden, dass eine Stellenbewerberin um eine Ausbildungsstelle in einer Zahnarztpraxis wegen ihrer muslimischen Religionszugehörigkeit diskriminiert wird,

wenn sie bereits vor dem Abschluss des Bewerbungs-verfahrens aus dem Kreis der in Betracht zu ziehenden Bewerber ausgeschlossen wird, weil sie auf Nachfrage angibt, das Kopftuch auch während der Arbeitszeit  nicht ablegen zu wollen.

Der gewollte Ausschluss von Personen, die sich zum Islam bekennen und ihn auf ihre Art leben, stelle zwingend eine Andersbehandlung wegen der Religion dieser Personen dar.  Es bestünde auch keine Notwendigkeit, während der Tätigkeit in der Zahnarztpraxis aus zahnmedizinischen Gründen ein Kopftuch nicht zu tragen. Das Kopftuch sei nicht in stärkerem Maße ein Träger von Gesundheits-gefahren – etwa von Erregern oder Schmutz – als das menschliche Haupthaar. Es lasse sich mit Haube und Mundschutz ebenso leicht kombinieren wie mit einer einheitlichen Kleidung bestehend aus weißen Hosen, Hemden, T-Shirts oder Blusen.

Der abgelehnten Bewerberin wurde ein Schadensersatz  von drei Monatsbruttoentgelten zugbilligt, die sie im hypothetischen Ausbildungsverhältnis verdient hätte.

RA Michael Lennartz