Rechtstipp Oktober 2014 – Zahnarzt-Werbung mit pauschal rabattierten Sonderpreisen ist unzulässig

LG Oldenburg ändert Rechtsprechung – RA Tim Oehler zum Thema Abmahnungen gegen unlautere Werbung

Ärztliche und zahnärztliche Kammern legen das Vorgehen gegen unlautere Werbung von Ärzten und Zahnärzten zunehmend in die Hände von Einrichtungen, die sich die Überwachung des Wettbewerbs zur Selbstaufgabe gemacht haben. Zu diesem eigenen Aufgabenkreis zählen die Einrichtungen zur Überwachung des Wettbewerbs im Gesundheitswesen. Exemplarisch und nicht abschlie­ßend zu nennen sind zum Beispiel die Wettbewerbszentrale und der Verband sozialer Wettbewerb. Diese sprechen zahlreiche Abmahnungen gegenüber Ärzten und Zahnärzten aus.

Wird der Abmahnung nicht nachgekommen, ziehen die Verbände vor Gericht. Dort wird versucht, ein Präzedenzurteil zu erwirken. Gelingt dies, wird darauf aufbauend gegen weitere Ärzte und Zahnärzte vorgegangen, die sich in derselben Art und Weise wettbewerbswidrig (zum Beispiel durch unzulässige Werbung) verhalten.

Partnergutschein für PZR-Behandlung

Das Landgericht (LG) Oldenburg hatte in einem Urteil vom 8. Januar 2014 (Az.: 5 O 1233/13) über die Klage eines Verbands zur Förderung gewerblicher Interessen gegen einen Zahnarzt zu entscheiden. Der Verband sah einen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in einer Werbeaktion. Gegenstand dieser Werbeaktion war, dass ein Partnergutschein beworben, verteilt beziehungsweise eingelöst wurde, bei dessen Vorlage zwei Personen eine Professionelle Zahnreinigung (PZR) zum Preis von 69,90 Euro erhalten und/oder ein Zahnbleaching für 250 Euro statt 350 Euro pro Person.

Nach Ansicht der Richter verstieß die Werbung gegen ärztliches Preis- und Werberecht. Die PZR ist unter der Nummer 1040 in der Gebührenordnung für Zahn­ärzte (GOZ) enthalten. Das Zahnbleaching stellt unter Heranziehung eines Gutachtens der Bundeszahnärztekammer eine zahn­ärztliche Leistung dar.

Zahnärztliche Leistungen sind nach der Gebührenordnung (GOZ) abzurechnen. Das Landgericht Oldenburg folgte nunmehr ausdrücklich vergleichbaren Entscheidungen des Oberlandesgerichts (OLG) Köln und des Landgerichts Berlin. Das OLG Köln hatte ausdrücklich begründet, dass im ärztlichen Bereich Rabatte nach der ärztlichen Gebührenordnung unzulässig sind. Auch das Landgericht Berlin vertritt den Standpunkt, dass Rabatte für zahnärztliche Leistungen sowie Festpreise gegen die Berufsordnung verstoßen und damit wettbewerbswidrig sind.

Das Gericht wies zwar darauf hin, dass zahnärztliche Werbung eine Meinungsäußerung darstellt, die grundgesetzlich geschützt sei. Darüber hinaus wurde in die Abwägung eingestellt, dass ein Zahnarzt als Angehöriger eines freien Berufs den Schutz der grundgesetzlich geschützten Berufsfreiheit genießt. Dem stellten die Richter dennoch gegenüber, dass die Gesundheit der Bevölkerung und eine verlässliche ärztliche Versorgung einen sensiblen Bereich betreffen. Nicht ohne Grund sollen sich die Patienten darauf verlassen können, dass zahnärztliche Leistungen der Gesundheit zu dienen haben. Die Tätigkeiten müssen indiziert sein und eine freie Entscheidung ermöglichen, ohne dass Patienten dem Lockeffekt von „Sonderangeboten“ erliegen.

Keine Vergleichbarkeit mit Entscheid des Bundesverfassungsgerichts

Insoweit unterscheidet sich nach Ansicht der Richter dieser Sachverhalt von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (1. Juni 2011, Az.: 1 BvR 233/10). Dort sei zum einen lediglich ausgeführt worden, dass eine Verlosung als solche nicht per se wettbewerbswidrig ist, und zum anderen sei gerade für das Zahnbleaching eingeschränkt worden, dass gesundheitliche Risiken bedacht werden müssen.

Es überzeugte die Richter nicht der Einwand, dass die Sätze der GOZ durch Individualvereinbarung unterschritten werden können, weil dadurch nicht der Werbe­effekt mit pauschalen rabattierten Sonderpreisen ausgeräumt werde. Auch eine zeitliche Befristung änderte daran nichts. Es gehe nämlich nicht nur um den Wettbewerb unter Zahnärzten und einen ruinösen Preiskampf, sondern das UWG sei in jüngerer Zeit verbraucherorientiert geworden. Hier ginge es um den Schutz der Patienten, die nicht durch Preisverlockungen zu zahnärztlichen Leistungen und damit zur Heilbe­handlung verleitet werden sollen.

Ausdrückliche Aufgabe der Rechtsprechung

Bemerkenswert ist, dass das Gericht ausdrücklich darauf hinwies, dass es in seinem Urteil vom 2. Juni 2010 (Az.: 5 O 1974/ 09) eine vergleichbare Werbung noch für zulässig gehalten hat, jedoch diese Rechtsprechung nunmehr ausdrücklich aufge­ge­ben hat. Es hält an dieser Entscheidung nicht mehr fest. Damals war das Gericht noch davon ausgegangen, dass die PZR eine rein kosmetische Maßnahme darstellt. Nicht festlegen wollte sich das Landgericht dagegen bei der Frage, ob die Angabe eines Festpreises für sich genommen zulässig ist. Aus diesen Gründen ist also Vorsicht geboten.

Patientenorientierung des Wettbewerbsrechts

Das Wettbewerbsrecht ist trotz der bisherigen Liberalisierungs­tendenzen keine „Einbahnstraße“ in Richtung grenzenloser Werbung. Eine bisher zulässige Werbung kann sich – wie dieses Urteil eindrücklich zeigt – in das Gegen­teil verkehren. Unter Hinweis auf die Verbraucher- und somit Patien­tenorientierung hat das Gericht sein Urteil begründet. Aus einem derartigen Grundsatz-Programm können sich durchaus zukünftig strengere Vorgaben für zahnärztliche Werbung ergeben. Denn bisher wurde „lediglich“ auf den rui­nö­sen Preiskampf zwischen Zahn­ärzten abgestellt. Diese Konkurrenz zwischen Zahnärzten führt auch zu Abmahnungen zwischen „Kollegen“.

Wer von einer derartigen Abmahnung betroffen ist, sollte diese gründlich durchsehen beziehungsweise durchsehen lassen. Nicht selten finden sich überzo­ge­ne Anforderungen in einer vor­ge­fertigten Unterlassungserklä­rung. Wird eine derartig umfangreiche Unterlassungserklärung einmal abgegeben, bindet sie den Zahnarzt auch dann, wenn eine re­duzierte Unterlassungserklärung eben­so rechtlich ausreichend gewesen wäre.

Rechtsanwalt Tim Oehler, Osnabrück

 

 

Rechtstipp September 2014 – Private Krankenversicherung darf Patienten über „wucherisches Zahnarzthonorar“ informieren

Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf würdigt allerdings wichtige Punkte aus Sicht des Zahnarztes nicht

Patienten füttern auf Zahnarzt-Bewertungsportalen das gern bediente Wucher-Image von Zahnärzten, wenn sie sich über eine Rechnung ärgern. Dem Frust machen die Patienten Luft, indem sie die Rechnung als extrem überhöht beschreiben und sich mit diesen „letzten“ Worten von ihrem Zahnarzt verabschieden. Als Überbleibsel der bis dahin harmonischen Zahnarzt-Patienten-Beziehung bleibt der wenig schmeichelhafte lebenslange Eintrag im Bewertungsportal. Dass dies nicht immer zulässig ist und rechtlich angegriffen werden kann, spielt für die wenigsten Patienten eine Rolle.

Inwiefern ein Zahnarzt sich mit dem Vorwurf florierenden Wuchers durch eine private Krankenversicherung abfinden muss, hatte nunmehr das OLG Düsseldorf in einem aktuellen Urteil (OLG Düsseldorf, Urteil vom 28. Mai 2014, Az.: I-15 U 45/14) zu entscheiden. Viel Brisanz erhielt dieser Fall dadurch, dass der Patient anscheinend das Schreiben der privaten Krankenversicherung zum Anlass genommen hatte, sich nicht weiter von dem Zahnarzt behandeln zu lassen. Es dürfte zahlreichen Zahnärzten durchaus bekannt vorkommen, dass sich Patienten nach einem Schreiben einer privaten Krankenversicherung abwenden und einem neuen Behandler zuwenden.

Ablehnungsschreiben mit Wucher-Vorwurf

Zu beurteilen war der Fall eines Zahnarztes, bei dem die private Krankenversicherung mit folgendem, hier auszugsweise präsentierten Schreiben reagierte: „Außerdem verstößt die Vereinbarung wegen des sehr hohen Steigerungssatzes gegen Paragraf 138 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und ist daher unwirksam. Gemäß Paragraf 138 Absatz 2 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zur Leistung stehen. Bei Prüfung des Begriffs ‚auffällig‘ ist stets eine umfassende Würdigung des Einzelfalls vorzunehmen. Bei Zinsen und bei anderen marktgängigen Leistungen ist auf das Verhältnis des vereinbarten Preises und des Marktpreises abzustellen. Die Wuchergrenze liegt dort in der Regel mindestens beim Zweifachen. Bei der Vereinbarung des über 8,0-fachen Gebührensatzes kann man unseres Erachtens Wucher annehmen […]. Unabhängig hiervon empfehlen wir Ihnen, sofern Sie die Behandlung bei Herrn Dr. G fortsetzen, uns seinen Heil- und Kostenplan zur Vorabprüfung einzureichen.“

„Honorarkürzung“-Entscheid als Vorbild

Nach Ansicht des OLG Düsseldorf war der Fall in Parallele zu dem Urteil „Honorarkürzung“ des Bundesgerichtshofs (BGH) zu beurteilen (BGH, Urteil vom 19. Juli 2012. Az.: I ZR 105/11). In dem BGH-Entscheid sollte auf einen Haftpflichtversicherer eingewirkt werden, um ihn daran zu hindern, im Rahmen der außergerichtlichen Schadensregulierung Sachverständigenhonorare ohne auf den Einzelfall bezogene Prüfung und Begründung allein unter Hinweis auf pauschale Vergütungssätze zu kürzen, die nach der Höhe des Unfallschadens gestaffelt sind.
Der BGH ging von der Erwägung aus, dass auf den Ablauf eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens nicht dadurch Einfluss genommen werden und seinem Ergebnis nicht dadurch vorgegriffen werden soll, dass ein an diesem Verfahren Beteiligter durch Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geklärt werden. Einer Klage auf Unterlassung oder Beseitigung von Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren dienen, fehle daher das Rechtsschutzbedürfnis. Ausnahmsweise bleibt die Möglichkeit der Durchsetzung entsprechender Unterlassungs- beziehungsweise auf Widerruf gerichteter Begehren in einer gesonderten Klage in solchen Fällen, in denen es an einem Bezug der den Dritten betreffenden Äußerungen zum Ausgangsverfahren mangelt, die Äußerungen evident falsch sind oder eine unzulässige Schmähung darstellen, bei der nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Dritten im Vordergrund steht.

Fall der privaten Krankenversicherung vergleichbar

Es existieren nach Ansicht der Düsseldorfer Richter keine relevanten Unterschiede zwischen den Versicherungssparten „Kfz-Haftpflicht“ und „private Krankenversicherung“, die einer Übertragung entgegenstehen. Eine spätere rechtliche Auseinandersetzung zwischen Krankenversicherer und Versicherungsnehmer droht, die in einen Versicherungsprozess münden kann, wenn der private Krankenversicherer und der Versicherungsnehmer die Frage der Berechtigung eines (zahn)ärztlichen Honorars und die korrespondierende Frage der Verpflichtung zur Erstattung entsprechender Aufwendungen kontrovers diskutieren. Erfahrungsgemäß verhalte es sich so, dass die Ablehnung eines ärztlichen Heil- und Kostenplans oder (vor allem) die Ablehnung der Erstattung des an einen Arzt gezahlten Honorarbetrags den Versicherungsnehmer veranlasst, einen Rechtsstreit gegen seine private Krankenversicherung anzustrengen.

Privileg der privaten Krankenversicherung

Auch vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung bemühte Begründungen einer privaten Krankenversicherung für die Ablehnung einer Honorarerstattung seien daher privilegiert. Es verbiete sich eine Aufspaltung in Äußerungen inner- und außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens vor dem Hintergrund des Verbots von der Anspruchsabwehr dienenden Äußerungen. Der privaten Krankenversicherung darf kein bestimmtes Regulierungsverhalten vorgeschrieben werden, und zwar grundsätzlich auch nicht in Bezug auf den Inhalt der Begründung von anspruchsablehnenden Schreiben.
Irrelevant ist dabei, ob ein Rechtsstreit zwischen der Versicherung und dem Versicherungsnehmer anhängig ist oder bevorsteht. Zu berücksichtigen ist, dass die Kürzung eines aus einer privaten Krankenversicherung resultierenden Erstattungsanspruchs daher regelmäßig zugleich der konkreten Vorbereitung einer unter Umständen gerichtlichen Auseinandersetzung dient.

Unkorrekte Ablehnung war vorherzusehen

Nach Ansicht der Richter war die Äußerung der Versicherung nicht etwa auf der Hand liegend falsch. Denn das Doppelte des üblichen Honorars wird als kritische Grenze gesehen. Unerheblich sei in diesem Zusammenhang weiter, dass die Versicherung im Zeitpunkt des Absendens des Schreibens aufgrund von anderweitigen, ihr Regulierungsverhalten betreffenden Gerichtsentscheidungen wusste beziehungsweise wissen musste, dass ein Missverhältnis nicht isoliert aus der Höhe der Vergütung abzuleiten ist, sondern vom Wert der ärztlichen Leistung im Einzelfall abhängt. Es ist einer Versicherung nicht verwehrt, an ihrer rechtlichen Argumentation festzuhalten und gegebenenfalls eine weitere Niederlage in einem Versicherungsrechtsstreit zu riskieren.

Keine Zahnarzt-Schmähung

Ob eine unzulässige Schmähkritik vorliegt, kann nicht ohne den Kontext, in dem die Äußerung steht, und die Art der Öffentlichkeit, an welche sie sich wendet, beurteilt werden. Nach Ansicht des Gerichts ging es nicht darum, den Zahnarzt „unabhängig von der konkreten Rechnungsprüfung ohne Not, sozusagen auf Vorrat“ als Wucherer zu bezeichnen. Vielmehr stand die Frage nach der angemessenen Honorarhöhe im Vordergrund und nicht die Diffamierung des Zahnarztes. Daran konnten nach Ansicht der Richter die Worte beziehungsweise Passagen „Verbot des Wuchers“, „Gebot der angemessenen Honorargestaltung“, „sachlich nicht begründbare willkürliche Honorarfestlegung“ nichts ändern. Genauso konnte die Formulierung „unabhängig hiervon empfehlen wir Ihnen, sofern Sie die Behandlung bei Herrn Dr. G. fortsetzen, uns seinen Heil- und Kostenplan zur Vorabprüfung einzureichen“ nicht als Anhaltspunkt für eine Diffamierung herhalten. Es konnte nicht daraus abgeleitet werden, der Zweck des Schreibens bestehe allein in der Verächtlichmachung, Herabwürdigung und Kreditgefährdung des Zahnarztes. In diesem Zusammenhang sei nämlich auch zu beachten, dass eine private Krankenversicherung sich – und zwar auch im Interesse des Patienten – eine Rechtsauffassung zur Erstattungsfähigkeit (zahn)ärztlicher Leistungen bilden muss.

Universitäres Behandlungsniveau steht Privileg nicht entgegen

Der Zahnarzt hatte Rechtsprechung (wohl von ihm erstrittene Urteile) sowie eine gutachterliche Stellungnahme der Zahnärztekammer Nordrhein aus dem Jahr 2014 und ein Sachverständigengutachten aus einem anderen Prozess vorgelegt. Sämtliche Unterlagen bescheinigten dem Zahnarzt, besonders akribisch beziehungsweise auf Universitätsniveau zu arbeiten, weshalb die sehr hohen Steigerungsraten angemessen seien. Das Gericht erkannte den eingereichten Unterlagen ihre Berechtigung zu – und trotz dieser Fakten stünde dies der Privilegierung der Versicherung nicht entgegen.

Zusammenfassung

Der Zahnarzt kann die private Krankenversicherung nicht dazu zwingen, bezogen auf eine konkrete Position einer ihr zur Erstattung eingereichten Arztrechnung im Einzelnen gegenüber ihrem Versicherungsnehmer darzulegen, warum der Gebührenansatz nach dem Schwierigkeitsgrad der abgerechneten Leistung und dem dafür üblicherweise einzusetzenden Zeitaufwand unangemessen hoch und daher wucherisch sei. Dies gilt zumindest dann, solange die private Krankenversicherung im Rahmen einer allgemein gehaltenen, anlassbezogenen Begründung nicht die Grenze zur unerlaubten Schmähkritik beziehungsweise Formalbeleidigung überschreitet.

Das Urteil ist meines Erachtens nicht nachvollziehbar. In der Entscheidung „Honorarkürzung“ des Bundesgerichtshofs ging es um deutlich zurückhaltendere Formulierungen. Obwohl der privaten Krankenversicherung in diesem Fall wohl doch bekannt war, dass die Gebührensätze des Zahnarztes eine „wuchtige“ Untermauerung mit dem Gutachten der Zahnärztekammer, eines Sachverständigen und anderen Urteilen besitzen, wählte sie trotzdem bewusst Formulierungen und Inhalte, die den Zahnarzt der Gefahr eines Strafverfahrens und Disziplinarverfahrens aussetzen. Dieses Wissen muss Folgen haben.

Es zeugt nicht von einer umfassenden Würdigung durch das Gericht, wenn diese Gesichtspunkte außen vor gelassen werden. Festgehalten werden muss, dass sich ein Zahnarzt derartige Vorwürfe, die auf strafrechtliche und berufsrechtliche Verfehlungen abzielen, nicht vorhalten lassen muss. Inwiefern der Zahnarzt an dieser Stelle selbst mit dem scharfen „Schwert des Strafrechts“ gegen die private Krankenversicherung vorgehen kann, bedarf einer Einzelfallprüfung. Dass sich die Äußerungen einer privaten Krankenversicherung an dem Strafrecht messen lassen müssen, kann auch durch dieses Urteil des OLG Düsseldorf nicht verhindert werden.

Rechtsanwalt Tim Oehler, Osnabrück

 

 

Rechtstipp August 2014 – OLG Köln: Eine nicht gegen Veränderungen geschützte elektronische Dokumentation hat im Zweifel keinen Beweiswert

Nach dem neuen § 630 f ist ein Behandler verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen. Im Falle von Berichtigungen und Änderungen in der Patientenakte muss zum einen der ursprüngliche Inhalt sowie zum anderen erkennbar bleiben, wann die Berichtigungen bzw. Änderungen vorgenommen worden sind.

Das Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 25.11.2013; Az.: 5 U 164/12) macht deutlich, dass eine elektronisch geführte Karteikarte, die nicht den Vorgaben des Patientenrechtegesetzes entspricht, in ihrer Beweiswert deutlich reduziert ist und ihr gegebenenfalls kein Glaube geschenkt werden kann.

Gegenstand des Prozesses war eine Verletzung des Nervus alveolaris inferior, auf den eine Gefühlsstörung und -minderung im Bereich der linken unteren Gesichtshälfte, einschließlich Kinn und Lippe in einem Streifen einer Breite von 25mm, zurückzuführen war.

Der Fall:

Der beklagte Zahnarzt hatte für eine geplante Implantation der Klägerin Knochenmaterial aus dem linken Unterkiefer zum Aufbau des Knochens im Oberkiefer entnommen. Die zuvor von der Patientin unterzeichnete „OP-Einwilligungsklärung“ enthielt keinen Hinweis auf eine Aufklärung über das Risiko einer Nervverletzung. Dort war bei den in Betracht kommenden Risiken der Operation lediglich „Entzündung der Wundregion, Nachblutung, Wundheilungsstörungen, Schwellung, Hämatom“ angekreuzt. Die ebenfalls formularmäßig erwähnten Risiken „Nervverletzung“ und „Gefühlsstörung (Taubheit)“ war nicht angekreuzt.

In der elektronischen Karteikarte war indes unter dem gleichen Datum eine Aufklärung über das Risiko einer Nervverletzung vermerkt (im Wortlaut):

„Es wurde noch mal ausführlich über die Indikation, die Alternativen der vorgesehenen Maßnahme gesprochen, Hinweis, dass der transpantierte Knochen bei einer Infektion nicht einheilen kann und abgestoßen werden kann, wodurch die Maßnahme wiederholt werden müsste. Die Entnahme des Knochen kann mit einer Infektion und durch den dort langlaufenden N. alv. inf. zu Gefühlsstörungen führen. Die Entnahme findet oberhalb des Nerven statt, daher besteht ein theoretisches aber nicht hohes Risiko einer Nervbeeinträchtigung.“

Die Richter hatten erhebliche Zweifel, ob der Vermerk die tatsächlich erfolgte Aufklärung wiedergibt. Aufgrund der außergewöhnlich detaillierten Beschreibung des Aufklärungsinhaltes, der nach Ansicht der Richter nicht zur ansonsten recht knapp gehaltenen Dokumentation passte, bestehe vielmehr der Verdacht, dass die betreffende Dokumentation der Risikoaufklärung erst im Nachhinein an die klägerseits erhobenen Vorwürfe angepasst worden ist.

Da das EDV-Programm es ermöglichte, in der Karteikarte nachträgliche Ergänzungen vorzu-nehmen, ohne dass hierbei kenntlich gemacht wurde, wann diese Ergänzungen erfolgt sind, wurde der Zahnarzt zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 4.000 Euro und zur Tragung aller Folgeschäden verurteilt.

Hinweis:

Wenn man die Behandlungsdokumentation nur digital erstellt, sollte belegbar sein, dass diese nicht nachträglich verändert werden kann. Technisch ist das derzeit in verlässlicher Weise nur mit einer qualifizierten elektronischen Signatur möglich, welche eine Signaturkarte wie den elektronischen Arztausweis voraussetzt.
Von Angelika Enderle, erstellt am 18.09.2014, zuletzt aktualisiert am 18.09.2014
Juradent-ID: 3293

 

 

Rechtstipp Juli 2014: Kein Anspruch auf kieferorthopädische Wunschbehandlung für Hartz IV Empfänger

Kein Anspruch auf kieferorthopädische Wunschbehandlung für Hartz IV Empfänger

Das LSG Halle (Saale) hat entschieden, dass die kieferorthopädische Behandlung mit besonders komfortablen Miniaturbrakets eine über die gesetzliche Krankenversicherung hinausgehende Leistungen darstellt, auf die Leistungsberechtigte nach dem SGB II (Hartz IV) keinen Anspruch haben (LSG Halle, Beschluss vom 11.07.2013, L 5 AS 472/11).

Eine jugendliche Hartz IV-Empfängerin war der Ansicht die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung entspreche nicht dem Stand der ärztlichen Wissenschaft, weshalb die ARGE ihr die zusätzlichen Kosten für eine Wunschbehandlung mit Miniaturbrakets zu erstatten habe. Dies überzeugte das LSG offenbar nicht, denn es wies die Klage ab und lehnte auch für das Berufungsverfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Nach Ansicht der Richter aus Halle bestehe kein Anspruch auf über die gesetzliche Krankenversicherung hinausgehende Leistungen. Eine Gefährdung des Grundrechts auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit sei nicht erkennbar. Die begehrten Mehrkosten seien auch zur Deckung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht zwingend erforderlich.

Dr. Robert Kazemi

 

 

Rechtstipp Juni 2014: Ist die Dienstkleidung vorgeschrieben, sind Umkleidezeiten meist Arbeitszeit

Ist die Dienstkleidung vorgeschrieben, sind Umkleidezeiten meist Arbeitszeit

Entscheidend ist, ob das Umziehen „fremdnützig“ ist und vorgeschriebene Arbeitskleidung auch zu Hause oder ohne Aufsehen auf dem Weg zur Arbeit getragen werden kann
Das Arbeitszeitgesetz definiert die Arbeitszeit als den Zeitraum von Beginn bis Ende der Arbeit, ohne Ruhepausen. Nur: Was gilt alles als Arbeit? Umstritten ist oft, ob sogenannte Rüstzeiten sowie Umkleidezeiten der Arbeitnehmer zur bezahlten Arbeitszeit gehören. Rüstzeiten sind Zeiten, die der Arbeitsvorbereitung dienen – etwa das Ausrüsten einer Maschine für den Produktionsprozess oder das Ausrüsten eines Fahrzeugs für einen Montageeinsatz.

In verschiedenen Branchen wie im Gesundheitswesen ist jedoch auch eine bestimmte Arbeits­kleidung zu tragen – etwa weil Schutzkleidung vorgeschrieben ist oder der Arbeitgeber eine bestimmte Dienstkleidung wünscht. Wann das Umziehen als Arbeitszeit gilt, ist je nach Branche unter­schiedlich. Regelungen können in Arbeits- und Tarifverträgen getroffen werden. Die D.A.S. Rechtsschutzversicherung hat dazu Urteile zum Thema „Rüst- und Umkleidezeiten“ vorgestellt (weitere Informationen auf www.das.de/ rechtsportal).

Krankenschwester: Umkleidezeit bei vorgeschriebener Arbeitskleidung
Eine Münchner Krankenschwes­ter war im OP-Dienst tätig. Sie musste jeden Tag bei Arbeitsbeginn zunächst in einem speziellen Umkleideraum im Tiefparterre des Krankenhauses die vorgeschriebene Dienstkleidung anlegen. Danach musste sie sich in den OP-Bereich begeben, dort sogenannte Bereichskleidung anziehen und sich die Hände desinfizieren. Weder Dienst- noch Bereichskleidung durften mit nach Hause genommen werden. Als Arbeitszeit galt nur die Zeit der eigentlichen Tätigkeit im OP.

Die Krankenschwester klagte nun auf Bezahlung von zweimal 15 Minuten Umkleide- und innerbetriebliche Wegezeit pro Arbeitstag und berief sich dabei auf eine schon länger zurückliegende betriebliche Praxis. Der Tarifvertrag enthielt keine Regelung für die Umkleidezeiten.

Das Bundesarbeitsgericht hielt fest, dass Arbeit jede Tätigkeit sei, die der Erfüllung eines fremden Bedürfnisses diene. Dazu gehöre auch das Umkleiden, wenn der Arbeitgeber eine bestimmte Berufskleidung vorschreibe und das Umkleiden im Betrieb stattfinden müsse. Dazu komme hier noch, dass das Umkleiden in erster Linie der Hygiene im OP diene und damit dem Interesse des Arbeitgebers. Die Wegezeit zwischen Umkleideraum und Arbeitsstelle sei ebenfalls Arbeitszeit. Die Klägerin habe Anspruch auf Entlohnung für die Umkleide- und Wegezeiten.

Die Pauschalierung dieser Zeiten auf zweimal 15 Minuten sei jedoch vom Arbeitgeber erfolgreich angegriffen worden, so das Bundesarbeitsgericht. Hier müsse die Vorinstanz – gegebenenfalls mithilfe eines Sachverständigen – feststellen, wie viel Ar­beits­zeit tatsächlich zusätzlich anfalle (Bundesarbeitsgericht, Ur­teil vom 19. September 2012, Az.: 5 AZR 678/11).

Einheitliche Firmenkleidung
Wie sieht das aus, wenn der Arbeitgeber eine einheitliche Firmenkleidung vorgibt? In einer Kette von Einrichtungshäusern exis­tierte eine „Staff-Clothing-Order“, nach der für das Personal mit Kundenkontakt Kleidung in bestimmten Farben und mit einem bestimmten Schnitt vorgeschrieben war. Dies war durch eine Betriebsvereinbarung abgesichert. Die Arbeitnehmer konnten sich sowohl zu Hause als auch in Um­klei­deräumen im Betrieb umziehen.

Als die Arbeitgeberin erfuhr, dass einige Arbeitnehmer sich nach Arbeitsende erst nach dem Umkleiden am Zeiterfassungssys­tem abmeldeten, wurden diese entsprechend ermahnt. Der Betriebsrat leitete daraufhin ein gerichtliches Feststellungsverfahren ein, um festzuhalten, dass das An- und Ausziehen der Berufsklei­dung zur Arbeitszeit gehöre. Auch stehe dem Betriebsrat hier ein Mitbestimmungsrecht zu – der Arbeitgeber könne nicht eigenmächtig Beginn und Ende der Arbeitszeit ändern.

Das Bundesarbeitsgericht erklärte, dass Umkleidezeiten dann zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gehörten, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürf­nis diene und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfülle. Das Anziehen vorgeschriebener Dienstkleidung sei dann keine Arbeitszeit, wenn sie auch zu Hause ange­zogen und – ohne besonders aufzufallen – auch auf dem Weg zur Arbeit getragen werden könne.

Die Firmenkleidung sei hier blau und hellgelb und weise große Firmenlogos an verschiedenen Stellen auf. Von unauffälliger Kleidung könne somit keine Rede sein. Das Tragen sowie das An- und Ausziehen der Kleidung sei rein fremdnützig. Das Umkleiden im Betrieb zähle zur Arbeitszeit. Mit der Anweisung, sich außerhalb der regis­trierten Anwesenheitszeit umzuziehen, habe der Arbeitgeber eigenmächtig Beginn und Ende der Arbeitszeit geändert. Eine solche Änderung sei mitbestimmungspflichtig (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 10. November 2009, Az.: 1 ABR 54/08).

 

 

Rechtstipp Mai 2014: Heimpatienten sind Praxisbesonderheiten

Heimpatienten sind Praxisbesonderheiten

Bundessozialgericht bestätigt Besonderheit bei erhöhtem Behandlungsbedarf
Das Bundessozialgericht (BSG) hat die Anforderungen an die Geltendmachung von Praxisbesonderheiten im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen am Beispiel der Besonderheit „Heimpatienten“ nochmals herausgearbeitet. Das BSG bestätigt insoweit, dass die Betreuung von Pflegeheimbewohnern durchaus eine Praxisbesonderheit darstellen kann, wenn hierdurch nachweisbar ein erhöhter Behandlungsbedarf besteht.

Ein solcher ergibt sich aber nicht per se aus dem Umstand, dass ein Patient in einem Pflegeheim wohnt. Weder die Pflegebedürftigkeit noch die spezielle Wohnsituation lassen danach ohne Weiteres auf erhöhte Behand­lungskosten schließen. Der pauschale Hinweis auf die Betreuung von Versicherten in Pflegeheimen reicht zur ausreichenden Darlegung von Praxisbesonderheiten somit nicht aus. Praxisbesonderheiten sind anzuerkennen, wenn ein spezifischer, vom Durchschnitt der Vergleichsgruppe signifikant abweichender Behandlungsbedarf des Patientenklientels und die hierdurch hervorgerufenen Mehrkosten nachgewiesen werden (BSG, Urteil vom 5. Juni 2013, Az.: B 6 KA 40/12 R)

 

Kein Honoraranspruch bei unbrauchbaren Leistungen
Das OLG München hat den Honoraranspruch eines Zahnarztes verneint, da die in Erfüllung des zahnärztlichen Behandlungsvertrags erbrachten Leistungen für die Patientin aufgrund der festgestellten zahnärztlichen Kunstfehler gänzlich unbrauchbar waren. In einem solchen Fall besteht auch kein Honoraranspruch (OLG München, Urteil vom 14. August 2013, Az.: 3 U 1474/13).

 

Beschränkung der Beihilfefähigkeit implantologischer Zahnarztleistungen rechtmäßig
Eine Regelung in der Bayerischen Beihilfeverordnung, wonach mit Ausnahme bestimmter Indikationen „Aufwendungen für mehr als zwei Implantate pro Kieferhälfte, einschließlich vorhandener Implantate, zu deren Aufwendungen Beihilfen oder vergleichbare Leistungen aus öffent­lichen Kassen gewährt wurden, von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen“ sind, begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken; sie verstößt weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz noch gegen die verfassungsrechtlich ge­währ­leistete Fürsorgepflicht des Dienst­herrn. Für die zahlenmäßige Begrenzung der Implantate auf zwei pro Kieferhälfte besteht ein sachlicher Grund. Sowohl die Implantatversorgung als auch die „herkömmliche“ Versorgung von Zahnlücken, insbesondere durch Brücken, sind als medizinisch ausreichende Maßnahmen zu qualifizieren und stellen daher im Regelfall eine ausreichende medizinische Versorgung sicher (Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 16. Juli 2013, Az.: AN 1 K 12. 02249).

 

Keine Kostenerstattung bei bereits begonnener Privatbehandlung
Soweit sich ein gesetzlich krankenversicherter Patient durch einen nicht zur vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung zugelasse­nen (Zahn-)Arzt behandeln lässt, kommt eine Erstattung der Behandlungskosten durch die Krankenkasse nach Paragraf 13 Absatz 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) V wegen von der Krankenkenkasse „zu Unrecht abgelehnter“ Leis­tungen nicht mehr in Betracht, wenn die Krankenkasse während der laufenden Behandlung und vor deren Abschluss informiert wird. Soweit bereits mit der Behandlung begonnen wurde, ist es unerheblich, dass die Behandlung zum Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung der Krankenkasse noch nicht abgeschlossen war. Eine kieferorthopädische Behandlung nach dem HKP ist als zusam­menhängender Komplex zu sehen, sodass der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen Ablehnung der Kasse und den entstandenen Kosten auch für die nach der ablehnenden Entscheidung erbrachten Leistungen zu verneinen ist (Sozialgericht [SG] Aachen, Urteil von 8. Oktober 2013, Az.: S 13 KR 32/13).

 

Kein Anspruch auf Auszahlung des gesamten Honorars
Kassenzahnärztliche Vereinigun­gen (KZVen) sind berechtigt, Ho­no­rare für Leistungen, deren Recht­mäßigkeit angezweifelt wird, bis zu einer Klärung der Abrechenbar­keit zurückzuhalten. Das SG Marburg hatte über ein Verwaltungshan­deln der KZV zu befinden, das abgerechnete Leistungen einer weitergehenden Prüfung unterziehen wollte. Das auf diese Leis­tungen entfallende Honorar wurde dem betroffenen Zahnarzt vorerst nicht ausgezahlt und sein Honoraranspruch in dieser Höhe zumindest vorübergehend vorenthalten.

 

Der KZV obliegt insoweit die Pflicht, die abgerechneten Behandlungsfälle gemäß Paragraf 106a Absatz 1 SGB V auf Rechtmä­ßigkeit und Plausibilität zu prüfen. Solche sachlich-rechnerischen Richtigstellungen können zugleich mit der Honorargewährung erfolgen – in der Weise, dass das Honorar von vornherein nur in geminderter Höhe bewilligt wird (sogenannte quartalsgleiche Richtigstellung), oder das Honorar wird zunächst in der vom Arzt angeforderten Höhe bewilligt und ausbezahlt, und erst nachträglich wird die sachlich-rechnerische Prüfung und gegebenenfalls eine sachlich-rechnerische Richtigstellung vorgenommen (sogenannte nachgehende Richtigstellung).

 

Der KZV steht nach der Entscheidung aber auch das Recht zu, die Abrechnung eines Zahnarztes zurückzustellen, um genügend Zeit für eine quartalsgleiche Richtigstellung zu erhalten. Die KZV ist nicht verpflichtet, zu­nächst das Honorar festzusetzen und erst nachträglich eine Richtigstellung vorzunehmen. Dem be­troffenen Vertragszahnarzt wer­den dadurch Honorarbestandteile vorenthalten, obwohl eine fehlerhafte Abrechnung noch gar nicht festgestellt wurde.

 

Eine zeitliche Vorgabe, bis wann das Honorar abzurechnen ist, ergibt sich nach Auffassung des Gerichts weder aus dem SGB V, den Bundesmantelverträgen, dem Honorarverteilungsmaßstab noch aus der Satzung der KZV. Im Hinblick auf den Gleichbehandlungs­grundsatz gilt aber, dass die Abrechnung eines Vertragszahnarztes nicht ohne wichtigen Grund gegenüber der Abrechnung der übrigen Vertragszahnärzte zurückgestellt werden kann. Dies gilt auch für einzelne Behandlungsfälle. Wichtige Gründe, um von diesem Grundsatz abzuweichen, können sich aber aus begründeten Zweifeln an der Richtigkeit der Abrechnung ergeben (SG Marburg, Beschluss vom 8. Juli 2013, Az.: S 12 KA 383/13 ER, nicht rechtskräftig).

 

RA Christian Hess, Köln

 

 

Rechtstipp April 2014: Häufig stehen Inhaber eines Auslandskontos unter Generalverdacht

Häufig stehen Inhaber eines Auslandskontos unter Generalverdacht

Auf Fragen von Zollbeamten die entsprechenden Antworten parat haben
Wer heute ein Bankkonto bei einer ausländischen Bank unterhält, steht in gewisser Hinsicht bereits unter Generalverdacht. Bereits bei der Einkommenssteuererklä­rung ist die Frage „Unterhalten Sie nachhaltige Geschäftsbeziehun­gen zu Finanzinstituten im Aus­land?“ zu beantworten, und die Abgabenordnung regelt klar, dass der Steuerpflichtige eine erhöhte Mitwirkungspflicht hat, wenn es sich um Auslandssachverhalte handelt, zu denen natürlich auch das ausländische Bankkonto gehört.

Unter diesen Generalverdacht, so der Wormser Fachanwalt für Strafrecht, Jürgen Möthrath, Präsident des VdSRV, Verband deutscher StrafrechtsAnwälte und Straf­verteidiger e. V. mit Sitz in Worms, fällt auch der persönliche Kontakt zu seiner ausländischen Bank, der oftmals an der Grenze zu einer peinlichen Befragung führt. Hier, so Möthrath, sollte sich jeder Betroffene der weitreichenden Befugnisse der Zollbeamten im Klaren sein.

Unabhängig von dem Verdacht, Bargeld bei sich zu führen, dürfen Zollbeamte bei der zollamtlichen Überwachung bis zu 30 Kilometer im Inland Personen kontrollieren und Beförderungsmittel anhalten und auch durchsuchen.

Dem Durchsuchungsrecht unterliegen insoweit auch die Gepäck­stücke oder die Ladung. Hierbei stellt Paragraf 10 Absatz 5 des Zollverwaltungsgesetzes klar, dass die Grundrechte der Freiheit, das Brief- und Postgeheimnis und auch die Unversehrtheit der Wohnung eingeschränkt werden können. Der Zollbeamte darf also auch mitgeführte Dokumente kontrollieren.

Häufig führt damit die Kontrolle von Dokumenten dazu, dass die Visitenkarte des Bankmitarbeiters, der Notizzettel mit dessen Rufnummer oder auch die im Navi eingegebene Bankadresse entsprechende Verdachtsmomente erzeugen, dass der Grenzübertritt eben nicht nur dem Vergnügen dient, sondern als Bankbesuch genutzt wird.

Von besonderer Bedeutung ist hierbei auch die Frage, ob der Betroffene Bargeld mit sich führt. Wer hierbei in das Gebiet der Europäischen Gemeinschaft ein- oder ausreist, muss zuvor eine schriftliche Anmeldung vornehmen, sofern der Betrag 10.000 Euro überschreitet. Auf die Nachfrage des Zollbeamten zu warten, ist hier nicht zulässig.

Anders bei der Einreise, Ausreise oder Durchreise aus einem EU-Staat in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland – hier besteht die Meldepflicht nur auf Verlangen des Zollbeamten.
Aber auch hier sollte man sich bewusst sein, dass dem Zollbeamten auf sein Verlangen hin umfangreiche Angaben zu machen sind. So ist nicht nur die Art der Barmittel anzugeben, sondern auch die Anzahl und der Wert der Barmittel mitzuteilen, was in der Regel durch ein entsprechendes Vorzeigen erledigt werden kann. Weiterhin sind auch die Herkunft und der Verwendungszweck bekanntzugeben und außerdem anzugeben, wer wirtschaftlich Berechtigter des Bargelds ist.

Ergibt sich für den Zollbeamten der Geldwäscheverdacht, so kann dieser die Sicherstellung anordnen und das Geld bis zu drei Werktage in amtliche Verwahrung nehmen, die auf richterlichen Beschluss sogar auf bis zu einem Monat ausgedehnt werden kann.

Aber auch dann, wenn der Zollbeamte scheinbar keinerlei Verdacht hegt, schließt dies nicht aus, dass er nach Feststellung der Personalien von der Möglichkeit Gebrauch macht, wegen des Verdachts einer Steuerstraftat die zuständigen Finanzbehörden von seinen Feststellungen zu informieren.

Versteuertes Geld kann aus viel­fältigen Gründen auf einem Auslandskonto gut angelegt sein. Zur Vermeidung unnötigen Ärgers und eines gegen sich gerichteten Verdachts sollte man auf die Fragen des Zollbeamten auch die entsprechenden Antworten parat haben.

Wer auf seinem Auslandskonto allerdings unversteuerte Gelder vorhält, sollte sich im Klaren sein, dass der Weg, dieses in bar nach Deutschland zu bringen, dieses Geld weder von seinem Makel befreit noch ein risikofreies Unterfangen darstellt, da das kleinste Indiz, das auf ein Auslandskonto hindeutet, das in der heimischen Steuererklärung keinen Niederschlag gefunden hat, zu einer Kontrollmeldung führen kann.

Äußert der Zollbeamte in solchen Fällen einen Verdacht, ist zudem Eile geboten, um die Frage zu klären, ob eine Selbstanzeige erforderlich ist, da ansonsten die Entdeckung der Steuerhinterziehung durch die Behörde die Straffreiheit ausschließt.

Sobald hier ein entsprechender Eindruck entsteht, sollte man einen in Steuerstrafsachen versierten Rechtsanwalt oder Steuerberater aufsuchen, wobei Möth­rath dabei unter anderem auch auf die Anwälte und Anwältinnen in dem VdSRV, Verband deutscher StrafrechtsAnwälte und Strafverteidiger e. V. (www.strafrechtsverband.de), verwies.

 

 

Rechtstipp März 2014: Arzt-Bewertungsportale und der Datenschutz

Arzt-Bewertungsportale und der Datenschutz

Zwei aktuelle Urteile aus München stärken Betreiber- und Bewerterrechte
Bewertungsportale existieren mittlerweile fast für jede Branche, nicht immer zur Freude der Bewerteten. Dies gilt für Lehrer, Rechtsanwälte und Professoren ebenso wie für Ärzte und Zahnärzte. Auch hier haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Bewertungsportale am Markt etabliert, auf denen Patienten – auch anonym – eine Bewertung ihres Behandlers abgeben können.

Die Bewertungsportale waren dabei schon oft Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen, sei es, weil sich der Bewertete grundsätzlich gegen die Aufnahme seines Namens und Unternehmens in eine Bewertungsdatenbank oder „nur“ gegen aus seiner Sicht unzutreffende Bewertungen gewandt hat. Zwei aktuelle Urteile aus München verdeutlichen jedoch, dass derartige Ansinnen nur unter besonderen Bedingungen Erfolg versprechen dürften.

Recht zur Aufnahme des Arztes in die Bewertungsdatenbank
Bereits eine Lehrerin hatte (vergeblich) versucht, ihre Aufnahme in eine Bewertungsdatenbank gänzlich – und zwar mit Blick auf die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes – zu verhindern (Bundesgerichtshof [BGH], Urteil vom 23. Juni 2009, Az.: VI ZR 196/08, „spickmich.de“).

Nach Paragraf 4 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sind die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten sind nur zulässig, soweit das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Paragraf 3 Absatz 1 BDSG), hierzu zählen jedenfalls Name, Titel, Fachbereichsbezeichnung, Praxisanschrift und Telefonnummer, aber auch Einzelbewertungen, sowie die Gesamtbewertung durch Notengebung. Korrespondierend hierzu normiert Paragraf 35 BDSG einen Löschungsanspruch des Betroffenen, wenn personenbezogene Daten – ohne Erlaubnis – gespeichert worden sind. Zugegebenermaßen wissen viele Ärzte gar nichts über ihre Aufnahme in eine Bewertungsdatenbank und werden selbiger daher in den seltensten Fällen zugestimmt haben. Der Ansatz, die Aufnahme in die Bewertungsdatenbank über datenschutzrechtliche Bestimmungen zu verhindern, erscheint daher auf den ersten Blick nicht ganz so abwegig. Gleichwohl greift der Ansatz im Ergebnis zu kurz, denn Paragraf 4 BDSG sieht auch die Möglichkeit der „einwilligungslosen“ Speicherung vor – und zwar dann, wenn eine gesetzliche Bestimmung die Speicherung gestattet.

Bezogen auf Bewertungsdatenbanken hatte der BGH in seiner Spickmich-Entscheidung bereits im Jahr 2009 zur Rechtfertigung der Datenverarbeitung der arztbezogenen Daten auf die Bestimmung des Paragrafen 29 BDSG abgestellt. Gemäß ist das geschäftsmäßige Erheben, Speichern, Verändern oder Nutzen personenbezogener Daten zum Zweck der Übermittlung, insbesondere, wenn dies der Werbung, der Tätigkeit von Auskunfteien oder dem Adresshandel dient, zulässig, wenn kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung hat, die Daten aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können oder die verantwortliche Stelle sie veröffentlichen durfte, es sei denn, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung offensichtlich überwiegt.

Ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung personenbezogener Daten durch den Arzt wäre indes nur gegeben, wenn das sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG das Recht des Bewertungsportalbetreibers auf Kommunikationsfreiheit nach Artikel 5 Absatz 1 GG überwiegen würde.

Die erforderliche Interessenabwägung streitet im Zweifelsfall für den Plattformbetreiber. Dies hat das Amtsgericht (AG) München in einem aktuell veröffentlichtem Urteil (AG München, Urteil vom 12. Oktober 2012, Az.: 158 C 13912/12) nunmehr bestätigt. Denn Arztbewertungsportale begründen die Grundlage einer fundierten Entscheidung hinsichtlich der Wahl des Arztes. Denn es komme der Entscheidung, ob beziehungsweise wann sich der Einzelne von welchem Arzt behandeln lassen will, zugute, wenn diese Entscheidung auf eine möglichst fundierte und breite Entscheidungsgrundlage gestellt werden kann. Nach Ansicht des AG München bieten Bewertungsportale – neben anderen Faktoren – bei der Arztwahl aufgrund des abgebildeten breiten Meinungsbilds eine sinnvolle Entscheidungsgrundlage. Deshalb besteht ein öffentliches Informationsinteresse an der Veröffentlichung solcher Daten. Das Gericht macht jedoch deutlich, dass dies nur dann der Fall ist, wenn der Betreiber des Portals die jeweilige E-Mail-Adresse eines Bewerters kennt und damit eine Nachverfolgung im Falle beleidigender oder rufschädigender Äußerungen möglich ist. Die Bewertung an sich kann also anonym erfolgen, gleichwohl muss dem Portalbetreiber eine Kontaktaufnahme mit dem Bewerter möglich sein.

Recht des Arztes auf Löschung falscher und/oder beleidigender Bewertungen

Gleichwohl muss der Arzt nicht jede Bewertung in einem Bewertungsportal akzeptieren. Vielmehr ist er – wie im „normalen“ Leben auch –effektiv dagegen zu schützen, dass über Bewertungsportale falsche Behauptungen über ihn und/oder seine Praxis oder gar diffamierenden Herabsetzungen verbreitet werden. Hier gewähren die Paragrafen 823, 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausreichenden Rechtsschutz, und Tatsachenbehauptungen dürfen nur dann verbreitet werden, wenn diese wahr sind. Auch Meinungsäußerungen sind nicht uneingeschränkt zulässig, sondern finden ihre Grenze in der sogenannten Schmähkritik und/oder der Beleidigung. Wann eine solche vorliegt, ist indes eine Frage des Einzelfalls. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Rechtsprechung die Grenzen zulässiger Meinungsäußerungen in den vergangenen Jahren im Licht des Artikel 5 GG sehr weit gezogen hat und auch überspitzte Äußerungen oftmals dem Schutz der Meinungsfreiheit unterfallen ließ. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus Artikel 5 Absatz 1 GG schützt vielmehr jede Art der Meinungsäußerungen mit wertendem, meinungsbildendem Inhalt (vergleiche BGH, Zeitschrift Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht [GRUR] 2012, 74 – Coaching-Newsletter Tz. 27 m. w. N.).

Die Freiheit der Meinungsäußerung ist eine der wesentlichen Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) hat die öffentliche Meinungsäußerung über die Presse mit „ihrer unverzichtbaren Rolle als ‚Wachhund‘ besondere Bedeutung“. Ein gewisses Maß an Übertreibung oder sogar Provokation gehört zur journalistischen Freiheit. Einschränkungen der Freiheit der Meinungsäußerung sind eng auszulegen; ihre Notwendigkeit muss überzeugend nachgewiesen werden (vergleiche Artikel 10 Europäische Menschenrechtskonvention [EMRK]; hierzu: EGMR, Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 2004, 2653; NJW 2007, 1799). Ihre Grenze findet die freie Meinungsäußerung daher erst dort, wo sie die Grenze zur Formalbeleidigung oder Schmähkritik überschreitet. Eine solche Kritik kann unter Beachtung der Ausstrahlungswirkung des Grundrechts der Meinungsfreiheit nur angenommen werden, wenn sie im Wesentlichen auf sachfremde Diffamierung und persönliche Herabsetzung noch jenseits polemischer und überspitzter Angriffe abzielt (Bundesverfassungsgericht [BVerfGE] 82, 272 [283f.] = NJW 1991, 95; BVerfGE 93, 266 [294] = NJW 1995, 3303). Meinungsäußerungen sind damit in Deutschland nicht so einfach zu unterbinden. Wer sich hier „beleidigt“ oder „herabgesetzt“ fühlt, sollte daher in jedem Fall zuvor anwaltlichen Rat einholen. Hinzu kommt, dass die Löschung derartiger Bewertungen nicht direkt auf gerichtlichem Wege verlangt werden kann. Nach der Rechtsprechung des BGH trifft den Plattformbetreiber nämlich keine generelle Überwachungs- und Prüfungspflicht, sodass er über vermeintlich falsche oder diffamierende Bewertungen zunächst (kostenfrei) zu informieren und ihm eine angemessen Prüfungsfrist einzuräumen ist.

Unmittelbare Haftung des Bewertungsportals wegen beleidigender Äußerungen auf Grund europäischer Vorgaben?
Fraglich ist indes, ob die Rechtsprechung des BGH zur sogenannten Störerhaftung des Plattformbetreibers weiterhin so aufrecht erhalten werden kann oder ob sich hier – auf europäischer Ebene – nicht gerade eine Neuerung abzeichnet. So bestätigte der EGMR nunmehr die Verurteilung des Betreibers einer Nachrichtenseite im Internet zu Schadenersatzzahlungen wegen beleidigender Kommentare ihrer Nutzer (EGMR, Urteil vom 10. Oktober 2013, Az.: 64569/09). Ein aus Estland stammendes Nachrichtenportal hatte 2006 einen Artikel über das Vorhaben eines Fährunternehmens veröffentlicht, neue Routen zu einigen Inseln einzurichten. Die dabei zum Einsatz gebrachten Eisbrecher beeinträchtigten offenbar die Stabilität von Straßen, die über das Eis zu den Inseln angelegt werden sollten. In der Folge verfassten mehrere Nutzer des Portals beleidigende und drohende Kommentare, die sich gegen das Fährunternehmen richteten. Daraufhin erstritt das Unternehmen gegen das Internetportal Schadensersatz von 5.000 estnischen Kronen.

Der EGMR bestätigte nun die Verurteilung und stellte fest, dass die Verurteilung des Nachrichtensenders zwar einen Eingriff in das Recht auf freie Meinungsäußerung darstelle, dieser jedoch deshalb gerechtfertigt sei, weil der Nachrichtensender nicht genug getan habe, um beleidigende Kommentare schnell zu entfernen. Die Bewertung des EGMR setzt sich in Widerspruch zu den von den deutschen Gerichten gefundenen Wertungen in Bezug auf Bewertungsplattformen. Zwar sind Entscheidungen des EGMR für die deutsche Gerichtsbarkeit nicht bindend, gleichwohl könnte sich hier eine Umkehr hin zu mehr Überwachungspflichten der Portalbetreiber abzeichnen. Dies wird weiter zu beobachten sein.

Auskunftsrecht über den Nutzer der Bewertungsplattform
Was jedoch, wenn sich der Arzt nicht damit begnügen möchte, allein die falsche Tatsachenbehauptung oder die diffamierende Meinungsäußerung aus einem Portal entfernen zu lassen, sondern darüberhinaus auch Ansprüche gegen den Verfasser des Textes geltend machen will? Ebenso wie gegenüber dem Plattformbetreiber bestehen derartige Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche nämlich zuerst gegenüber dem eigentlichen Verfasser. Dieser ist in den meisten Fällen jedoch (leider) anonym. Besteht also ein Auskunftsanspruch des Arztes gegen den Plattformanbieter dahingehend, die Identität des Bewerters zu erfahren? Das Landgericht (LG) München I, sagt hierzu deutlich nein! (LG München I, Urteil vom 3. Juli 2013, Az.: 25 O 23782/12).
Eine Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin begehrte von einem Bewertungsportal Auskunft über die Kontaktdaten des Verfassers einer Bewertung. Diese war von einem „Kassenpatient, unter 30″ mit der Überschrift „Nicht zu empfehlen“ und einer Gesamtnote von 5,2 mit folgendem Text abgegeben worden:
„War mit meinem Kleinen öfter bei ihr und muss leider sagen, dass ich absolut unzufrieden bin. Bei Untersuchungen war sie innerhalb kürzester Zeit fertig, ohne auf die Entwicklung einzugehen. Also wirklich kurz, es dauerte keine fünf Minuten, und dabei hat sie sich mit meiner Schwester mehr beschäftigt als mit meinem Sohn. Nimmt ihm die Rassel weg, legt sie daneben und behauptet, er würde nur in eine Richtung schauen, naja wundert’s jemanden, wenn auf der Seite sein Spielzeug liegt? Auch lässt sie die Eltern vor anderen Patienten runterlaufen und wird sehr pampig, wenn Eltern sich entscheiden, Impfungen getrennt vorzunehmen, dann haben sie einen Grund und sollten nicht lächerlich gemacht werden. Sie sollte sich entscheiden, ob sie wirklich vor dem Praxisalltag noch in der Klinik tätig ist. Sie ist immer sehr gestresst, selbst wenn nichts los ist. Einige ihrer Entscheidungen sind auch sehr fragwürdig. Selbst dem behandelnden Klinikpersonal. Auf Fragen geht sie überhaupt nicht oder nur sporadisch ein. Auf die Frage, was mit der Niere nicht in Ordnung ist, antwortete sie, die Niere ist für die Urinproduktion zuständig! Das ist ja klar, aber was hat das mit der Frage zu tun? Auch wollte sie meinen Sohn auf Diät setzen, er ist nicht der schlankeste, aber ein Baby auf Diät setzen ist doch grausam. Erklären Sie mal ihrem Baby, warum es nichts zu essen bekommt, obwohl es Hunger hat und voll gestillt wird. Nun war ich bei einer anderen Kinderärztin, und sie war voll zufrieden mit dem Kleinen. Auch sein Gewicht sei für ein Stillkind absolut in Ordnung. Fazit: Wem wirklich das Wohl seines Kindes am Herzen liegt und richtig informiert werden möchte ist hier absolut falsch.“

Die in der Bewertung enthaltenen Tatsachenbehauptungen waren unzutreffend. Das Bewertungsportal hat die entsprechende Bewertung auch gelöscht. Gleichwohl war dies der Ärztin nicht genug; sie wollte auch gegen den vermeintlichen Patienten vorgehen. Das Bewertungsportal verweigerte hingegen die diesbezügliche Auskunftserteilung über die Kontaktdaten ihres Nutzers.
Das Landgericht gab dem Plattformbetreiber nun Recht und stützt sich zur Begründung seines Urteils wiederum auf eine datenschutzrechtliche Bestimmung, nämlich die der Paragrafen 12, 13, 14 Telemediengesetz (TMG). Paragraf 13 Absatz IV TMG verpflichtet jeden Betreiber eines Internetdiensts, die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Eine derartige anonyme Nutzung wäre indes faktisch ausgeschlossen, wenn der Plattformbetreiber dem Auskunftsverlangen des Arztes stattgeben müsste. In den Urteilsgründen heißt es hierzu: „Da eine Beschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit auf Äußerungen, die einem bestimmten Individuum zugeordnet werden können, mit Artikel Absatz 1 Satz 1 GG nicht vereinbar ist (vergleiche BGH, Urteil vom 23. Juni 2009, Az.: VI ZR 196/08) und Paragraf 13 TMG eine anonyme Nutzung ausdrücklich vorsieht, ist die Handhabung der Beklagten rechtlich zulässig und kann einem sich aus Paragraf 242 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB] ergebenden Auskunftsanspruch entgegen gehalten werden. Im Übrigen handelt es sich bei Paragraf 242 BGB gerade nicht um eine Rechtsvorschrift, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht, sodass sie wegen Paragraf 12 II TMG als Rechtsgrundlage für die Verwendung erhobener personenbezogener Daten ohnehin nicht herangezogen werden kann. Darüber hinaus ist die Regelung in Paragraf 14 II TMG lex specialis zu dem allgemeinen Anspruch, sodass ein Rückgriff auf den aus Treu und Glauben abgeleiteten Auskunftsanspruch auch aus diesem Grund ausscheidet.

In Paragraf 14 II TMG ist ein Auskunftsanspruch Dritter ausdrücklich geregelt. Nach dieser Vorschrift darf der Diensteanbieter auf Anordnung der zuständigen Stellen im Einzelfall Auskunft über Bestandsdaten erteilen, soweit dies für Zwecke der Strafverfolgung, zur Gefahrenabwehr durch die Polizeibehörden der Länder, zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendiensts oder des Militärischen Abschirmdiensts oder des Bundeskriminalamts im Rahmen seiner Aufgabe zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus oder zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erforderlich ist. Die Voraussetzungen dieses Auskunftsanspruchs sind schon deshalb nicht gegeben, da das Begehren der Klägerin keinem der genannten Zwecke dient. Ein Anspruch der Klägerin nach Paragraf 14 II TMG besteht daher nicht.“

Soweit sich ein Arzt durch eine Bewertung verleumdet sieht, bleibt ihm daher nur die Möglichkeit, sich staatsanwaltlicher Hilfe zu bedienen und gegebenenfalls im Wege der Akteneinsicht die gewünschten Kenntnisse über den Nutzer zu erlangen. Ein direkter Auskunftsanspruch gegenüber dem Plattformbetreiber besteht – jedenfalls nach Ansicht des LG München I – hingegen nicht.

RA Dr. Robert Kazemi, Bonn

 

 

Rechtstipp Februar 2014: Wohlverhalten soll nicht mehr berücksichtigt werden

Wohlverhalten soll nicht mehr berücksichtigt werden

Extrem wichtige Entscheidung des Bundessozialgerichts zum Zulassungsentzug
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in seinem Urteil vom 17. Oktober 2012 (Az.: B 6 KA 49/11 R) die Rechtsprechung zum sogenannten Wohlverhalten ausdrücklich geändert. Danach soll ein Wohlverhalten des Vertragszahnarztes während des laufenden Gerichtsverfahrens in Zukunft nicht mehr berücksichtigt werden.

Worum es geht: Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist – jedenfalls bei einer noch nicht vollzogenen Zulassungsentziehung – zu prüfen, ob sich die Sachlage während des Prozesses durch ein Wohlverhalten des Zahnarztes in einer Weise zu seinen Gunsten geändert hat, dass eine Grundlage für eine erneute Vertrauensbasis zwischen dem Betroffenen und den vertragsärztlichen Institutionen wieder aufgebaut worden ist und damit eine Entziehung der Zulassung nicht mehr als angemessen erscheint. Einfacher formuliert: Es wurde also erst nach Jahren, am Tag der letzten mündlichen Verhandlung, beurteilt, ob der – einmal eingetretene – Vertrauensbruch zwischenzeitlich „durch Wohlverhalten geheilt“ worden ist.

In vielen Fällen konnte dies bejaht werden, nachdem der Zahnarzt nach dem ausgesprochenen, aber nicht vollzogenen Zulassungsentzug an der Aufklärung des Sachverhalts mitgewirkt und den angerichteten Schaden wieder gut gemacht und daneben keinerlei Veranlassung zu Beanstandungen gegeben hat.

Diese Rechtsprechung hat das BSG für sogenannte Neufälle aufgegeben. In Zukunft wird nur noch überprüft, ob im Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdeausschusses die Voraussetzungen für einen Zulassungsentzug vorlagen. Auf ein sich anschließendes Wohlverhalten kommt es danach nicht mehr an.

Das Bundessozialgericht erklärt auch, ab wann diese wichtige Neuerung in der Rechtsprechung gilt: Der Senat wendet die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Wohlverhalten auf Entscheidung der Berufungsausschüsse, die nach Veröffentlichung dieses Urteils ergehen, nicht mehr an. Allerdings – und dies dürfte für viele Zahnärzte relevant sein – bleibt es bei der bisherigen Rechtsprechung, soweit Zahnärzte bei lange laufenden Gerichtsverfahren davon abgesehen haben, sich nach (mutmaßlich) eingetretener Bewährung um eine neue Zulassung zu bewerben. Das allerdings kommt auch nur dann in Frage, wenn die grundsätzlich vom Bundessozialgericht für ein Wohlverhalten vorausgesetzte „Bewährungszeit“ von fünf Jahren seit der Entscheidung des Berufungsausschusses bereits verstrichen ist.

Daraus ergibt sich wiederum, dass Zahnärzte, die sich momentan in einem Zulassungsentzugsverfahren befinden, das nicht bis zur Veröffentlichung der Entscheidung des Bundessozialgerichts mit einer Entscheidung des Berufungsausschusses abgeschlossen worden ist, ihre Überlegungen grundlegend ändern sollten. Es ist jetzt – allerdings nur nach gründlicher und sorgfältiger Beratung – zu erwägen, bei eindeutiger Sachlage die Entscheidung nicht anzufechten beziehungsweise vorher auf die Zulassung selbst zu verzichten. Diesen Zahnärzten bleibt natürlich ebenfalls die Möglichkeit eröffnet, nach einer bestimmten Bewährungszeit eine neue Zulassung zu beantragen. Allerdings nehmen sie bis dahin grundsätzlich nicht an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil.

Es dürfte also klar sein, dass Zahnärzte, die in der misslichen Situation eines solchen Verfahrens stehen, jetzt besonders hohes Augenmerk auf ihre wirksame Vertretung legen müssen. Dabei hat sich bewährt, die Vertretung in solchen Verfahren nicht nur einer Person, sondern einem Kompetenzteam zu überlassen. Idealerweise sollten sich dabei ein Fachmann für vertragszahnärztliche Fragen, ein weiterer Fachmann für strafrechtliche Zusammenhänge und schließlich ein Fachmann für rein abrechnungstechnische Fragen befinden. Dabei ist von dem Gedanken auszugehen, dass die Sozialgerichte oft nicht die ausreichende Kompetenz für reine Abrechnungsfragen haben und auch die von Gerichten beauftragten Gutachter nicht ausnahmslos richtigliegen. Alle Menschen machen Fehler, so auch die Zuständigen bei den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen. Hier gilt es, etwaige Fehlvorstellungen von Abrechnungsfragen konsequent herauszufiltern, zu bezeichnen und notfalls vor Gericht zu eliminieren.

Letztlich können die Gründe für den Entzug einer vertragszahnärztlichen Zulassung vielfältig sein. Nach dem Gesetz kommt es auf eine gröbliche Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten an. Das Bundessozialgericht geht so weit, neben Verstößen gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung als – weitere – relevante Pflichtverstöße alle Gesetzesverstöße (zum Beispiel Straftaten, berufsrechtliche Vergehen, wettbewerbsrechtliche Verstöße) anzusehen, die im Zusammenhang mit der vertragszahnärztlichen Tätigkeitsausübung begangen werden (sogenannte weite Auslegung). Damit ist es letztlich eine Pflicht des Vertragszahnarztes, bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit keinerlei Gesetzesverstöße zu begehen.

Diese Auffassung hat natürlich in Zeiten, in denen die Berichterstattung über Steuerhinterziehungen und Straftaten im Zusammenhang mit politisch/weltanschaulichen Verhaltensweisen an der Tagesordnung ist, besondere Bedeutung.

Dr. Frank Ihde, Hannover

 

 

Rechtstipp Januar 2014:: Behandlung minderjähriger Patienten erfordert zwingend Einwilligung beider Eltern

Behandlung minderjähriger Patienten erfordert zwingend Einwilligung beider Elternteile!!!

Der Alltag in Zahnarztpraxen sieht doch so aus, dass minderjährige beziehungsweise jugendliche Patienten, ob nun Kassen- oder Privatpatienten, ohne ihre Eltern zur Behandlung erscheinen. Gerade Jugendliche gehen häufig alleine zu ihrem Erstbesuch in die Zahnarztpraxis. Bereits hier können Fehlerquellen entstehen, die im weiteren Verlauf der Behandlung unbeachtet bleiben und rechtliche als auch wirtschaftliche Folgen für den Zahnarzt nach sich ziehen können. Diese gilt es zu vermeiden.

Gerade Mädchen sehen häufig älter aus als sie eigentlich sind. Beim Ausfüllen des Anamnesebogens beziehungsweise Abschluss des Behandlungsvertrags wird daher häufig gar nicht da­rauf geachtet, wie alt der Patient beziehungsweise die Patientin eigentlich ist. Dabei gilt das Gleiche wie beim Alkoholverbot: zwingende Kontrolle durch das Praxispersonal und letztlich auch den Zahnarzt. Denn nicht nur im Hinblick auf eine ordnungsge­mäße Aufklärung sondern auch hinsichtlich des Honoraranspruchs lauern Gefahren für den Zahnarzt.

• Aufklärung: Bei minderjährigen Patienten gelten Besonderheiten im Hinblick auf die Aufklärung. Bei Kindern unter 14 Jahren ist immer zwingend die Einwilligung der Eltern in eine Behandlung einzuholen, und zwar grundsätzlich die beider Eltern! Kinder können nicht selbst in die Behandlung einwilligen. Daher sind mit Ausnahme von Eil- und Notfällen auch die Eltern über die Behandlung und deren Risiken vollständig aufzuklären. Dies ist auch bei zahn­ärztlichen Behandlungen relevant. Beispielsweise bei der Aufklärung über Risiken einer Leitungsan­ästhesie. Der Jugendliche wird bei Schmerzen während der Behandlung sicherlich eine Leitungs­anästhesie haben wollen. Es reicht dabei aber nicht nur, den Jugend­lichen über die möglichen Folgen aufzuklären.

Der Wille von Patienten, die jünger als 18 Jahre sind, muss mitberücksichtigt werden, wenn sie ein­willigungsfähig sind. Dies ist dann der Fall, wenn er nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung und die Tragweite des Eingriffs und der damit verbundenen Risiken erkennt und beurteilen kann. Hier zeigt sich wieder die Unpraktikabilität derartig schwammiger juristischer Formulierungen. Wie das in der Praxis beurteilt werden soll, sagt na­türlich niemand. Als Faustformel hat die Rechtsprechung auf das 14. Lebensjahr abgestellt und hier zum Teil die Einwilligungsfähigkeit angenommen. Für den Praxis­inhaber bedeutet dies, in jedem Einzelfall nach Schwere des Eingriffs und dem Alter des Patienten abzuwägen. Klare Vorgaben an denen man sich orientieren kann, gibt es leider nicht.

Dieser Aspekt betrifft zunächst nur die Einwilligungsfähigkeit des Patienten in die Behandlung. Diese ist für jede zahnärztliche Behandlung zwingend erforderlich. Denn grundsätzlich stellt jeder (zahnärztliche) Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten eine Körperverletzung dar und kann nur durch eine wirksame Einwilligung des Patienten beziehungsweise der gesetzlichen Vertreter gerechtfertigt werden. An die Frage der Einwilligung schließt sich dann folgerichtig die Frage an, was mit dem Honorar­anspruch für die erbrachte Leis­tung passiert, wenn keine Einwilligung durch den Patienten bezie­hungsweise die gesetzlichen Vertreter vorliegt.

Mit Urteil vom 5. September 2013 hat das Landgericht (LG) Wiesbaden (Az. 9 S 14/13) entschieden, dass ein mit einer minderjährigen Patientin (17 Jahre) geschlossener privatärztlicher Behandlungsvertrag mangels Genehmigung der gesetzlichen Vertreter und nachträglicher Genehmigung durch die Patientin, die mittlerweile 18 Jahre alt war, schwebend unwirksam ist und hieraus kein Honoraranspruch besteht. Die seinerzeit gesetzlich krankenversicherte und minderjährige Beklagte begab sich in privatärztliche Behandlung. Die schriftliche Genehmigung der gesetzlichen Vertreter oder der später volljährigen Patientin wurde nicht eingeholt.

Das Gericht entschied: Der zunächst vorläufig unwirksame Behandlungsvertrag sei weder von den gesetzlichen Vertretern noch nach Erlangung der Volljährigkeit von der Patientin selbst genehmigt worden. Zwar könne eine Genehmigung grundsätzlich auch konkludent erfolgen. Allein durch das Erscheinen der Patientin in der Praxis und die Inanspruchnahme der ärztlichen Leis­tung nach Erlangung der Volljährigkeit könne man jedoch nicht darauf schließen, dass diese von der schwebenden Unwirksamkeit wusste und durch ihre weiteren Besuche ihrem Willen Ausdruck verleihen wollte, den Behandlungsvertrag nunmehr mit allen für sie verbundenen Folgen verbindlich werden zu lassen.

Bei der Behandlung von Minderjährigen bedarf es einer besonderen Sorgfalt, die letztlich nicht nur dem Schutz des Patienten, sondern auch dem Zahnarzt selbst dient. Neben bestehenden Haftungsrisiken wegen Aufklärungsfehlern ist oftmals auch der Honoraranspruch des Zahnarztes aufgrund unwirksamer Einwilligungen in die Behandlung gefährdet. Daher ist es für den Zahnarzt unerlässlich, bereits bei Aufnahme des Patienten beziehungsweise spätestens bei Unterzeichnung des Behandlungsvertrags mit einem jungen Patienten auf vermeintliche „Kleinigkeiten“ wie das Alter zu achten und sich insbesondere zu vergewissern, dass erforderliche Einwilligungen der Eltern vorliegen.

Alexandra Eppelsheim, Frankfurt (Main)