Rechtstipp Mai 2011 Keine Faltenunterspritzung durch Zahnärzte im Gesichts- und Halsbereich

Keine Faltenunterspritzung durch Zahnärzte im Gesichts- und Halsbereich

Das Verwaltungsgericht Münster hat mit Urteil vom 19. April 2011 (Az.: 7 K 338/09) entschieden, dass Zahnärzte keine Faltenbehandlungen im Gesichts- oder Halsbereich durchführen dürfen (die DZW berichtete in Ausgabe 18/11). Das Unterspritzen solcher Falten sei von der zahnärztlichen Approbation nicht gedeckt.

Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) rekurriert in ihrem aktuellen Klartext auf dieses Urteil und berichtet über die eigene Stellungnahme zu diesem Thema, nach der Zahnärzte nur Lippenunterspritzungen vornehmen dürfen.

Im Klartext heißt es: „Die Klägerin des Verfahrens, eine Zahnärztin, hatte sich an die Zahnärztekammer Westfalen-Lippe gewandt. Diese sollte ihr bestätigen, dass es ihr nicht verwehrt sei, unter anderem Hyaluronsäure beziehungweise im Gesichts- und Halsbereich ihrer Patienten zu injizieren. Die Kammer konnte im Hinblick auf die Reichweite von Paragraf 1 Zahnheilkundegesetz nicht entsprechen.Deshalb wurde das Verwaltungsgericht zur Entscheidung aufgefordert. Das Gericht betont, dass es sich bei der Faltenunterspritzung um erlaubnispflichtige Heilkunde handele, die nicht durch Zahnärzte erbracht werden dürfe. Eine zahnärztliche Approbation reiche hierfür nicht aus. Sie berechtige nach Paragraf 1 Abs. 3 Zahnheilkundegesetz zur Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Damit werde der dem Zahnarzt eröffnete Behandlungsbereich räumlich abgegrenzt. Die Lippe stelle die äußere Grenze des Mundbereichs dar.
Der Vorstand der Bundeszahnärztekammer hat sich in seiner Sitzung am 13. April 2011 ebenfalls mit dem Thema befasst und einstimmig folgende Stellungnahme verabschiedet, so der Klartext: „Bei der Augmentation der Lippen und/oder perioraler Falten handelt es sich um kosmetische Eingriffe, die ärztliches, diagnostisches Fachwissen erfordern, um einer Gesundheitsgefährdung durch den Eingriff vorzubeugen. Die Eingriffe sind daher als Heilkunde anzusehen.

Ausübung der Zahnheilkunde ist die berufsmäßige auf zahnärztlich-wissenschaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Der von der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde umfasste Bereich erfasst das zum Mund gehörende Gewebe, das heißt den Mundinnenraum, begrenzt durch das Lippenrot.

Die Lippenunterspritzung ist deshalb vom Begriff der Zahnheilkunde umfasst und darf von Zahnärzten ausgeführt werden. Die Behandlung der Gesichtsoberfläche, insbesondere der perioralen Falten oder der Naso-Labial-Falten, gehört dagegen grundsätzlich nicht zu den der Zahnheilkunde zugewiesenen Körperbereichen.“

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster bestätige den BZÄK-Vorstand in seiner Entscheidungsfindung.

 

 

Rechtstipp April 2011 – Diese Leistung habe ich nicht bestellt!

„Diese Leistung habe ich nicht bestellt!“

Wer kennt sie nicht: Privatpatienten, die mit hohen Ansprüchen in die Praxis kommen, sich im Umgang als schwierige Personen entpuppen und die sich dann, wenn die Rechnung auf dem Tisch liegt, an so manche Begebenheiten nicht mehr erinnern können. Es wird dann manchmal sogar behauptet, dies oder das habe man „nicht bestellt“ oder „nicht in Auftrag gegeben“. Nicht selten ist der wahre Hintergrund für ein derartiges Verhalten in einer mangelhaften Liquidität des Patienten zu finden.

Der Privatzahnarzt Dr. Gerd Mayerhöfer in Düsseldorf hat vor dem Amtsgericht Düsseldorf ein sehr gut und ausführlich begründetes Urteil (Az.: 44 C 10658/09; verkündet am 3. Dezember 2010) erstritten, das den Zahnärzten nützlich sein wird. Nachfolgend eine Zusammenfassung von Fall und Urteil.

Wegen unklarer Beschwerden im Mundbereich, die von mehreren Vorbehandlern nicht zur Zufriedenheit der Patientin behandelt worden waren („hat er übersehen“, „am falschen Zahn geschnitten“), suchte die seinerzeit 48-jährige Sekretärin auf Empfehlung eines weiteren Zahnarztes Mayerhöfer auf. Nach Erhebung der Anamnese traf dieser mit der Patientin nach ausführlicher Erläuterung eine Gebührenvereinbarung über alle aus seiner Sicht für die Behandlung in Betracht kommenden Leistungen. Insbesondere wurden die verschiedenen Behandlungsalternativen besprochen. Die Patientin entschied sich für ein möglichst zahnsubstanzerhaltendes Vorgehen. Im weiteren Verlauf der Behandlung wurde ein Heil- und Kostenplan für die Versorgung des Zahns 26 mit einer Einzelkrone erstellt. Nach Rücksprache mit ihrer Krankenversicherung, der HUK Coburg, brach die Patientin daraufhin die Behandlung durch Mayerhöfer ab.

Mayerhöfer erstellte eine Rechnung über 3.419,16 Euro für seine Leistungen an zwölf Behandlungstagen. Die Patientin zahlte trotz mehrfacher Mahnungen nichts.
Daraufhin kam es zur Honorarklage vor dem Amtsgericht Düsseldorf. Im Rechtsstreit wurde die Patientin durch ihren Bruder, einen in der Nähe von Hanau niedergelassenen Rechtsanwalt, vertreten.  Dieser rügte zunächst und in erster Linie die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Düsseldorf. Das Amtsgericht erklärte sich für örtlich unzuständig und wies mit der Begründung, örtlich zuständig sei das Gericht am Wohnsitz der Beklagten, die Klage des Zahnarztes ab. Das Landgericht Düsseldorf hob mit seinem Berufungsurteil vom 23. Januar 2009 (Az.: 20 S 135/08) unter dem Vorsitz des Präsidenten des Landgerichts Düsseldorf das Urteil des Amtsgerichts auf und wies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück.

Das Landgericht erklärte unter Berufung auf die ständige Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (zum Beispiel Urteile vom 3. Juni 2004, Az.: I-8 U 110/03, und vom 12. Februar 2003, Az.: 8 U 99/02) das Amtsgericht Düsseldorf gemäß Paragraf 29 Zivilprozessordnung (ZPO) für örtlich zuständig. Demnach ist ein gemeinsamer Erfüllungsort für beide Vertragsparteien, das heißt auch für den zahlungspflichtigen Patienten, am Praxissitz des Zahnarztes gegeben. Dies beruht darauf, dass zahnärztliche Behandlungen ausschließlich in den Praxisräumen durchgeführt werden, in welchen der Zahnarzt über die zur Behandlung notwendigen Räume, seine Einrichtung, sein Werkzeug, die sonstigen zur Behandlung erforderlichen Hilfsmittel, sein Personal und die notwendigen Dokumentationen verfügt.

Im weiteren Verfahren vor dem Amtsgericht behauptete die Patientin, der Zahnarzt habe ihr gegenüber lediglich die Erforderlichkeit einer Wurzelkanalbehandlung und der Entfernung eines im Wurzelkanal verbliebenen Instruments erwähnt. Über die Gründe für die weiteren von ihm vorgenommenen Maßnahmen habe er sie nicht aufgeklärt. Insgesamt sei eine Behandlung von zwölf Tagen nicht erforderlich gewesen. Über das Aufschneiden einer Zahntasche, eine Entzündungsbehandlung sowie eine Wurzelkanalbehandlung hinaus seien die Behandlungsmaßnahmen nicht erforderlich und nicht indiziert gewesen. Die Honorarvereinbarung habe sich der Zahnarzt ohne Erläuterung unterschreiben lassen. Die Durchführung der Behandlung sei von der Unterzeichnung abhängig gemacht worden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Das Gericht entschied, dass der Zahnarzt gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 3.419,16 Euro gemäß Paragraf 611 Absatz 1 zweiter Halbsatz Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat.
„Zwischen der Beklagten und dem Zahnarzt ist wirksam ein zahnärztlicher Behandlungsvertrag zustande gekommen. Die Beklagte hat den Zahnarzt  beauftragt, die durch ihr Beschwerdebild und ihren zahnärztlichen Krankheitszustand indizierten ärztlichen Maßnahmen vorzunehmen. Dieses ergibt sich nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung schlüssig aus ihrer Vorstellung bei dem Zahnarzt mit dem Ansinnen, sich in die dortige zahnärztliche Behandlung zu begeben und ihrer einverständlichen Mitwirkung an der weiteren Behandlung bis zum Behandlungsabbruch.

Selbst wenn nach dem Beklagtenvortrag nur teilweise Informationen über den Behandlungsverlauf erfolgten und der Beklagten nur bekannt war, dass eine Wurzelkanalbehandlung durchgeführt werden sollte und ein Instrumententeil aus dem Wurzelkanal entfernt werden sollte, führte dies nicht zu einer Beschränkung des zahnärztlichen Behandlungsvertrags auf lediglich diese Behandlungsmaßnahmen. Es ist davon auszugehen, dass ein Patient grundsätzlich, wenn er eine Behandlung wünscht, verbindlich sämtliche medizinisch indizierten Maßnahmen und damit zu der Herstellung seiner Gesundheit erforderlichen Maßnahmen beauftragt. Anderenfalls würde der gerade im medizinischen Bereich wesentliche Leistungsumfang, der eigentlich immer der Gesundung dienen sollte, von den Zufälligkeiten des Informationshintergrundes des Patienten und der Ausführlichkeit der Information des Behandlers abhängig sein.

Die Annahme eines anderen Leistungsumfangs als demjenigen der medizinisch indizierten Behandlungsmaßnahmen ist nur dann gerechtfertigt, wenn ausdrücklich der Patient den gewünschten Leistungsumfang auf bestimmte Behandlungsmaßnahmen beschränkt und zudem das Risiko des mangelnden Behandlungserfolgs ausdrücklich auf sich nimmt.
Vorliegend sind von dem Zahnarzt sämtlichst aufgrund des Befundes bei der Beklagten medizinisch indizierte Behandlungsmaßnahmen durchgeführt worden. Der Sachverständige hat in sich schlüssig und beanstandungsfrei gutachterlich ausgeführt, dass die von dem Zahnarzt durchgeführten Behandlungen aufgrund der Parodontalerkrankung, der unzureichenden Wurzelfüllung mit der Folge einer Entzündung im Knochen und aufgrund der bei der Beklagten vorliegenden Funktionsstörung medizinisch indiziert gewesen sind.

Die Rechnung ist unter Berücksichtigung der Vergütungsvereinbarung und der Vorschriften der GOZ nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat insoweit auch keine Einwände erhoben.

Das Urteil kann im vollständigen Wortlaut angefordert werden bei der Geschäftsstelle der PZVD Privatzahnärztliche Vereinigung Deutschlands e.V., Susannenstraße 7a, 33335 Gütersloh; E-Mail: geschaeftsstelle@pzvd.notes-net.de

 

Rechtstipp März 2011 Erstattungszinsen des Finanzamts sind nicht mehr steuerpflichtig

Erstattungszinsen des Finanzamts sind nicht mehr steuerpflichtig

Rechtsprechung hat sich zugunsten der Steuerzahler geändert – In einer neuen Entscheidung hat der Bundesfinanzhof (BFH) seine Rechtsprechung zugunsten der Steuerzahler geändert (Az.: VIII R 33/07).

Die Entscheidung betrifft die Verzinsung der zu zahlenden Einkommensteuer. Alle selbstständigen Zahnärzte zahlen quartalsweise Vorauszahlungen auf die zu erwartende Einkommensteuer für das laufende Jahr. Diese Vorauszahlungen werden aufgrund der zuletzt festgesetzten Einkommensteuer berechnet. Regelmäßig ist die tatsächlich entstehende Einkommensteuer höher oder niedriger als die Summe der Vorauszahlungen. Deshalb gibt es dann eine Nachzahlung durch den Steuerpflichtigen oder eine Erstattung zu viel gezahlter Vorauszahlungen durch das Finanzamt. Sofern Nachzahlung oder Erstattung weniger als 15 Monate nach Abschluss des Jahres erfolgen, für die die Einkommensteuer zu zahlen ist, fallen keine Zinsen an. Wenn dieser Zeitraum jedoch überschritten ist, muss der Ausgleichspflichtige, also der Steuerzahler oder das Finanzamt, Zinsen zahlen. Die steuerliche Bewertung dieser Zinsen war nun Gegenstand der Entscheidung des BFH. Er bestätigte die bisherige Rechtsprechung, dass der Steuerpflichtige die von ihm zu zahlenden Zinsen nicht steuerlich geltend machen kann. Allerdings entschied der BFH in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung, dass er umgekehrt die vom Finanzamt erhaltenen Zinsen nicht versteuern muss. Eigentlich sagt einem schon der gesunde Menschenverstand – oder das Verfassungsverständnis – dass eine Ungleichbehandlung nicht richtig sein kann: Der Staat darf sich nicht die Rosinen herauspicken, indem er Zinsen zu seinen Gunsten unterschiedlich behandelt, die aus dem gleichen Rechtszusammenhang entstehen. Alle Zahnärzte sollten aufgrund dieser Entscheidung sofort alle ihre noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheide darauf überprüfen, ob Erstattungszinsen, die sie vom Finanzamt erhalten haben, der Steuer unterworfen wurden. Falls dies der Fall sein sollte, sollten sie sofort Einspruch einlegen. Dieser Fall wird derzeit nicht selten eintreten, da die Zahnarzteinkommen sinken, die Vorauszahlungen aber noch aufgrund des Einnahmenüberschusses früherer Jahre berechnet werden.

 

 

Rechtstipp Februar 2011 Oberlandesgericht München gegen Zahnarztpraxis Ltd.

Oberlandesgericht München gegen „Zahnarztpraxis Ltd.“

Keine Eintragung für deutsche Zweigniederlassung in Handelsregister –

Das Oberlandesgericht (OLG) München bestätigt in einem Beschluss vom 1. Juli 2010, Az.: 31 Wx 088/10, dass eine deutsche Zweigniederlassung einer Private Limited Company englischen Rechts (Ltd.) mit der Firmierung „Zahnarztpraxis Ltd.“ nicht in das Handelsregister eingetragen werden kann.

Die Private Limited Company (Ltd.) ist eine Gesellschaftsform nach britischem Gesellschaftsrecht, die sich eine Zeit lang einiger Beliebtheit in Deutschland erfreute. Sie ist ihrer Konstruktion nach mit der seit dem 1. November 2008 im deutschen Gesellschaftsrecht als Reaktion auf diese Beliebtheit neu eingeführten „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ beziehungsweise „UG (haftungsbeschränkt)“ mit einem Mindeststammkapital von einem Euro (Paragraf 5a GmbHG [Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung]) vergleichbar. Das Mindest-Nominalkapital der Ltd. liegt bei einem Pfund (GmbH dagegen mindestens 25.000 Euro – Paragraf 5 GmbHG). Seit den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Niederlassungsfreiheit in den Fällen Centros (9. März 1999, Az.:C-212/97), Überseering (5. November 2002, Az.: C 208/00) und Inspire Art (30. September 2003, Az.: C 167/01) können innerhalb der EU unter bestimmten Voraussetzungen auch Gesellschaftsrechtsformen anderer EU-Mitgliedsländer eingesetzt werden. Im Bereich der Heilberufe allerdings ist die Rechtsform einer juristischen Person – wie der Ltd. – in Deutschland je nach Landesrecht überhaupt nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Unter „Firma“ versteht das deutsche Handelsrecht abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch den Namen, unter dem ein handelsgewerbliches Unternehmen (= Kaufmann) seine Geschäfte betreibt und unter dem es klagen und verklagt werden kann (vgl. Paragraf 17 Handelsgesetzbuch [HGB]). Die Eintragung von gewerblichen Unternehmen in das öffentliche, von den Gerichten elektronisch geführte Handelsregister unter ihrer Firma und mit der zutreffenden Angabe ihrer wichtigsten Rechtsverhältnisse dient der Offenlegung ihrer Zuge-hörigkeit oder gegebenenfalls Nicht-Zugehörigkeit zum Handelsstand (Publizität) sowie dem Verkehrsschutz. Es ist Aufgabe des Registergerichts, die förmlichen und materiellen Voraussetzungen für die Eintragung zu prüfen. Im vorliegenden Fall ging es um die Eintragung der Münchener Zweigniederlassung einer im Handelsregister von Cardiff mit dem Firmennamen „Zahnarztpraxis Ltd.“ eingetragenen Gesellschaft. Das Amtsgericht (AG) München hatte die Eintragung abgelehnt (Beschluss vom 22. März 2010, Az.: 31 AR 8023/09). Die Gesellschaft trug im Beschwerdeverfahren vor, sie betreibe ein Büro in München mit zwei Angestellten. Unternehmensgegenstand sei die Erbringung von Serviceleistungen gegenüber zahnmedizinischen Berufen, insbesondere Organisation, Abrechnung und Verwaltung. Das OLG München wies die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Münchens zurück. Das OLG München wendet auf die Eintragung der Zweigniederlassung deutsches Recht an und folgt damit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH; vgl. BGH, 7. Mai 2007, Az.: II ZB 7/06). Für die Zulässigkeit des Firmennamens seien deshalb die Bestimmungen des Paragraf 18 HGB zur Unterscheidbarkeit einzelner Firmen und zum Schutz des Rechtsverkehrs vor Irreführung entscheidend. Bloße Branchen- und Gattungsbezeichnungen wie hier „Zahnarztpraxis“ erfüllten die erforderliche Inidividualisierungsfunktion der Firma nach Paragraf 18 Absatz 1 HGB nicht und widersprächen gleichzeitig dem Freihaltebedürfnis des Rechtsverkehrs. „Zahnarztpraxis“ sei eine schlichte Gattungsangabe, der sowohl die Eignung zur Kennzeichnung als auch die Unterscheidungskraft fehle. Im Hinblick auf den Grundsatz der Firmenwahrheit in Paragraf 18 Absatz 2 HGB erwecke die Firma „Zahnarztpraxis Ltd.“ den Eindruck, eine Zahnarztpraxis zu betreiben, während sie tatsächlich nur Dienstleistungen für Zahnarztpraxen anbiete. Darin liege eine Irreführung über wesentliche geschäftliche Verhältnisse. Die Irreführung werde nicht durch den Rechtsformzusatz „Ltd.“ beseitigt, da dieser Zusatz über die tatsächliche Tätigkeit der Zweigniederlassung nicht das Geringste aussage und deshalb nicht geeignet sei, die Täuschung zu beseitigen. Es dränge sich hier für denjenigen, dem die für Heilberufe geltenden Einschränkungen bei der Wahl der Rechtsform bekannt seien, allenfalls die Annahme auf, es werde möglicherweise unter Umgehung der gesetzlichen Vorschriften eine Zahnarztpraxis betrieben. Im Übrigen könne diese rechtliche Kenntnis bei den angesprochenen Verkehrskreisen nicht vorausgesetzt werden, weil die rechtlichen Regelungen für die Ausübung von Heilberufen in den einzelnen Landesgesetzen unterschiedlich ausgestaltet seien. Die Eintragung der Zweigniederlassung einer in Cardiff eingetragenen Ltd. in das deutsche Handelsregister betrifft die in der EU als sogenannte Grundfreiheit grenzüberschreitend geschützte Niederlassungsfreiheit nach Artikel 43, 48 EGV. Die Entscheidung des OLG München führt aber nicht zu einer Verletzung dieser EU-Grundfreiheit. Denn die Umsetzung der handelsrechtlichen Bestimmungen zur Individualisierungsfunktion und zur Firmenwahrheit rechtfertigt nach zutreffender Auffassung des OLG München einen Eingriff in die Niederlassungsfreiheit. Der Schutz des Rechtsverkehrs vor Täuschung und Missbrauch sowie das Interesse anderer Unternehmensgründer an der Freihaltung von Allgemeinbegriffen stellen zwingende Gründe des Allgemeininteresses dar. Die Entscheidung des OLG München folgt damit der Linie des BGH (vgl. BGH, 7. Mai 2007, Az.: II ZB 7/06). In Ausgestaltung der genannten EuGH-Rechtsprechung rechtfertigt der BGH Eingriffe in die Niederlassungsfreiheit unter anderem mit dem Schutz der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit und der Lauterkeit des Handelsverkehrs.

 

 

Rechtstipp Januar 2011 Approbation als Arzt und Zahnarzt zwingend

Approbation als Arzt und Zahnarzt zwingend Facharztweiterbildung für Mund,- Kiefer- und Gesichtschirurgie

– Voraussetzungen und Umfang der erlaubten Tätigkeit –

Das Bundesverwaltungsgericht wurde kürzlich vor die Entscheidung gestellt, ob der in Humanmedizin approbierte Arzt mit der Weiterbildung zum Facharzt für Mund,- Kiefer- und Gesichtschirurgie weiterhin zahnärztliche Leistungen erbringen darf, obwohl ihm die Approbation als Zahnarzt oder eine entsprechende Berufserlaubnis fehlte.

Der Fall:Ein approbierter Arzt in Humanmedizin hatte eine zahnärztliche Ausbildung in Ungarn abgeschlossen. Daraufhin wurde ihm die Erlaubnis erteilt, den zahnärztlichen Beruf vorübergehend und unselbstständig auszuüben, und er absolvierte erfolgreich die Facharztweiterbildung zum Mund,- Kiefer- und Gesichtschirurgen (MKG). Im Rahmen dieser Tätigkeit extrahierte er Zähne, führte Kieferaugmentationen durch und brachte Implantate ein. Seine Anträge auf die Erteilung einer zahnärztlichen Approbation wurden jedoch weiterhin abgelehnt. Der Arzt nahm, nachdem seine Kenntnisse mehrfach erfolglos überprüft worden waren, die entsprechenden Zulassungsanträge zurück. Aus der Sicht der zuständigen Bezirksregierung entsprach der Ausbildungsstand, den er in Ungarn erworben hatte, nicht dem deutschen zahnärztlichen Standard. Standard fehlte Es handelte sich um eine Bescheinigung einer Hochschule für ärztliche Weiterbildung und nicht um eine Bescheinigung über die Absolvierung eines universitären zahnmedizinischen Studiums mit der Vermittlung von Grundlagenwissen für eine zahnärztliche Tätigkeit. Im Jahr 1999 wurde ihm zum letzten Mal die Erlaubnis erteilt, als Zahnarzt zu arbeiten. Über eine zahnärztliche Approbation verfügte er weiterhin nicht. Die Entscheidung Wer kein approbierter Zahnarzt ist, darf keine Zahnheilkunde ausüben, auch wenn er MKG-Chirurg ist. Das Bundesverwaltungsgericht beantwortete diese Frage mit dem Beschluss vom 25. August 2010 (Az.: 3 B 31/10) dahin gehend, dass die Arbeit in dem Fachbereich der Mund,- Kiefer- und Gesichtschirurgie eine Approbation als Arzt und Zahnarzt voraussetze sowie die erfolgreiche Absolvierung der Facharztweiterbildung für MKG. Dementsprechend sei der Facharzt für MKG nicht mehr befugt, in den jeweiligen Gebieten seines Fachbereichs zu arbeiten, wenn er die seiner Tätigkeit zugrundeliegende Approbation oder Approbationen verliert oder seine Berufserlaubnis einbüßt. Der betroffene Arzt durfte wegen der fehlenden zahnärztlichen Approbation beziehungsweise fehlenden Berufserlaubnis keine zahnheilkundlichen Tätigkeiten mehr ausüben. Paragraf 1 Absatz 1 Zahnheilkundegesetz Zur Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht im Anschluss an die Vorinstanz aus, der Arzt dürfe von Bundesrechts wegen keine zahnheilkundlichen Tätigkeiten mehr ausüben, und bezog sich damit auf Paragraf 1 Absatz 1 Zahnheilkundegesetz (ZHG). In dieser bundesrechtlichen Norm ist geregelt, dass für die dauernde Ausübung der Zahnheilkunde eine Approbation als Zahnarzt erforderlich ist. Sie stellt eine bundesweit gleiche Ausbildung und Grundqualifikation für die Ausübung des Zahnarztberufs dar. Im Gegensatz dazu bezieht sich die Weiterbildung zum MKG auf die Berufsausübung und dient der Erweiterung der bereits in der Ausbildung erworbenen Fähigkeiten auf einem eingegrenzten und bestimmten Gebiet. Universitäres Studium ist erforderlich Daraus ziehen die Vorinstanz und das Bundesverwaltungsgericht den Schluss, dass die Weiterbildung zum MKG die Ausbildung zum Zahnarzt voraussetzt und erst nach deren Beendigung absolviert werden kann, was dann zu der – hier relevanten – Konsequenz führt, dass Weiterbildungsmaßnahmen und -qualifikationen keine Wirkung zuerkannt werden kann, wenn es an der bundesrechtlich geforderten grundlegenden Ausbildung und ihrem formellen Abschluss fehlt. Kein Widerspruch zu Paragraf 6 GOÄ Im Übrigen, so das Bundesverwaltungsgericht, ergäbe sich aus dem Umstand, dass Fachärzte für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie zahnärztliche Leistungen abrechnen könnten, keine Widersprüche, solange sie in ihrer Person die in Rede stehenden Voraussetzungen der Berufsausübung erfüllten – also Ärzte und Zahnärzte sind. Die Regelung in Paragraf 6 GOÄ bestimmt nur, wann ein MKG-Chirurg zahnärztliche Leistungen nach der insoweit spezielleren Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) abzurechnen hat und wann er die ärztliche Gebührenordnung (GOÄ) zugrundelegen darf und kann als Abrechnungsmodalität nichts zu der Frage beitragen, ob für bestimmte heilkundliche Betätigungen eine entsprechende (zusätzliche) Approbation erforderlich ist und ob im Speziellen ein Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg bestimmte zahnärztliche Tätigkeiten ohne Approbation als Zahnarzt durchführen darf. Auswirkung auf die Praxis Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts beantwortet die immer wiederkehrende Frage von Studierenden im In- und Ausland, welche Voraussetzungen zu erfüllen sind, um als MKG-Chirurg tatsächlich arbeiten zu dürfen. Nunmehr ist klargestellt, dass beide Approbationen im human- und zahnmedizinischen Bereich erforderlich sind beziehungsweise eine entsprechende Berufserlaubnis in dem betroffenen Bereich.

 

 

Rechtstipp Dezember 2010 Medizinprodukte „kritisch B“

Rechtstipp Dezember 2010 Medizinprodukte „kritisch B“

Aktuelles Urteil des OVG Münster – manuelle Verfahren laut Gericht nicht validierbar – Medizinprodukte „kritisch B“ müssen in der Zahnarztpraxis validiert maschinell aufbereitet werden.

Das meldet ADP-Medien (www.adp-medien.de) unter Bezug auf ein Urteil des 13. Senats des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen in Münster. Danach hat das Gericht am 29. September 2010 in einem kürzlich bekannt gewordenen Beschluss (Az.: 13 A 2422/09 NRW) Folgendes festgestellt: „Die in einer Zahnarztpraxis nach einer Standardanweisung durchgeführte manuelle Reinigung und Desinfektion von kritischen Medizinprodukten entspricht regelmäßig nicht den Vorgaben der Medizinprodukte-Betreiberverordnung.“ Dieser Beschluss sei nicht mehr anfechtbar, heißt es weiter. Der Antrag der klagenden Partei auf Zulassung der Berufung gegen das vorhergehende Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Düsseldorf vom 2. September 2009 wurde zurückgewiesen. In der Begründung schließt sich das OVG den Ausführungen des VG Düsseldorf an: Bei der in der Praxis der Kläger auf der Grundlage einer Standardanweisung durchgeführten manuellen Reinigung sowie Desinfektion der verwendeten Medizinprodukte der Klasse „kritisch B“ (Medizinprodukte, die Haut oder Schleimhaut durchdringen und dabei in Kontakt mit Blut, inneren Geweben oder Organen kommen, mit erhöhten Anforderungen an die Aufbereitung) handele es sich nicht um ein im Sinne des Paragrafen 4 Absatz 2 Satz 1 Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) geeignetes validiertes Verfahren. Manuelle Reinigungs- und Desinfektionsverfahren seien regelmäßig nicht validierbar. Validierung sei laut Gericht zu definieren als ein dokumentiertes Verfahren zum Erbringen, Aufzeichnen und Interpretieren der Ergebnisse, die für den Nachweis benötigt werden, dass ein Verfahren beziehungsweise Prozess beständig Produkte liefere, die den vorgegebenen Spezifikationen entsprechen. Die Validierung sei demnach der dokumentierte Nachweis der beständigen Wirksamkeit eines Aufbereitungsprozesses, heißt es bei ADP-Medien mit Bezug auf den OVG-Beschluss. Die zuständige Behörde sei auch berechtigt, den Klägern durch Anordnung aufzugeben, die bei der Inspektion der Praxisräume festgestellten schwerwiegenden Mängel hinsichtlich der hygienerechtlichen Aufbereitung kritischer Medizinprodukte zu beseitigen. Nicht bestimmungsgemäß aufbereitete Medizinprodukte seien eine drohende Gefahr nach Paragraf 28 Abs. 2 Satz 1 Medizinproduktegesetz (MPG) für die Patienten, Anwender und Dritte, weil sie nicht entsprechend den in Paragraf 14 MPG in Verbindung mit Paragraf 4 Absatz 2 MPBetreibV bestimmten Anforderungen aufbereitet werden.

 

 

Rechtstipp November 2010 Titel: OLG Düsseldorf: Werbung mit „Zahnersatz ohne Zuzahlung“

OLG Düsseldorf: Werbung mit „Zahnersatz ohne Zuzahlung“ und „Zahnersatz garantiert 40% günstiger“ auch mit Sternchenhinweis unzulässig

Autor: RA Dr. Robert Kazemi

Mit Urteil vom 10.08.2010 (Az. I-20 U 52/10) hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in einem Prozess ein Urteil des Landgerichts (LG) Düsseldorf vom 15.01.2010 (Az.: 4 O 8/10) weitestegehend bestätigt und einer Dentalhandelsgesellschaft untersagt, im geschäftlichen Verkehr damit zu werben,

dass Patienten, die sich einem bestimmten Netzwerk anschließen „Zahnersatz ohne Zuzahlung“ und/oder „Zahnersatz zum Nulltarif“ erhalten. Der Fall: In dem durch das LG Düsseldorf zu beurteilenden Sachverhalt war die Aussage „Zahnersatz ohne Zuzahlung“ mit einem entsprechenden Sternchenhinweis versehen. Die vom Unterzeichner vertretene Anspruchstellerin sah diesen jedoch nicht als ausreichend an, um die mit der Aussage einhergehende Irreführungsgefahr zu beseitigen. Das LG Düsseldorf gab der Anspruchstellerin Recht und verurteilte das werbende Dentallabor zur Unterlassung. Das OLG Düsseldorf beurteilte diese Werbung als grundsätzlich unzulässig. In der ausführlich begründeten Entscheidung führt das Gericht unter anderem aus: „Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin aus § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, Aps. 2, § 5 Abs. 1 Nr.2 UWG einen Anspruch auf Unterlassung der Werbung mit den Werbeaussagen „Zahnersatz garantiert 40% günstiger“, „bei außervertraglichen Leistungen sparen Sie garantiert 40% gegenüber regulären Angeboten“, „Wenn Sie eine hochwertige Versorgung mit garantiert 40% reduzierten Zahnersatzkosten erhalten möchten“ und „Zahnersatz 40% günstiger“, wenn nicht darüber aufgeklärt wird, auf welchen Grundpreis sich die 40%ige Preisersparnis bezieht. Die Werbeaussagen bezüglich „Zahnersatz 40% günstiger“ sind nach § 3 Abs. 1, Abs. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2 UWG als irreführende geschäftliche Handlungen unzulässig, wenn nicht dargetan wird, auf welchen Grundpreis sich die 40%ige Ersparnis bezieht. Bei einer Preisgegenüberstellung – wie hier – darf der in Bezug genommene Preis nicht mehrdeutig sein . Das ist hier aber der Fall. Wie die Existenz von Unternehmen wie der Antragstellerin zeigt, gibt es auf dem Markt für Zahnersatz eine erhebliche Spanne. So bleibt offen, 40% günstiger als welche konkreten Mitbewerber denn die Antragsgegnerin sein möchte. Tatsächlich orientiert sich die Antragsgegnerin bei ihrem Preisvergleich an der BEL-Liste. Diese ist aber zum einen nicht verbindlich, sie unterscheidet sich auch noch je nach Bundesland. Die BEL-Liste gibt damit nicht einmal einen wie auch immer zu verstehenden gängigen Marktpreis wieder. Ohne Angabe des Vergleichswertes ist die Angabe daher irreführend. Es ist im Übrigen schon nicht dargetan, dass auch nur die Mehrzahl der Dentallabors die BEL-Liste uneingeschränkt bei der Preisgestaltung anwendet. Hinzu kommt, dass die BEL-Liste dem angesprochenen Verbraucher vollkommen unbekannt ist, so dass er erst recht nicht erkennen kann, auf welchen Preis sich die beworbene Ersparnis bezieht. Ebenso ist die Werbeaussage „Hier erhalten Sie als Versicherter einer unserer PartnerKrankenkassen [ … ] Ihren Zahnersatz ohne Zuzahlung“ auch mit dem *-Hinweis ,,* Bei Regelleistung der GKV Plus 30% Bonus“ irreführend und damit unzulässig. Zwar wird der Verbraucher nicht erwarten, dass er jegliche Form des Zahnersatzes danach ohne Zuzahlung erhält, ebensowenig wie er dies bei Brillen erwartet. Allerdings ist insoweit schon fraglich, ob der Verbraucher eine konkrete Vorstellung davon hat, was „Regelleistung der GKV“ ist. Insoweit unterscheidet sich die Situation von der Brillenwerbung“, in der in der Regel Hinweise wie „bei bestimmten Gestellen mit Einstärkengläsern“ dem Kunden eine konkrete Vorstellung von der zuzahlungsfreien Leistung vermitteln. Beim Zahnersatz kann jedoch nicht erwartet werden, dass der umworbene Patient konkrete Vorstellungen davon hat, was eine Regelleistung der GKV ist und was nicht. Jedenfalls aber ist der Zusatz „Plus 30% Bonus“ unverständlich. Zwar zählt der Senat insoweit nicht zu den angesprochenen Verkehrskreisen, er steht diesen jedoch hinreichend nahe, um diese Frage zu entscheiden. Unverständlich ist schon, wer diesen Bonus gewährt. Eine konkrete Bezugnahme auf das „Bonusheft“ der Krankenkassen fehlt nämlich. So kann ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Kassenpatienten die Aussage so verstehen, dass die Antragsgegnerin bei Regelleistungen einen 30%igen Bonus anrechnet, was zur Zuzahlungsfreiheit führt. Dass hierfür jahrelange regelmäßige Zahnarztbesuche erforderlich sind, wird dem Verbraucher nicht vermittelt und kann auch nicht als Kenntnis vorausgesetzt werden. Insoweit kann nicht unterstellt werden, dass die angesprochenen Verkehrskreise, also Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen, tatsächlich über Einzelheiten des „Bonusprogramms“ informiert sind. Dies wird letztlich auch durch die von den Parteien vorgelegten Beiträge belegt, denen zu entnehmen ist, dass jedenfalls die Zahnärzte von einer weitgehenden Unkenntnis ihrer Patienten ausgehen. Die Werbung ist damit geeignet, beim Verbraucher Fehlvorstellungen darüber herbeizuführen, welche Leistungen – wenn überhaupt – er zuzahlungsfrei erhält.“ Bewertung: Die Entscheidung des OLG Düsseldorf ist zu begrüßen und folgerichtig. Ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot liegt vor, wenn eine Angabe geeignet ist, die Umworbenen irrezuführen und sie zu falschen Entscheidungen zu beeinflussen. Entscheidend ist dabei stets die Auffassung der Verkehrskreise, an die sich die Werbung richtet, so dass auch eine objektiv richtige Werbung subjektiv, d.h. in ihrer Wirkung auf das Publikum, geeignet sein kann, irrige Vorstellungen hervorzurufen. Ob eine Angabe geeignet ist irrezuführen, lässt sich daher nur feststellen, wenn man zuvor ihren Sinn ermittelt hat, den sie nach der Auffassung der umworbenen Verkehrskreise hat. In dem hier streitgegenständlichen Fall ging es um eine sog. Blickfangwerbung. Von einer solchen spricht man, wenn im Rahmen einer Gesamtankündigung einzelne Angaben im Vergleich zu den sonstigen Angaben besonders herausgestellt sind, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu erwecken. Dies war vorliegend der Fall, denn die vermeintliche „Zuzahlungsfreiheit“ war durch Fettdruck besonders hervorgehoben. Patienten mussten die Aussage so verstehen, dass sie im Rahmen des Netzwerkes jede Form von Zahnersatz bedingungslos zuzahlungsfrei erhalten können. Dies ist jedoch tatsächlich nicht der Fall. Vergegenwärtigt man sich die Bedingungen, an die sich die Zuzahlungsfreiheit knüpft, wird deutlich, dass es sich bei der Aussage um eine irreführende handelt. So weist der Sternchenhinweis zwar darauf hin, dass die Zuzahlungsfreiheit nur „bei Regelleistung der GKV inkl. 30% Bonus“ in Anspruch genommen wird, doch wird dieser Hinweis von Patienten kaum verstanden werden und führt diese Einschränkung gleichsam dazu, dass bis zu 70 % aller Patienten von vornherein von der Zuzahlungsfreiheit ausgeschlossen sind. Auch der Sternchenhinweis, den die Antragsgegnerin auf ihrer Internetseite vorhielt, reicht nicht aus, um diesen Umstand ausreichend zu verdeutlichen. Zwar wird dort die Aussage Zahnersatz ohne Zuzahlung wie folgt erläutert: „Bei Regelleistungen der GKV inklusive 30 % Bonus“. Doch reicht diese Aussage nicht aus, um den angesprochenen Patienten den Umfang der Zuzahlungsfreiheit zu erläutern. Die Regelungen des SGB V in Bezug auf den Umfang der Regelleistungen sind so schwer durchschaubar, dass ein durchschnittlich aufmerksamer und informierter Verbraucher mit der Aussage „Bei Regelleistung“ nichts anzufangen vermag. Auch die Aussage „+ 30 % Bonus“ ist für den objektiven Betrachter kaum nachvollziehbar. So ist schon fraglich, ob der durchschnittlich informierte Patient den Sternchenhinweis überhaupt dahingehend versteht, dass er selbst über einen 30 %igen Bonus bei seiner Krankenkasse verfügen muss und nicht etwa so, dass die Zuzahlungsfreiheit aus einem 30 %igen Bonus seiner Krankenkasse zur Zahnersatzbehandlung resultiert. In diesem Zusammenhang belegen zudem zahlreiche – durch den Unterzeichner auch im Rahmen des vorstehend beschriebenen Verfahrens vorgelegte – Studien, auf die das OLG ausdrücklich Bezug nimmt, dass die Mehrheit der Deutschen die Zuschüsse ihrer gesetzlichen Krankenversicherung zum Zahnersatz nicht voll ausschöpft. Der Grund: 57 % der Bürger führen Bonushefte nicht regelmäßig. Ursache dafür ist, dass mehr als 80 % der Versicherten nicht wissen, dass sie lückenlos einen jährlichen Zahnarztbesuch nachweisen müssen, um die Zulage zu bekommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine bundesweite repräsentative Befragung im Auftrag der DEVK unter 1.000 Personen. 39 % der deutschen Bevölkerung besitzen überhaupt kein Bonusheft, noch größer ist der Anteil bei den unter 30-Jährigen. Gesetzlich Versicherte, die ihr Bonusheft nur sporadisch führen – und von diesen wird eine Vielzahl unter den von der Beklagten/Berufungsklägerin angeführten drei Viertel aller gesetzlich Versicherten sein – haben gegenüber den „Bonusheft-Verweigerern“ keinen Vorteil. Denn bereits eine einzige Stempellücke innerhalb von zehn Jahren macht die Zuschusserhöhung zunichte. Selbst Versicherte, die ihr Bonusheft vorbildlich führen, sind häufig nur unzureichend über die Kostenrisiken von Zahnersatzbehandlungen informiert. Genau dieses „Informationsdefizit“ nutzte die Antragsgegnerin vorliegend, um mit ihrer irreführenden Werbeaussage auf unlautere Art und Weise Patienten zu werben. Dem hat das OLG Düsseldorf nunmehr in zutreffender Weise Einhalt geboten. Die durch die vorstehend zitierte Studienergebnisse wiedergegebenen Unsicherheiten im Rahmen der gesetzlichen Versicherten in Bezug auf das Bonusheft verstärken die Irreführungsgefahr. Das werbende Unternehmen sucht – auf Kosten der Verbraucher – danach, seinen Produktabsatz zu erhöhen, indem sie den Verbrauchern vorgaukelt, diese könnten – wenn sie sich an das Unternehmen wenden – „Zahnersatz zum Nulltarif“ erhalten, obwohl dies bei mehr als der Hälfte aller gesetzlich Versicherten tatsächlich nicht der Fall ist. Es ist davon auszugehen, dass eine signifikante Mehrzahl aller Bundesbürger überhaupt nicht wissen, dass das Bonusheft im Rahmen der Zahnersatzversorgung Relevanz haben kann, zudem führen mindestens 25 % aller gesetzlich Versicherten überhaupt kein Bonusheft, eine weitaus größere Zahl dieser Versicherten führt kein lückenloses Bonusheft und ist dementsprechend ebenfalls vom Erhalt eines „Zahnersatzes ohne Zuzahlung“ ausgeschlossen. Die Irreführung liegt damit offen zu Tage, das OLG hat die Aussagen damit zu Recht im Lichte des § 5 UWG als irreführend untersagt. Schließlich darf der Blickfang selbst auch keine objektive Unrichtigkeit enthalten. Auch bei einer Blickfangaussage muss es sich nämlich um eine solche handeln, an der „trotz ihres irreführenden Charakters“ von Seiten des Werbenden ein nachvollziehbares Interesse besteht. Eine dreiste Lüge, wie die vorliegende, für die kein vernünftiger Anlass besteht, kann auch dann nicht zugelassen werden, wenn ein Sternchenhinweis eine Korrektur erhält. Die Unzulässigkeit der irreführenden Werbung ergibt sich zudem auch aus Nr. 21 des Anhanges zu § 3 UWG, nach dem das Angebot eines Produktes als „gratis“, „umsonst“, „kostenfrei“ oder dergleichen strikt verboten ist, wenn gleichwohl Kosten entstehen können. Angesichts des klaren Wortlautes der Regelung dürfte dieses Werbeverbot auch absolut gelten, so dass auch aus diesem Grund ein Sternchenhinweis, der über zusätzliche Kosten aufklärt, die Wettbewerbswidrigkeit der Werbung nicht beseitigen kann. Nach zutreffender Rechtsprechung muss der angesprochene Verbraucherkreis immer die Möglichkeit haben, die angebotene Leistung zu beziehen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.03.2002, 20 U 130/01; BGH, NJW-RR 2001, 329, 331; NJW 2000, 3001, 3002). Eine Werbeaussage, welche sich – wie vorliegende – an 100 % der Verbraucher richtet, bei der aber knapp drei Viertel der Verbraucher von Anfang an nicht die Voraussetzung erfüllen, um die in der Werbung angepriesene Leistung in Anspruch zu nehmen, ist daher unzulässig. Gesteigert wird die Unseriösität des Werbeversprechens noch durch das „kostenlos“- Argument, durch welches die Anlockwirkung der Werbung noch größer wird und deshalb besonders enge Maßstäbe anzulegen sind (vgl. hierzu VG Münster, Urteil vom 07.10.2009 – 5 K 777/09). Die Einschränkungen für das Angebot sind so groß, dass selbst ein Warnhinweis als Sternchen in dem als Blickfang herausgestellten Werbeslogan dementsprechend nicht ausreicht, um die Irreführung selbiger zu beseitigen. Die vorliegende Entscheidung des OLG Düsseldorf ist rechtskräftig und hat damit erhebliche Bedeutung für zahlreiche Strukturverträge im Bereich des Zahnersatzes. Viele Anbieter werben mit der Zuzahlungsfreiheit, die tatsächlich kaum zum Tragen kommt und führen Verbraucher damit in die Irre.

Dr. Robert Kazemi Kazemi & Lennartz | Rheinallee 27 | 53173 Bonn | Tel: +49 (0)228 – 3500 89-0 | Fax: +49 (0)228 – 3500 89-10 | E-Mail: kanzlei@medi-ip.de

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Rechtstipp Oktober 2010 Das ärztliche Aufklärungsgespräch im Wandel der Technik

Das ärztliche Aufklärungsgespräch im Wandel der Technik

Vieles ist einfacher geworden. Die korrekte Aufklärung vorab invasiver medizinischer Eingriffe ist ein immer heisseres Thema. Vor allem die zunehmende Zahl von Patientenanwälten forscht nach diesbezüglichen Versäumnissen des Behandlers, um Schadenersatzforderungen durchzudrücken. Hier ein interessanter Aufsatz aus der Kanzlei Ratajczak und Partner, Abdruck mit freundlicher Genehmigung.

Die Verwendung, der Zweck und der Nutzen von Aufklärungsbögen im Rahmen eines ärztlichen Eingriffs werden in nahezu jedem Arzthaftungsfall diskutiert. Die Rechtsprechung hierzu scheint mittlerweile gefestigt zu sein und doch gibt es technische Möglichkeiten, die bislang nicht in den Urteilen des Bundesgerichtshofes für Zivilsachen aufgetaucht sind. Das Aufklärungsgespräch Die Aufklärung des Patienten muss mündlich in einem Gespräch erfolgen, wie es der Bundesgerichtshof für Zivilsachen wiederholt entscheiden hat. Technisch gesehen kann es in einfachen Fällen jetzt sogar genügen, dass der Arzt den Patienten in einem Telefongespräch über die Risiken aufklärt, wenn dieser damit einverstanden ist. Denn auch in einem Telefonat kann sich der Arzt davon überzeugen, dass der Patient die Informationen verstanden hat und er hat die Gelegenheit, individuelle Fragen zu stellen. Darüber hinaus bleibt es dem Patienten unbenommen, um ein persönliches Gespräch zu bitten (BGH Urt. v. 15.06.2010, Az.: VI ZR 204/09, 15 min. Telefongespräch über Anästhesie). Das Gespräch ist in einem dem Patienten verständlichen Sprachstil zu führen. Spricht ein Arzt zu schnell, undeutlich und gerade zu staccato, ist davon auszugehen, dass der Patient dem Informationsfluss nicht folgen konnte, so dass kein Aufklärungsgespräch als Voraussetzung einer wirksamen Einwilligung vorliegt (LG Köln Urt. v. 09.04.2008, Az.: 25 O 72/05). Demgegenüber erfüllt eine rein schriftliche Aufklärung nach wie vor nicht die Erfordernisse einer umfassenden Information des Patienten. Das Aufklärungsgespräch wird nicht durch das Aushändigen von Merkblättern oder Aufklärungsbögen ersetzt. Denn der Arzt kann nicht darauf vertrauen, dass der Patient den Inhalt des Aufklärungsbogens tatsächlich zur Kenntnis genommen und verstanden hat, so dass er dies in einem Gespräch klären muss (OLG Oldenburg Urt. v. 27.02.2009, Az.: 5 U 43/08). In diesem Rahmen sind die Aufklärungsbögen lediglich ein Indiz dafür, dass die Aufklärung nach Maßgabe der schriftlichen Bestätigung stattgefunden hat (OLG Oldenburg Urt. v. 02.11.2005, Az.: 5 U 69/05). Dabei schadet es nicht, wenn die handschriftlichen Vermerke unleserlich sind, weil es nur darauf ankommt, dass dem Patienten in dem Aufklärungsgespräch die Gelegenheit gegeben wurde, individuelle Fragen zu stellen (BGH Urt.v.15.06.2010, Az.: VI ZR 201/09). Inhalt des Aufklärungsgespräches Im Aufklärungsgespräch soll dem Patienten eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren vermittelt werden. Der Arzt muss das Aufklärungsbedürfnis, Aufklärungswunsch, die Anamnese und die Persönlichen Verhältnisse des Patienten ermitteln, soweit das im Rahmen des Arztgesprächs zumutbar ist (BGH Urt. v. 04.11.1975, Az.: VI ZR 226/73; Urt. v. 23.10.1979, Az.: VI ZR 197/78). Der Grad der erforderlichen Aufklärung über mögliche unerwünschte Folgen richtet sich nach der allgemeinen Erkenntnisfähigkeit des Patienten und seiner Krankengeschichte (BGH Urt. v. 23.10.1979, Az.: VI ZR 197/78; VersR 1961, 1036,). Steht der Patient der Materie nicht ganz fremd gegenüber, kann ihm zugemutet werden, von sich aus Fragen zu stellen und so auf eine vollständige Belehrung hinzuwirken, falls diese ihm zu unvollständig erscheint (BGH Urt. v. 04.11.1975, Az.: VI ZR 226/73). Der Arzt darf die Fragen nie unrichtig oder irreführend beantworten und muss auch berücksichtigen, dass die Patienten durch eine situationsbedingte Befangenheit davon abgehalten werden, Umstände zu erfragen, die für sie ersichtlich von Interesse sein können und daraufhin entsprechend aufklären (BGH Urt. v. 23.10.1979, Az.: VI ZR 197/78). Es ist nicht erforderlich, dass die Risiken medizinisch exakt und in allen denkbaren Erscheinungsformen mitgeteilt werden (BGH Urt. v. 14.03.2006, Az.: VI ZR 279/04). Der Arzt muss dem Patienten die Risikohäufigkeit bzw. Komplikationsdichte nicht nach statistischen Größen beziffern (BGH Urt. v. 07.04.1992, Az.: VI ZR 216/91). Auf Nachfrage oder bei erkennbarem Interesse des Patienten an weiteren Informationen, kann eine verbale Einordnung als relativ häufiges, seltenes oder sehr seltenes Risiko erforderlich, aber auch ausreichend sein (OLG Naumburg Urt. v. 14.02.2008, Az.: 1 U 66 /07). Handelt es sich um einen Eingriff, welcher sowohl nach seinem Verlauf als auch hinsichtlich seines Schweregrades wegen seiner Häufigkeit der Allgemeinheit in besonderem Maß vertraut ist (Blinddarmoperation) kann sich der Arzt bei der Aufklärung über Natur und Risiko dieses Eingriffs im allgemeinen kurz fassen. Er muss sich indes davon überzeugen, dass der Patient nicht irrig davon ausgeht, dass dieser Eingriff wegen seiner Alltäglichkeit ganz ungefährlich ist (BGH Urt. v. 23.10.1979, Az.: VI ZR 197/78). Ein äußerst seltenes Risiko, das die Lebensführung des Patienten schwer belasten würde und dessen Eintritt für den Laien überraschend ist, ist hingegen stets aufklärungspflichtig (BGH Urt. v. 18.11.2008, Az.: VI ZR 198/07). Bei einer dauerhaften Schädigung, kann der Arzt nicht ohne weiteres erwarten, dass der Patient die verwendeten Begrifflichkeiten im Aufklärungsbogen versteht und die richtigen Schlüsse daraus zieht. Deswegen muss er sich mündlich und ungefragt vergewissern, dass dem Patienten das Risiko einer irreversiblen Schädigung bewusst ist (OLG Stuttgart, Urt. v. 15.05.1997, Az.: 14 U 21/96). Mitverschulden des Patienten bei der Aufklärung Bei den Angaben über die persönlichen Verhältnisse kann den Patienten ein anspruchsminderndes Mitverschulden gemäß § 254 Absatz 1 BGB treffen, wenn durch sein Verhalten ein falsches Bild über das Aufklärungsbedürfnis entstanden ist und ihn der Arzt aus diesem Grund nicht gründlich genug aufgeklärt hat. Das ist anzunehmen, wenn der Patient den Anschein erweckt, dass er mit den medizinischen Gegebenheiten vertraut ist und er die Risiken kennt oder ihm diese gleichgültig sind und/ oder eine unvollständige oder falsche Auskunft über persönliche Verhältnisse angibt, von denen er wusste oder bei denen er erkennen konnte, dass sie für den Aufklärungsumfang bedeutend waren (BGH Urt. v. 04.11.1975, Az.: VI ZR 226/73; Urt. v. 23.10.1979, Az.: VI ZR 197/78). Resümee Die Rechtsprechung hat sich den technischen Möglichkeiten schon insoweit angepasst, dass ein Telefongespräch in einfachen Fällen als ausreichend angesehen werden kann. Die daraus folgende Zeitersparnis vermag indes nicht die damit verbundenen Beweisschwierigkeiten aufzuwiegen. Darlegungs- und beweispflichtig für die erfolgte richtige und vollständige Aufklärung ist der Arzt (BGH Urt. v. 07.04.1992, Az.: VI ZR 216/91; OLG Karlsruhe, Urt. v. 08.10.2003, Az.: 7 U 6/02). Kann er sich nicht mehr an das Aufklärungsgespräch erinnern und ist das sich realisierende Risiko weder im Aufklärungsbogen noch in der Patientenkartei beschrieben, hat er den von ihm zu führenden Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung regelmäßig nicht erbracht (OLG Koblenz Urt. v. 1.4.2004, Az.: 5 U 1086/03). Im Gegensatz dazu rechtfertigt der von dem Patienten unterzeichnete Aufklärungsbogen mit handschriftlichen Vermerken die Annahme, dass der Arzt mit dem Patienten über die Risiken des Eingriffs mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gesprochen hat (OLG Köln Urt. v. 27.05.2002, Az.:5 U 78/96; BGH Urt. .v. 08.01.1985, Az.: VI ZR 15/83). Insbesondere lässt sich dort auch der Eindruck von dem Patienten in Hinblick auf sein Aufklärungsbedürfnis bezüglich der von ihm gemachten Angaben zu seinen persönlichen Verhältnissen fixieren, die gegebenenfalls ein anspruchsminderndes Mitverschulden des Patienten an einer unzulänglichen Aufklärung begründen. Die Haftung wegen eines Aufklärungssäumnisses kann mangels eines Verschulden des Arztes sogar gänzlich ausscheiden, wenn der Patient vorinformiert ist, weil er einen Aufklärungsbogen weniger als vier Monaten in Besitz hatte, die Passage unterschrieb, wonach er alles gelesen und verstanden hat und ein mündliches Aufklärungsgespräch stattfand, dessen individuelle Details handschriftlich von dem Arzt vermerkt wurden (OLG Koblenz Urt. v. 12.06.2008, Az.: 5 U 1630/07).

Dr. Henrike John, Sindelfingen

john@rpmed.de
www.rpmed.de

 

 

Rechtstipp September 2010 Abrechnungsfähigkeit von ästhetischer Kieferorthopädie

Abrechnungsfähigkeit von ästhetischer Kieferorthopädie

Von Prof. Dr. Robert Fuhrmann, Halle a.d. Saale

Seit Jahrtausenden setzen die Menschen viel daran, ihren Körper, besonders ihr Gesicht zu verschönern, und nehmen dafür jedwede Form der Behandlung auf sich.

Ziel all dieser Behandlungen ist zu jeder Zeit die äußere Erscheinung vorteilhaft zur Geltung zu bringen, Aufmerksamkeit zu erregen, eine grundlegende Veränderung des „Gesichtes als Visitenkarte“ herbeizuführen, koste es, was es wolle. Früher war jedoch das Gesicht ‚gottgegeben‘ also genetisch definiert, heute wird das Gesicht zum Kunstwerk, das sich künstlich ändern lässt. Die plastisch – kosmetische Chirurgie und die ästhetische bzw. kosmetische Zahnmedizin versprechen ein neues Gesicht mit mehr ‚Schönheit‘. Ästhetik steht meist in Verbindung zu perfekter Funktion. Dabei ist die Kieferorthopädie ein wichtiger Baustein in der präventiven Zahnmedizin. Ästhetische Orthodontie erfüllt nach der befundbezogenen Einbeziehung von parodontologischen, endodontologischen und restaurativen Erwägungen einen grundlegenden medizinischen Bedarf. Voraussetzung dafür ist eine eindeutige medizinische Indikationsstellung zur Rehabilitation bzw. erneuten Stabilisierung der Funktionsfähigkeit des Kauorgans. Die medizinischen Indikationen haben sich dabei in der Kieferorthopädie in den letzten Jahrzehnten präventionsorientiert verändert. Neue Techniken, insbesondere die ‚unsichtbaren’ Behandlungsformen erlauben verstärkt ältere Erwachsene für die zeitlich anspruchsvolle Therapie zur Erneuerung ihrer Gebissfunktionalität und Ausstrahlung zu gewinnen. Die Verbesserung der dentofazialen Ästhetik bei gleichzeitiger Stabilisierung der Funktionsfähigkeit wird bei erwachsenen Patienten zum entscheidenden Behandlungsmotiv. Der Bedarf und die Nachfrage ist in der Altersgruppe der 15- bis 40-Jährigen am höchsten. In diesem Lebensabschnitt wird ein attraktives Gesicht mit beruflichem Erfolg, Prestige und erleichterter Kontaktaufnahme assoziiert. Gerade die Zähne sind im Laufe der letzten 50 Jahre mehr und mehr zum zentralen Mittelpunkt des Lächelns geworden. Dabei gibt es teilweise eine auffällige Diskrepanz zwischen den objektiv vorliegenden Befunden und der subjektiven Selbsteinschätzung. Deshalb muss man bei der Behandlungskonzeption und Indikation vorsichtig sein, nicht auf Patienten zu treffen, bei denen tiefer liegende psychische Probleme wie z.B. Depressionen oder Beziehungsprobleme die dentale Problematik überlagern. Die Ästhetikwelle hat sich in den letzten Jahren zu einem festen Teil der Zahnheilkunde mit schnell wachsenden Umsatzanteilen etabliert. Moderne Marketingkonzepte für die kieferorthopädische Praxisdarstellung oder im Rahmen der Werbung für die spezifischen Dienstleistungsangebote, wie die ‚unsichtbare’ Behandlung mittels transparenten Schienen oder Lingualtechnik haben dazu geführt, dass sich so manche Zahnarztpraxis heute zum Zentrum für Ästhetische oder Kosmetische Zahnmedizin bzw. Kieferorthopädie umbenennt. Auf allen Inseraten, Praxisschildern,T-shirts und den Briefköpfen erkennt man das neue Praxismotto ‚create your smile‘ im Sinne einer durchaus perfekten zahnärztlichen ‚Corporate Identity‘. Diese neuen Marketingkonzepte sind sicherlich zeitgemäß und erfolgreich, aber bergen eine Reihe von Risiken. Finanzielle Risiken Die enge Vernetzung zwischen eugnather Okklusion und Artikulation, ästhetischer Zahnaufstellung und ihrer ‚Halbschwester’ der kosmetischer Zahnmedizin macht es für die Steuerbehörden, Kostenerstatter und Gerichte teilweise schwierig, zwischen medizinischer, ästhetischer Indikationsstellung und kosmetischer Leistungserbringung zu differenzieren. Voraussetzung zur Anwendung der zahnärztlichen bzw. ärztlichen Gebührenordnung (GOZ) ist meistens, dass es sich um eine medizinische Leistung handelt. Eine kosmetische Leistungserbringung erfolgt häufig ohne medizinische Indikationsstellung auf Wunsch des Patienten, so dass hier die Vereinbarung zwischen Arzt und Patient nicht auf einem klassischen Behandlungsplan (GOZ 004) basiert, sondern eine Behandlung auf Verlangen darstellt (GOZ 002). Mehrwertsteuerpflicht für Ästhetik- Anbieter ? Medizinische Dienstleistungen, die ausschließlich auf Wunsch des Patienten subjektiv empfundene Schönheitsfehler beseitigen, ohne jegliche medizinische Indikationsstellung – sind mehrwertsteuerpflichtig. Die Mehrwertsteuerpflicht bedeutet für Praxisinhaber, die kosmetische Zahnmedizin betreiben, dass eventuell 19% vom Praxisumsatz abgeführt werden müssen. Da diese Pflicht zur Entrichtung von Mehrwertsteuer bei Zahnarztpraxen meistens im Rahmen einer Betriebsprüfung diskutiert wird, ergibt sich schnell ein mehrjähriger Veranlagungszeitraum und damit sechsstellige Summen. Fragliche Genehmigungs- und Erstattungsfähigkeit Orthodontische Behandlungsmaßnahmen, die allein auf Veranlassung bzw. Wunsch des Patienten nach neuer ästhetischer Frontzahnaufstellung ohne klar definierte medizinische Indikationsstellung durchgeführt werden, sind häufig durch gesetzliche oder private Kostenerstatter nicht oder nur eingeschränkt genehmigungs- und erstattungsfähig. Kieferorthopädische Behandlungspläne, die allein eine ästhetische Reorientierung oder Neuaufstellung der Incisivi zum Schluss der dunklen interdentalen Dreiecke und / oder eine Verbesserung der rot-weiß Relation im Frontzahnbereich aus ästhetischen Gründen beantragen, werden von vielen Kostenerstattern als medizinisch nicht notwendig eingestuft und zurückgewiesen. Bei orthodontisch – ästhetischen Behandlungsmaßnahmen sollte man den Patienten die Vorausetzungen für die Genehmigungs- und Erstattungsfähigkeit im Rahmen der Kostenaufklärung eingehend vermitteln. Nach den ersten nicht erstatteten Liquidationen, kann die verständliche emotionale Aufgebrachtheit beim Patienten schnell dazuführen gegen den Zahnarzt als Leistungserbringer vorzugehen. Erwachsenbehandlung wird als reine ‚Ästhetik’ oder ‚Kosmetik’ abgestempelt Private Kostenerstatter haben mittlerweile verschiedenste Strategien zur Ablehnung von kieferorthopädischer Behandlungsmaßnahmen bei Erwachsenen entwickelt. Beinahe jeglicher orthodontischer Behandlungsplan wird als allein ästhetisch motivierte Therapie eingestuft. Dazu notwendige ‚Gefälligkeitsgutachten’ oder Stellungnahmen finden sich schnell im zahnärztlichen Markt. Die Erstattungsfähigkeit wird entweder komplett oder teilweise abgelehnt. Die Argumentationsgrundlage für einzelne private Krankenkassen wird dabei vermehrt an die restriktive Genehmigung von Behandlungsplänen bei Erwachsenen aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. Beihilfe angelehnt. Die gesetzlichen Regelungen bei der vertragszahnärztlichen Versorgung richten sich bekanntlich nach § 29 des SGB V. Ausgehend von diesen Vorgaben bei den gesetzlichen Krankenversicherungen, möchte einige private Kostenerstatter nur noch schwerwiegende craniofaziale Kieferanomalien mit angeborenen Missbildungen des Gesichts, ausgeprägte skelettale Dysgnathien oder verletzungsbedingte Kieferfehlstellungen genehmigen, die mindestens in die Behandlungsgrade A5, D4, M4, O5, B4 oder K4 der Indikationsgruppen eingestuft werden können. Die Ausgrenzung medizinisch indizierter orthodontischer Maßnahmen bei erwachsenen Patienten durch private Kostenerstatter analog zu den gesetzlichen Krankenkassen ist nicht statthaft und steht meistens in Widerspruch zu den Versicherungsbedingungen, die beim Abschluss der privaten Krankenversicherung gültig waren. Immer mehr betroffene Patienten und Kieferorthopäden haben sich in letzter Zeit erfolgreich gegen die Vorgehensweise der privaten Kostenerstatter durchgesetzt. Vorausetzung dazu ist meist ein unabhängiges und gerichtsfestes Gutachten. Uneingeschränkte Therapiefreiheit in der Kieferorthopädie ? Vorausetzung für die Kostenerstattung ist der Nachweis der medizinischen Notwendigkeit durch den Versicherten bzw. seinen behandelnden Arzt. Die Definition von medizinischer Notwendigkeit in der aktuellen Rechtssprechnung lautet: ‚Eine Heilbehandlung ist medizinisch notwendig, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen. Für die Erstattungspflicht der privaten Krankenkasse kommt es auf die objektive medizinische Notwendigkeit an. Im sogenannten Alpha-Urteil vom 12.3.2003, IV ZR 278/01 wird klar herausgestellt, dass nachdem die medizinische Notwendigkeit nachgewiesen wurde, muss der Patient bei der Wahl der Therapie nicht die preisgünstigste Möglichkeit wählen. Drei Jahre später hat der BGH die Feststellungsklage einer KFO-Patientin gegen ihre PKV befürwortet (IV ZR 131/05, 8.Februar 2006). Die PKV hatte eine Zusage kategorisch verweigert, da der Versicherungsgutachter nur ein kombiniertes Vorgehen mit chirugischer Bisslagekorrektur als medizinisch sinnvoll angesehen hat. Im Kommentar dazu schrieb der BGH: Die Klägerin habe einen Anspruch gegenüber ihrer PKV darauf, vor einem nicht abzuschätzenden Kostenrisiko geschützt zu werden. Entscheidend, so der BGH, kommt es auf die Eignung einer medizinischen Maßnahme an, eine Krankheit zu heilen oder zu lindern. Der BGH nimmt die zahnärztliche Therapiefreiheit ernst und formuliert: Eine Behandlung kann auch dann medizinisch sinnvoll sein, wenn ihr Erfolg nicht sicher vorhersehbar ist. Es genügt, wenn die Befunde zum Zeitpunkt der Behandlung als vertretbar erscheinen lassen, die Behandlung als notwendig anzusehen. Diese eindeutige BGH- Rechtssprechung für die Versicherten und die zahnärztliche Therapiefreiheit wird durch das neue Versicherungsvertragsgesetz zukünftig beeinflusst werden. In diesem Gesetz wird ein neuer Begriff der Übermaßbehandlung definiert. Was in der Kieferorthopädie eine Normal- bzw. Übermaßbehandlung ist, wird in den nächsten Jahren vermutlich vor Gericht landen. Es bleibt abzuwarten, inwieweit durch dieses Versicherungsvertragsgesetz die Therapiefreiheit in der Kieferorthpädie sich verändert. Überprüfbare und legale Abrechnung Private Liquidationen werden zunehmend von privaten Kostenerstattern und der Beihilfe hinsichtlich der Abrechnung adäquater Gebührenpositionen und angemessener Steigerungsfaktoren auf Plausibiltät überprüft. Bei Unstimmigkeiten werden die entsprechenden Gebührenpositionen durch die Sachbearbeiter immer häufiger nicht erstattet, teilweise mit dem Hinweis ‚Ihr Zahnarzt rechnet falsch ab’. Die Patienten bringen diese Briefe mit in die Praxis, mit der Bitte um Klarstellung, Korrektur bzw. Erstattung. Obwohl die aktuelle Gebührenordnung bereits 20 Jahre alt ist und unzählige teilweise widersprüchliche GOZ-Urteile bei unterschiedlichen Gerichten und Instanzen bundesweit ergangen sind, halten sich viele Kostenerstatter nicht an diese Rechtssprechung. Hinweise dass diese GOZ- Positionen zweideutig oder umstritten sind, fehlen in diesen Schreiben weitestgehend. Das Ansetzen von umstrittenen Gebührenpositionen, wie der Position Ä3 für eine umfassende längere Beratung oder der GOZ-Position 203 für das Separieren vor dem Setzen der Bänder werden von manchen Praxen gar nicht mehr abgerechnet, um die Anzahl der Abrechnungskonflikte bzw. Patientenreklamationen zu reduzieren. Obwohl in vielen Praxen überwiegend die Zahnarzthelferinnen die Abrechnung vornehmen, sollten sich die Ärzte darüber im Klaren sein, dass Sie allein für die Liquidation haften. Das werbewirksame Abrechnungsmotto ‚ alles was geht’ hat in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass viele Gebührenziffern aus der Gebührenordnung für Ärzte unkontrolliert in den Liquidationsbereich der Kieferorthopädie eingebunden wurden. Dies hat das Ausmaß und die Anzahl der Konflikte weiter verschärft. Zur Erreichung einer höheren Rechtssicherheit und zur Reduktion von Abrechnungskonflikten, sollte man vor allem spezifische KFO-Positionen in den Vordergrund der Liquidationserstellung stellen. Zur Wahrung der Umsatzneutralität, empfiehlt es sich die kieferorthopädischen Gebührenpositionen angemessen zu steigern. Umstellung der zahnärztlichen Gebührenordnung Die derzeit laufende Diskusssion über die Umstellung der zahnärztlichen Gebührenordnung (GOZ 2008) wird durch die vermutete und befürchtete ‚Bematisierung’ der kieferorthopädischen Leistungspositionen vorschnell emotionalisiert. Niemand außerhalb des BMG weiß zur Zeit wie die definitve GOZ 2008 aussehen wird und vor allem wann Sie in Kraft treten wird. Der bisher vorliegende Referentenentwurf hat dabei zur Verunsicherung massiv beigetragen. Vorschnelle Fortbildungskurse, die den Inhalt des Referentenentwurfs zu Basis haben, werden nach dem definitiven GOZ – Erlass weitestgehend Makulatur sein. Das abwarten auf die definitve GOZ- Verordnung ist bei dem aktuellen Pegelstand der Angst zwar schwierig aber unvermeidlich. Bei allen Risiken durch die anstehende GOZ- Verordnung und das neue Versicherungsvertragsgesetz bin ich zuversichtlich, dass sich zukünftig erstattungsfähige Regelungen für eine angemessene Honorierung kieferorthopädischer Dienstleistung finden lassen.

Anmerkung

Weitere Informationen finden sie auf der Homepage www.kiss-orthodontics.de

 

 

Rechtstipp August 2010 Rechtliches und gebührenrechtliches Umfeld der Endobehandlung

Rechtliches und gebührenrechtliches Umfeld der Endobehandlung

Rechtliches Umfeld

01-Diagnose:
Endoproblem

ohne weitere Behandlung:
Aufklärung über Behandlungs-Notwendigkeit und Risiko
Karteivermerk über Ablehnung der Behandlung

01-Diagnose:
unvollständige Wurzelfüllung
Wunsch nach restaurativer Zahnbehandlung
alte Wurzelfüllung ohne sonstige pathologische Befunde

Nach alter Stellungnahmen der DGZK konnte Wurzelfüllung belassen werden,
wenn älter als zwei Jahre

Neue Stellungnahme:
1. Revision bei pathologischen Prozessen
2. Revision bei unvollständige Wurzelfüllung auch ohne jegliche Pathologie
3. keine Chirurgie ohne vorherige konservierende Revision
4. erhebliches Risiko, Erfolgsrate nur 60 bis 80%

01 Diagnose:
Endoproblem
Wunsch nach restaurativer Zahnbehandlung trotz klinischer/röntgenologischer Pathologie und ohne endodontische Behandlung

Risikoaufklärung, Karteivermerk:
Wunsch und Unterschrift des Patienten forensisch nutzlos. Behandlung ablehnen

Haftung:
Endo-Behandlung ist risikoreich
(Zahn- und Instrumentenfraktur, via falsa, Infektion)

Vorherige Aufklärung, Karteivermerk,
gegebenenfalls Unterschrift

Misserfolg bei lege-artis-Behandlung ist schicksalhaft, daher keine Haftung

Das frakturierte Endo-Instrument:
„Was kneifen sie auch immer ihren Wurzelkanal so zusammen? Jetzt haben wir die Bescherung!“

Die nachfolgenden Ausführungen sind keine offiziellen Stellungnahmen der Kammer oder der KZBV

der BEMA:
beschränkter Einsatz medizinischer Anwendungen, Bitte endlich mehr Abdingungen

GKV-Behandlung = richtlinien- und gesetzesorientiert
Endodontie ist Sachleistung
größter Erfolg mit geringsten Mitteln

Das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt nicht für den Zahnarzt, sondern nur für die Krankenkasse,

greift völlig unabhängig vom Behandlungsaufwand
ist verpflichtend für jeden Vertragszahnarzt

Tipp:
Nie die Kasse Ihres Patienten schlecht machen!

Systematik bei pflichtversicherten GKV-Patienten

1. Kassen-Endo mit privaten, außervertraglichen Zusatzleistungen

Elektrometrie, physikalische Maßnahmen, Laser, Cofferdam, zusätzliche Röntgenaufnahmen, dentinadhäsiver Aufbau, definitive Restauration

Vorteil:
Erhalt des Sachleistungsanspruches
Muß:
Gutes Einvernehmen mit dem Patienten
Cave:
Einspruch der KZV

Der Patient unterschreibt, dass er weiß,
dass die nachfolgenden Leistungen nicht zum Leistungsumfang seiner Kasse gehören,
dass die Kasse auf die Kosten keinen Zuschuss geben darf,
dass er den zugehörigen Heil und Kostenplan anerkennt

Kassen-Endodontie:

Es ist kritisch zu prüfen, ob ein endodontischer Erhaltungsversuch überhaupt angezeigt ist.

2. Private Endo – außerhalb der Richtlinien

Gangrän/mehrwurzlig, große apikale Läsionen, vorangegangene WSR, nicht abgeschlossenes Wurzelwachstum

Stark gekrümmte Kanäle, Apex nicht erreichbar, regulär nicht aufzubereiten, weit offener Apex

Erheblicher parodontaler Abbau,
sicheres Paro-Endo-Problem

Tiefe Karies, unsicherer Zahnerhalt,
Restauration kaum möglich, Kippung,
kein Antagonist.

Richtlinien zur Molaren-Endodontie:

Ungünstige Begleitumstände
(schlechte Erreichbarkeit, geringe Mundöffnung, starker Würger)

Nachteil:
Verlust des Sachleistungsanspruches
Muß:
Dentales Selbstbewusstsein gegenüber der GKV
Cave: gebührenrechtlich korrekt

Der pflichtversicherte Patient unterschreibt:

Dass die nachfolgenden Leistungen Behandlungen mit unsicherem Erfolg sind

Dass sie nach den Richtlinien seiner Kasse daher unwirtschaftlich sind

Dass er den zugehörigen Heil und Kostenplan anerkennt

Dass seine Kasse auf die Gesamtkosten von ……….. € keinen Zuschuss geben darf

GKV-Tipp:

Privatbehandlung außerhalb der Richtlinien ohne Kassenzuschuß (Endo, Paro, extremer Zahnerhalt)

Patient einverstanden, trotzdem Vorlage bei Krankenkasse zwecks Bezuschussung

Sachbearbeiter Unverschämtheit

Anlage: Erklärung vom Zahnarzt, von Krankenkasse unterschreiben lassen

Behandlungsfall richtliniengemäß, dennoch komplette Privatbehandlung

Nachteil: Verlust des Sachleistungsanspruches
Vorteil: Möglichkeit hervorragender, richtlinienfreier Endodontie, langfristiger Zahnerhalt
Muß: Dentales Selbstbewusstsein gegenüber GKV
Cave: gebührenrechtlich korrekt

Der Patient unterschreibt, dass er weiß:
Dass er auf die Sachleistungzu Gunsten der GOZ-Behandlung verzichtet
Dass er den zugehörigen Heil und Kostenplan anerkennt
Dass die Kasse auf die Gesamtkosten keinen Zuschuss geben darf und wird

Endodontische Revision

Alternativen bei postendodontischer Erkrankung:

Die Vertragsleistung:

chirurgische Behandlung mit WSR, sehr fraglichem Erfolg, lästig und unangenehm, wirtschaftlich obsolet, im Streitfall problematisch

Die Privatleistung:
Orthograde Revision, unblutig, schmerzfrei, bessere Prognose

Richtliniengemäße Ausnahme:
Alte, nicht randdichte oder unvollständige Wurzelfüllung ohne pathologischen Befunde

Aber nur, wenn gute Erhaltungs-Prognose, Aufbereitung bis zum Apex möglich
Molaren-Indikation vorhanden

Der Patient unterschreibt, dass er weiß:
Revision ist Risikobehandlung ohne Erfolgsgarantie (Instrumentenbruch, Infektion, via falsa, Beschädigung von Zahnersatz, eventuell Verlust des Zahnes)
Revision ist ein für die GKV unwirtschaftlicher Erhaltungsversuch
Keinerlei GKV Zuschuss auf die Kosten.

Achtung: immer gebührenrechtlich korrekte private Vereinbarungen mit Kassenpatienten

Die Alternative: GOZ-Endo oder Zange ist vertragswidrig

Jeder kann sich privat behandeln lassen (§45b, BMVT /§8, Abs. 8)

Keine Zuzahlungen zu BEMA-Leistungen

GOZ Positionen:

230 (Entfernung eines Wurzelstiftes), gegebenenfalls für Stift und Wurzelfüllung zweimal ansetzen

214 gegebenenfalls mehrfach pro Kanal, wenn medizinische Indikation vorhanden ist

240, 242 keine Begrenzung der Anzahl in der GOZ, durchaus je zweimal pro Sitzung

TEXTBAUSTEIN

Briefbogen des Zahnarztes

Betr. Patient: ________________________________ geb. __________

Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse für nicht richtlinienenkonforme Leistungen bei der Wurzelkanalbehandlung

Entsprechend den vom Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen gemäß § 92 Abs. 1 SGB V beschlossenen Richtlinien und der am 5.11.2003 beschlossenen Änderungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragzahnärztliche Leistungen sind, wie im Aufklärungsgespräch dem Patienten eingehend erläutert, folgende Maßnahmen keine bzw. nicht mehr vertragszahnärztliche Leistungen und dürfen daher nicht mehr als Sachleistungen zu Lasten der Krankenkasse abgerechnet werden:

Zahn ____________, Wurzelkanalbehandlung die den geltenden Richtlinien nicht entspricht (prognostisch unsicheres Ergebnis bzw. in geltenden Richtlinien aufgeführte Ausschlusskriterien).

Zahn _____________ Endodontische Revision (Entfernung von Wurzelfüllungen / prothetischen Aufbauten) bei pathologischem Befund.

Die Leistung ist somit unwirtschaftlich i.S. § 12 Abs. 1 SGB V.

Eine Vereinbarung entsprechend den Bestimmungen § 4 BMV-Z Abs. 5 b bzw. § 8 EKV-Z Abs. 3 wurde dem Patienten ausgehändigt und ist als Anlage beigefügt.

_____________________ , den _____________________________ (Unterschrift Zahnarzt)

Erklärung der Krankenkasse:

Wir erklären entgegen den vorgebrachten Bedenken des Vertragszahnarztes die vollumfängliche Abrechenbarkeit der aufgeführten Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse und fordern den Vertragszahnarzt auf, die aufgeführten Leistungen als Sachleistung zu erbringen und entsprechend BEMA abzurechnen.

Wird bei der Abrechnung durch Prüfgremien die Unwirtschaftlichkeit bzw. die nicht richtliniengemäße Erbringung der Maßnahme festgestellt oder bemängelt, dass die abgerechneten Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht worden sind, verzichtet die Krankenkasse auf alle Erstattungsansprüche gegenüber dem Vertragszahnarzt und erklärt darüber hinaus, die sozial- und zivilrechtliche Haftung aus allen sich aus dieser Abrechnung sich ergebenden Honorar- oder Regressansprüchen vollumfänglich zu übernehmen.

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Unterschrift des Geschäftsstellenleiters Stempel

Zahnärztliche Stellungnahme zur vertragszahnärztlichen Wurzelbehandlung

Gemäß Richtlinie B III 9. des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs Bema, des Wirtschaftlich-keitsgebots gemäß § 12 Sozialgesetzbuch V (SGB V) bzw. der Feststellung einer ungünstigen Prognose gehört die Wurzelbehandlung nachfolgend bezeichneten Zahnes nicht zur vertrags-zahnärztlichen Versorgung. Ein trotzdem unternommener Behandlungsversuch kann deshalb nur nach der privaten Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ, Stand 1988) berechnet werden.

Zahn/Zähne ___________

Gründe:

□ Der Backenzahn (Molar) mit akuter Erkrankung bzw. Schädigung des Zahnmarks (Pulpa) bzw. nekrotischen Zahnmarks erfüllt nicht die Ausnahmeregelungen gemäß den Richtlinien für die Therapiewürdigkeit (Richtlinien Nr. 9.):
eine geschlossene Zahnreihe zu erhalten,
eine einseitige Freiendsituation zu vermeiden
funktionstüchtigen Zahnersatz zu erhalten.

□ Keine Klassifizierung gemäß Ingle-Klasse I (Unkompliziert, gerader bis leicht gebogener Wurzelkanal, abgeschlossenes Wurzelwachstum Foramen apicale geschlossen) und
keine ausreichend gute Zugänglichkeit,
keine ausreichend gute Erreichbarkeit (Mundöffnung Überkronung etc.),
keine ausreichend gute Auffindbarkeit des Wurzelkanalsystems.
Dadurch ist die Aufbereitbarkeit des Wurzelkanals und die Möglichkeit der Wurzelfüllung bis (bzw. bis nahe) an die Wurzelspitze und damit die Prognose fraglich. (Richtlinien Nr. 9.1.a)

□ Der nekrotische Zahn weist eine röntgenologisch festgestellte apikale Parodontitis (Entzündungsherd) auf. Die kritische Prüfung ergab zum Zeitpunkt der Diagnostik eine unsichere Prognose. Es wird der Versuch einer konservativen, nicht-chirurgischen Therapie unternommen. (Richtlinien Nr. 9.4)

□ Wurzelgefüllter Zahn mit im Röntgenbild erkennbarer unvollständiger, nicht randständiger oder undichter Wurzelfüllung. Die Revision erfüllt nicht die Ausnahmeregelungen gemäß den Richtlinien für die Therapiewürdigkeit
(Richtlinien Nr. 9.4.)
eine geschlossene Zahnreihe zu erhalten,
eine einseitige Freiendsituation zu vermeiden
funktionstüchtigen Zahnersatz zu erhalten.

□ Die Gesamtprognose des Zahnes ist auf Grund des hohen Zerstörungsgrades und/oder der reduzierten parodontalen und/oder prothetischen Wertigkeit ungünstig (Richtlinien Nr. 9.5).

Die voraussichtlichen Kosten betragen etwa _____________ Euro und sind vom Patienten zu tragen. Die gesetzliche Krankenkasse leistet hierzu keinen Zuschuss.

Datum Unterschrift des Zahnarztes

Endodontische Maßnahmen: Welche Leistungen können jetzt privat abgerechnet werden?

Die medikamentöse Einlage „Med“ kann nur noch insgesamt dreimal über die gesetzliche Krankenkasse abgerechnet werden, Jede weitere „Med“ ist Privat dem Patienten in Rechnung zu stellen.

Die zusätzliche Anwendung pysikalischer Methoden die „PHYS“ ist aus dem Katalog der gesetzlichen Krankenkasse gestrichen worden. Diese Behandlung ist dem Patienten privat in Rechnung zu stellen.

Endodontie ist grundsätzlich Vetragsleistungen, aber ….

Nun stellt sich nach dem In-Kraft-Treten des neuen Bema die Frage, wann endodontische Maßnahmen noch eine Kassenleistung sind und wann sie dem Patienten privat in Rechnung zu stellen sind, weil die genannten Kriterien nicht zutreffen. Mit dieser Frage befasste sich Dr. Janusz Rat aus München.
Die neuen Richtlinien zur endodontischen Behandlung präzisieren die Wurzelbehandlungsmaßnahmen, die zur vertragszahnärztlichen Versorgung gehören. Speziell sind dies die Richtlinien des Kapitels B, III 9. Aber auch die übrigen Richtlinien haben zu den endodontischen Maßnahmen Quer- bzw. Fernwirkungen. Grundsätzlich sind endodontische Maßnahmen zwar Vertragsleistungen, aber nur dann, wenn die Prognose günstig ist, Ausnahmekriterien nicht zutreffen oder der Erhalt des Zahnes eine funktionelle Bestimmung hat. Der Zahnarzt muss zum Zeitpunkt der Diagnostik die Prognose und Wertigkeit des entsprechenden Zahnes einstufen.

Prognose sollte kritisch erfolgen
Wichtig ist in diesem Zusammenhang insbesondere der ursprüngliche Röntgenbefund, der gegebenenfalls auch Beweiszwecken zu dienen hat, falls nachträglich die prognostische Einschätzung des behandelnden Zahnarztes in Frage gestellt würde. Vor allem die Beurteilung der endodontischen Prognose von Molaren und sonstigen mehrwurzeligen bzw. mehrkanäligen Zähnen, Zähnen mit anatomischen Auffälligkeiten oder einem starken Zerstörungsgrad sollte entsprechend kritisch erfolgen. Zur prognostischen Einschätzung gehört auch die Einbeziehung der prothetischen, parodontologischen und statischen Wertigkeit des Zahnes.

1. Kombiniert endodontisch/prothetische Prognose
Ist beispielsweise die klinische Krone so weit zerstört, dass eine anschließend notwendige Überkronung des Zahnes prognostisch fraglich ist (die jedoch zu einem Erhalt des Zahnes unabdingbar ist), so scheidet damit die Wurzelbehandlung als Vertragsleistung aus. Hierzu gehört eine ausreichende biologische Breite zwischen gesunder Zahnsubstanz und dem Alveolarknochen, die zur Ausbildung eines Gingivalsaums notwendig ist.
Ist die Zerstörung der klinischen Krone so weit fortgeschritten, dass hierzu zusätzliche Maßnahmen notwendig sind, so ist ein solcher Behandlungsversuch nicht zu Lasten der Krankenkasse abrechenbar. Hierzu gehört etwa eine kieferorthopädische Extrusion (die auch noch unter die Erwachsenen-Kieferorthopädie fällt und damit keine Vertragsleistung mehr darstellt) oder ein chirurgisches zirkuläres Abtragen von Knochensubstanz (die zu einer weiteren Schwächung des Zahnes führt), um auch einen ausreichend breiten und damit dichten Kronenrand im Sinne einer Ferule anfertigen zu können.
2. Kombiniert endodontisch/parodontologische Prognose

Die Richtlinie B III 9.5 des Bema weist auf die kritische Prüfung hinsichtlich der kombinierten endodontisch/parodontologischen Prognose hin. Sobald ein Zahn mehrere pathologische Befunde aufweist, potenzieren sich die schlechten Voraussetzungen, also die ungünstige Prognose nimmt erheblich zu. Wenn beispielsweise schon ein „nur“ parodontal erkrankter Zahn schwierig zu erhalten ist (etwa Knochenabbau, freiliegende Bifurkation, Lockerungsgrad, Kippung), so muss die kritische Prüfung bei einer auch noch vorliegenden periapikalen Parodontitis ergeben, dass die Behandlung wegen ungünstiger Prognose keine Vertragsleistung mehr darstellt.

3.Kombiniert endodontisch/statische Prognose

Soll ein endständiger Siebener als Brückenpfeiler erhalten werden, der jedoch einen Kippungsgrad von mehr als 30 Grad aufweist, so führt dieser Kippungsgrad zu einem Ausschluss einer Brückenversorgung aus statischen Gründen. Damit ist der endodontische Erhalt des Zahnes im Hinblick auf eine prothetische Versorgung nach den Richtlinien kritisch zu prüfen.

Endo-Maßnahmen zur Prämolarisierunq haw. Wurzelamptutation

Zur vertragszahnärztlichen Versorgung gehört die Hemisektion mit Teilextraktion bei einem Molaren und die damit verbundene endodontische Behandlung (soweit nicht oben genannte Kriterien dies ausschließen). Sowohl die Prämolarisierung eines Molaren als auch das Verfahren der Wurzelamputation gehören im Gegensatz dazu nicht zur vertragszahnärztlichen Behandlung. Daraus folgt, dass auch die damit notwendige Wurzelbehandlung solcher Molaren nicht zur vertragszahnärztlichen Versorgung gehört. Auch die an einem solchermaßen therapierten Zahn nachfolgende prothetische Versorgung (einschließlich Stiftaufbauten, Aufbaufüllungen etc.) kann nur als Privatleistung erbracht werden.

Werden Nichtvertragsleistungen bei Kassenpatienten erbracht, dann sind auch die zugehörenden Begleitleistungen (im Rahmen der Endo-Maßnahmen zum Beispiel Anästhesien, Röntgenaufnahmen, Kofferdam, besondere Maßnahmen, elektrometrische Längenbestimmung usw.) privat nach GOZ zu berechnen.

Konflikte mit Krankenkassen vermeiden

Die aufgeführten Beispiele sind nur exemplarisch und bei Weitem nicht umfassend. Erfahrungsgemäß sind Patienten jedoch am endodontischen Erhalt ihrer Zähne sehr interessiert und bereit, die entsprechenden Kosten auch selbst zu tragen. Gleichzeitig versuchen sie vielfach trotzdem, einen Zuschuss ihrer Krankenkasse zu erhalten, und landen dann in der Regel bei Kassenangestellten, die nach gewohnter Art den Patienten davor „warnen“, beim Zahnarzt irgendetwas zu unterschreiben oder gar etwas zu bezahlen, da „die Wurzelbehandlung ganz klar Kassenleistung ist“. Dies lässt darauf schließen, dass die Angestellten nicht über die Richtlinien informiert sind. Aber selbst wenn sie es wären, könnten sie einerseits mangels fachlicher Qualifikation und andererseits mangels diagnostischer Unterlagen die konkrete Einzelsituation nicht beurteilen.

Bitte beachten Sie die Richtline 9. / 9.1.a / 9.4. / und 9.5

Zu Ihrer Information die Richtlinien B. III. 9:

B. III. 9. Zähne mit Erkrankungen oder traumatischen Schädigungen der Pulpa sowie Zähne mit nekrotischem Zahnmark können in der Regel durch endodontische Maßnahmen erhalten werden.

Die Wurzelkanalbehandlung von Molaren ist in der Regel
angezeigt, wenn
damit eine geschlossene Zahnreihe erhalten werden kann,
eine einseitige Freiendsituation vermieden wird,
der Erhalt von funktionstüchtigem Zahnersatz möglich wird.

9.1 Für alle endodontischen Maßnahmen gilt insbesondere:

a) Eine Behandlung im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung ist nur dann angezeigt, wenn die Aufbereitbarkeit und Möglichkeit der Füllung des Wurzelkanals bis bzw. bis nahe an die Wurzelspitze gegeben sind.

b) Medikamentöse Einlagen sind unterstützende Maßnahmen zur Sicherung des Behandlungserfolges; sie sind auf drei Sitzungen beschränkt.

c) Es sollen biologisch verträgliche, erprobte, dauerhafte, randständige und röntgenpositive Wurzelfüllmaterialien verwendet werden.

d) Die Wurzelkanalfüllung soll das Kanalvolumen vollständig ausfüllen.

e) Begleitende Röngenuntersuchungen (diagnostische Aufnahmen, Messaufnahmen. Kontrollaufnahmen) sind unter Beachtung der Strahlenschutzbestimmungen abrechenbar.

9.2 Eine Vitalamputation (Pulpotomie) ist nur bei Kindern und Jugendlchen angezeigt. Bei Milchzähnen mit Pulpitis oder Nekrose des Pulpengewebes kann eine Pulpektomie und Wurzelkanalbehandlung angezeigt sein.

9.3 Bei einer Nekrose des Pulpengewebes muss die massive bakterielle Infektion des Wurzelkanalsystems beseitigt werden. Nach der Entfernung des infizierten Pulpagewebes sollen die Wurzelkanäle mechanisch-chemisch ausreichend aufbereitet, desinfiziert und bis zur apikalen Konstriktion gefüllt werden.

9.4 Bei pulpentoten Zähnen mit im Röntgenbild diagnostizierter pathologischer Veränderung an der Wurzelspitze ist bei der Prognose kritisch zu überprüfen, ob der Versuch der Erhaltung des Zahnes durch konservierende oder konservierend-chirurgische Behandlung unternommen wird.

Für die Therapie von Zähnen mit Wurzelkanalfüllungen und apikaler Veränderung sind primär chirurgische Maßnahmen angezeigt.

Lediglich bei im Röntgenbild erkennbaren nicht randständigen oder undichten Wurzelkanalfüllungen ist die Revision in der Regel angezeigt, wenn damit
eine geschlossene Zahnreihe erhalten werden kann
eine einseitige Freiendsituation vermieden wird,
der Erhalt von funktionstüchtigem Zahnersatz möglich wird.

9.5 Bei kombinierten parodontalen und endodontischen Läsionen ist die Erhaltung der Zähne im Hinblick auf die parodontale und endodontische Prognose kritisch zu prüfen.

10. In der Regel ist die Entfernung eines Zahnes angezeigt, wenn er nach den in diesen Richtlinien beschriebenen Kriterien nicht erhaltungsfähig ist. Ein Zahn, der nach diesen Richtlinien nicht erhaltungswürdig ist, soll entfernt werden. Eine andere Behandlung von nicht erhaltungswürdigen Zähnen ist kein Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung.